Annie Besant

Wer war Jiddu Krishnamurti?

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

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Jiddu Krishnamurti - ewigeweisheit.de

Viele spirituell gesinnte Menschen halten den aus Indien stammenden Jiddu Krishnamurti für einen der wichtigsten Weisheitslehrer des 20. Jahrhunderts. Seine lebenspraktischen Lehren nämlich behielten bis heute ihre Wichtigkeit, im Denken des Abendlandes.

Er selbst fühlte sich keiner religiösen, spirituellen Schule oder Weisheitstradition verpflichtet. Auch darum sucht man bei ihm vergeblich nach einer neuen Philosophie oder Weltanschauung. Eher glich das, worüber er in seinem Leben, oft vor einem Publikum von tausenden Menschen sprach, praktischen Unterweisungen. Er hatte erkannt, und damit vorausgesetzt, dass jedem Menschen die Fähigkeit gegeben ist sich weiterzuentwickeln. Darum sprach er in seinen Vorträgen eben über jene Dinge, die jeden von uns in seinem täglichen Leben betreffen.

Krishnamurti (1895-1986) kannte die Probleme der Menschen der modernen Gesellschaft, die geprägt sind von einem Verlangen nach Sicherheit. Menschen bedrückt heute eine innere Spannung. Und die resultiert wohl aus einer eigentlichen Angst des Menschen vor dem Leben an sich. Darauf versuchte Krishnamurti seine Zuhörer in seinen Reden anzusprechen.

Seinen Zuhörern vermittelte er dabei jedoch immer etwas weniger, als das sie sich von seinen Ansprachen erhofften. Denn die eine oder der andere, erwarteten da vielleicht eine neuartige Methode, mittels derer sie sich von ihren alltäglichen Sorgen und Ängsten befreien konnten. Was Krishnamurti jedoch vermittelte, basierte eher auf einer vollkommenen Einfachheit. Er sprach die Probleme des Menschseins direkt an und erschütterte dabei vielleicht auch mühsam errichtete Gedankengebäude des Intellekts vieler seiner Zuhörer. Manch einer mag seine Lehre darum gar als anarchisch und zerstörerisch empfunden haben. Seine vermeintlichen Angriffe aber zielten vielmehr auf die Fesseln ab, mit denen sich die Menschen an ihre vermeintliche Wahlfreiheit zu binden pflegten.

Der neue Weltlehrer?

Helena Petrovna Blavatsky (1831-1891), die Begründerin der modernen Theosophie, schrieb 1889 im Schlusswort ihres Buches »Der Schlüssel zur Theosophie«:

[…] abgesehen davon, dass eine große, allen zugängliche Literatur zur Verfügung steht, wird der nächste Impuls, eine große geeinte Gemeinschaft von Menschen vorfinden, die bereit sind, den neuen Fackelträger der Wahrheit willkommen zu heißen. Er wird das Denken der Menschen für seine Botschaft vorbereitet finden, eine geeignete Sprache, in die er die neue Wahrheit, die er bringt, kleiden kann, und eine Organisation, die seine Ankunft erwartet und die ihm die rein mechanischen materiellen Hindernisse und Schwierigkeiten aus dem Weg räumen wird.

– Helena P. Blavatsky in »Der Schlüssel zur Theosophie«, S. 214f

Wenn darin zu lesen ist von einem »nächsten Impuls«, der mit dem Auftreten eines »Fackelträgers der Wahrheit« eingeleitet werden sollte, meinte sie damit den kommenden Weltlehrer des Wassermannzeitalters: Maitreya. Die Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft sollten ihm da den Weg bereiten, damit er seine Aufgabe, die Botschaft der Wahrheit zu verkünden, auch erfüllen kann. Das zumindest war die Sichtweise der Theosophen Annie Besant (1847-1933) und Charles Webster Leadbeater (1854-1934). Sie fühlten sich durchs Blavatskys Aussage in ihrem Buch dazu inspiriert, die baldige Ankunft Maitreyas selbst miterleben zu dürfen, am Ende aber selbst zu inszenieren.

Jiddu Krishnamurti mit Charles Webster Leadbeater - ewigeweisheit.de

Der junge Jiddu Krishnamurti (links) mit Charles Webster Leadbeater (rechts), um 1909.

Im Frühling 1909 traf Leadbeater am Privatstrand des Hauptquartiers der Theosophischen Gesellschaft in Adyar, Madras (heutiges Chennai in Indien), einen vierzehnjährigen Jungen. Es war der Sohn von Jiddu Narayaniah, einem südindischen Brahmanen aus dem Stamm der Telugu. Narayaniah arbeitete damals für die Theosophische Gesellschaft (Blavatsky hatte ihn im Jahr 1882 in die Theosophische Gesellschaft aufgenommen). Er lebte mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen (von denen der ältere der beiden eben Jiddu Krishnamurti war) neben dem Gelände der Theosophischen Gesellschaft.

Charles Webster Leadbeater nun, eine äußerst umstrittene Figur (später aus der Theosophischen Gesellschaft ausgeschlossen), dessen umfassendes, okkultes Wissen die Führung der Gesellschaft damals durchaus respektierte, kam zu der Überzeugung, dass der junge Krishnamurti ein geeigneter Kandidat für das Vehikel des Weltlehrers Maitreya darstelle. Er nahm Krishnamurti, wie auch seinen jüngeren Bruder Jiddu Nityananda, darum unter seine Fittiche. Ende 1909 nahm Annie Besant, damals Präsidentin der Theosophischen Gesellschaft, Krishnamurti und seinen Bruder in die Gesellschaft auf und adoptierte beide Jungen im März des folgenden Jahres. In diesem Jahr noch erklärte Annie Besant den jungen Krishnamurti zum kommenden »Weltlehrer«.

Zu Füßen des Meisters

Ende 1910 brachte die Theosophische Gesellschaft das erste Schriftwerk Krishnamurtis heraus, mit dem Titel »Zu Füßen des Meisters« – veröffentlicht unter dem Pseudonym »Alcyone«. Der junge Krishnamurti soll es bereits im Alter von 14 Jahren verfasst haben. In diesem Bucht bezieht er sich immer wieder auf »den Meister«, der laut legendärer Überlieferung eben jener gewesen ist, der auch auf Helena P. Blavatsky oder Alfred P. Sinnet, in ihrer schriftstellerischen Arbeit seinen Einfluss ausübte: der tibetische Meister Kuthumi. In seinem Vorwort zum Buch schrieb Jiddu Krishnamurti dazu:

Dies sind nicht meine Worte. Es sind die Worte des Meisters, der mich gelehrt hat.

Gemäß Aussagen Leadbeaters, erhielt der junge Krishnamurti in einem Zeitraum von etwa fünf Monaten, zwischen den Jahren 1909 und 1910, während er schlief, in einem mystischen Prozess eine spirituelle Unterweisung von Meister Kuthumi. Hieraus soll das Buch »Zu Füßen des Meisters« entstanden sein: Ein Buch das heute zu den spirituellen Klassikern der Weltliteratur zählt und über 100 Jahre (!) immer wieder neu aufgelegt wurde.

Drei Ordensgründungen

1911 dann gründete ein damaliger Redner auf den Kongressen der Theosophischen Gesellschaft in Adyar, George Arundale (1878-1945; ab 1933 selbst Präsident der Gesellschaft), den »Orden der aufgehenden Sonne« in Benares (heute Varanasi, Indien). Er gründete diesen Orden als Studiengruppe, eben wegen Krishnamurtis, oben genanntem Buch. Krishnamurti stand also im Mittelpunkt dieses Ordens. Bereits aber im Mai 1911 musste Besant diese von Arundale gegründete Studiengruppe und den damit verbundenen Orden, wieder auflösen, da durch ihr Fortbestehen es sonst wohl zu schwierigen Auseinandersetzungen in der Theosophischen Gesellschaft gekommen wäre.

Bereits aber im April 1911, hatte Besant den »Orden des Sterns im Osten« gegründet, mit Sitz in Benares. Der Name des Ordens entstand in Anlehnung an den Stern von Bethlehem, um damit das angekündigte Herannahen des Maitreya, der neuen Manifestation Christi, symbolisch anzudeuten.

