St. Georg

Das Mysterium von Sonne und Schlange

Autor und Mentor S. Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

Autor und Mentor

Drachenorden in Ost und West - ewigeweisheit.de

Die Sonne ist die Kraft unseres Planetensystems. Von ihr hängt alles Leben auf unserer Erde ab. Ihr Magnetismus, ihre Wärme und ihre Schwerkraft gleichen einer makrokosmischen Dreiheit von Geist, Seele und Körper, die unseren vergleichsweise winzigen Planeten durchwirkt.

Alles geistig-himmlische assoziieren die Menschen seit ehedem mit der Sonne, während man der Schlange die Rolle der Erdkräfte, insbesondere der Kräfte der Unterwelt zuschreibt, wohin sie sich wohl auch tatsächlich zurückzieht um in Starre die Finsternis des Winters zu durchweilen.

Sonne und Schlange - Himmel und Erde

Den Finsterniskräften einer mythischen, sonnenvertilgenden Schlange, steht ein biologisches Reptil gegenüber, für das die Sonne geographisch zwar nicht erreichbar ist, es als Kaltblüter seine Körperwärme aber über das Licht der Sonne bezieht. So wie die mythologische Schlange alles licht- und sonnenhafte aufzehrt, so verschlingt die naturkundliche Schlange gierig ihre Beute, in einem Stück. Der Schlange ist das Begehren inhärent.

In den Sagen des klassischen Altertums taucht sie oft als Wesen auf, dass, so z. B. im alten Ägypten, gegen die lebenserhaltenden Kräfte der Sonne kämpft, und als riesiges Monster versucht die Sonne selbst in ihr finster-kaltes Wesen aufzusaugen. Das sagenumwobene Schlangenwesen scheint zu Grunde zu richten, auszulöschen und alles einverleiben zu wollen, was lebendig ist. Es will alles sich selbst gleich machen, zuweilen sich sogar selbst verzehren: als Ouroboros.

Da Drachen und Schlange, als Wesen der Erde, sich leicht mit allem Unterirdischen assoziieren lassen, ist in der Geomantie auch die Rede von Drachenströmen. Sie verlaufen im Erdgrund, doch tragen meist christliche Namen, die aber ganz und gar nicht abwegig sind, schaut man sich etwa die Symbolik von Michael und Maria im katholischen Christentum an, denn nach diesen beiden Heiligenfiguren sind diese Ströme benannt - zumindest in Nordeuropa.

Durch dies magnetische Strömen, das durch die Einwirkung der Sonne im Erdgrund wirkt, bildet sich das Gold der Alchemisten als geronnenes, kristallines Sonnenlicht. Möglicherweise eine Erklärung dafür, weshalb in verschiedenen Sagen und Märchen, ein Drache erst von einem Sonnenhelden getötet werden muss, bevor ein Goldschatz aus dessen Höhle geborgen werden kann.

Wegen der Begründung im biblischen Sündenfall, hat die Schlange in den abrahamitischen Religionen eine eher negative Konnotation, während sie als solares Weisheitssymbol im Buddhismus oder Hinduismus, z. B. für die Schöpferkraft steht. So etwa Vishnu, der sich als die zehn Avatare auf Erden inkarniert. Er liegt auf einem aus 1000 Schlangen geformten Bett, und badet so im kosmischen Milch-Ozean von König Shesha, dem Herrscher der Schlangengottheiten. Auch der dritte im Bunde der Trimurti, der Zerstörergott Shiva, wird in bildlichen Darstellungen stets mit einer Kobra um den Hals gezeigt.

Als Siddharta Gautama, eine dieser Inkarnationen Vishnus, am siebten Tag seiner Erleuchtung, unter einer Pappel in Meditation das Buddhatum erlangte, begann ein Monsunregen, als eine Riesenkobra an ihn herankroch, sich aufrichtete und ihren siebenköpfigen Schlangenkörper schützend über ihn wölbte.

In China charakterisieren Reptilien oft in Drachengestalt, auf Bildern, Reliefs und Skulpturen dargestellt, den fruchtbringenden Regen des Frühlings, und werden deshalb gerne als Glückssymbole verwendet.

Im 12.000 Jahre alten Tempel von Göbekli Tepe in der Türkei, findet man Stützpfeiler auf denen überwiegend Schlangenfiguren abgebildet sind, was ein Hinweis darauf ist, dass seit bereits sehr alter Zeit Schlangenkulte existiert haben müssen. Auch im 5. Kapitel der Vishnu Puranas wird von großen Schlangengöttern berichtet, die auf der Insel Atala gelebt haben sollen. Ebenso wie das aztekische Atzlan ist Atala ein anderer Name für Atlantis. Sowohl im aztekischen, wie im indischen Mythos wird überliefert, dass einst Schlangengottheiten subterrane Paläste bewohnt haben sollen. Das gibt Anlass zu der Vermutung, dass die atlantische Weltzivilisation von einem Schlangenkult geprägt gewesen sein könnte.

Hierauf Bezug nehmend, möchte ich überleiten zu einem ursprünglich sumerischen Mythos. Der solare Schlangengott Enki, ein Gegenstück zum griechischen Prometheus, kam auf die Erde als Erschaffer und Lehrer der Menschen. Er gründete die Bruderschaft der Schlange, deren Mitglieder sich nach der atlantischen Katastrophe angeblich in zwei Gruppen getrennt hatten: In den Orden des roten Drachen, der seitdem die Geschicke der westlichen Zivilisation lenkt, angeblich aus dem im Erdinnern befindlichen Königreich von Agartha (auch: Agarthi) – während der Orden des gelben Drachen vom himmlischen Shambhala aus, über das Schicksal der östlichen Zivilisation wacht.

Eine Legende aus diesem Mythenkreis berichtet wie die Priester des Roten Drachen von Agartha, durch Invokation ihre Initianden in die Geheimnisse der Erde einweihten, das heißt, dass dabei Wesenheiten durch Anrufung eingeladen wurden.

Die Priesterschaft des Gelben Drachen führte traditionsgemäß Evokationen aus, wobei die Anwesenheit von Wesen der geistigen Welt angeblich erzwungen wurde, um so die Mysten in die Erscheinungsformen der Sonne einzusegnen.

Sagen, Fabeln, Geschichten

Vermutlich rührt der Mythos von der Gründung zweier Bruderschaften im Mittelalter her. Vielleicht hat er sich in den letzten 500 Jahren verbreitet.

Anfang des 15. Jhd. wurden fast zeitgleich zwei Bruderschaften in Europa und Asien gegründet: Die Bruderschaft des Drachen, einem katholischen Ritterorden der von Kaiser Sigismund im Jahre 1408 zur Verteidigung des Christentums gegen die eindringenden Osmanen ins Leben gerufen wurde.

Sein Emblem: ein roter Drache. Ein Jahr später, im Jahre 1409 wurde in Tibet vom Manjushri-Eingeweihten Tsongkhapa, in der Nähe von Lhasa das Kloster Ganden gegründet, aus dem die Gelug-Schule hervorging, der buddhistische Orden der gelben Drachenmützen.

Die Religionen des Okzident glauben an eine innere, verborgene Kräfte. Sie richten sich auf einen zentralen, einzigen Gott aus. Sie glauben an ein, sagen wir, »Konzept« eines Weltendes, wie etwa das jüngste Gericht der Christen oder die »Götterdämmerung« nordischer Mythen. Die spirituelle Auffassung im Orient hingegen, geht aus von einer transzendenten Ewigkeit eines zeitlosen Buddha, dessen Weisheit, da ewig, wie es scheint nicht im selben Umfang geheim gehalten werden muss.

