Die Seele ist die Königin, der Körper ihr Untertan

Die Natur ist ein Werk der Seele. Die Religionslehrer aber erklären, dies alles seien Taten des herrlichen Schöpfers und Bildners. Man muss aber bedenken, dass die Seele eine Schöpfung des Schöpfers ist.

Und wenn es heißt, dass die Wirkungen der Kräfte und ihre Beziehung zur Seele nur deshalb existieren, damit der Mensch beim Nachdenken über die Seele und deren bewundernswerten Taten, vom Schlaf der Sorglosigkeit und Torheit erwache. Denn er soll seine Seele und ihre wunderbare Wirkung erkennen. Er muss dann wissen, dass der gute Meister am guten Werk erkannt wird, dies aber auf den allweisen Meister schließen lässt.

Auf der Erde gibt es Zeichen für die Kundigen und ebenso in euren Seelen, seht ihr dies etwa nicht ein?

– Sure 51:20

Der Körper gleicht einer Stadt

Es gleicht dieser Körper mit der Seele darin, dass die Kräfte derselben ihre Wirkung kundtun, in allen verborgenen und sichtbaren Gliedern. Sie bewirken durch die verschiedenen Bewegungen der Kanäle dieser Glieder, sowie durch die Sitze der Sinne in den Öffnungen des Kopfes, Vorgänge, die dem Treiben in einer Stadt ähneln. Es ist wie in einer von ihren Einwohnern bebauten und gepflegten Stadt. Ihre Märkte sind offen, ihre Strassen belebt und ihr Handel geht so gut, dass die Ware darin gefertigt wird, die Handwerker beschäftigt sind und die, welche sich ihren Lebensunterhalt erwerben, hin- und herlaufen, ihre Zugtiere nicht rasten und es von Reitern und Fussgängern gerade so wimmelt. Dies gilt für den menschlichen Körper im Wachzustand.

Zur Zeit des Schlafs, wo die Sinne unsicher sind und die Bewegungen rasten, gleicht dagegen der Körper jener Stadt bei Nacht. Dann sind die Märkte geschlossen, die Arbeiter müßig, die Straßen sind leer, die Leute schlafen und es sind kaum noch Geräusche zu hören.

Schlafes Bruder

Trennt sich die Seele von diesem Körper, so gleicht sie einer verlassenen Stadt. Als solche, die keine Bewohner mehr hat und die alle ihre Haustiere mitgenommen haben, verkommt eine Stadt allmählich zur Wüste und zum Aufenthaltsort wilder Tiere. Da hört man des Nachts dann die Rufe des Uhus und am Tage ziehen dort die Geier ihre Kreise. Ihre Mauern zerfallen, die Dächer ihrer Häuser stürzen ein und nach und nach verwandeln sich die Gebäude in Schutthaufen.

Ebenso ist es auch mit dem menschlichen Körper, wenn ihn die Seele verlässt. Er schwillt auf, beginnt zu stinken und wird zur Heimstatt von Würmern, Fliegen und Ameisen. Schließlich aber wird er zu einem Haufen Staub, wo man nur noch die Knochen unterscheidet, die wie die Steine und Ziegel aus den Trümmern der einstigen Stadt hervor ragen.

Die Seele ein Reiter, der Leib ein Esel

Man vergleiche ferner die Seele mit dem Embryo, den Leib mit dem Mutterschoß. Oder die Seele mit dem kleinen Kind, den Leib mit der Schule; die Seele mit dem Insassen, den Leib mit der Wohnung; die Seele mit dem König, den Leib mit dem Untertan; die Seele mit dem Handwerker, den Leib mit der Werkstatt; die Seele mit dem Fertiger, den Leib mit dem Gefertigten; die Seele mit dem Leiter, den Leib mit dem Geleiteten.

Die Seele gleicht dem König, ihre Kräfte den Soldaten und Untertanen.