Besant und Leadbeater sollten als Protektoren des neu gegründeten Ordens fungieren und wurden dazu offiziell von der Theosophischen Gesellschaft ernannt. Oberhaupt des Ordens aber wurde der damals gerade einmal 16 Jahre alte Jiddu Krishnamurti. Was sich in jenen Tagen über diesen Orden verbreitete, fand weite Beachtung in der Öffentlichkeit. Sogar die weltweite Presse schrieb darüber (darunter die New York Times, Los Angeles Times und andere). So hieß es etwa im März 1926 im amerikanischen Boston Daily Globe:

Unabhängig davon, ob man an diese 'Wiederkehr Christi' glaubt oder nicht, zeigt die ganze Welt Interesse an dieser Frage. In vielen Fällen haben Vertreter orthodoxer religiöser Organisationen ihre Aufgeschlossenheit für diesen Glauben zum Ausdruck gebracht. […] Es gibt eine weit verbreitete Erwartung eines solchen Ereignisses, das sich über konfessionelle und religiöse und sogar nationale Grenzen hinwegsetzt […]

Die Haltung der Menschen in den Industrienationen damals, war geprägt von einem Schwanken zwischen Aufbruchsstimmung und gleichzeitig diffuser Zukunftsangst. Eben darum war es möglich, dass Menschen aus diesem Gefühl einer Endzeitstimmung, durchaus offen waren für solche Verlautbarungen (was im Übrigen ja auch in esoterischen Kreisen der Gegenwart wieder Thema zu sein scheint). Viele Menschen damals waren des Lebens überdrüssig, was bei manchen gar in eine Faszination vom Tod mündete.

Ziel des von Besant und Leadbeater gegründeten Ordens auf jeden Fall, war die Ankunft des Weltlehrers vorzubereiten, und dafür alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, was ihnen damals auch tatsächlich gelang. Denn bereits 1913 hatte der Orden des Sterns im Osten weltweit mehr als 15.000 Mitglieder, worunter die meisten auch der Theosophischen Gesellschaft angehörten.

Mit dem Erreichen seiner Volljährigkeit dann, begann Krishnamurti in mehreren Ländern Vorträge zu halten. Am 28. Dezember 1911, während einer Zeremonie, die Krishnamurti zum Abschluss der jährlichen theosophischen Konvention zelebrierte, wurden Berichten zufolge, die Anwesenden plötzlich von einem seltsamen Gefühl »ungeheurer Kraft« überwältigt. Sie schien durch Krishnamurti zu fließen und auf sie überzugehen. Leadbeater schrieb dazu:

Es erinnerte einen unwiderstehlich an den rauschenden, mächtigen Wind und die Ausgießung des Heiligen Geistes an Pfingsten. Die Spannung war enorm, und jeder im Raum war zutiefst betroffen.

Am nächsten Tag verkündete Besant auf einer Versammlung der Esoterischen Sektion der Theosophischen Gesellschaft zum ersten Mal, dass es nun offensichtlich sei, dass Krishnamurti tatsächlich der auserwählte Körper sei, in dem sich der Christus manifestiert hatte (der Name »Krishnamurti« bedeutet gemäß Hindu-Tradition »wiedergeborener Krishna«).

Annie Besant im Jahr 1922 - ewigeweisheit.de

Annie Besant im Jahr 1922.

Die Jahre nach 1912

In der folgenden Zeit kam es zu einigen Kontroversen. Krishnamurtis Vater Narayaniah, richtete sich im Jahr 1912, in einem vertraulichen Brief, an den damaligen Generalsekretär der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft, Rudolf Steiner (1861-1925). Darin schrieb er über seine Verstimmungen hinsichtlich dessen, was da mit seinem Sohn geschah. Er wollte auf keinen Fall, dass sein Sohn Krishnamurti (und dessen Bruder) in die Obhut Leadbeaters kam, worum er auch Annie Besant bat, doch seiner Bitte anscheinend nur unzureichend nachgekommen wurde. Auf jeden Fall war es die Entscheidung Rudolf Steiners, auch im selben Jahr noch die Abspaltung der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft von der Muttergesellschaft zu veranlassen. Doch schon etwas zuvor, hatten Anhänger Rudolf Steiners, im Jahr 1912 die Anthroposophische Gesellschaft gegründet.

Neun Jahre später, im Jahr 1921, fand der erste internationale Kongress des Ordens des Sterns des Ostens in Paris statt. 2.000, der damals weltweit etwa 30.000 Mitglieder, nahmen daran teil. Im folgenden Jahr 1922 hatte Krishnamurti, während eines mehrmonatigen Aufenthalts in Ojai (Kalifornien), eine Reihe spiritueller Erfahrungen. Seit dieser Zeit begannen Gerüchte zu kursieren, über seltsame Ereignisse unter den Mitgliedern des Ordens des Sterns im Osten. Diese Ereignisse von Ojai blieben außerhalb der theosophischen Führung allerdings unbekannt.

1926 zählte der Ordens des Sterns im Osten etwa 43.000 Mitglieder. Zwei Drittel davon gehörten auch der Theosophischen Gesellschaft an. Doch schon seit 1922 hatte sich Krishnamurti in seiner zugesprochenen Rolle als neuer Weltlehrer anscheinend nicht mehr wohlgefühlt. Ausschlaggebend dafür war, neben den genannten und anderen Kontroversen, dass sein jüngerer Bruder Nitya im November 1925 völlig unerwartet verstorben war.

Im Juni 1927 änderte man den Namen des Ordens des Sterns im Osten, da ihn die Mitglieder als nicht mehr zeitgemäß empfanden. Die Worte »im Osten« nämlich, deuteten auf einen »kommenden« Weltenlehrer hin. Doch die Tage der Erwartung waren ja vorbei, da Krishnamurti nun das irdische Vehikel geworden sei, durch das Maitreya spreche. Man änderte darum den Ordensnamen auf »Orden des Sterns«.

Zu den Gipfeln spiritueller Erkenntnis

Am 2. August 1929 dann löste Krishnamurti den für ihn gegründeten Orden des Sterns vor 3.000 Mitgliedern auf. Dieses Ereignis glich einem Erdbeben für die Theosophische Gesellschaft Adyar. Viele der mit dem Orden in Verbindung stehenden Menschen sahen sich um ihre Hoffnungen betrogen (folgende Zitate sind entnommen aus Krishnamurtis damaliger Rede):

Wir werden heute Morgen sprechen über die Auflösung des Ordens des Sterns. Einige Menschen werden darüber erfreut sein, andere eher traurig. Die Freude oder Trauer darüber soll uns hier aber nicht beschäftigen, denn es geht einzig um die Sache, die unvermeidbar ist. […] Ich behaupte, dass die Wahrheit ein pfadloses Land ist, und dass man sich ihr auf keinem Weg nähern kann, weder durch eine Religion noch durch eine Sekte. Das ist meine Meinung, und daran halte ich absolut und bedingungslos fest.

Krishnamurti erklärte den Mitgliedern des Ordens, dass die Wahrheit eben grenzenlos sei, und es keine Bedingungen gäbe die zu ihr führten. Gemeinschaften die sich darum aber bemühten Wahrheit zu organisieren, hätten alle die Erfahrung gemacht, wie unmöglich es in Wirklichkeit ist, Wahrheit als Glauben zu organisieren.

Da der Glaube eine ganz individuelle Sache ist, kann und soll man ihn nicht organisieren. Einmal organisiert, stirbt der Glaube und verliert seine Lebendigkeit. Er wird zu einem Dogma, einer Sekte oder einer Religion, die stets sich und ihren Weg den Menschen aufzwingt.

Auch wenn nicht von der Hand gewiesen werden kann, dass erst durch die Religionen Menschen zu einer Bewusstheit des Universalen fanden, hatte Krishnamurti darüber hinaus deutlich gemacht, dass das, was wir als »Göttliche Wahrheit« kennen, nicht aus himmlischen Gefilden auf die Erde heruntergeholt werden kann, sondern der Einzelne sich darum bemühen muss, selbst zur Wahrheit aufzusteigen.

Sie können den Berggipfel nicht ins Tal versetzen. Wer den Gipfel erreichen will, muss das Tal durchqueren, die Steilhänge erklimmen, ohne Angst vor den gefährlichen Abgründen.

Dieses Aufsteigen zu den Gipfeln spiritueller Erkenntnis und göttlicher Schau, so Krishnamurti, muss jeder Mensch in sich selbst erfahren. Er glaubte, das Leben selbst sei Gott, und jede Handlung manifestiere sich durch Gott. In dieser Erkenntnis erst vermag ein Mensch seine wahrhaftige Einzigartigkeit zu spüren, die ihm ein Fundament ist, worauf er aufbauen kann.