Im Westen werden religiöse Weisheitslehren, insbesondere im Christentum, Judentum und Islam, scheinbar aufgespart und nur gleichnishaft überliefert, während die Lehren östlicher Weisheitstraditionen meist deutlicher erscheinen und dem Vernehmen nach einfacher zu begreifen sind, als z. B. die Gleichnisse der Evangelien, die sich manchem auf den ersten Blick offenbar nichts sagend vorstellen. Östliche Weisheit scheint näher am Leben und geerdeter zu sein, während die westlichen Geisteslehren mit dem wirklichen Leben anscheinend nicht all zuviel zu tun haben – zumindest oberflächlich gesehen.

Die beiden oben vorgestellten Bruderschaften bildeten sich vermutlich, um in der alten Welt eine Polarität aufrecht zu erhalten, die auf dem Widerstreit von Licht- und Finsterniskräften gründet und bis ans Ende des Fischezeitalters vorherrschen sollte. Es sind also zwei Pole, die aber streng genommen eigentlich eine Dualität wiedergegeben, denn würden sie polar-verbunden erscheinen, erführe man wohl ihr innerstes Geheimnis.

Soll damit also der Zugang zu einem der größten Geheimnisse der Menschheit verschleiert werden? Es scheint doch nämlich eine dritte Kraft zu existieren, über die eben jene beiden Pole verbunden sind. Schaue wir in die mythische Zeit unserer Menschheitsgeschichte tauchen da im Okzidents vermeintliche Gegensatzpaare auf, als Sonne und Mond, Michael und Drachen, Mithras und der Stier, Theseus und Minotaurus, Zeus und Typhon, Apollon und Python, Osiris und Seth oder Adler und Schlange.

Auf jene dritte Kraft kommen wohl all jene die den Mysterienweg gegangen sind, die starben um wieder aufzuerstehen: im ägyptischen Memphis, im griechischen Samothrake oder in Eleusis: Die Initianden wurden dem »Einen« geweiht, indem man ein vorübergehendes Auslösen der Seele aus dem Körper, durch eine Art Todeserfahrung erzielte. So wurde aus dem Initianden eine »kluge Schlange«, wie sie einst Jesus beschrieben hatte.

Initiation ist keine Wissenschaft die durch Sprache vermittelt werden kann, sondern eine Einsicht, in deren Besitz man nur durch unmittelbares Erleben kommt – eine Erfahrung die physiologisch über die Nervenimpulse im Rückenmark, in das Bewusstsein des Initianden eintritt und wie überliefert wurde, als ein inneres, sonnenhaftes Licht wahrgenommen wird.

Hier gibt es eine interessante thematische Verbindung zur biologischen Schlange, da das verlängerte Rückenmark, eine evolutionsbedingt reptilienartige Körperstruktur ist. Die Gehirnbrücke, die vom Kleinhirn und Großhirn aufgenommen wird, bezeichnet man in der Anatomie auch als Reptilienhirn. Das eine Art Ur-Reptil, einen Teil unseres Körpers bildet, glauben auch die Jivaro, peruanische Ureinwohner des Amazonas. Einst sollen riesige, schwarze, flugsaurierartige Fischwesen aus dem Weltall gekommen sein, da sie sich vor etwas weit draußen in der Galaxie auf der Flucht befanden, und auf der Erde landeten, um ihren Verfolgern zu entrinnen. Sie brachten angeblich das Leben auf der Erde hervor und waren die wahren Meister des Planeten und der Menschheit. Die Menschen seien nur die Diener und Behälter dieser Reptilienwesen.

Manche New-Age-Forscher und Ufologen vermuten, dass die mächtigsten Familien der Welt, durch reptiloide Wesen, die vom Orion-Sternbild stammen sollen, in ihren Entscheidungen beeinflusst und gelenkt werden, weil diese mit anderen außerirdischen Wesen, wie z. B. den »Plejadiern«, um die Vorherrschaft auf Planet Erde kämpfen. Solche Nachrichten erinnern sicherlich an Sciencefiction, doch lassen sich die Ursprünge solcher Geschichten durchaus in verschiedenen Legenden finden, wie z. B. die der indigenen Tolteken, der Azteken und der Maya. Einst soll die Sonnengottheit Quetzalcoatl, die leuchtende Schwanzfederschlange auf die Erde als Schöpfergott und Lehrer der Menschen gekommen sein, von der geglaubt wird, dass sie wiederkehren werde, um über das Weltreich der Erde zu walten.

Ein ähnliches Wesen existiert auch in zentralasiatischen Mythen: der Simourgh-Vogel.

Im alten Ägypten war es der Vogel Benu, der vermutlich auch etymologisch mit dem rotgoldenen Feuervogel Phönix identifiziert werden kann, der laut eines anderen Mythos als Stammvater der Phönizier angesehen wird, jenem Volk dem wir die Verbreitung unserer Schrift zu verdanken haben.

Annunaki - ewigeweisheit.de

Ein Unterweltsdämon wie er in alten Mesopotamischen Basreliefen häufig dargestellt wird. Manche meinen, solche Wesen kamen von fernher auf die Erde, um dort die Zivisation der Menschheit zu erschaffen.

Von Drachen und Sonnenkönigen

In den Texten des ägyptischen Totenbuchs scheint es auf den überirdischen oder unterirdischen Aufenthaltsort anzukommen, ob man einer Schlange als Gegner oder als Helfer begegnet, je nachdem wo im zyklischen Verlauf einer Geschichte man sich gerade befindet. Der einstige Sonnengott Osiris wurde von seinem finsteren Bruder Seth ermordet, einem von späthellinistischen Griechen mit dem drachenköpfigen Typhon gleichgesetzten Ungeheuer.

Der selbe Seth ist es auch, der auf dem Bug der Sonnenbarke stehend, mit seinem Speer in der nächtlichen Unterwelt die Apophisschlange bekämpft, um dem Sonnengott Ra, seinen Aufgang am kommenden Morgen zu ermöglichen. Sonne, Mond, Licht, Finsternis, Schlange und Auge bildeten bei den alten Ägyptern ein »antagonistisches System«, aus welchem sich, je nach mythischem Zusammenhang, eine bestimmte, archetypische Wesenheit oder Konstellation manifestieren kann.

Der Sonnengott Ra formte aus dem aus seinem rechten Auge austretenden feurigen Strahlenschein die Uräusschlange. Als goldenes Herrscherdiadem trugen die Pharaonen dieses solare Reptil auf ihrem Haupt. Gekrönt mit diesem Emblem, wähnten sie sich unbesiegbar, sollte doch der Gluthauch der Uräus ihre Feinde vernichten können.

Den beiden Urformen, Sonne und Auge, begegnen wir auch wieder in der Biologie: Als vor 100 Mio. Jahren die ersten Nager, die Vorfahren der Primaten, aus ihren Höhlen krochen und begannen aktiv zu werden, überwiegend im Sonnenlicht, verbesserte sich evolutionsbedingt die Funktion des Sehens um ein Vielfaches – warum? Damit sie ihre Feinde, insbesondere Schlangen, schneller erkennen konnten.

Licht, Auge, Sonne und Schlange stehen sich ihrem Sinn gemäß also näher, als man zuerst vermutet. Sowohl in der Mythologie des Ostens als auch des Westens, in der Biologie, und, wie wir später noch sehen werden, ebenfalls im Zusammenhang mit Feuer und Metall, zeigen sich Sonne und Schlange als äußerst ambivalente Erscheinungen, die sich auf geheimnisvolle Weise gegenseitig ergänzen oder sich sogar in einander umwandeln können.

