Thich Nhat Hanh - ewigeweisheit.de

Ein Nachruf auf Thich Nhat Hanh

Einer der einflussreichsten buddhistischen Mönche der Welt verstarb im Januar 2022: Thich Nhat Hanh. 39 Jahre verbrachte er im Exil, doch wurde in dieser Zeit zu einem der einflussreichsten Persönlichkeiten des Buddhismus weltweit.

In der buddhistischen Gemeinschaft galt er als der zweitwichtigste Mann nach dem Dalai Lama. Durch ihn kam das heute so wichtige Thema der Achtsamkeit in den Westen.

Auf dem Weg zum Mönchtum

Als »Nguyen Xuan Bao« wurde Thich Nhat Hanh am 11. Oktober 1926 in der alten Hauptstadt Hue in Zentralvietnam geboren. Einer seiner Vorfahren war der vietnamesische Dichter Nguyen Dinh Chieu, Verfasser des poetischen Epos Luc Van Tien.

In Erinnerung an seine Kindheit erwähnte Thich Nhat Hanh ein für ihn sehr wichtiges Erlebnis: Als er vielleicht sieben oder acht Jahre alt, war er ganz entzückt von einer Zeichnung des Buddha, die eine buddhistische Zeitschrift zierte, wo dieser ganz friedlich im grünen Gras saß. Dieser und andere inspirierende Momente in seinem Leben, sollten in ihm schließlich selbst den Wunsch aufsteigen lassen, selbst den Weg eines Mönches anzutreten.

Mit 12 Jahren bekundete er sein Interesse an einer buddhistischen Ausbildung zum Mönch, die ihm seine Eltern nach anfänglicher Zurückhaltung schließlich im Alter von 16 Jahren erlaubten.

Sein erster Lehrer war der Zen-Meister Thanh Quy Chan That, der aus der 43. Generation der Lam-Te-Zen-Schule und der neunten Generation der Lieu-Quan-Schule stammte. Drei Jahre lang studierte er bei ihm als Novize, worauf Ausbildungen in den vietnamesischen Traditionen des Mahayana- und Theravada-Buddhismus folgen sollten.

Einer seiner Mönchsgenossen Haenim Sunim, der später Thich Nhat Hanh während einer Reise nach Südkorea als Übersetzer begleitete, nannte ihn einen ruhigen, aufmerksamen und liebevollen Menschen.

Er war wie eine große Kiefer, unter deren Zweigen sich viele Menschen mit seiner wunderbaren Lehre der Achtsamkeit und des Mitgefühls ausruhen konnten

Er war einer der erstaunlichsten Menschen, denen ich je begegnet bin.

– Haemin Sunim gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters

Man weihte ihn 1949 zum Mönch. Das war in der Zeit, als der Gründervater des modernen Vietnam, Ho Chi Minh, die Bemühungen zur Befreiung des südostasiatischen Landes von den französischen Kolonialherren anstrebte.

Von 1959 bis 1961 unterrichtete Nhat Hanh in mehreren Seminaren den Buddhismus, in verschiedenen Tempeln Saigons. Doch eines Tages wurde einer seiner Kurse unterbrochen und man entzog ihm auf einmal die Erlaubnis zu lehren. Er musste das Land verlassen.

Im Westen

Thich Nhat Hanh sprach sieben Sprachen. So kam es, dass er in den frühen 1960er Jahren viele Vorlesungen hielt – darunter an der Universität von Columbia, der ältesten und wohl einer der renommiertesten Universitäten der Vereinigten Staaten.

1963 begab er sich wieder nach Vietnam, um sich der wachsenden buddhistischen Opposition gegen den US-Vietnamkrieg anzuschließen. Manche seiner Gefährten protestierten. Darunter waren sogar einige, die sich dabei aus Protest selbst in Brand setzten.

Zu diesen drastischen Ereignissen schrieb Nhat Hanh zwölf Jahre später:

Ich sah, wie Kommunisten und Antikommunisten sich gegenseitig töteten und zerstörten, weil jede Seite glaubte, ein Monopol auf die Wahrheit zu haben.

