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Heiliger Atem

Ein jeder weiß: Ohne Atem kein Leben. Ganz gleich wie perfekt ein menschlicher Leib gestaltet, ganz gleich wie gesund er scheint: Ohne Atem ist er nur Leiche. Atmen belebt. Doch wieviele unter uns sind sich dessen immer bewusst?

Ständig sind wir mit etwas beschäftigt, erinnern uns an gestern, hoffen auf morgen und grübeln nach über dies und das. Dabei vergessen wir leider zu oft, worauf unser gesamtes in erster Linie Leben basiert: Auf unserem Atem.

Spricht einer von der Großartigkeit neuer Meditationstechniken, sind alle gleich ganz Ohr. Doch wenn ein anderer vom »Geheimnis des Atems« spräche: Wäre da nicht mehr als bloß Verwunderung?

Rein wissenschaftlich erfolgt der Atemprozess durch ein Ein- und ein Ausatmen, dem wiederum ein Einatmen folgt – und so weiter. Ein Mensch atmet den Sauerstoff der Luft ein und atmen Kohlensäure aus. Denn der über die Nahrung aufgenommene Kohlenstoff wird im Blut gelöst und in unseren Lungen verbrannt, womit sich unser Körper seine notwendige Wärme bildet.

Doch auch was den Menschen heute als Menschen ausmacht, nämlich die Sprache, wäre ohne den Atem nicht möglich.

Aber Atem ist weit mehr als das Genannte. Was wir jeden Augenblick spüren können, wenn wir bewusst auf den Luftstrom achten, der mit dem Einatmen kühlend in unsere Nase einströmt und leicht erwärmt dort mit dem Ausatmen wieder austritt, ist nur der Atem-Effekt. Doch was ist der Atem an sich?

Es gibt auch einen mystischen Atem, der dem Luftstrom zu Grunde liegt, der beim Atmen in uns einfließt und wieder ausfließt. Dabei ist die Luft wie gesagt wahrnehmbar, jedoch nicht der Strom an sich, der einem magnetisch-ätherischen Wirken gleichkommt, das die Luft jedoch in Bewegung setzt. Der Sufi spricht da von der »Nafs«, der Kabbalist sagt »Nefesch« dazu. Beide aber meinen damit ein und den selben Aspekt unserer Seele: Das Selbst. Dieses Selbst bezeichnet die indische Philosophie mit dem Begriff »Atman«: Ursprung des deutschen Wortes »Atem«.

Was also atmet, ist auch beseelt. Und so bildet das Selbst der Atem, der die körperliche Ebene durchlaufen, bis in die innerste Ebene unseres Seins gelangt, um von dort aus wieder ausgeatmet zu werden. So durchläuft der Atemstrom also zuerst die Bewusstseinsebene des Körpers, dann die der Seele und schließlich die des Geistigen unseres Seins. Bewusst zu atmen bedeutet darum, sich der innersten Dimension unseres Seins gewahr zu werden.

Ist es vor diesem Hintergrund aber nicht recht eigenartig, dass sich viele ihres Atems überhaupt nicht bewusst sind? Dabei ist unser Atem das Allerwichtigste das wir besitzen. Unser tägliches Essen und Trinkwasser machen nicht einmal ein Hundertstel unseres Lebensunterhalts aus, verglichen mit dem, was der Atem in unserem Leben leistet. Wir können tagelang überleben ohne Wasser und Nahrung. Doch ohne zu atmen, nur einige Minuten.

Lernen zu Atmen

Nicht nur körperlich atmen wir, sondern immer auch geistig und seelisch. Das bedeutet, dass unser Atem die zentrale Strömung unseres Geistes und unseres Seelenwesen bestimmt. Darum auch wirkt eine bewusste, regelmäßige und ruhige Atmung entsprechend auf unser körperliches, emotionales und denkendes Wohlbefinden.

Da der Atem also von so großer Bedeutung für uns ist, ist es klar, dass der Weg, um Ordnung und Harmonie in unser Leben zu bringen, über den Atem gegangen wird. Um uns selbst also »in Ordnung zu bringen«, können wir auf diesem Weg drei Schritte gehen, wobei wir

  1. uns als atmendes Lebewesen erkennen und dabei im Atmen erfahren,
  2. unseren Atem weiterentwickeln, indem wir uns regelmäßig den Luftstrom bewusst machen, der durch unsere Nase strömt beim Ein- und Ausatmen, und
  3. in einer regelmäßigen, doch ganz einfachen Atemmeditation unsere Verfassung in Einklang bringen mit unserem Wesen, um dabei in uns Ordnung zu schaffen.

Seit sehr alter Zeit übten die Mystiker der west-östlichen Traditionen ihren Atem zu kontrollieren, ihre Atembewegung bewusst in einem Gleichgewicht zu halten, sie in verschiedenen Formen zu verlängern oder zu vermindern. So kommt mit jedem Atemzug das Bewusstsein zu seiner Verwirklichung. Darum heißt es, dass für einen Meister, der wirklich weiß wie er mit seinem Atem arbeiten muss, es nichts gibt, was er nicht erreichen könnte. Doch um so weit zu kommen, ist echte Disziplin vonnöten. Nur leider fangen viele an Abzuwinken, wenn sie das Wort »Disziplin« lesen. Dabei ist sie überall im Leben wichtig. Wir brauchen Disziplin für ein gesundes Leben, beim Umgang mit Menschen, in unserer täglichen Arbeit und beim Studium der Weisheitslehren.

Tägliche Praxis

Jeder Mensch ist im Grund zu solch Erfahrungen im Stande. Leider nur vergessen die meisten, vielleicht einfach aus Faulheit, nicht nur auf intellektueller Ebene die Prinzipien des Atems zu begreifen. Vielmehr geht es darum in täglicher Arbeit unseren Atem immer besser zu kontrollieren, ihn nicht wegen unbewusster Denkvorgänge zu unterbrechen oder ihn anzuhalten, während wir in Anspannung verharren. Denn ein gelassenes Weiteratmen führt immer zu Entspannung und bildet damit die wichtigste Voraussetzung für unser körperliches, emotionales und geistiges Wohlbefinden.

Aus diesem Grund auch wissen die Adepten, dass ihr Atem nicht allein ein organischer Vorgang ist, der als kontemplative Übung bewusst gemacht werden kann. Sie erkennen in ihrer bewussten Atmung vielmehr einen heiligen Vorgang des Erwachens.

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