Auf diese Ambivalenz wurde seit jeher in vielen Sagen von Sonnenhelden hingewiesen, die zunächst aus der Finsternis kommend, ganz gleich ob nun aus einer physischen Dunkelheit oder aus geistiger Umnachtung, sich auf eine Reise begaben, um das verlorene Licht oder Feuer wiederzufinden und den Menschen zurückzubringen – eine Art Paradies, das sich in die physische Welt versenkt hatte und von dort von einem Erlöser, aus seinen materiellen Verstrickungen befreit, aus der Dunkelheit emporgehoben wurde: Dafür steht die solare, das Erdreich mit ihrem Magnetismus belebende Schlange, wie wir sie auf dem Baum der Erkenntnis von Gutem und Bösem in der Bibel antreffen – oder als die auf dem Baum des ewigen Lebens wachende Schlange der atlantischen Hesperiden. Es ist ebenfalls diese Schlange, die am Stab des Heilergottes Asklepios empor kraucht, dem Sohn des Sonnengottes Apollon.

Prometheus, der Bruder des Atlas, war Kulturstifter, laut Ovid sogar Erschaffer der Menschen. Dem griechischen Held Herakles wies er den Weg nach Westen, wo er mit Atlas den Drachen der Hesperiden überlistete, um an die Äpfel des ewigen Lebens zu gelangen. Prometheus brachte den Menschen auch das Feuer, trotz dass Zeus es ihnen versagte. Als der Göttervater entdeckte, dass er es den Menschen nicht wieder nehmen konnte, bestrafte er Prometheus, den er im Kaukasus vom Himmelsschmied Hephaistos an einen Felsen ketten ließ, wo ein schrecklicher Adler täglich von seiner Leber zehrte.

Die in diesem Mythos beschriebene Himmelsschmiede steht wohl auch in Bezug zur Region des kaukasischen Georgiens, in dem bereits vor 7.000 Jahren Erze zu Metall verarbeitet wurden.

Georgien ist auch das Land aus dem die früheste Erwähnung der Drachentöter-Legende des heiligen St. Georg bekannt ist, auf den im Mittelalter die Eigenschaften des solaren St. Michael übertragen wurden, jenem Erzengel, der laut christlicher Überlieferung den rebellierenden Lichtfürsten in den Abgrund stürzte – wo er sich in die böse Schlange Satan verwandelte und angeblich seither aus der Unterwelt versucht die Herrschaft über die Erde an sich zu reißen.

Von einer anderen Drachentöter-Legende erfahren wir in der germanischen Nibelungensage. Dort ist es der rotblond gelockte Siegfried, der von einem Schmied namens Mime in einer Waldhöhle erzogen wird. Mit seiner Hilfe schmiedet Siegfried das Zauberschwert Balmung, womit er den schrecklichen Drachen Fafnir tötet, um damit einen riesigen Goldschatz in Besitz zu nehmen. Eigentlich aber sind die wirklichen Besitzer des Schatzes die sagenhaften Nibelungen, doch Siegfried, von seiner Goldgier überwältigt, möchte den ganzen Schatz für sich behalten. Damit zieht er einen Fluch auf sich: Er vergisst seine Vergangenheit und auch seine Liebe Brunhilde, die ihm dafür eines Tages, durch seinen Widersacher Hagen, ihre Rache tödlich spüren lassen wird (Hagen ist der Neffe des getöteten Drachen).

Die visuelle Sinnenbindung an den Glanz des Sonnenmetalls, veranlasste also Siegfried eine Bestie zu beseitigen, doch die chtonischen Begierdekräfte gingen auf den Drachentöter über. Ihm kam ein Blutstropfen des getöteten Drachen auf die Zunge, er schmeckte seine Zauberkraft und nahm daraufhin sogar ein Bad im Blut des Drachen, das ihn unverletzlich machte. Vielleicht ist das Drachenblut auch eine symbolische Manifestation des Menschen innerster Angst vor dem Tod, etwas, über das er sich mit irdischen Reichtümern hinwegzutäuschen versucht.

Wie die Sonne, kann auch das Schwert mit der Schlange kulturhistorisch in Verbindung gebracht werden: Die Waffen des Mittelalters trugen Schlangenverzierungen oder hatten einen Drachenkopf als Knauf. Insbesondere in künstlerischen Darstellungen aus dem Mittelalter finden sich Schlangenlinien in den Hohlkehlen von Schwertklingen. Zudem wurden die Schichten des Stahls auf bestimmte Weise »verdreht«, womit der Schmied eine »Schlängelung« der Metallfasern bewirkte, um so eine Härtung des Stahls zu erzielen. Eine andere Form der Metallhärtung geschieht durch Abschrecken des glühenden Stahls in einem Wasserbecken.

Einen interessanten Bezug zum Element Wasser gibt es auch in der Geschichte der griechisch-orthodoxen Heiligen Margarete von Antiochien, einer christlichen Drachenbezwingerin und der Schutzpatronin des zuvor erwähnten Drachenordens. Die griechische Form ihres Namens, Marina, bedeutet »Vom Meer stammend«. Margarete als Name ist allerdings persischen Ursprungs. »Morvarid« bedeutet auf persisch »Kind des Lichts« – ein besonderer Name für das Wort »Perle«, da in der persischen Mythologie die Perle durch die Umwandlung eines Tautropfen durch das Mondlicht entsteht. Wasser und Mond bilden also Variablen, die sich in die »Familie« der Schlangensymbole einreihen lassen. Der Mond, wie man ihn etwa im Bildnis der Mondsichelmadonna findet, weist auf die Offenbarung des Johannes hin. Dort steht eine Schwangere auf dem Mond, die von einem Drachen verfolgt wird. Das ist sozusagen die biblische Fortsetzung der Geschichte des gestürzten Erzengels, der sich an der Menschheit und an Gott rächen will, doch im letzten apokalyptischen Gefecht gegen den Sonnenfürsten Michael, von diesem endgültig geschlagen wird.

Schlangenlinien und Sonnenkräfte

Schon vor tausenden von Jahren ahnten Menschen, dass die sichtbare Wirklichkeit nur die Erscheinungen einer im verborgenen Kraft sind. In der indischen Philosophie ist Maya die Göttin der Illusion, aus der sich alles in der Welt manifestiert. Sie verschleiert die kreative Kraft Shakti, die den Menschen in der Materie manifestiert erscheint. Was zu Materie wurde, gleicht dem Schatten einer eigentlich geistigen Wirklichkeit. Anfang des 20. Jhrhunderts gab Albert Einstein's Relativitätstheorie dem auch einen wissenschaftlich erklärbaren Rahmen.

Sichtbar für die Augen ist alles, das sich mit hoher Frequenz in Schwingung befindet oder etwas hoch Schwingendes reflektiert, das von einer materiellen Form ausgeht und letztendlich einer im Vakuum geronnenen Lichtwirkung gleichkommt, die sich zu kristallinen Materiestrukturen verfestigte.

Im sogenannten »Einheitlichen Feld«, vom dem die Quantenphysik spricht, bestehen polare Wechselwirkungen bestimmter, objektiver Kraftfelder, die, ab einer sehr hohen Umdrehungs-Frequenz, beginnen Licht auszusenden. Damit dieses Licht Wirklichkeit wird, bedarf es eines relativen Beobachters, wodurch eine Polarität von dem was leuchtet und dem was dieses Leuchten wahrnimmt aufgespannt wird – ohne Auge, kein Licht.

Wär nicht das Auge sonnenhaft, die Sonne könnt es nie erblicken.