Meine Stimme wurde von den Bomben, Mörsern und Schreien übertönt.

Als der US-Vietnamkrieg seinen schlimmsten Höhepunkt erreichen sollte, traf er 1966 in den Vereinigten Staaten auf den Bürgerrechtsführer Martin Luther King (1929-1968). Nhat Hanh versuchte King davon zu überzeugen, sich auszusprechen gegen diesen grausamen Konflikt, der da in seiner Heimat ausgetragen wurde.

King nannte Thich Nhat Hanh einmal einen

Apostel des Friedens und der Gewaltlosigkeit

und schlug ihn vor für den Friedensnobelpreis.

Ich persönlich kenne niemanden, der den Friedensnobelpreis mehr verdient hätte als dieser sanfte buddhistische Mönch aus Vietnam

schrieb King in seinem Nominierungsschreiben an das Nobel-Komitee.

Achtsamkeit als zentrale Lebenspraxis

In einem Interview mit der amerikanischen Moderatorin Oprah Winfrey, aus dem Jahr 2010, fragte sie Thich Nhat Hanh wie ein Mensch Achtsamkeit übt, wenn er in eine schwierige Lebenssituation gerät. Thich Nhat Hanh antwortete darauf, man solle

auf seinen Atem achten und das in einem aufsteigenden Gefühl dabei, als solches erkennen und die Situation zunächst einmal als solche annehmen. Dies um uns selbst dabei zu unterstützen, das uns negative Gefühle nicht überwältigen – wie etwa Angst oder arge Sorgen. Und doch bleibt man dabei gleichwohl man selbst.

Man stelle sich eine Mutter vor, deren Baby schreit. Sie nimmt das Baby zu sich und hält es zärtlich in ihren Armen. Das gilt im übertragenen Sinne auch für unsere Schmerzen und Ängste: Ihnen gegenüber sollten wir uns auch wie eine fürsorgliche Mutter verhalten, uns ihnen zuwenden, um das Leid kennenzulernen, dass sie in uns auslösen. Wir sollten unser Leid, wie die Mutter ihr schreiendes Baby umarmen – und werden dadurch eine Erleichterung verspüren.

Alle die Achtsamkeit und Aufmerksamkeit üben, werden auf die genannte Weise die Wurzeln, das Wesen unseres Leidens verstehen lernen und dabei einen Weg finden es umzuwandeln.

2013, in seinem Vortrag in dem von ihm gegründeten Plum Village Meditationszentrum (Département Dordogne, Frankreich) erklärte Thich Nhat Hanh:

Man lernt zu leiden. Wenn man weiß wie man leiden kann, leidet man viel, viel weniger. Und dann weiß man, wie man das Leiden gut nutzen kann, um Freude und Glück zu schaffen.

Die Kunst des Glücks und die Kunst des Leidens gehören immer zusammen.

2018 kehrte Thich Nhat Hanh in sein Heimatland Vietnam zurück, wo er seine letzten Tage im Tu-Hieu-Tempel verbrachte. Hunderte Anhänger strömten in die Pagode, um ihren Meister dort bei seinen Ausflügen durch die üppigen Gärten des Tempels zu begleiten.

Am 22. Januar 2022 verstarb Thich Nhat Hanh im Alter von 95 Jahren in seiner vietnamesischen Geburtsstadt Hue.

Er war Autor von 130 Büchern, davon mehr als 100 in englischer Sprache, die bis Januar 2019 in 40 weitere Sprachen übersetzt und weltweit über fünf Millionen Mal verkauft wurden.

In seinen Büchern behandelte er Themen zur Arbeit als spiritueller Lehrer, wie auch über buddhistische Texte. Neben seiner Arbeit als Dichter und Geschichtenerzähler, aber verfasste er auch wissenschaftliche Aufsätze über die Praxis des Zen.

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