Geistiges Heilen der Sufis

Seit Jahrhunderten schon arbeiten Sufis therapeutisch, mit besonderen Methoden der Geistheilung. Zum einen wäre da das Besprechen von Wasser in einem Glas, über das man Verse bestimmter Koransuren oder Gottesnamen rezitiert und anschließend die so besprochene Flüssigkeit jemandem zu trinken gibt, solch geheiligtes Wasser für Selbstheilungszwecke anwendet oder daraus Salben und Lotionen herstellt.

Das für die Geistheilung bekannte Handauflegen praktizieren auch die Sufis. Sie legen dafür die recht Hand auf eine schmerzende Stelle, auf das Herz oder auf die Stirn einer Person, sprechen dabei besondere Verse (etwa die Sure Al-Fatiha) oder Namen Gottes, um damit eine Heilung herbeizuführen oder Wohlsein zu bewirken, indem er die rezitiert. Sufis nennen diese Methode »Ruqyah«.

Im Islam steht Heilung immer mit Gottesglauben in Zusammenhang, wo sie auch mit anderen erfahren werden kann, zum Beispiel an besonderen Pilgerstätten. Natürlich fällt in diesem Zusammenhang der Name des Brunnens »Zamzam« in Mekka (Saudi-Arabien). Sein Wasser soll plötzlich aus einem Fels in der Wüste geströmt sein, um Hagar (spätere Frau Abrahams) und ihren Sohn Ismael vor dem Verdursten zu retten.

Im Sufismus gibt es auch die Tradition der Pilgerschaft an die Gräber ihrer Heiligen (ein Ritus der dem orthodoxen Islam gänzlich fehlt), von denen sich ein Suchender Hilfe erhofft. Sie nämlich bilden einen mit der kosmischen Welt verbundenen irdischen Pol, über den Lichter der Heilung auf einen Menschen hernieder scheinen, der ein Heiligengrab aufsucht.

Über einen Gefährten des Propheten (Uthman ibn Abi Al-As) heißt es, dass er sich einmal über Schmerzen beschwerte, die er in seinem Körper spürte, als er Muslim geworden war. Daraufhin sprach der Prophet Mohammed (as) zu ihm:

Lege deine Hand auf die Stelle an der du Schmerzen in deinem Körper spürst, und sage dreimal Bismillah (im Namen Allahs) und siebenmal A’udhu billahi wa qudratihi min sharri ma ajidu wa ukhdhiru (Ich suche Zuflucht bei Allah und bei Seiner Macht vor dem Übel, das ich finde und das ich fürchte).

– Zitiert aus Sahih Muslims »Kitab-us-Salam«

Spirituelle Medizin

Besonders heute lebende Sufi-Meister (die sogenannten Sheikhs und Pirs) agieren in ihrer spirituellen Arbeit mit einem esoterischen Wissen, mit dem sie bei einem hilfesuchenden Menschen Heilungsprozesse in Gang setzen. So ein Meister vermag, durch bestimmte Gebete und Rezitationen, die göttlichen Kräfte und Segenswirkungen durch spirituelle Handlungen zu bündeln, um sie damit in die physische Welt zu leiten und zum Wohle eines Menschen einzusetzen. Sie heilen dabei, indem sie spirituelle Wesen oder Kräfte in die Physis eines Menschen leiten, um damit einzugreifen, etwa bei der Verschlimmerung einer Krankheit.

Seit alter Zeit schon geben Sufi-Meister an ihre Schüler selbstverständlich auch medizinische Kenntnisse und Behandlungstechniken weiter. Mit dem Entstehen der wichtigsten Sufi-Orden, ab dem 11. und 12. Jahrhundert, entstand auch eine besondere Heilkunst und Medizin bereits (in diesem Zusammenhang fallen auch Namen wie Averroes, dem auch als »Ibn Ruschd« bekannten muslimischen Medizinphilosophen).

Immer spielten in der sufistischen Heiltradition auch Kenntnisse über Alchemie und die Wissenschaft der Buchstaben (vergleiche etwa mit der jüdischen Kabbala) eine besondere Rolle, was für die esoterische Bedeutung von Koransuren, sowie ihre Anwendung für Heilungszwecke, von wichtiger Bedeutung ist, wie wir noch sehen werden.