- Goethe

Physikalisches Licht gleicht einer polaren, schlangenförmigen, raumzeitlichen Ausbreitung zweier Kräfte: Elektrizität und Magnetismus, die aus einer androgynen, für uns nicht wahrnehmbaren, da unsichtbaren Energie, in eine sich bedingende, untrennbare Zweiheit der Bewegung »gestürzt« ist, worauf vielleicht auch der Luzifermythos hindeutet. Die Tatsache, dass erst durch Polarität Wahrnehmung entstehen kann, führt zu dem Schluss, dass Einheit von Unveränderbarkeit, Ewigkeit und Formlosigkeit begleitet wird.

Alles Ewige unterliegt keiner Veränderung und auch keinem Kreislauf. Leben kann deshalb nur, was zwar an der Ewigkeit teilnimmt, als Polarität unbedingt aber sterben muss, um wieder in die Einheit zurückzukehren.

Der Lauf des Lebens beginnt als Geburt aus der Dunkelheit – ob nun aus dem finsteren Weltraum, aus dem Mutterleib oder dem unter der schwarzen Erde keimenden Samen, der den Erdboden irgendwann durchbricht, um in den Tag zu wachsen. In Ägypten symbolisiert diesen Vorgang die Geburt des Sonnenkäfers Skarabäus, den der warme, schwarze Nilschlamm bebrütet, bis er schließlich aus seiner Hülle schlüpft, um alsdann zur Sonne empor zu fliegen.
Es ist immer eine Geburt aus der Finsternis hinein ins Licht.

Die Dinge fangen im Unsichtbarem an, treten aus dem Verschlossenen in die Wahrheit der Gegenwart. Für diesen Vorgang steht als Sinnbild das Ei. Aus einem Ei schlüpft ein Insekt, ein Fisch, ein Vogel oder eine Schlange – letztere beiden weisen im ägyptischen Mythos ebenfalls auf eine Verwandtschaft, denn in den Pyramidentexten finden wir des Öfteren Geier und Schlange dargestellt, die das Auge des Sonnengottes beschützend flankieren. Hier wird wieder der Zusammenhang zwischen Licht und Materie, zwischen Sonnenkraft und Schlangenkraft deutlich.

Alles ist lebendig, das sich von selbst und anderes bewegen kann. Das gilt ebenso für unser Zentralgestirn Sonne, um deren Zentrum sie sich selbst und mit ihr alles dreht was sich im Sonnensystem befindet – auch das Leben im Wechsel der Jahreszeiten, wird aus dieser Drehung immer wieder von Neuem geboren. Doch wie insbesondere durch die vier Jahreszeiten verdeutlicht, ist für das Aufrechterhalten der Lebenszyklen auch ein Opfer notwendig – stirbt doch ein gewisser Teil des animalischen und vegetarischen Lebens im Winter ab, woraus dann wieder Nahrung auf der Erde entsteht, für einen kommenden Sonnenzyklus.

Opfer verkörpern auch die Symbole des gekreuzigten Jesus oder der von Moses im Sinai am Kreuz aufgerichteten, ehernen Schlange: die flüchtigen, heilkräftigen Christus- bzw. Schlangenkräfte (Magnetismus) sollen auf den Betrachter übertragen und durch das Sinnbild des Kreuzes auch in ihm fixiert werden. Drum windet sich auch eine symbolische Schlange um den Stab des Arztes Asklepios, während sich sein Vater Apollon im ägäischen Delos selbst einmal als Schlange oder in Delphi als Verkörperung der Kräfte der Erleuchtung und der Erkenntnis zeigt, wenn er eben als Sonnenheld das Orakel von einem Reptil, vom Drachen Python befreit.

Ein anderes, in verschiedenen Mythen verwendetes Symbol, in dem sowohl Sonne als auch Schlange vereint sind, ist der hermetische Heroldstab. Dieses Symbol wird auch verwendet in Bezug auf die feinstoffliche Ebene des menschlichen Körpers: In der vedischen Esoterik ist die Rede von zwei Schlangen Ida und Pingala, die als »Kundalini-Kraft« jeweils um den zentralen, sogeannten »Shushumna-Nadi«, entlang der Wirbelsäule aufsteigen – einer Symbolik die gewiss dem zuvor skizzierten Stab des Hermes entspricht.

Den Sonnenkräften im Menschen entspricht das sinnbildliche Herz. Es teilt auf Höhe des Herzchakra die Bahn der Schlange Kundalini in zwei Hälften: drei geistig-ätherische und drei seelisch-körperliche Energiezentren.

Kundalini und Sonnenlicht sind von zweifacher Natur und können entweder richtig oder missbräuchlich angewendet werden – wirken aufbauend oder abbauend, lebensfördernd oder lebenszerstörend.

Wenden wir unseren Blick nun aber noch einmal nach Sumer: Da beschreitet der mythische König Gilgamesh auf seiner Reise einen Weg zu sich selbst. Nach dem Tod seines Freundes Enkidu, wird er sich auch seiner eigenen Sterblichkeit bewusst und irrt aus Angst vor dem Tod lange umher, bis er zu den Skorpionmenschen kommt, die den Weg der Sonne bewachen.

The Phanes-Eros - Illustrated by Selim Oezkan - ewigeweisheit.de

Der alt-griechische Gott Phanes-Eros.

Er befragt sie nach dem Aufenthaltsort des ehrwürdigen Helden der Sintflut, der angeblich den Odem der Unsterblichkeit besitzt. Ihn will er befragen über Leben und Tod. In der Unterwelt erscheint ihm der Sonnengott und lässt Gilgamesh wissen, dass er das ewige Leben nach dem er sucht, nicht finden wird. Am Ufer des morgendlichen Sonnenaufgangs erreicht Gilgamesh schließlich den Unsterblichen.

Dieser stellt Gilgamesh eine Aufgabe: er solle dem Schlaf, solle dem Bruder des Todes widerstehen – doch Gilgamesh schläft ein – als er erwacht erkennt er, dass er nicht für die Unsterblichkeit geschaffen sei. Die Frau des Unsterblichen aber legt für Gilgamesh ein gutes Wort ein, da er große Mühen auf sich genommen hat, um hierher zu kommen. Man solle ihm doch bevor er abreist ein Geschenk machen. Der Unsterbliche offenbart Gilgamesh also ein verborgenes Geheimnis der Götter: Auf dem dunklen Grund des Meeres, wüchse eine Pflanze, die neues Leben verleiht. Gilgamesh holt sich diese Pflanze aus der Tiefe, doch eine Schlange entwendet sie ihm flink und verjüngt sich auf der Stelle, indem sie ihre alte Haut abstreift. Wieder begnen wir einem Antagonismus von Sonne und Schlange: Diesmal aber kommt das Licht der Sonne aus der Vergangenheit, während die Finsterniskräfte der Schlange für die Zukunft stehen, da sie durch ihr Wesen die Vergänglichkeit des Lebens ankündigen.

Aus den Mythen des Altertums in West und Ost lernen wir, dass der Mensch als Bindeglied dieser vermeintlichen Trennung von Oberem und Unterem und als Mittler zwischen Göttlichem und Irdischem gesehen werden kann, so wie auch das menschliche Herz im Körper die Kohärenz zwischen Denken und Fühlen bildet. Durch die Verbindung dieses antagonistischen Systems in uns, im Jetzt, können wir beide, Sonne und Schlange, Geistiges und Materielles, Himmel und Erde, in ihrer ursprünglichen, heilsamen Einheit erfahren.