Wie aber soll das geschehen, wenn man sich in organisierte Gruppen flüchtet, die einem Anweisungen geben, wie man das Leben zu leben hat?

Krishnamurtis Kunst der einfachen Rede

Über all die vielen Jahre, seit seiner Jugend, in der man ihn ja bereits zum Weltlehrer ernannt hatte, vermochte Krishnamurti seine Zuhörer immer wieder daran zu erinnern, dass jeder zuerst einmal Mensch und so wie der Rest der Menschheit ist. Nichts unterscheidet einen Menschen in Wirklichkeit von einem anderen.

Was Krishnamurti den Menschen lehrte, ging dabei über menschengemachte Glaubenssysteme, nationalistische Weltanschauungen und Sektierertum weit hinaus. Seine Lehren gaben den Menschen auf ihrer Suche nach Wahrheit einen neuen Sinn, lenkten ihr Denken in eine neue Richtung, wobei das, was er lehrte, zeitlos war.

Krishnamurti lag nichts daran eine besondere Schule oder einen neuen Kult zu gründen. Niemals wollte er, dass man in ihm einen Guru sah. Seine Zuhörer bekamen von ihm anstelle dessen ein Gefühl frischer Direktheit. Er sprach nie belehrend, sondern ganz unmissverständlich, wie ein Freund zu seinen Freunden. Trotzdem versuchte er seinen Zuhörern dabei zu helfen, ihr Leben auf Erden zu ergründen. Und das gelang ihm auch, denn nicht zog er Schlüsse aus erlerntem Wissen, sondern aus seinen eigenen Einsichten, die er aus Lebenserfahrungen gewann. Auch wenn der Kern seiner Botschaft, über all die vielen Jahre unverändert blieb, vermochte er vielen Menschen zu helfen, sich ihres eigenen Lebens immer mehr bewusst zu werden.

Die Essenz seiner Lehren aber bildete kein Lernsystem, das viele Schritte umfasste oder eine Anleitung für ein besseres Leben gab. Man sollte vielmehr einfach anfangen, um schließlich einen Ort in sich selbst zu erreichen, den jeder erreichen kann, doch eben nur durch ein Leben an sich. Er wollte die Leute von allem befreien, was sich zwischen ihnen und ihrem Schöpfer befand. Er bot dem Leben seiner Zuhörer nicht noch mehr, mit dem sie sich beschäftigen sollten. Vielmehr lag ihm daran zu vermitteln, dass es eher darum ging, zuerst einmal zu erkennen was ihr Leben alles nicht ist, um daraus zu schlussfolgern was es letztendlich sein muss. Denn aus solch totaler Negation, erhält man eben die Essenz dessen, was positiv ist im Leben.

Nun, wie können wir dabei vorgehen? Ich glaube, es gibt nur einen Weg: durch Negation zum Positiven zu kommen; durch das Verstehen, was es nicht ist, herauszufinden, was es ist. Zu sehen, was man tatsächlich ist, und darüber hinauszugehen.

- Krishnamurti in einem öffentlichen Vortrag in Saanen (Schweiz), 16. Juli 1970

Solche und andere interessante Einfachheiten vermochte Krishnamurti in seinen Reden eben jedem einzelnen seiner Zuhörer direkt und persönlich zu vermitteln, wobei sich dabei wohl jeder fühlte, als würde Krishnamurti auf seine speziellen Probleme direkt eingehen. Seine Wortwahl vermochte bei jedem, besondere Lebensthemen anzusprechen, wobei er dabei jedoch nie versuchte seine Zuhörer für sich zu gewinnen, damit sie seinem eigenen Weg folgten. Im Gegenteil! Er nahm seine Zuhörer mit, jeden Einzelnen, und führte sie zu sich und ihren Themen.

Ich bin niemand. So einfach ist das. Ich bin niemand. Aber was wichtig ist, ist, wer Sie sind, was Sie sind.
- Jiddu Krishnamurti

Solcherart und andere Aussagen Krishnamurtis, ließen jedoch auch viele Menschen mit unbeantworteten Fragen zurück. Aber wie er eben sagte, war die Wahrheit ein pfadloses Land. Wichtig war ihm dabei, in seinen Reden den Menschen ein Vertrauen zu vermitteln, ein Vertrauen in ihr Leben. Er wusste eben, dass die meisten unserer Schwierigkeiten aus einer Angst vor dem Leben resultieren. Vertrauten wir aber dem Leben, so wie es ist, statt uns davor zu fürchten, würde es uns auch nicht verraten – nur wir selbst könnten uns verraten.

Jiddu Krishnamurti in den 1920er Jahren - ewigeweisheit.de

Jiddu Krishnamurti in den 1920er Jahren.

Über die Freiheit

Die Menschheitsgesellschaft war für Krishnamurti letztlich ein Produkt der Interaktionen von Individuen. Darum vertrat er die Ansicht, dass ein grundlegender Wandel in der Welt nur entstehen kann, wenn sich das Individuum dazu entschließt, aus freien Stücken, einen radikalen Wandel in sich selbst zu vollbringen. Stets betonte er die Notwendigkeit einer »Revolution«, doch keineswegs einer äußeren oder politischen, sondern einer von innen heraus entfesselten Wende – durch eine ganzheitliche Transformation des Menschen eigenen Bewusstseins.

Die meisten Menschen heute jedoch leben in einem ewigen Gestern, was ihre Erwartungen stets auf das ausrichtet, das sie bereits kennen. Und diese Haltung prägen vor allem die bildhaften Vorstellungen ihrer Anschauung von sich selbst und der Welt. Diese manifestieren sich in Symbolen und Überzeugungen von etwas: Da »bildet« man sich eine Meinung über, »macht sich ein Bild« von etwas.

Heute dominieren Bilder unser Bewusstsein in fast allen Lebensbereichen, tauchen in unserem Denken auf und beeinflussen unser tägliches Handeln. Oft sind es Vorstellungen, in denen solche Bilder auftauchen, aus denen viele unserer Probleme entstehen. Dann trennen solcherart Bilder sogar Menschen voneinander, da sie zu geistigen Konzepten werden, mit denen wir in die Welt blicken. Doch was wäre, wenn jeder Mensch einzigartig ist und sich eben nicht in Bilder und Schablonen irgendwelcher Voreingenommenheit einfügen lässt? Könnte sich der Mensch dann von seinen erworbenen, bildhaften Inhalten lösen? Würde er sich damit sogar von allem Äußerlichen, nur Vordergründigem entfernen?

Wohl gelänge ihm nach und nach, in sich eine Verbundenheit mit allen anderen Menschen zu erfahren. Und eben darin läge wahre Selbstbestimmung und nicht mehr die scheinbare »Freiheit der Wahl«, eine Freiheit sich eine Meinung zu »bilden« über dieses oder jenes, über seine Mitmenschen und über sich selbst.

Freiheit ist keine Reaktion auf irgendein altes Handeln oder eine gewesene Lebenshaltung, von der man sich löste. Je mehr ein Mensch sich Dinge, Haltungen und Verbindungen für sein Leben auserwählt, desto mehr Stränge binden ihn daran, was ihn dementsprechend unfrei macht. In wahre Freiheit hingegen begäbe sich einer, der einfach nur beobachtete, ohne in eine beabsichtigte Richtung zu schauen. Er hätte keine Angst mehr davor, für das was er tut, bestraft zu werden, wie er ebensowenig hoffen würde, dass jemand sein Tun belohnt.

Freiheit entbehrt einfach jeden Motivs, denn sie wird nicht erreicht am Ende eines angetreten Weges im Leben, sondern beginnt bereits mit dem ersten Schritt ihres Antritts. Und solch Beginn unserer Lebensreise kann jeden Tag, in diesem Moment von Neuem beginnen, indem man beobachtet, urteilsfrei, um dabei seine eigentlichen Unfreiheiten zu entlarven.

Was es heißt zu meditieren

Für viele bedeutet Meditation so etwas wie ein Mittel zur Beruhigung des Gedankenflusses. Krishnamurti hatte versucht seinen Schülern die Meditationspraxis als etwas nahezulegen, dass sie befähigen sollte sich von Wissen zu befreien und sogar ein Ende allen Wissens anzustreben, im Sinne einer Freiheit von Bekanntem.