In diesem Zusammenhang fällt eine Bezeichnung aus der Urdu-Sprache: Ruhani Iladsch, was wörtlich übersetzt soviel bedeutet wie »Heilung (Iladsch) der Seele (Ruh)«, was eine Form des Geistigen Heilens darstellt. Interessant bei dieser Behandlungsform ist, dass man Krankheiten nicht als solche zuerst diagnostiziert, sondern ein Sufi-Eingeweihter, die Krankheit unter der ein Mensch leidet, als eine Besetzung durch Genien (arab. Dschinns) wahrnimmt, was die Seele einer kranken Person negativ beeinflusst.

Im Ruhani Iladsch geht es um das Rezitieren von Gebeten (arab. Dua) und Koranversen mit dem Ziel, solche und andere, in Wahrheit spirituelle Probleme zu lindern. Dabei beruht diese Art der Heilkunst ganz und gar auf dem Gottvertrauen (arab. Tawakkul), worin zweifellos Heilung (arab. Schifaa) liegt, wo sich ein kranker Mensch den Händen eines Sufi-Heilers überlässt, durch die er im Gebet auf einen Kranken Heilwirkungen Allahs überträgt.

Heilung und Heilige Form

Im spirituellen Kontext des Sufismus bedeutet Heilung eine zwischenmenschliche Vermittlung von Heilkräften, die erfolgt durch den geistigen Einfluss von bestimmten arabischen Buchstaben, heiligen Formeln (meist bestimmten Koranversen oder Teilen daraus), von Zahlen und religiösen Symbolen. Sie bilden quasi eine rein geistige Form der Medizin im Sufismus, eine prophetische Heilkunst (arab. Tibbun Nabawi), als Teil der islamischen Tradition.

Immer gehört dazu ein liebevoller, freundschaftlicher Umgang mit einem Hilfesuchenden, was als Geistheiler natürlich bedeutet aufmerksam zuzuhören. Sufi-Meister geben so jemandem dann vielleicht einen der 99 göttlichen Namen (arab. Asma Al-Husna) oder einen besonderen Koranvers, den sie, je nach dem Problem unter dem sie leiden, eine bestimmte Anzahl von Malen rezitieren sollen. Werden die arabischen Worte dabei richtig ausgesprochen, haben sie eine positive Wirkung auf einen Hilfesuchenden und können ihn auch tatsächlich wieder gesund machen.

Neben der Heilung zielt diese Technik immer auch darauf ab, jemanden näher zu Gott zu bringen und seinen Glauben dadurch zu stärken. Erst so, sagen die Sufis, kann in ihm ein Gottvertrauen wachsen, das ihn dabei unterstützt verschiedenste Herausforderungen im Leben besser zu bewältigen.

Ist die Ursache von Krankheit körperlich, schlägt der Sufi-Heiler manchmal auch bestimmte Medikamente oder Heilmittel vor. Er formuliert dann ein Bittgebet (arab. Dua) für einen Kranken, während der dann seinen Atem über ihn aushaucht. Hiermit versucht er eine Stärkung des Glaubens beim Klienten zu erzielen.

Die wärmende Ausstrahlung der Sufi-Meister

Immer gab – und gibt es auch heute noch – besondere Sufi-Heiler, die Aufgrund ihrer besonderen Liebe und ausnahmslosen Freundlichkeit (Heiligen gleich), Menschen die ihnen begegnen, allein schon im Erblicken ihres Gesichts, Heilkräfte übermitteln. Eine Erfahrung die nur schwer beschrieben werden kann, doch laut vieler Schilderungen, solch »heilsamen Erlebens« eigene Leiden tatsächlich vergessen macht.

In solch einer Begegnung bleibt man keine teilnahmslose Gestalt, bei dem der Sufi eine Heilung bewirkt, sondern wird zu einem aktiven Teilnehmer eines solch wohltuenden Vorgangs oder Heilungsprozesses.

Eine Geschichte erzählt hierzu von dem Sufi-Heiligen Abd Al-Qadir Al-Dschilani (1077-1166, Gründer der Qadiri-Sufi-Bruderschaft), der einst gesagt haben soll:

Ein Vers kann bei verschiedenen Gelegenheiten hilfreich sein. Koranverse vermögen sogar unheilbare Krankheiten zu heilen.