Die beiden widerstrebenden Strömungen sind letztendlich nichts anderes als Synonyme für die Trennung der Erlebnisse von Denken und Erfahren, etwas das z. B. auch Religion von Wissenschaft abgrenzt. Über Jahrhunderte hinweg verteufelte die Kirche alles, was uns die Natur lehrt. Man denke nur an die mittelalterlichen Auffassungen über die Beschaffenheit der Welt, wie sie aus Sicht des Klerus angeblich durch Kolumbus, Galilei oder Bruno in Frage gestellt wurden. Bestimmt einer der Gründe, dass sich seit dem Zeitalter der Aufklärung eine so vehemente Ablehnung entwickelte, gegenüber der Kirche, dem Glauben und einem christlichen Gott. Materialistisches Vernunftdenken lehnt eine Gottesvorstellung deshalb bis heute kategorisch ab, da für viele das Wort Gott eine Personifikation ist. Darum sei nochmals hervorgehoben, weshalb vielleicht die Ideen die zu uns aus buddhistisch geprägten Traditionen gekommen sind, toleranter aufgenommen werden, da sie eine transzendente Weltsicht vertreten, als die eines immanenten, monotheistischen Gottes der Vergeltung, wie er uns aus dem Pentateuch erscheint.

Es wird immer eine Gruppe von Menschen geben, die unablässig bemüht ist die Gegensätze der beiden, immanenten und transzendenten Weltsichten in einer gemeinsamen, ewigen Philosophie zu versöhnen. Glauben und Vernunft, Religion und Wissenschaft können zu einer lebendigen Einheit, in einem organischen Ganzen verschmolzen werden, was Aufgabe der Menschen des neuen Weltzeitalters sein wird.


Die bildlichen Darstellungen Jesu Christi mit seinem bekannten Fingerdeut weisen auf das Herz – die Sonne im Körper – das Organ der Erleuchtung. Im indischen Vedanta ist das Anahata, das Herzchakra, mit einem Hexagramm gekennzeichnet, dem Symbol der Vereinigung von Äther und Stoff. Es ist ein Versuch beides, Geistiges und Körperliches zu er- und beleben, ohne eines von beiden zu leugnen. Zwar setzt die Wahrnehmung eine Trennung, einen Kontrast voraus, durch den die Dinge überhaupt erkennbar werden, denn nur was sich in der Polarität befindet, kann der Mensch erfassen. Doch beide, Sonne und Schlange, Geist und Materie, Himmlisches und Irdisches, sind nur Erscheinungsformen der im allegorischen »kosmischen Ei« enthaltenden unbegrenzten Wirklichkeiten der Einheit, die die hermetische Tradition als »das einige Ding« oder die moderne Physik als einheitliches Feld bezeichnen.

Die wohl treffendste Darstellung der hier diskutierten Pole von Sonne und Schlange, wie sie als feurige Kraft aus der Einheit zum Vorschein kommen, ist deutlich versinnbildlicht in der Gestalt des leuchtenden Gottes Phanes-Eros aus der griechischen Mythologie. Von einer Schlange umwunden, entsteigt er als Sonnengott aus den beiden Hemisphären eines kosmischen Ovals. Bei den Orphikern war der aus dem Ei entsteigende Phanes-Eros der Urschöpfer allen Lebens und die treibende Kraft aller Reproduktionen im Kosmos.

Die Orphiker sahen in Phanes-Eros den Ursprung der Kräfte von Licht, Liebe und Leben, die seither in der Welt umherschweifend bestrebt sind, die ursprüngliche Einheit wieder herzustellen, was den Zyklus von Werden und Vergehen in der Ewigkeit zeitigt.

 

Weiterlesen ...

Wer ist Al-Khidr?...

Autor und Mentor S. Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

Autor und Mentor

Chidher, der ewig junge, sprach
 Ich fuhr an einer Stadt vorbei,
 Ein Mann im Garten Früchte brach;
 Ich fragte, seit wann die Stadt hier sei?
 Er sprach, und pflückte die Früchte fort:
 Die Stadt steht ewig an diesem Ort,
 Und wird so stehen ewig fort.
   Und aber nach fünfhundert Jahren
   Kam ich desselbigen Wegs gefahren.

Da fand ich keine Spur der Stadt;
 Ein einsamer Schäfer blies die Schalmei,
 Die Herde weidete Laub und Blatt;
 Ich fragte: wie lang ist die Stadt vorbei?
 Er sprach, und blies auf dem Rohre fort:
 Das eine wächst, wenn das andre dorrt;
 Das ist mein ewiger Weideort.
   Und aber nach fünfhundert Jahren
   Kam ich desselbigen Wegs gefahren.

Da fand ich ein Meer, das Wellen schlug,
 Ein Schiffer warf die Netze frei,
 Und als er ruhte vom schweren Zug,
 Fragt ich, seit wann das Meer hier sei?
 Er sprach, und lachte meinem Wort:
 Solang als schäumen die Wellen dort,
 Fischt man und fischt man in diesem Port.
   Und aber nach fünfhundert Jahren
   Kam ich desselbigen Wegs gefahren.

Da fand ich einen waldigen Raum,
 Und einen Mann in der Siedelei,
 Er fällte mit der Axt den Baum;
 Ich fragte, wie alt der Wald hier sei?
 Er sprach: der Wald ist ein ewiger Hort;
 Schon ewig wohn ich an diesem Ort,
 Und ewig wachsen die Bäum hier fort.
   Und aber nach fünfhundert Jahren
   Kam ich desselbigen Wegs gefahren.

Da fand ich eine Stadt, und laut
 Erschallte der Markt vom Volksgeschrei.
 Ich fragte: seit wann ist die Stadt erbaut?
 Wohin ist Wald und Meer und Schalmei?
 Sie schrien, und hörten nicht mein Wort:
 So ging es ewig an diesem Ort,
 Und wird so gehen ewig fort.
   Und aber nach fünfhundert Jahren
   Will ich desselbigen Weges fahren.

- Friedrich Rückert

Al-Khidr - ewigeweisheit.de

Rückerts tiefsinniges Gedicht Chidher drängt dem Leser eine Frage auf: Von wem ist hier die Rede? Zwar hätten viele darauf eine Antwort, doch wohl kaum wäre man sich einig, wer diese sagenhafte Gestalt wirklich ist. Manche sagen er sein ein Dschinn, andere sprechen von einem entrückten Propheten. Wie andere sehen in Al-Khidr einen, seit uralter Zeit auf der Erde wandelnden Diener der Menschheit.

Alleine schon die Vielzahl an Namensversionen, macht stutzig: man nennt ihn auch Al-Chidr, Chiser, Chisr, Al-Khadir, Khader, Khadr, Khizr, Khizir, Khyzer, Qiezr, Qhezr, Qhizjer, Qhezar, Khizar, Xızır oder Hızır - um einige Schreibweisen anzuführen. In der islamischen Welt ist er damit also weit bekannt. Wir wollen uns im Folgenden aber mit dieser Version begnügen: Al-Khidr.

Wegen der sprachlichen Ähnlichkeit des arabischen Wortes für "Grün", Al-Chadra, brachten die alte Arabern den Namen Al-Khidrs in Verbindung mit der im Frühjahr wieder auflebende Natur. Drum wird er eben auch der "Grüne Prophet" genannt. Die Legende von dem Wundermann stammt für manche sogar noch aus älterer, vor-islamischer Zeit. Sicher haben die Legenden, um den sagenhaften Chidr, ihren Ursprung aber im semitischen Monotheismus.