Meditation ist darum kein Mittel zum Zweck, mit der man irgendwann ein Ziel erreicht – Erleuchtung oder Ähnliches – oder irgendwo ankommt, oder sein geistiges Dasein perfektioniert. Krishnamurti galt Meditation im Gegenteil dazu, als Ende allen Strebens, innerhalb des menschlichen Lebens, als eine Bewegung aus der Zeit heraus. Denn jeder Gedanke ist Zeit, da er entsteht aus unseren gemachten Erfahrungen und aus dem Wissen das wir erlernten. Und damit ist jeder Gedanke untrennbar mit der Vergangenheit und darum mit der Zeit verbunden. Für Krishnamurti aber war die Zeit der psychologische Feind des Menschen.

Des Menschen Handeln basiert auf Wissen und damit auf Zeit, so dass er anscheinend dazu tendiert, immer von der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen, doch dabei immer abhängig bleibt von Zeit. Wenn der Mensch jedoch die Bewegung seines eigenen Bewusstseins begreifen lernt, wird er die Trennung zwischen dem Denker und dem Gedanken, dem Beobachter und dem Beobachteten, dem Erfahrenden und der Erfahrung, erkennen. Dann wird ihm klar, dass diese gerade beschriebene Trennung eine Illusion ist und wird allmählich lernen, sein fragmentiertes Wesen zu einen und damit auch in sich eins zu werden. Dann gibt es nur noch reines Beobachten, was reine Erkenntnis ist, ohne jeden Schatten der Vergangenheit und damit getrennt von aller Illusion der Zeit. In solch zeitloser Einsicht erfährt der Meditierende dann eine entscheidende Veränderung seines Geistes. Dies ist der Anfang wahrer Meditation.

 

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Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

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Theosophische Gesellschaft Adyar - ewigeweisheit.de

Tagungsort: Gruppe / Loge Blavatsky in Berlin, Stiller Raum im Treff, Kiezoase, Barbarossastraße 65, 10781 Berlin, Beginn: 19:00 Uhr

Web: theosophie-in-berlin.jimdofree.com

 

Die Theosophische Gesellschaft hat sich in den vergangenen 147 Jahren ihres Bestehens, über weite Teile der Welt ausgebreitet. Sie übte im Laufe ihrer Geschichte großen Einfluss aus, auf Gesellschaft, Politik, Kunst und Wissenschaft. Zu ihren Mitgliedern aber zählen Angehörige aller Religionen. 

In meinem Gespräch mit Thomas Fredrich, dem Leiter der Loge Blavatsky in Berlin, sprechen wir über das Werk Helena P. Blavatskys, wie auch über manche spirituelle Kernthemen, über die man aus der Arbeit der Theosophischen Gesellschaft erfährt.

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Rudolf Steiners Vision...

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

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Im Jahr 1899 veröffentlichte Rudolf Steiner in einem Magazin für Literatur einen Artikel mit dem Titel »Goethes geheime Offenbarung«. Hierin ging er ein auf die esoterische Bedeutung von Goethes »Mährchen von der Grünen Schlange und der Schönen Lilie«. Wegen seiner Auslegung dieses recht außergewöhnlichen Kunstmärchens erhielt er eine Einladung des Theosophen und späteren Anthroposophen Cay Lorenz Graf von Brockdorff.

Rudolf Steiner mit Annie Besant - ewigeweisheit.de

Rudolf Steiner mit Annie Besant im Jahr 1907, während der Münchener Konferenz der Theosophischen Gesellschaft Adyar.

Im Hause seines Gastgebers sollte er vor einer Versammlung von Theosophen einen Vortrag zum Thema Friedrich Nietzsche halten.

In Folge dieser Veranstaltung durfte er sich über weitere Einladungen freuen, in denen er, wenn man so will, seine ersten »Esoterischen Vorlesungen« hielt, die sich, wiederum auf einer okkulten Ebene, mit dem gerade erwähntem Märchen Goethes befassten. Trotz das Rudolf Steiner bis dahin der Theosophischen Gesellschaft eher ablehnend gegenübergestanden hatte, hielt er seit dieser Zeit wiederholt vor ihren Mitglieder Vorträge. Dieser Kreis von Zuhörern sollte sogar sein wichtigstes Publikum werden. Mit dieser Vortragstätigkeit konnte er sogar einen Lebensunterhalt bestreiten.

Schließlich wählte man Rudolf Steiner 1902 zum Vorsitzenden der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft Adyar. In den kommenden Jahren wuchs die Deutsche Sektion ganz rapide an, was die Gesellschaft der Vortragstätigkeit Steiners zu verdanken hatte. Gemeinsam mit seiner Frau Marie von Sievers-Steiner gründete er in Berlin dann das Hauptquartier der Theosophischen Gesellschaft, einem Ort der zum wichtigsten Zentrum der Theosophie im damaligen Deutschen Reich werden sollte.

Ab 1904 ernannte die englische Theosophin Annie Besant (1847-1933) Rudolf Steiner zum Vorsitzenden der Esoterischen Schule der Theosophischen Gesellschaft in Deutschland und Österreich. Steiner jedoch bestand darauf in seiner Arbeit und dem Wirken der Schule, sich insbesondere auf eine westliche Spiritualität zu konzentrieren.

1907 verstarb der ehemalige Gründer und damalige Präsident der Theosophischen Gesellschaft Adyar, Henry Steel Olcott. Ihm sollte dann Annie Besant in ihrer Rolle als neue internationale Präsidentin der Gesellschaft folgen. Nachdem sie aber noch im selben Jahr am internationalen Kongress der Theosophischen Gesellschaft in München teilnahm, die Rudolf Steiner mit seiner Frau veranstaltet hatten, kam es allmählich zu Differenzen zwischen Steiner und Besant. Dafür gab es einige Gründe. Einer dafür war die von Steiners Frau Marie für die Konferenz choreografierte Inszenierung und Aufführung eines modernen Mysteriendramas nach Eduard Schuré. Diese Neuorientierung störte viele der Teilnehmer.

Ein großer Teil der alten Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft aus England, Frankreich, namentlich aus Holland waren innerlich unzufrieden mit den Erneuerungen, die ihnen mit dem Münchner Kongress gebracht worden sind. — Was gut gewesen wäre, zu verstehen, was aber damals von den wenigsten ins Auge gefasst wurde, war, dass mit der anthroposophischen Strömung etwas von einer ganz andern inneren Haltung gegeben war, als sie die bisherige Theosophische Gesellschaft hatte. In dieser inneren Haltung lag der wahre Grund, warum die anthroposophische Gesellschaft nicht als ein Teil der theosophischen weiterbestehen konnte. Die meisten legten aber den Hauptwert auf die Absurditäten, die im Laufe der Zeit in der Theosophischen Gesellschaft sich herausgebildet haben und die zu endlosen Zänkereien geführt haben.

- Rudolf Steiner in seiner Autobiografie »Mein Lebensgang«, über den Kongress der Theosophischen Gesellschaft 1907 in München

Unabhängig von diesen Meinungsverschiedenheiten aber weitete sich Rudolf Steiners Popularität in Kreisen der Theosophen immer weiter aus, was bald weit über die Grenzen Deutschlands reichte. Annie Besant schien das weniger zu gefallen. Bangte sie womöglich um ihre Position als Präsidenten der Theosophischen Gesellschaft?

Die damals entstandenen Zänkereien in der Theosophischen Gesellschaft ließen auf jeden Fall nicht nach. Insbesondere als der junge, jedoch außergewöhnliche Inder Jiddu Krishnamurti unverschuldet in die Kampfzone zwischen Steiner und Besant geriet, schien das Fass endgültig überzulaufen. Gemeinsam mit ihrem Vertrauten, dem Okkultisten und Theosophen Charles Webster Leadbeater (1854-1934) – einer recht umstrittenen Figur in der Geschichte der Gesellschaft –, schrieben sie Krishnamurti eine messianische Erscheinung zu und wollten in ihm gar die Inkarnation des Maitreya oder den Nachfolger Jesu Christi erkannt haben. Rudolf Steiner und ein Großteil der deutschsprachigen Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft empörten sich über diese Entwicklung in Adyar. Er und andere kehrten von da ab der Theosophischen Gesellschaft Adyar den Rücken. Es soll dabei aber nicht unbemerkt bleiben, dass Besants Ernennung Krishnamurtis als neuen Weltlehrer, auch die Gemüter vieler anderer Theosophen erhitzte. Später sollte Krishnamurti den um ihn gegründeten Sternorden (eigentlich »Order of the Star in the East«) selbst auflösen, was die Theosophische Gesellschaft Adyar in eine weitere Krise stürzte.

