Muttergottheit - ewigeweisheit.de

Göttin Mutter

In der Urgeschichte der Menschheit, spielten Göttinnen der Erde und der Fruchtbarkeit für die Kulturentwicklung eine zentrale Rolle. Die Mutter als Lebensspenderin verehrte man mehr, als die anderen Gottheiten jener Zeit. Archäologische Funde aus der Steinzeit belegen das, wo sich unzählige Artefakte als weiblicher Archetyp präsentieren.

Aus dem Urbild der Venus, wie auch durch die Bildnisse anderer weiblicher Gottheiten, entstand vor langer Zeit eine Symbolik, woraus sich ablesen lässt, welche Rolle es damals spiele Erdboden und dessen Bewohner zu beherrschen. Und zu solchen Bewohnern der Erde zählen eben Menschen, Tiere, Pflanzen und auch die Minerale. In all diesen irdischen Verkörperungen nämlich glaubte man schon immer den Geist einer personifizierten Mutter Erde zu erkennen.

Wie die Venus aus Griechenland als Symbol aller Weiblichkeit im Westen bekannt wurde, hatte man sie zum Beispiel als Göttin Ischtar bereits sehr lange zuvor im Zweistromland verehrt.

Auch im benachbarten Kleinasien (heutige Türkei) gab es lange Zeit eine Religion die die Göttin Kybele als Muttergöttin in ihren Mysterienkulten verehrte. Kybele war da eine Herrin der Tiere, die später zu einer Fruchtbarkeitsgöttin werden sollte. Man nannte sie auch “Magna Mater”, die “Große Mutter”, als die sie seit der Bronzezeit in Anatolien verehrt wurde und die als solche als göttliche Verkörperung von Mutter Erde angesehen werden kann. Lange Zeit galt Kybele als Erzeugerin des Lebens, sowie als Mutter der Erde und der Gebirge.

Die Erde als Lebewesen

In alter Zeit erkannten die Menschen in der Erde ein eigenes Wesen, das alles Leben gebiert, bringt sie doch mit ihren Kräften in Fauna und Flora alles hervor, sowie auch die Menschen, die sich von ihr ernähren. Auch alle Rhythmen und Kreisläufe in der Natur, gibt dieses irdische Wesen vor. Damit erkannten die Menschen irgendwann, wie sich insbesondere die Erde für den Anbau von Nutzpflanzen eignete: Das war die Geburt des Ackerbaus.

Magna Mater rückte in der Jungsteinzeit sogar in den Mittelpunkt des spirituell-kultischen Lebens. Als sich die Menschen der Kultivierung des Erdbodens in den Dienst stellten, und sich dabei allmählich vom Jäger- und Sammlertum lösten, entstanden auch die ersten kleinen Kolonien. Somit sollte die Magna Mater auch eine Göttin der Siedlungskulturen werden.

Man begann damals Ackerbau, Pflanzen- und Tierzucht auf Vorratshaltung hin zu betreiben. Die Gesellschaft setzte sich aus Bauern und Hirten zusammen, was mit dem Entstehen einer gänzlich anders gearteten gesellschaftlichen Kultur einherging, als die, die ihre Nahrung einbrachte durch die Jagd auf wilde Tiere, den Fischfang oder durch das Sammeln von wildwachsenden Pflanzen. Daher stammt auch der Begriff der “Neolithischen Revolution”, die einen Umbruch markierte, seit dem man in der Archäologie und Altertumswissenschaft von der Jungsteinzeit spricht.

Ob nun aber die Menschen sesshaft wurden weil sie Ackerbau betrieben oder sich entschlossen wegen ihrer Sesshaftigkeit Landwirtschaft zu entwickelten, kann heute nicht gesagt werden. Fest steht dabei jedoch, dass Äcker bewacht und geschützt werden wollen. Nicht etwa wegen menschlicher Diebe, sondern weil es Tiere gäbe, die dem Menschen zuvor kämen und an gewachsenen Nutzpflanzen nichts übrig ließen.

Matriarchale Kultur

Wieso sich die Menschen für die Sesshaftigkeit entschieden, bleibt unklar. Interessant an dieser Frage jedoch ist, dass man heute vermutet, dass sich vor etwa 11.500 Jahren ein verheerender Kataklysmus ereignete, über den man aus den Überlieferungen verschiedener Kulturen der Welt erfährt. Die Bibel spricht da von einer Sintflut.