Im Koran findet sich zwar keine namentliche Erwähnung der Wundergestalt Al-Khidr, doch es gibt Anspielungen auf ihn, wo die Rede ist von einem rechtschaffenen Gottesdiener. Er soll aber über große Weisheit und mystisches Wissen verfügen, womit er jemand wäre, den die Sufis Wali Allah nennen - einen "Gottesfreund". Denn als solcher ist er, nach sufischem Verständnis, tätig als Mittler zwischen Mensch und Allah, und ein Bindeglied zu Gott.

Al-Khidr hat viele Identitäten

Der Überlieferungen nach wird Al-Khidr manchmal gleichgesetzt mit dem Propheten Moses. Ein andermal ist er identisch mit Alexander dem Großen. Wieder andere setzen ihn mit Elias gleich.

Manchmal erscheint er in den Legenden plötzlich an diesem, plötzlich an jenem heiligen Ort. Vom abbasidischen Kalifen Harun Al Raschid (763-809) heißt es, er sei eigentlich der Al-Khidr gewesen, da er sich, ebenso wie jener, mal hier und mal dorthin begab, ein Vielbereister war. So hat die Figur gewiss auch hermetische Züge.

Er ist für manche der unsterbliche Schutzherr der Wanderer und Seefahrer, dessen Seele unstet und immer auf Reisen ist. In der islamischen Gemeinde der Ismailiten (Anhänger des Imam Aga Khan), gilt Al-Khidr als einer der fortdauernden Imame (spirituellen Lehrer), der seit jeher die Gläubigen auf ihrer Lebensreise als ewiger Wanderer begleitet. Dem ähnelt die Annahme, bei Al-Khidr handele es sich um die islamische Form des ewigen Priesters Pinehas, von dem im Tanach die Rede ist. Insbesondere der entrückte Prophet Elias, der dereinst wiederkehren soll: mit ihm wurde immer wieder Al-Khidr auf eine Stufe gestellt. Später setzte man ihn auch gleich mit dem Heiligen St. Georg. Alle drei, Pinehas, Elias und auch St. Georg, waren heldenmütige Eiferer für die spirituellen Gesetze.

Andere Muslime sprechen in ihrem Glaubenseifer über Chidr, wie über einen Propheten, der in der Reihe der Verkünder der frohen Botschaft von Bibel und Koran steht. Manche Fromme erzählen, ihnen sei Al-Khidr sogar erschienen. Sie wollen ihn mit eigenen Augen gesehen und mit ihm sogar gesprochen haben.

Vor allem in Träumen, scheint Al-Khidr aufzutauchen, und dem Träumer Frage und Antwort zu stehen.

Gebet um Al-Khidr zu begegnen

Bismillah ir-Rahman ir-Rahim
Bismillah ir-Rahman ir-Rahim
Bismillahi al Aman al Aman
Ya Hanan al Aman al Aman
Ya Manan al Aman al Aman
Ya da Yan al Aman al Aman
Ya subhan al Aman al Aman
Ya burhan al Aman al Aman
Min fitna tiz Amani wa dschafa
Il ikhwani wa schar risch schaitan
Wa sulmis sultan be fadhlika
Ya Rahim Ya Rahman
Ya zul Jalali wal ikram
Wa sall Allahu ala khairi khaliqi
hi Muhammadin wa alihi wa as habi hi adschmain bi Rahmatika
Ya Arham ar Rahimin
Wa sall Allahu ala Khairi
Khaliqi Hi Muhammadin
Wa alihi wa as Habi
Hi Adschmain bi Rahmatika
Ya Arham Ar Rahimin

Manche rezitieren dieses Gebet (arabischer Sprache) um Al-Khidr zu begegnen. Er soll dann dem Betenden im Traum erscheinen und ihm Rat und Führung geben. Einzige Voraussetzung soll sein, dass man zuvor die rituelle Waschung durchführte und danach, bevor man zu Bett geht, als letzte Tätigkeit des Tages dieses Gebet aufsagt. Danach lege man sich auf die rechte Seite und versuche einzuschlafen.

Im Traum sah ich Al-Khidr, der mich zehn Worte lehrte und sie mir an seinen Händen aufzählte: O Allah, ich bitte Dich, dass ich mich Dir immer schön zuwende, auf Dich höre, verstehe, was Du mitteilst, dass ich in Deiner Sache tiefste Einsichten erlange, Dir wirklich gehorsam bin, beharrlich Deinen Willen erfülle, Dir damit eifrig diene, mit Dir nur in Höflichkeit verkehre, mich Dir freudig anheimgebe und Dein Antlitz schaue.

- Überlieferung von Ibrahim Al-Maristani

Al-Khidr - ewigeweisheit.de

Die Quelle des Lebens (rechts im Bild). Im Hintergrund links oben: Alexander der Große, der anscheinend immer noch auf der Suche nach dieser Quelle ist, während sie Al-Khidr bereits fand. Ausschnitt aus einer Miniatur von Nezami Ganjavi (1141–1209).

Eine Begegnung mit Al-Khidr

Besonders in türkischer, persischer und arabischer Literatur, werden in vielen verschiedenen Geschichten Begegnungen mit Al-Khidr erzählt. Im Zentrum dieser Erzählungen steht immer das Zusammentreffen eines Menschen mit Al-Khidr. In den meisten Fällen werden körperliche Begegnungen in der materiellen Welt beschrieben, das heißt, dass jemandem Al-Khidr begegnete, während er bei vollem Bewusstsein war. So soll Al-Khidr im Hause Mevlana Rumis im türkischen Konya, ein- und ausgegangen sein.

Auch wird heute über manch anderen Sufi-Scheich erzählt, man habe ihn bei einer Begegnung mit Al-Khidr heimlich beobachtet oder aber, ohne ihn gesehen zu haben, dessen Stimme gehört.

Solche Begegnungen mit Al-Khidr sind manchmal aber auch unheimlich, da sie sich plötzlich und völlig unerwartet ereignen können. Doch ebenso überraschend wie sein Auftauchen ist sein Verschwinden. Der Beobachter wendet sich kurz um, und schon ist ihm der Khidr entschwunden, ganz so, als hätte es sich nur um ein Hirngespinst gehandelt.

Manchmal erscheint Al-Khidr aber auch solchen, die vielleicht nie von ihm gehört haben und ihn auch nicht um sein Erscheinen baten. Hierzu sei folgende Legende erzählt.

Eines Tages ging Al-Khidr über einen Markt, wo ihn plötzlich ein Bettler ansprach. 'Gib mir Almosen, so segne Dich Allah'. Da antwortete Al-Khidr: 'Bei Gott, ich habe nichts, was ich dir geben könnte.' Da sagte der Arme: 'Ich flehe dich an beim Angesicht Gottes, mir bitte Almosen zu geben. Ich nämlich sah das Zeichen in deinem Gesicht und erhoffe mir Segen bei dir'. Al-Khidr sagte darauf: 'Beim Glauben an Allah, habe ich nichts was ich Dir geben könnte.' Es sei denn, du nimmst mich und verkaufst mich auf dem Markt.' Da staunte der Arme und fragte, um sich zu versichern: 'Ist das wirklich wahr?' Al-Khidr antwortete: 'Ja, ich sage die Wahrheit, fragtest du mich doch in einer großen Angelegenheit. Ich aber werde dich darum nicht enttäuschen. Darum verkaufe mich.' Da brachte der Arme den Al-Khidr auf den Markt und verkaufte ihn dort für 400 Silbermünzen.