Im weiteren Verlauf kam es schließlich zur Loslösung Steiners von der Theosophischen Gesellschaft. 800 Steiner-Anhänger trafen sich im August 1911, um über eine eigene Gesellschaft zu beraten, worauf man ab Dezember des selben Jahren eine Trennung von Adyar in Erwägung zog. Nach weiteren, teils absurden Streitereien um den kommenden Weltlehrer, schloss Annie Besant die Anhänger Rudolf Steiners im März 1913 aus der Theosophischen Gesellschaft Adyar aus. Damit war die faktische Trennung vollzogen, worauf sich die Deutsche Theosophische Gesellschaft umbenannte in Anthroposophische Gesellschaft.

Die Christus-Thematik in Steiners Werk

Auch wenn man das Wort Anthroposophie heute noch mit Rudolf Steiner assoziiert, begann diese Richtung der Geisteswissenschaften keineswegs erst mit ihm. Bereits in der frühen Neuzeit stand das Wort Anthroposophie für die Erkenntnisfähigkeit der menschlichen Natur. Man fasste den Begriff als eine Fähigkeit des Menschen auf, der in sich, in einem mystischen Vorgang, zu Gott und Welt durch geistige Einsicht fand.

Steiner verwendete den Begriff 1902 in einer Vortragsserie mit dem Titel: »Von Zarathustra bis Nietzsche – Entwicklungsgeschichte der Menschheit anhand der Weltanschauungen von den ältesten orientalischen Zeiten bis zur Gegenwart, oder Anthroposophie«. Die Bezeichnung Anthroposophie als eine erweiterte Sinneslehre, benutzte Steiner erst 1909.

Besonders an Steiners Anthroposophie, ist seine Konzentration auf die christliche Mystik und das Rosenkreuzertum. Nicht ohne Grund kam es durch Rudolf Steiner während der Abspaltung von Adyar, zur Gründung eines Bundes zur Pflege rosenkreuzerischer Geisteswissenschaft, wo eine Christus-Symbolik im Zentrum stand.

Jiddu Krishnamurti - ewigeweisheit.de

Der junge Jiddu Krishnamurti (1895-1986): Der später durch die Theosophin Annie Besant ausgerufene »Neue Weltlehrer und Nachfolger Christi«.

Ein esoterisches Christentum

Wie bereits erwähnt war der junge Steiner durchaus als Freigeist hervorgetreten, der sich in seinen Arbeiten auch nicht scheute auf solch skandalumwobene Philosophen wie Friedrich Nietzsche einzugehen. Wohl von Nietzsches Buch »Der Antichrist« inspiriert, erschien ihm das zeitgenössische Christentum einfach nur als pathologisch veränderte Religion. Damit meinte er insbesondere die kirchlichen Dogmen der katholischen Scholastiker, die das Christentum auf wissenschaftliche Weise analysierten und in ebenso grotesker Weise zu erklären versuchten.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert aber vollzog Steiner einen radikalen Wandel. Seine ursprüngliche Ablehnung schien sich vollkommen zu verkehren. Von da an fand er in den Lehren des Christus Jesus eine universale Mystik, die sogar zum zentralen Thema seiner zukünftigen Arbeit werden sollte. Für ihn war das Auftreten dieses Messias mit einem grundsätzlichen Wandel für die gesamte Menschheit verbunden. Mit dem Erscheinen Christi auf Erden begann für Steiner eine universale Evolution des Geistes. Für ihn war Christus außerdem bereits in einem geistigen Kraftfeld anwesend, bevor er sich auf Erden verkörperte als Jesus von Nazareth.

In einem Vortrag Steiners über Christus, aus dem Jahr 1909, kam er zu sprechen auf die Hohepriester in Atlantischer Zeit. Sie kündeten angeblich von einem solaren Geist, der sich einst als der Christus auf Erden verkörpern sollte. Steiner setzte ihn in die Linie der großen in der Welt erschienenen Sonneneingeweihten, worauf zuvor auch der persische Zarathustra oder der alt-ägyptischen Hermes (Trismegistos) erschienen.

Aber auch schon in unserer jetzigen Menschheitszivilisation (Nachatlantische Menschheit) sprach man schon lange vor seinem Erscheinen, vom kommenden Christus, was jedoch nur jene wissen konnten, die die Fähigkeit der »geistigen Sicht« bereits entwickelt hatten. So zumindest versuchte es Rudolf Steiner zu erklären. Jene aber wussten schon immer dass Christus dereinst der große Weltlehrer sein werde.

Drüben geschah es nun weltgeschichtlich, dass jenes hohe Sonnenwesen, das man nachher als den Christus bezeichnete, die Sonne verließ. Das war eine Art Sterben für den Christus. Christus ging fort von der Sonne, wie wir Menschen im Sterben fortgehen von der Erde. Also Christus ging fort von der Sonne, wie ein Mensch, der stirbt, fortgeht von der Erde. Und wie bei einem Menschen, der stirbt, indem er von der Erde fortgeht, für den okkulten Beschauer der ätherische Leib schaubar ist, den er nach drei Tagen ablegt und er den physischen Leib zurücklässt, so ließ Christus in der Sonne zurück dasjenige, was Sie in meiner »Theosophie« beschrieben finden am Menschen als den Geistesmenschen, als das siebente Glied der menschlichen Wesenheit.

- Aus Rudolf Steiners Vortragsreihe »Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge«

Das traf auf alle Kulturepochen zu: von der urindischen Kultur bis in die Wende zur griechisch-lateinischen Zeit. Immer schon ahnten die Weisen dass der Christus aus der Sonnensphäre herabsteigen würde, um sich auf Erden zu verkörpern.

Eigen in Rudolf Steiners Christus-Lehre aber ist, dass er über ihn als Geistesmenschen schrieb, der von der Sonne auf die Erde kam. In der solaren Sphäre starb er, um auf der terrestrischen Sphäre unseres Planeten geboren zu werden. Dabei gingen sein »Ich« und sein »Geistselbst«, wie es Steiner nannte, in den irdischen Leib des Jesus von Nazareth ein, der dann auf Golgatha, der Menschheit geopfert, jenem solaren Urgeist verhelfen sollte sich über dem Erdball auszubreiten und dabei die Religion des Christentums quasi zu bewirken.

So also stand im Mittelpunkt des Erfahrens von Rudolf Steiner eine christliche Realität, die in seinem Leben, Wirken und Lehren eine zentrale Rolle einnehmen sollte. Insbesondere seine Arbeiten über die Mysterien der Rosenkreuzer, die teils eng mit dieser Christus-Realität verbunden sind, geben einen tieferen Aufschluss darüber, was einen wichtigen Beitrag zur europäischen Geisteskultur der Gegenwart liefern sollte.

Im Spannungsfeld zwischen Bewunderung und Kritik

Ab dem Jahr 1911 wandte sich Steiner immer stärker den Künsten zu. Er pflegte Kontakte zu dem russischen Maler Wassily Kandinsky (1866-1944) oder auch zu dem deutschen Dichter Christian Morgenstern (1871-1914), der damals über ihn schrieb:

Die eigentliche, im höchsten Menschensinne schöpferische Tätigkeit Rudolf Steiners wird erst der Historiker enthüllen, der die Geschichte dieses erhabenen Lebens zu schreiben berufen sein wird. Dann wird mit Erstaunen wahrgenommen werden, was da in der Stille für den Menschen als solchen überhaupt geschieht und geschehen ist, und welchen unersetzlichen Rückhalt und Stützpunkt ihm die Lebensarbeit dieses Geistes gegeben hat. während das Jahrhundert noch immer weiter in die furchtbare Wüste des Materialismus hineineilt.

Besonders für den deutschen Aktionskünstler Joseph Beuys (1921-1986) sollte Rudolf Steiner später einmal zum wichtigsten Impulsgeber werden. In seiner Arbeit zu den schönen Künsten, zur Dichtkunst und den Theaterwissenschaften, wies Steiner nämlich hin auf das was er als »Spirituelle Visionen« bezeichnete, etwas woraus der Künstler für sich immer wieder neue Inspirationen beziehen könne.