Die Seele gleicht auch einem Reiter, die sich auf ihrem Reittier, dem Leib, durch die Welt bewegt. Die Welt aber ist die Rennbahn, wo die Weisen der Welt den Siegern ähneln.

Wenn die Seele dann von der Kraft zur Tat schreitet, so erscheint uns der Körper wie das Schiff, die Seele wie ein Handel treibender Kapitän. Seine Handlungen sind wie die dort transportierten Waren, die Welt wie das Meer auf dem dieses Schiff fährt. Der Tod schließlich gleicht dem Ufer, wo der Leib zurückbleibt, während der Händler dort in seine Heimat zurückkehrt – jenen Ort, wo Gott ihm seine Ernte vergilt.

Die Seele ähnelt auch dem Bauern, der Körper dem Saatfeld, die Handlungen den Körnern und Früchten. Der Tod ähnelt dem Sensemann, die Welt nach dem Tod gleicht der Scheune, wo die Ernte von Gott gedroschen wird und sich dabei die Spreu vom Getreide löst.

Was Tod und Leben sei

Tod und Leben zerfallen in zwei Arten: leiblich und geistig.

Das leibliche Leben ist nichts anderes, als dass sich die Seele eines Körpers bedient.

Der leibliche Tod aber ist nichts, als dass die Seele es unterlässt einen Körper zu gebrauchen.

Auch das Wachsein ist nichts anderes, als dass die Seele die Sine anwendet. Der Schlaf dagegen ist nichts anderes, als die Unterlassung dieser Anwendung.

Bei der Seele ist das Leben ein wesenhaftes, ihre Substanz ist lebendig. Sie ist in der Tat wissend, durch die Kraft in den Körpern, Gestalten und Formen von Natur schaffend.

Der Tod der Seele ist ihre Unkenntnis von ihrer Substanz und ihre Sorglosigkeit ihr Wissen nicht zu erkennen. Dies stößt ihr zu, wenn sie sich zu sehr in das Meer der Materie hinabsinken lässt, und sie zu weit in den Tiefgrund des Körpers einging, da sie sich zu sehr den leiblichen Begierden hingab.

Da die meisten Mensch die Substanz ihrer Seele nicht kennen und sich nicht um das ewige Leben kümmern, kennen sie nur dies niedrige irdische Leben, das aber ein Ende hat. Sie scheinen aber ewig in dieser Welt bleiben zu wollen, wissen aber nicht:

Dieses diesseitige, irdische Leben ist nichts als Zeitvertreib und Spiel. Die Wohnstatt des Jenseits aber, ist das eigentliche Leben. Wenn sie’s doch wüssten!

– Sure 29:74

Auf dem Weg ins Paradies

Wenn der Leib an Alter und Schwäche zunimmt, nimmt dagegen die Seele an Frische und Tugendkraft zu.

Im Leibe liegt eine Seele, die altert mit ihm nicht.
O ließe doch das Alter keine Spur auf dem Antlitz.
Sie hat Nägel, wenn alle anderen Nägel stumpfen,
Und Zähne, wenn mein Mund deren nicht mehr hat.
Die Zeit ändert an mir, was sie will, nur nicht die Seele,
Und ich gelange zum Lebensende, während sie noch jung ist.

– Al-Mutanabbi

Man überlege wohl den Bau dieser Wohnstätte, und betrachte den Wandel der Seelenkräfte in ihr, sowie ihre wunderbaren Wirkungen und verschiedenen Bewegungen, dann erwacht man vom Torheitsschlummer und kann die Seele klar in ihrem Wesen und ihrer Substanz erkennen. Man sieht die Welt der Seele, ihren Anfang und Ausgang, ebenso wie man mit dem leiblichen Auge diese Wohnstätten und diese Stadt sehen kann. Man erkenne die Erhabenheit jener Stätte der Seele, strebe ihr zu und entkomme dadurch dem Meer der Materie, sowie dem Tiefgrund, der mit den Distanzen begabten Körper. Bevor diese leibliche Stadt zerfällt, nehme man sich eine ewige Wohnstätte in der geistigen Welt. Denn diese Stätte ist keine Stätte des Weilens, sondern eine Stätte der Vergänglichkeit, des Entstehens, der Verwandlung und des Vergehens. Es ist eine Stätte für Hunger und Durst, für Krankheit und Elend, Kummer und Unglück.