Al-Khidr blieb nun eine ganze Zeit lang bei seinem Käufer, auch ohne, dass ihn dieser für irgend eine Sache tatsächlich einsetzte. Da fragte ihn Al-Khidr: 'Hast du mich denn nicht gekauft, da du glaubtest in mir einen bestimmten Nutzen für dich gesehen zu haben? Beauftrage mich doch mit einer Arbeit.' Da antwortete sein Käufer: 'Ich will dich nicht belasten, bist du doch ein alter, schwacher Mann.' Al-Khidr aber sagte: 'Es gib nichts, was mich belasten könnte.' Da sprach der Mann: 'Dann steh auf und versetze diese Steine.' Weniger als sechs Männer hätten sie an einem Tag nicht versetzen können. Der Mann kümmerte sich nun weiter um seine Geschäfte, während Al-Khidr begann die Steine zu versetzen.

Bereits nach einer Stunde hatte er die schwere Arbeit erledigt. Als der Händler zu ihm zurückkehrte und seine gemachte Arbeit sah, lobte er ihn und sagte: 'Das hast du gut und schön gemacht, und hast vermocht, was ich nicht erwartete, dass du es hättest leisten können.' Nun kam dem Mann eine Reise in den Sinn. Da er mit Al-Khidr sehr zufrieden war und ihm vertraute, ernannte er ihn in der Zeit seiner Abwesenheit als seinen Bevollmächtigten. 'Vertrete mich gut bei meinen Leuten', sagte er. Darauf sprach Al-Khidr: 'So beauftrage mich mit einer Arbeit.' Sein Herr antwortete darauf: 'Ich will dich nicht belasten.' Da sagte er: 'Es gibt nichts, was mich belasten könnte.' 'Dann schlage mir Ziegel für mein Haus, bis ich von meiner Reise zurückkehre.'

Der Mann ging also auf seine Reise. Als er zurückkehrte, war sein Haus bereits fertig gebaut. Da wunderte er sich und sprach: 'Beim Angesicht Allahs, was bist du für ein Mensch und was hat es auf sich mit dir?' Darauf antwortete Al-Khidr: 'Du hast mich bei Gottes Angesicht gefragt, und die Frage bei Gottes Angesicht hat mich in die Sklaverei gestürzt. Ich werde dir sagen, wer ich bin! Ich bin Al-Khidr, von dem du gehört hast! Ein Armer hat mich um Almosen gebeten. Ich hatte aber nichts, was ich ihm hätte geben können. Da fragte er mich beim Angesichte Gottes, so dass ich ihn über meine Person ermächtigte und er mich verkaufte.

Ich sage dir, wer beim Angesichte Gottes gebeten wird und den Bittenden zurückweist, obwohl er ihm seine Bitte erfüllen kann, dessen Haut wird am Tage der Auferstehung ohne Fleisch und Knochen dastehen.' Da sagte sein Käufer zu ihm: 'Bei meinem Glauben an Allah: Ich habe dich belästigt, o Gottesprophet, ohne davon zu wissen!' Al-Khidr darauf: 'Das ist nicht schlimm. Du hast gut gehandet und mich geschont.' Der Mann sagte darauf: 'Bei meiner Mutter und bei meinem Vater, o Prophet Gottes! Herrsche über meine Leute und mein Vermögen, so wie Gott es dir gezeigt hat. Du hast aber auch die Wahl: wenn du möchtest, so bist du von nun an frei.' Darauf antwortete Al-Khidr: 'Ich möchte dass du mich freilässt, so dass ich meinem Herrn dienen kann'. Da ließ er ihn frei. Und Al-Khidr sprach: 'Dank sei Allah, der mich in die Sklaverei stürzte und mich dann von ihr befreit hat.'

Der grüne Prophet

Geläufig ist, wenn es um Al-Khidr geht, auch die Rede von einem unsichtbaren Propheten oder Weltlehrer, der erst am Ende der Zeiten erscheinen wird, was ihn gewiss mit der Wiederkunft Jesu Christi in Verbindung bringt. So ist dieser gewiss auch eine vermischte Persönlichkeit, die ihn mal im Gewande des Islam, mal als Juden erwähnt, ein andermal mit jenen Heiligen des Christentums gleichsetzt.

Eine alte Erzählung aus Babylon berichtet von der Reise des Izdubar, einem anderen Namen keines Geringeren, als dem legendären Gilgamesh: König von Uruk. Der brachte einen Chadhir (ein anderer Name für Chidr) mit Ziusudra zusammen, dem göttlichen König von Schuruppak. Als solcher wohnte er einst an den Mündungen der Ströme Euphrat und Tigris. "Chadhir" wie auch "Chidr" bedeuten wörtlich "Grün". Für diese Farbe steht auch der alt-griechische Meeresgott Glaukos. Der war eigentlich ein Fischer, der aber ein grünes Wunderkraut aß und sich darauf in jene Gottheit verwandelte.

Kein Wunder wenn Al-Khidr in Illustrationen oft auf dem Rücken eines Fisches stehend abgebildet wird, der darauf über ein Meer zu fahren scheint. Seine Urstadt ist die Quelle des Lebens, als deren Hüter er fungiert. Bei den Türken und Persern ist er in dieser Rolle als "Chisr" bekannt.

Nord und West und Süd zersplittern,
Throne bersten, Reiche zittern,
Flüchte du, im reinen Osten
Patriarchenluft zu kosten,
Unter Lieben, Trinken, Singen
Soll dich Chisers Quell verjüngen.

- Aus Goethes Westöstlichem Diwan

Al-Khidr auf dem Rücken eines Fisches - ewigeweisheit.de

Al-Khidr auf dem Rücken eines Fisches. Gemälde aus dem Moghul-Reich, unbekannter Künstler, Mitte 17. Jhd.

Al-Khidr: Hüter eines geheimen Lebenselixiers

Orientalische Dichter sprechen von Al-Khidr als blühendem Jüngling in grünem Kleide, dessen Lippen ein grüner Flaum umsäumt. So ist er also entsprechend seiner Farbe, wohl auch ein Symbol des Wachstums und der Wiederverjüngung. Der Schein der Hoffnung, die Kraft des Ruhmes und selbst die Stärke grünt nach orientalischer Ansicht. Wenn sich im Frühling die Erde verjüngt, so ist's Al-Khidr, der die Bäume grünen lässt. Er mischt in den Purpur des Abends den Schmelz des heiteren Grün.

Wenn eine verloschene Liebe wieder aufblüht, wenn das Alter sich wieder verjüngt und verdorrtes Gebein wieder zum Leben erwacht, so ist es Al-Khidr. Durch ihn überträgt Gott seine besonderen Fähigkeiten. Das macht aus Al-Khidr definitiv einen Propheten.

In den alten persischen Dichtungen des Firdausi (935-1020) etwa, ist die Rede von Alexander dem Großen, den Al-Khidr zur Quelle des Lebens führte. Sieben Tage wanderte er mit seinen Gefährten durch finstere Wüsten. Schließlich hielten sie, als ihnen ein grüner Strahl entgegenschien, der vom Gewand des großen Al-Khidr ausging. Je näher sie ihm kamen, desto mehr schien sein Licht einem funkelnden Smaragd zu ähneln. In diesem Licht spiegelte sich der Quell des Lebens. Daraus schöpfte Al-Khidr das Lebenselixier und reichte es dem Alexander. Doch letzterer war für diese Gabe noch nicht bereit, denn er vergoss was man ihm reichte. Er reiste ab, doch wollte das Lebenselixier erneut finden, kurz vor seinem Tode. Nur da war es bereits zu spät.