Es gab tatsächlich einen Umbruch, der die Zivilisationen der Wendkreise der Erde wahrscheinlich dazu brachten, sich in Siedlungen niederzulassen, Ackerbau und Viehzucht zu betreiben und Vorräte zu horten. Archäologische Funde belegen, dass das zuerst in der heutigen Südosttürkei und in Nordsyrien stattfand. Das war auch die Zeit als man die ersten Sakralbauten errichtete. Hierzu zählt der in der Türkei gefundene Tempel Göbekli Tepe, der bereits vor 12 Jahrtausenden kultisch genutzt wurde und heute als die älteste archäologische Ausgrabungsstätte der Welt gilt.

Alteuropa

Göbekli Tepe - ewigeweisheit.de

Der 12.000 Jahre alte Tempel von Göbekli Tepe (Urfa, Türkei), gilt heute als ältester Sakralbau der Welt (Quelle: Bildausschnitt, Foto: Teomancimit, Lizenz CC 3.0).

Wie sich dem Werk der litauischen Anthropologin Marija Gimbutas (1921-1994) entnehmen lässt, entstand in den Jahrtausenden nach dieser Zeit, im Bereich zwischen dem Balkan und der Donau eine Kultur, die sie “Alteuropa” nannte: die Wiege unserer westlichen Welt. Sie war ganz und gar matriarchal geprägt. Man fand aus dieser Zeit chrakteristisch geformte Statuetten, die große Brüste und teils überbreite Hüften kennzeichneten. Auch in der jungsteinzeitlichen Großsiedlung Çatalhöyük (Türkei) fanden Archäologen solche Figuren, die man ins 8. vorchristliche Jahrtausend zurückdatiert.

Ein Stammbaum der Mütter

Wenn die Überschrift dieser Absätze eine matriachale Kultur betitelt, meint das auch, dass Bindungen in den Familien dieser alten Kutlur, stets matrilinear ausgestaltet waren. Das heißt, man führte die Abstammung mütterlicherseits fort. Damals stand im Mittelpunkt der Gesellschaft eben die Frau, wie auch die Mutter in der Familie an sich. Und so entstand da die religiöse Vorstellungen einer “Ahnfrau” oder “Großen Göttin”, die der Menschheitskultur vorausging. Anders also als im Patriarchat, von einer durch den männlichen Samen abstammenden Ahnenlinie ausgegangen wird, bezieht sich in einem Matriarchat die Abstammung aus der “Gebärmutter”.

Eine matrilineare Kultur also beruft sich auf eine Abstammungslinie über die Mutter, Großmutter, Urgroßmutter und geht so weiter bis zu der Stammmutter eines Volkes. Bekannteste aller dieser Urmütter der Menschheit ist wohl Eva aus dem biblischen Buch Genesis, nur brachte sie wohl nur drei Söhne zur Welt Kain, Abel und Seth. Islamischen Überlieferungen zu Folge aber soll Eva dem Adam zwanzig Mal Zwillinge geboren haben: je ein Mädchen und einen Jungen.

Muttergottheiten in West und Ost

Wir können heute nicht eindeutig sagen, wie, wo und wann genau sich erste Kulte um Muttergottheiten bildeten. Heute kursiert eine Vielzahl anschaulicher Theorien in der Wissenschaftswelt, die aber fast genauso viele Kritiker wieder in Frage stellen. Das mag zum einen auch daran liegen, dass aus solch alter Zeit, in der zum Beispiel in Europa eine matriarchale Gesellschaft bestanden haben soll, einfach noch nicht ausreichend entziffert wurde von dem, was uns heute an Symbolquellen vorliegt.

Und doch gibt es einige Theorien, die als authentisch wahrgenommen werden, auch wenn sie neben anderen Konstruktionen von Mythen, dennoch nur Hypothesen bleiben. Vielleicht aber geht es hier auch weniger um Beweisführungen, als vielmehr darum, mit dem, was aus solchen Ausarbeitungen zur Theorie der Muttergottheiten vorliegt, einen Rahmen zu schaffen, in dem sich ein als positiv empfundener Ritus zelebrieren ließe.

Wenn oben von Mythenkonstruktionen die Rede war, so meint das erfundene Sagen, die die Legenden um verschiedene Archetypen von Muttergöttinnen verschmolzen, um dann als Grundlage für neue kultisch-religiöse Leitbiler zu fungieren. Was auch als Urbild der “Großen Göttin” bekannt ist, lässt sich aber gewiss an symbol- und kulturhistorischen Gemeinsamkeiten, eigentlich aller Muttergottheiten in West und Ost, wiedererkennen. Denn überall auf der Erde wurden diese Mutterarchetypen als Göttinnen verehrt.