Nach dem Ersten Weltkrieg widmete sich Steiner ganz und gar mit der praktischen Anwendung seiner spirituellen Arbeit der vergangenen Jahre. Er versuchte zu veranschaulichen, wie sich, aus seinen Erkenntnissen über das Wesen des Menschen, direkte Handlungsbezüge ableiten ließen. Daraus sollten sich sehr fruchtbare Beobachtungen ergeben, aus denen er verschiedene Konzepte entwarf, die dann zu dem wurden was sich aus einer praktischen Anthroposophie direkt für ein ganzheitliches Handeln ableiten lässt – sowohl für die Erziehungswissenschaften, für die landwirtschaftliche Praxis, doch sich ebenso im Feld der Medizin und der Therapie einsetzen lässt.

Auch seine Arbeiten zu einer organischen Architektur sollten für zukünftige Bauwerke eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Erste Ideen für einen solchen Bau im Umfeld der späteren Anthroposophischen Gesellschaft wurden bereits im Jahr 1907 entworfen. Zwischen 1908 und 1909 arbeitete der spätere Waldorflehrer Ernst August Karl Stockmeyer einen Vorentwurf aus, nach dem das Tagungsgebäude der Anthroposophischen Gesellschaft erbaut werden sollte: das Goetheanum – für Steiner sicherlich so etwas wie der »Bau des Neuen Tempels«. 1913 schließlich begannen im schweizerischen Dornach die Bauarbeiten. Doch noch bevor der Bau vollends abgeschlossen war, wurde das Goethenaum 1922 durch Brandstiftung zerstört. Wer dafür verantwortlich war konnte niemals geklärt werden. Dieses Unglück in der Geschichte der Anthroposophischen Gesellschaft kommentierte Rudolf Steiner 1923 in einem Vortrag wie folgt:

Gerade gelegentlich des schrecklichen Brandunglücks kam es wiederum zutage, welche abenteuerlichen Vorstellungen sich in der Welt knüpfen an alles das, was mit diesem Goetheanum in Dornach gemeint war, und was in ihm getrieben werden sollte. Es wird gesprochen von dem schrecklichsten Aberglauben, der dort verbreitet werden soll.

Schon zu seinen Lebzeiten hatte Steiner mit schwerwiegenden Anfeindungen zu tun. Diese Haltung mancher scheint auch bis heute, nicht nur aus Sicht eher wissenschaftlich orientierter Menschen, weiterhin zu bestehen. Was Steiner aber in den letzten Jahren seines Lebens an Feindseligkeit ertragen musste, war ganz und gar wider seine Absichten. Adolf Hitler etwa bezichtigte ihn ein Werkzeug der Juden zu sein. Daher vermuten heute manche dass der Brand des Goethenaums erste Nazigruppierungen gelegt hätten.

Dessen ungeachtet ließ sich Steiner durch seine Gegner nicht einschüchtern und versuchte sich auch nicht auf irgendwelche Schuldzuweisungen einzulassen, sondern betrachtete all das Vorgehen gegen ihn und seine Unterstützer als ein Resultat ihres gemeinsamen Karmas. Aus heutiger Sicht wirkt so eine Darstellung wohl recht sonderbar, versucht man sich jedoch die Vehemenz deutlich zu machen, mit der gegen Steiner und seine Anthroposophie vorgegangen wurde, verhielt er sich in dieser drastischen Situation wahrhaft erhaben, vielleicht auch eben genau deshalb, da er dazu fähig war die Situation auf spiritueller Ebene zu relativieren.

Gewiss könnte man Steiner nachsagen dass er ab einem gewissen Punkt in seinem Leben etwas zu verbissen gewesen war, in seinem Streben eine universale Lehre zu entwerfen. Schien ihm in der Tat doch daran gelegen zu sein, esoterische Erkenntnisse als Gesetze für alle Bereiche des Lebens formulieren zu wollen. Auch sein Wunsch und seine anscheinenden Fähigkeiten karmische Vorgänge in seinem und dem Leben anderer, sehen zu können, dürfte bei manchen nur ein Lächeln bemühen. Hermann Hesse schrieb einmal über Rudolf Steiner:

Anthroposophische, Steinersche Quellen habe ich nie benützt, sie sind für mich ungenießbar, die Welt und Literatur ist reich an echten, sauberen, guten und authentischen Quellen, es bedarf für den, der Mut und Geduld hat, selber zu suchen, der ‚okkulten‘ und dabei meist elend getrübten Quellen nicht. Ich kenne sehr liebe Leute, die Steinerverehrer sind, aber für mich hat dieser krampfhafte Magier und überanstrengte Willensmensch nie einen Moment etwas vom Begnadeten gehabt, im Gegenteil.

Das zweite Goetheanum in Dornach.jpg - ewigeweisheit.de

Das zweite Goethenaum im schweizerischen Dornach (Foto: Wladyslaw; Quelle: Wikimedia; Lizenz CC BY-SA 3.0).

Antworten auf die Menschheitsfragen der Gegenwart

Seit der Ereignisse im schweizerischen Dornach erhöhte Rudolf Steiner die Frequenz seines öffentlichen Auftretens. Er gab mehrmals täglich Ansprachen und hielt oft bis zu vier Vorträge am Tag. Meist widmete er seine Reden thematisch der Waldorfpädagogik. Doch auch andere praktische Anwendungen anthroposophischer Weisheiten waren Thema.

Schob ab dem Jahr 1919 warb Rudolf Steiner für die Dreigliederung eines »sozialen Organismus«, einem Leitbild für eine gesellschaftliche Ordnung und Weiterentwicklung. Ziel war ihm dabei eine Grundstruktur zu liefern, wo die Koordination der Vorgänge einer Gesellschaft nicht zentral von einer staatlichen Führung erfolgen sollte, sondern wo sich Geistesleben, Jura und Politik, wie auch die Wirtschaft, autonom selbst verwalten sollten. Hiermit versuchte er eine wirksame Alternative zu schaffen zu dem (auch heute noch bestehenden) vollkommen archaischen, zentral verwalteten System des Einheitsstaates. Er sah die Zukunft in einem von Menschen geschaffenen Organismus, wo Verantwortliche aus den drei eigenständigen Bereichen Wirtschaft, Recht und Politik, und Geistesleben, ohne übergeordnete Instanz zusammenarbeiten konnten. Er versuchte damit eine Parallele zu ziehen zum dreifältigen System Mensch.

Die Vermächtnisse eines Idealisten

Nach Rudolf Steiners Tod im Jahr 1925 breiteten sich seine Lehren und die Nachwirkungen seiner Vorträge und Vorstellungen weiter aus. Sicher wäre es nicht dazu gekommen, hätte Steiner seinen Kritikern von einst nachgegeben. In dieser Entschiedenheit lag wohl Steiners große Vorbildfunktion, die seine Verehrer anscheinend so sehr motivieren sollte, dass direkt nach seinem Tod der Neubau eines zweiten Goethenaums begann. Um die hundert Menschen wirkten an der Errichtung des neuen Bauwerkes mit. Doch es wurden noch mehr, die sich beim Bau einbringen wollten.

Durch diesen Enthusiasmus gefördert entstanden ab 1939 insgesamt sieben anthroposophische Schulen in Deutschland und weitere in der Schweiz, in England, in Ungarn, in Norwegen und in den Vereinigten Staaten. Zwar verboten die Nazis im Dritten Reich alle Anthroposophischen Schulen, doch bald nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie wieder eröffnet. Seit damals gewann auch die Waldorfpädagogik Steiners weiter an Bedeutung. Bis ins Jahr 2000 entstanden überall auf der Welt mehr als 700 Waldorfschulen.

Gedanken werden Dinge

Rudolf Steiner war ein Verfechter der Vorstellung, dass jeder menschliche Gedanke eine spirituelle Kraft sei. Der Grund dass das hier noch einmal hervorgehoben werden soll ist einfach: denn was einer heute denkt wird seine Realität von morgen. In jedem Gedanken liegt eine Triebkraft, durch die sogar auch die Weiterentwicklung der Gemeinschaft vorangetrieben werden kann. Steiner sah in dieser recht einfachen Feststellung eine Chance zur Fortsetzung seines Werks durch andere. Er wollte Menschen bei ihrer Befreiung helfen und sie damit letztendlich auch heilen. Dabei lag ihm viel daran zu betonen, wie wichtig Meditation und richtiges, kreatives Denken ist. Kreativität braucht Raum, damit sich darin Grundideen und Vorstellungen ausbreiten und auch künstlerisch entfalten können.