Von diesen Erklärungen aus ergibt sich alles andere. So zum Beispiel auch die Geschichte, wie Mose mit seinem Diener den Herrn der Gewässer traf - womit kein anderer als Al-Khidr gemeint ist. Der Heilige stillte Moses' Durst nach Weisheit und gab Alexander und seinen Kriegern zu trinken.

Al-Khidr gilt als Schutzgeist aller Reisenden, zu Wasser und zu Lande. Besonders die Sage von der Begegnung Alexanders mit Chidr, verfügt über eine Fülle an Zeugnissen.

Wo befindet sich jene Quelle des Lebens, die Al-Khidr kannte?

Es heißt, der grüne Prophet Al-Khidr lebe im Lande der Finsternis. Dort fließen die Ströme eines Süßwasser-Meeres mit denen eines Salzwasser-Meeres zusammen. Wer in dieses Land der Seeligkeit eintreten will, begebe sich nach Süden, ans "Horn der Sonne". So will es ein Autor des 3. Jhd. n. Chr.: der Pseudo-Kallisthenes. Er weist den Weg in die libysche Wüste, wohin sich einst auch Alexander der Große begab. Der stieß auf seinem Nordafrika-Feldzug dort auf ein Orakel des Amun, in der west-ägyptischen Oase Siwa. Da aber auch den Gott Amun zwei Hörner als Kopfschmuck trug, hielt man wegen seiner ähnlichen Helmverzierung, einst sogar Alexander den Großen für diesen alt-ägyptischen Gott.

An den Grenzen von Mittelägypten, befindet sich nun also diese Oase, die man im Ägypten das Palmengefilde nennt. Zwei Quellen sprudeln dort. Die eine nannten die Griechen "Sonnenquell". Darin soll laut Legende der alt-ägyptische Sonnengott Amun sein Angesicht gewaschen haben. Ihn nachahmend, wusch darin auch der ägyptische König sein Gesicht. Er war Herrscher des ammonischen Landes, in welches auch Alexander der Große kam. Der nämlich ließ sich dort, von den Sonnenpriestern, im alten Tempel des Jupiter Amun, selbst zum Sohn des Sonnengottes erklären.

Und genau jener Quell in der Oase Siwa, sollte den Arabern später zum Lebensquell par excellance werden. Man stelle sich vor: in der Wüste ist gar jede Quelle und jede Oase von höchstem Wert. Denn wer einmal eine Wüstentour gemacht hat weiß, dass der Aufenthalt in kühlenden Schatten der Palmen einer Oase ein wahrer Segen und das Geräusch sprudelnden Wassers ein wahrer Trost sind. Der griechische Gesichtsschreiber Herodot (490-420 v. Chr.) sprach nicht zufällig über die Oasen, von "Inseln der Seligen".

Ägypten war, mit dem Nil, für die Alten wie ein Flusstal in der Wüste. Wohl kaum hätte das Reich der Pharaonen ohne den Nil und seine jährliche Flusschwemme dort je existiert.

Auch Siwa hätte nicht die selbe Bedeutung gehabt, wäre es keine Oase gewesen, in Mitten der libyischen Wüste, die sich bis nach Ägypten hinein erstreckt. In seinen Metamorphosen sagt der römische Geschichtsschreiber Ovid (geb. 43 v. Chr.) über die Oase Siwa:

Dein Gewässer, hörnertragender Amun, ist am Mittag kalt, wird aber beim Aufgang und Untergang der Sonne warm.

- Ovid, Metamorphosen 15:304f

Hier ist sowohl die Beziehung zur Sonne, als auch zum gehörnten Amun, als auch die merkwürdige Eigenschaft des Quellwassers von Bedeutung.

Auch Herodot spricht von dieser Oase:

Das andere Queelwasser ist frühmorgens lau, zur Stunde da der Markt voll wird kälter; mittags ist es schon ganz kalt. [...] Wie sich aber der Tag neigt, nimmt seine Kälte wieder ab bis zum Sonnenuntergang, wo es schon lau ist, und nun steigt seine Wärme immer höher und höher bis zur Mitternacht; da siedet es und sprudelt hoch. Mitternacht geht vorüber, da fühlt es sich wieder ab nis zum Morgen. Und die Benennung dieser Quelle ist Sonnenquell.

-Herodot 4:181

Besonders im alten Arabien, doch sicher auch heute noch, sind Quellen und Oasen heilige Orte, findet man dort doch Schatten, Schutz und Wasser, inmitten gleißender Sonnenhitze. Die Araber sehen darum auch heute noch überall in der Natur Wunder, wo dies zutrifft. Und so hält man Al-Khidr als die Verkörperung dessen, was mit jungem, frischem und grünem Gewächs in Zusammenhang gebracht werden kann. Gewiss ließe sich hier eine Parallele zum "Grünen Mann" der Kelten ziehen, der ja ebenso für Jugend, Frische und Lebenskraft steht.

Alle Mythen um Al-Khidr ähneln sich, denn es geht immer um einen geheimnisvollen Wanderer, der in ewiger Jugend und Schönheit die Erde durchstreift, während Menschenalter und die natürlichen Zyklen des Jahreskreises, ihren unaufhaltsamen Gang fortsetzen.

Die vielen Legenden über den Grünen Propheten

In der gesamten islamischen Welt, lassen sich Belege für die Verehrung Al-Khidrs ausmachen. Etliche Legenden, die sich um diese heilige Sagengestalt winden, erzählen von einer Person oder auch einer Gruppe von Individuen, die Al-Khidr im Traum oder in der Realität begegneten. Zwar ist der Kontext jedesmal ein anderer, doch Elemente in den Wundergeschichten um Al-Khidr, kehren in all diesen Legenden wieder.

Wie auch in den zitierten Textstellen hier angeführt, tritt Al-Khidr in der Rolle eines Nothelfers auf. Einem Eremiten ähnelnd lebt er in der Verborgenheit, der sich nur wenigen Auserwählten in seiner wahren Erscheinung zu sehen gibt. So gilt er den Zwölfer-Schiiten, als ein Freund des verborgenen Imam Mahdi, jenem Weltlehrer, der am Tage des Jüngsten Gerichts auf der Erde erscheinen wird. Al-Khidr hält sich ständig in dessen Nähe auf, um ihm in seiner Einsamkeit Gesellschaft zu leisten.

Das Al-Khidr in manchen Legenden auch Elemente einer vorislamischen Sagengestalt besitzt, machte ihn zu jenem ewigen, weisen Wandersmann. Seit Jahrtausenden sollen er und der Prophet Elias auf der Erde leben - weder Kost noch Trank sei ihnen nötig. Kein Zufall dass jene, die Al-Khidr begegneten, sich für einen Ausstieg aus dem gesellschaftlichen Leben entscheiden. Denn durch ihn lernen sie den Verzicht auf das Ich, was die Sufis das "Az-Zuhd Fi Nafs" nennen. Statt weiter seinem Ego zu dienen, kehrt er sich der Wahrheit zur Demut zu. Eine Geschichte erzählt vom großen Bahram Derwisch. Der bekleidete im 16. Jhd., unter dem Moghul-Prinzen Kamran, ein wichtiges Amt im Staat. Doch nachdem ihm im März 1546 Al-Khidr leibhaftig erschienen war, veränderte sich seine Gesinnung schlagartig: Er gabe alle seine hohen Ämter auf, wurde ein Sufi und begann auf den Straßen Kabuls kostenlos an Durstige Wasser auszuschenken.

Wer sonst noch will Al-Khidr begegnen?

 

(Textzitate in Umschrift aus dem Buch von Herrn Prof. Dr. Patrick Francke: Begegnung mit Khidr)

BITTE BEWERTEN  

Provenexpert