Die Germanen huldigten der Göttin Nerthus die ihnen als heiliger Inbegriff für Mutter Erde galt.

Als Brighid verehrten die alten Kelten Irlands eine Fruchtbarkeits- und Vegetationsgöttin.

Im alten Griechenland standen da Göttinnen wie Gaia, die Urmutter und Personifikation des Planeten Erde, deren Tochter Rhea dann zum Geschlecht der Titanen zählte: Jene riesenhaften Götter der griechischen Mythologie, die als erste über die Erde herrschten. Rheas Töchter wiederum waren Hera und Demeter, die beide zum Kreis der zwölf Olympier gehörten. Dabei verkörpert Hera den Archetyp der Mutter als Ehefrau, während Demeter und ihre Tochter Persephone, für die Mysterien der Erde stehen.

Weiter im Süden wurden die altägyptische Muttergöttin Hathor, als göttliche Himmelskuh angebetet, die aber gleichzeitig, als Göttin des Sonnenuntergangs, auch eine Totengöttin war. Es soll in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen werden, dass die Symbolik der Mutter und die des Todes, ganz eng zusammenstehen. Wir werden weiter unten darauf noch einmal eingehen. Einige Symbole Hathors sollten später auch auf die Göttin Isis übergehen, die für die ägyptische Religionsgeschichte von herausragender Bedeutung ist.

Auch im alten Arabien vorislamischer Zeit verehrte man eine Göttin: Al-Laat. Sie war verwandt mit der morgenländischen Fruchtbarkeitsgöttin Astarte und ihrerseits als Muttergottheit verwandt mit der assyrischen Ischtar (eine etymologische Verwandschaft zum Götternamen “Astarte” ist naheliegend). Der Einfluss dieser Muttergottheit reichte gar bis in die Bibelgeschichte, wo sich im ersten Buch der Könige (Kapitel 11) ein Hinweis darauf findet, dass sogar König Salomo eine Zeit lang die Verehrung der Astarte förderte.

Hathor - ewigeweisheit.de

Hieroglyphe der Muttergöttin Hathor, die den alten Ägyptern auch eine Göttin war sowohl des Todes, der Liebe, des Friedens, der Schönheit und auch der Kunst.

Schauen wir weiter Richtung Fernost, so begegnen wir der hinduistischen Jaganmata, die man als Mutter des Universums verehrt. Sie gilt auch als Inkarnation der Göttin Parvati, der Gemahlin des Gottes Schiva (der ja bekanntlich auch die Attribute einer Todesgottheit besitzt).

All diesen weiblichen Gottheiten gemein ist, dass ihre Rolle als Schöpferin dessen, was sie letztendlich erschaffen, doch auch wieder aus seiner Existenz verschwinden wird.

Geburt, Leben, Tod und Wiedergeburt

Als man in alter Zeit verschiedene Gottheiten verehrte, in ihrer besonderen Rolle für den Menschen, sollten sie sich, wie uns etwa aus der griechischen oder ägyptischen Mythologie bekannt ist, immer wieder durch die Geburt himmlischer Nachfahren in ihrer Rolle als Götter erübrigen. So wurde immer wieder von einer scheidenden Gottheit ein Nachkomme gezeugt (zum Beispiel Horus, Sohn der Isis und des verstorbenen Gottes Osiris). Besonders der Jahreslauf der Sonne (und des Mondes) scheint seit uralter Zeit hierfür eine Grundlage zu bilden, wo im jährlichen Wiederaufblühen der Natur, aus der Muttergöttin neues Leben auf Erden geboren wird.

Hieraus lässt sich ganz klar die Symbolik eines immerwährenden Kreislaufs des Lebens ablesen, der mit der Geburt beginnt, dem eine Wachstums- und Reifephase folgt, um schließlich mit dem Tod zu enden. Diesem Tod aber folgt wieder eine Wiedergeburt: Jedes Jahr erleben wir das im Ablauf der vier Jahreszeiten.

In den matriarchal geprägten religiösen Kulten war da eine Symbolsprache, die sich im Zusammenhang mit diesem zyklischen Vorgang von Geburt, Leben, Tod und Wiedergeburt, folgendermaßen zusammensetzte:

  • Symbole des Lebens: Schlangen, Fische, Wasservögel, Frösche, sowie Linienmuster aus Spiralen oder Netzen.
  • Symbole des Todes: Eulen und Geier die eine Muttergöttin begleiten.
  • Symbole der Wiedergeburt, Erneuerung und Transzendenz: Ei, Gebärmutter, Phallus, sowie die mit der Mondsichel angedeuteten Mondphasen, wie auch Rinder- oder Widderhörner, die die drängenden natürlichen Kraftimpulse versinnbildlichen.