– Aus Al-Qadiris Tafsir-i Siddiqi

An anderer Stelle schreibt er:

Es gibt noch eine andere Weise wie der Koran wirkt, die die vom Materialismus geblendeten Menschen jedoch nicht sehen können. Er hilft einem, sein Ziel zu erreichen, ist ein Heilmittel für Krankheiten und ein Amulett oder eine magische Formel, um die Wirkungen böser Geister abzuwehren. […] Von allen Arten von magischen Formeln sind die Verse des Korans die würdigsten und wirksamsten. Ich bin ein literarischer Mensch. Von Beruf bin ich Lehrer. Trotzdem zeige ich den Menschen jeden Tag Verse, die ihnen helfen, ihre Ziele zu erreichen.

– Aus Al-Qadiris Tafsir-i Siddiqi

Heil-Amulette

Die eben zitierten Verse werden von Sufi-Heilern als sogenannte »Tawids« auf einen Zettel geschrieben, die Koranverse oder Namen Allahs enthalten und zwar entweder in Worten oder als numerologische Zahlenentsprechungen. Oft werden dafür heilige Namen und Verse auch in sogenannte »Magische Quadrate« eingezeichnet, woraus besondere Formen entstehen.

Solch Zettel wird dann gefaltet, mit einem Faden verknotet, in einen kleinen Metallgegenstand gesteckt oder in ein Stück Stoff eingenäht und dem Hilfesuchenden übergeben, der ihn dann zum Beispiel um den Hals, um die Taille oder in seiner Tasche oder Geldbörse bei sich tragen kann.

Je nachdem welchen Zweck solch Amulett erfüllen soll, kann es etwa auch in Wasser getaucht und getrunken werden von einem Kranken. Auch solch Amulett zu verbrennen und den Rauch in einem Raum zu verteilen soll eben solche Heilungseffekte bringen, wie etwa dann, wenn es an bestimmten Orten platziert wird, zum Beispiel unter einem Baum, einem Felsen, dem Eingang eines Hauses oder unter einem Bett.

Übertragen von Heilenergie

Wer mit solchem Wissen vom Heilen zum ersten Mal in Berührung kommt, dem mag das vielleicht zu fantastisch erscheinen. Allerdings gibt es heute naturwissenschaftliche Forschungen zum Thema der Einflüsse von heiligen Worten, Formen und Gegenständen auf Substanzen, Materialien und damit auch auf biologische Systeme wie den menschlichen Körper.

Man vergleiche das etwa mit der, durch den japanischen Wissenschaftler Masaru Emoto beschriebenen Lehre, dass Wasser die Einflüsse von Gedanken und Gefühlen aufnehmen und speichern kann. Auch die von dem britischen Biologen Rupert Sheldrake entwickelte Theorie der Morphogenetischen Felder, die besondere Grundmuster biologischer Systeme kodieren können, geben wieder worum es hier geht. Denn sowohl Emoto als auch Sheldrake wiesen nach, dass bestimmte Strukturen auf molekularer Ebene durch entsprechende Formen, Symbole, Bilder und Buchstaben, und damit auch durch Sprache (wie etwa beim Rezitieren heiliger Koranverse und der Namen Allahs), in ihrem Aufbau wandelbar sind und harmonisierend wirken (wie etwa einer harmonischen und damit heilenden Strukturierung von Wassermolekülen in Körperzellen).

Spirituelle Kräfte des Koran

Als religiöse Schrift ist der Koran den Sufis heilig. Sie wissen auch, dass von bestimmten Versen darin, wie auch von dem Buch an sich, eine heilsame Wirkung ausgeht, die geistige und körperliche Krankheiten heilen kann. Im Koran finden sich besondere Bittgebete, heilige Formeln und Namen, die bei der geistigen Heilung von Kranken praktisch angewendet werden. Darum ist dieses Heilige Buch der Muslime, für die spirituellen Heilpraktiken der Sufis von unschätzbarem Wert.

Auch gehen die meisten Methoden der Geistheilung auf den islamischen Propheten Mohammed (as) selbst zurück. Sie basieren, wie in Schriften der Sufis der Qadiri-Bruderschaft betont, auf Erkenntnissen aus kosmologischen und numerologischen Betrachtungen, wie ebenso aus dem was uns an Begriffen überliefert ist, aus Heiligen-Legenden und den Berichten über außergewöhnliche Heilungswunder.

 

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