Zu Steiners Lebzeiten aber war es noch nicht wirklich möglich seine Herangehensweisen und Bestrebungen einem entsprechenden Publikum dauerhaft zu vermitteln. Es bestand eben noch nicht das dazu nötige Bewusstsein, dass sich anscheinend erst nach seinem Tod zu dem entfalten konnte, was es heute ist. Als er im Rahmen seiner neu gegründeten Anthroposophischen Gesellschaft jedoch erste Schüler gewinnen konnte, sollten unter jenen dann doch auch manche den Weg zu einer praktischen Anwendung theosophischer Weisheit finden. Das gelang Steiner zuerst durch die Einführung der schönen Künste in die Praxis seiner modernen Anthroposophie. An sich aber blieb das eine Wissenschaft, die aus seinem Talent für die Beobachtung der Welt und des Menschen entstand. Diese Wissenschaft ging hervor aus der Erforschung vom inneren Wesen der Dinge – sowohl auf esoterischer Betrachtungen des Diesseits, wie auch des Jenseits: eine innere Erforschung der wahren Gründe für die Vorgänge im Menschen, auf der Erde und in der Ganzheit des gesamten Kosmos.

Rudolf Steiner legte die Wegmarken für eine ganzheitliche Arbeit am Menschen und an der Gesellschaft. Er schuf neue Möglichkeiten, sich in der Welt auf allen Ebenen der Existenz fortzubewegen und sich dabei gleichzeitig auf eine Weise zu entwickeln, die insbesondere dem Nutzen der Gemeinschaft zugute kommen sollte.

 

Die Mahatma-Briefe und das Erbe Helena Blavatskys...

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

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Autor und Mentor

Der Großteil des Werkes von Helena P. Blavatsky beschäftigt sich mit den alten spirituellen Traditionen Indiens. Blavatsky ging davon aus, dass von dort die Grundzüge aller philsophisch-religiösen Systeme überliefert wurden, die sogar zurückreichen in eine Zeit, als es noch kein Schrifttum gab.

Mahatma-Brief – ewigeweisheit.de

Fotografie des Hauptgebäudes der Theosophischen Gesellschaft im indischen Adyar, in der Nähe von Madras (Chennai) aus dem Jahr 1890.

Auch darum besuchten 1879 Blavatsky und Olcott Indien – ein Land voller Widersprüche, wo die alte Kultur Fernosts auf die westliche Kultur zu prallen schien, die mit dem Britischen Kolonialismus auf den riesigen Subkontinent kam.

Nach langen Reisen durch Indien, gründeten Blavatsky und Olcott dann den neuen Hauptsitz der Theosophischen Gesellschaft in Adyar, einem Stadtteil von Madras, dem heutigen Chennai, im indischen Bundesstaat Tamil Nadu.

Madame Blavatsky war jedoch ganz und gar nicht vorbereitet auf das alltägliche Leben in diesem geheimnisvollen Land. Es fiel ihr schwer sich einzufinden, denn sie war sich nicht über die Verhältnisse bewusst. Sie schockierte der Umgang Angehöriger der Britischen Kolonialherren mit den dort lebenden Indern. Wahrscheinlich begegnete sie Einheimischen darum mit einer fast aufdringlichen Freundlichkeit. Nicht etwa das der Theosophischen Gesellschaft in Indien neue Mitglieder fehlten. Die Inder fühlten sich anscheinend durch Blavatskys Art geschmeichelt, ausnahmsweise so sehr von einer Europäerin umworben zu werden.

Blavatsky und Olcott verstanden es eine besondere Sicht auf die Dinge zu entwickeln, in diesem für uns heute, wohl nur schwer erschließbar erscheinenden Land. Ende des 19. Jahrhunderts waren so große Metropolen wie etwa Madras sehr eindrucksvoll, doch nicht nur im angenehmen Sinne. Dennoch verspürten die beiden Theosophen hinter all dem Schmutz und Trubel in dieser Stadt zum ersten Mal eine Faszination, ja man könnte bald sagen »Magie«, etwas das sie bisher noch an keinem anderen Ort empfunden hatten. Sie wussten dass da etwas war das auch andere Menschen anziehen könnte, wenn sie nur davon erfahren würden.

Was Blavatsky in ihren Schriften über das Land an Indus und Ganges mit anderen Menschen teilte, war nicht nur die Nation Indien als ein geografisches Gebiet auf der Landkarte. Eher beschrieb sie die Mentalität dort, wenn man so will, als einen Bewusstseinszustand. Sowas mag ungewöhnlich klingen. Wer sich aber mit der alt-vedischen Tradition Indiens befasst hat, dürfte das Land und seine Bewohner dort einfach anders wahrnehmen, da ihm bewusst ist, von welch hoher Bedeutung es in Wirklichkeit damals auch für unsere Zivilisation im Westen werden sollte.

Für Blavatsky gab es in vorhistorischer Zeit, vor der biblischen Geschichte Adams, in Indien bereits eine Hochzivilisation. Durch indische Initiierte kam ein Mysterienwissen zuerst nach Persien, von dort nach Ägypten, wo es durch die Hierophanten an die Kultur der Israeliten weitergegeben wurde. Zu diesen etwa gehörte ja auch der jüdische Prophet Moses, der zwar in Ägypten geboren, doch ausgesetzt und als solcher Waise gefunden, von einer Pharaonentochter großgezogen wurde. Die jüdischen Priesterphilosophen aber sollten das alte Mysterienwissen schließlich an die Griechen und diese an die Weisen der römischen Kultur weitergeben, so dass es sich von dort aus in der ganzen alten Welt Nordafrikas und Europas verbreitete. So zumindest beschreibt es Helena Blavatsky im ersten und zweiten Band ihrer Entschleierten Isis.

Wohl nicht ganz ohne Grund reisen auch heute spirituell gesinnte Menschen nach Indien, weil sie sich dort Erleuchtungsmomente erhoffen, und sich darum auch in einer besonderen inneren Haltung dorthin begeben, in der Erwartung dort besonders magische Augenblicke zu erfahren (ich selbst verbrachte aus diesem Grund 1995 zwei Monate auf einer langen Reise durch Indien).

Übernatürliche Fähigkeiten Helena Blavatskys

In seinem Buch »Die Okkulte Welt«, beschrieb der damals in Indien arbeitende, englische Zeitungsredakteur Alfred Percy Sinnet (1840-1921) einige Phänomene, die er und andere in Madame Blavatskys Gegenwart erlebten. Sie trugen dazu bei dass Sinnet von Blavatsky und der Theosophischen Gesellschaft in Adyar erfuhr.

Die Erscheinungen okkulter Phänomene und Wunderwerke hatten schon immer den Effekt, dass sie viel Aufmerksamkeit erregten. Man schaue sich dafür nur die Berichte der Heiligen Bücher an, die etwa von den Wunderwerken Jesu, Mose oder aber von Krishna oder Buddha berichten. Nicht aber gelingt es jenen die diese Phänomene beobachten, sie auch selbst ausführen oder heraufbeschwören zu können. Eher ist es so, dass Anwesende, Zeugen solcher Phänomene werden und sie dann eben schriftlich niederlegen. Das aber wurde ja zu den Überlieferungen, die es heute über die großen Weisen und Propheten der Vorzeit gibt. Helena Blavatsky aber schien ein Kanal für solch übernatürliche Wirkungen zu sein, etwas, dass man eben besonderen spirituellen Medien nachsagt, die in Séancen (spiritistischen Sitzungen) auch Phänomene hervorzubringen vermögen.

Stellen wir uns nun einmal vor, eine Gruppe von Menschen setzte sich gemeinsam mit einem spiritistischen Medium um einen Holztisch. Dabei legen alle ihre geöffneten Handflächen auf die Tischplatte. Laut Sinnet kann man dabei allmählich ein leichtes Knacken im Holz vernehmen, vorausgesetzt es wurde eine bestimmte Frage gestellt. Denn das Knacken signalisiert eine Antwort. Ziel einer solchen Séance ist etwa mit den Geistern Verstorbener zu kommunizieren.