So sagt der Prophet Mohammed (as):

Einsichtig ist der, welcher sich selbst kennt und für das wirkt, was nach dem Tode ist. Verständig ist der, welcher sein Herz der Welt entreißt, ehe der Leib von der Welt scheidet. Drum sehne doch ach der Stätte, wo weder Kummer noch Gram, weder Hinschwinden, noch Krankheit, noch Dürftigkeit ist. Dort sind die Nachbarn nicht gegen einander neidisch, die Brüder setzen sich auf ihren Sesseln einander gegenüber und haben, was sie begehren. Das ist die Stätte des Lebens. Dies ist das Himmelreich und die Weite der Sphärenwelt, die ganz erfüllt ist mit Hauch, Duft; dort ist das Paradies und Wohlgefallen.

Vielleicht gelingt auch dir der Anstieg und du erhältst den Lohn für deine guten Taten.

Als sich Jesus wieder auf den Weg machte, lief ein Mann auf ihn zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer der eine Gott. Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter! Er erwiderte ihm: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt. Da sah ihn Jesus an, umarmte ihn und sagte: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib es den Armen und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach! Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen. Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen! Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen! Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt. Sie aber gerieten über alle Maßen außer sich vor Schrecken und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden? Jesus sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich. Da sagte Petrus zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen. Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser und Brüder, Schwestern und Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben. Viele Erste werden Letzte sein und die Letzten Erste.

– Markus 10:17-31

Dieser schwere, aus Fleisch, Blut und Knochen, Sehnen und Nerven gebildete Leib, kann nimmer zum Himmelreich aufsteigen. Alle Leiber sind ja veränderlich und dem Wechsel und der Verwandlung unterworfen. Jene erhabene Stätte, das ist das Paradies, passt für sie nicht. Dagegen passt dieselbe für die Seele. Denn von dort stieg die Seele an jenem Tage herab, da unserem Vater Abraham gesagt wurde:

Geht fort! Einige von euch seien der anderen Feind. Und auf der Erde sollt ihr Aufenthalt und Nießbrauch auf Zeit haben.

– Sure 2:36

Ferner heißt es: ihr lebt und sterbt auf der Erde, dann geht ihr aus ihr am Tage der Heimsuchung hervor, wenn ihr aus dem Schlummer der Torheit und der Sorglosigkeit erwacht. Durch die Formen wird der Geist des Lebens euch eingehaucht, ihr lebt das Leben der Weisen und wandelt den Wandel der Glücklichen.

Der Weise sagt: Fürwahr, der Himmel ist unser Vater und die Erde unsere Mutter. Zu ihr kehren wir zurück, aber von beiden lassen wir uns großziehen.

Gott ließ euch als Spross von der Erde ersprießen, doch lässt die Erde nicht sprossen, es sei denn, sie ist vom Himmel mit Regen befeuchtet. So gehen aus beiden die Kreaturen hervor, welche doch zwischen Himmel und Erde entstehen. Somit ist die Erde unsere Stätte, sie wird uns zur Mutter, in ihr liegen unsere Gräber und wir gehen aus ihr hervor.

Schließe dich der Bruderschaft an und erkenne ihre Lehre durch ihre Traktate. Vielleicht entgehst du durch ihre Vermittlung und steigst zum Himmelreich auf, dem ewigen Glück, bis du in ihre geistige Stadt eingehst, ins Paradies.

Hierfür stehe Gott dir bei.

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