Kult der Großen Göttin

Bei alle dem kann dennoch nicht eindeutig gesagt werden, ob es jemals so etwas wie einen globalen Kult einer Großen Göttin zeitgleich auf unserem Planeten gab. Doch wenn auch nur kleinere, matriarchal geprägte Gruppen, sich die ganze Welt als göttliche Mutter dachten, sind solche Tatsachen eine Betrachtung wert.

Die genannten göttlichen Wesen waren aber nicht expilzit Wesen der Erde, sondern als Göttin Gaia wiederum selbst gebettet in einen vollständig von weiblichen Kräften durchdrungenen Kosmos. Schaut man etwa in die Überlieferungen der Gnosis, so ist da die Rede von “Sophia”, der personifizierten göttlichen Weisheit, aus der das Universum entstand. Der Himmel als Urraum aber, indem sich dieses Universum ausbreitet, ist dabei jungfräulich gewesen, damit in ihm eine Göttin der Atmosphäre das Sein in seine Existenz bringen konnte.

Darunter befindet sich die Menschenwelt, wo man in Gegenwart der Frauengöttin lebt. Mit ihrer Kraft belebt sie Land und Meer und alles was darin zuhause ist.

Unter der Menschenwelt aber liegt das Reich der “Alten Frau”, die als Todesgöttin alles Leben in den Abgrund zieht, darin auflöst, doch zugleich aus der Tiefe wiederauferstehen lässt. Sie reflektiert den ewigen Kreislauf von Untergang und Wiederkehr, dem auch alle astronomischen und vegetativen Zyklen unterliegen.

Es herrschen diese drei Göttinnen also über die kosmische Ordnung. Man könnte sie sich auch nur als eine Muttergöttin denken, die eben in drei verschiedenen Erscheinungsformen verehrt wird. Das diese kosmische Dreiheit aber eigentlich identisch ist mit dem, was patriarchale Kulturen prägt, wird deutlich in dem Bild der Dreiheit von Gott, Mensch und Erde (oder Unterwelt).

Das im Zusammenhang mit einer kosmischen Muttergöttin auch die Symbolik des Mondes eine Rolle spielt ist naheliegend, zumal sich ja diese Dreiheit in den sichtbaren Mondphasen (zunehmend, voll, abnehmend) wiedererkennen lässt.

Lunare Weiblichkeit

Wenn seit alter Zeit manche Frauen einen besonderen Bezug ihrer Weiblichkeit zum Mond betonen, dann liegt das sicher daran, dass sich eben der Menstruationszyklus monatlich wiederholt. Und was ist ein Monat anderes, als eben ein Mondzyklus (unschwer zu vermuten, dass die Wörter “Mond” und “Monat” etymologisch miteinander verwandt sind).

Erst in den vergangenen Jahrzehnten, kehrte diese Erkenntnis ins Bewusstsein der Menschen zurück. Und so entstand da ein echter Kult um das, was wir hier immer wieder als “Muttergöttin”, “Mutter Erde” oder schlicht die “Große Göttin” bezeichneten. Hieraus emanzipierte sich in den vergangenen Jahren eine auf solche Muttergöttinnen ausgerichtete Spiritualität. Ereignete sich das aber als Gegenpol oder gar Protest, zu den patriachal geprägten Weltreligionen, dürfte es damit irgendwann wieder zusammenfallen.

Fest steht dabei, dass in unserer Zeit die Erkenntnisse aus jenem Urwissen der Frauen über das Leben und die Natur, von immens wichtiger Bedeutung sind. Denn es ist die Natur, aus der sich der menschliche Körper aufbaut, die ihm Nahrung und Lebensraum spendet. Wenn eine weibliche Spiritualität also ganz deutlich auf die Wichtigkeit dieser Erkenntnis hinweist, scheint sie ihre Rolle in der Gegenwart auf jeden Fall zum Wohle aller erfüllen zu wollen.

 

1 Kommentar
  1. Wie immer: außerordentlich
    Wie immer: außerordentlich informativ.
    Ich empfinde auch, kollektiv bemerke ich mehr Hinwendung und Bereitschaft zum Weiblichen, gleichzeitig zum Emotionalen, mit dem nun viel mehr Beziehung bewusst eingegangen wird.

    Wunderbar, mit liebem Gruß, Michaela

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