Sinnet erschien nun seltsam, dass er in seinen Beobachtungen solche Phänomene wiederholt auch bei Helena Blavatsky feststellen konnte.

Madame Blavatsky legt ihre Hände auf einen Tisch und man hört ein Knarren. Ein Besserwisser würde vielleicht behaupten sie verursache das mit ihren Fingernägeln. Doch auch wenn sie nur eine Hand auf den Tisch legt kann man das Knarren vernehmen. Verbirgt sie etwa eine Vorrichtung dazu unter ihrer Hand? Sie hebt ihre Hände über die Tischplatte in die Luft, doch das Knarren ist immer noch da. Hat sie mit dem Tisch vorher etwas angestellt? Sie legt ihre Hand an einen Fensterrahmen, an den Rahmen eines Gemäldes oder dutzend andere hölzerne Gegenstände im Raum und jedes mal hört man dieses eigenartige Knarren. Wurde das ganze Haus dafür vorbereitet? In einem halben Dutzend anderer Häuser in Simla (Stadt in Nordindien, wohin Blavatsky Sinnet begleitete) vermag sie dieses Knarren zu erzeugen. […] Sie legt einem die Hände auf den Kopf und aus ihren ruhig darauf liegenden Fingern scheinen nach einer Minute elektrische Stromstöße zu kommen. Stünde einer daneben so hörte er jenes Knacken nun sogar im Schädel des Behandelten.

-Zitiert aus Alfred Percy Sinnets Buch »Die Okkulte Welt«

Diesen oder anderen okkulten Kräften liegt ein besonderes Geheimnis zu Grunde: Allein mit geistiger Willenskraft können in der physischen Welt wahrnehmbare Phänomene erzeugt werden und man sieht, aus Perspektive des Okkultismus, dass die ihnen zu Grunde liegenden Gesetzmäßigkeiten auch erklärt werden können.

Gleichzeitig wäre es allerdings sinnlos zu versuchen solche Phänomene wissenschaftlich erklären zu wollen. Alfred Percy Sinnet versuchte in seinen Untersuchungen aber stets jede Möglichkeit der Trickserei auszuschließen. Er kam jedoch zu dem Schluss, dass diese Phänomene gar nicht nur durch Madame Blavatskys Fähigkeiten erschienen, sondern sie stets in Verbindung mit den Mahatmas wirkte. Sie schienen ihren Körper als Instrument, als Vehikel zu benutzen. Nicht aber um so lächerliche Erscheinungen wie ein Knacken in Holz zu verursachen, sondern weil sie durch Blavatsky höhere Ziele verwirklichen wollten. Es klingt sicherlich vermessen doch aus Sicht der Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft, könnte man die rätselhaften Wunder die Blavatsky während ihrer Zeit in Indien vollbrachte, in etwa mit jenen Phänomenen vergleichen, wo eben Propheten oder andere Eingeweihte als Instrumente des Göttlichen, Ähnliches auf Erden vollbrachten – mit dem Ziel die Aufmerksamkeit Uneingeweihter zu erregen, sie dadurch aber zu sensibilisieren für die Einflüsse höherer Absichten (die Bibel ist voll mit solchen Berichten, wo Moses etwa das Manna empfängt, das Schilfmeer teilt, eine Schlange in einen Stock verwandelt und damit eine Quelle aus dem Fels hervorbrechen lässt und so weiter).

Dennoch soll hier betont bleiben, dass Blavatsky nicht in solch religiöser Absicht von den Mahatmas als Medium eingesetzt wurde, sondern eher zu einem bald schon gegenteiligen Zweck.

Brief von Serapis Bey an Colonel Olcott - ewigeweisheit.de

Brief von Serapis Bey an Colonel Olcott.

Aus den Briefen der Mahatmas

Während Blavatskys Forschungsreisen in Tibet, wusste ihre Familie nichts über ihr Verbleiben. Eines Tages erhielt eine Tante von ihr, die damals in Odessa lebte (Stadt am Schwarzmeer, heute Ukraine), eine Madame Fadíve, einen in französischer Sprache abgefassten Brief. Ein asiatisch aussehender Bote übergab ihr den Schrieb persönlich und verschwand alsdann gleich wieder. Darin heißt es:

Für die vornehmen Verwandten von Madame H. Blavatsky besteht keineswegs Grund zur Trauer. Ihre Tochter und Nichte hat diese Welt keineswegs verlassen. Sie lebt und wünscht denen die sie lieben zu wissen, dass sie wohl auf ist und sich einen fernen und unbekannten Rückzugsort erwählte. Sie war sehr krank, doch ist wieder gesund; dem Schutze des Herrn Sanggyas verdankend (vermutlich abgeleitet vom sanskr. »Sannyasin«, dem Titel für einen Asketen) fand sie ergebene Freunde, die sich um sie körperlich wie seelisch kümmern. Mögen die Damen des Hauses sich darum beruhigen. Bevor 18 Neumonde aufgingen, soll sie zu ihrer Familie zurückgekehrt sein.

-1. Mahatma-Brief von Meister Kuthumi

In späteren Jahren, als sich Blavatsky und Olcott in den Vereinigten Staaten kennengelernt und entschieden hatten die Theosophische Gesellschaft zu gründen, empfing auch Olcott solche Briefe. Ihre Absender waren jedoch die Meister der Bruderschaft von Luxor. Daher vielleicht auch Olcotts Vorschlag, der neuen Gründung den Titel »Ägyptologische Gesellschaft« zu geben. Seltsam an den Briefen der Brüder von Luxor war, dass die Schrift der Absender in eine Art schwarzes Papier eingeprägt gewesen zu sein schienen (siehe Abb.).

Auf all diesen eigenartigen Schriftstücken sah man außerdem esoterische Symbole verschiedenster Art. Eine Abschriften-Sammlung dieser Schriftstücke, legte 1919 der damalige Vize-Präsident der Theosophischen Gesellschaft C. Jinarajadasa an, in seinem Buch: »Letters from the Masters of Wisdom« (Briefe der Meister der Weisheit). Ihm war durchaus bewusst, dass dieser sagenhaften Gruppe von Meistern (Mahatmas) ohne Zweifel an der Gründung der Theosophischen Gesellschaft gelegen haben musste.

Als Oberhaupt der Bruderschaft von Luxor fällt der Name »Serapis Bey«, sowie »Tuitit Bey«, die anfänglich ganz maßgeblich zur Gründung der Theosophischen Gesellschaft inspiriert haben sollen.

Bruder Neophyt, wir grüßen Euch. Wer uns sucht der findet uns. Wage es! Beruhige Dein Denken – verbanne allen verdorbenen Zweifel. Wir wachen über unsere frommen Krieger. Schwester Helena ist eine tapfere, vertrauenswürdige Dienerin. Öffne Deinen Geist der Überzeugung, glaube nur, so wird sie Dich ans Goldene Tor der Wahrheit führen. Weder Schwert noch Feuer fürchtet sie, ihre Seele aber verspürt alle Ehrlosigkeit und sie hat allen Grund der Zukunft zu misstrauen. Unser guter Bruder »John« hatte wahrlich hastig gehandelt, meinte es aber gut. Sohn der Welt, wenn du sie beide hörst: Wage es!

-3. Mahatma-Brief von Tuitit Bey

Dieser Brief richtete Mahatma Tuitit an Colonel Olcott. Wie in diesem tauchte das »Wage es!« auch in anderen Mahatma-Briefen an Colonel Olcott immer und immer wieder auf.

Wer von den Mahatma-Briefen schon einmal gehört hat, dürfte insbesondere die Namen Morya, Meister M., und Kuthumi, Meister K. H., verbinden. Sie beide sind laut der Theosophischen Gesellschaft Adepten der Bruderschaft von Tibet. Zumal sich die Briefe dieser »aufgestiegenen Meister« in der British Library in London einsehen lassen, scheint es sich hierbei nicht um reinen Unfug zu handeln, sondern etwas, dass schon seit Jahrzehnten Literaturwissenschaftler, Chirografen und Typografen interessiert. Darauf wollen wir weiter unten noch einmal näher eingehen (ich selbst hatte die Gelegenheit die Originalbriefe in der British Library zu begutachten und zu erkennen, dass es sich um Originale handelt).

Diese Briefe auf jeden Fall kamen in die Hände ihrer Empfänger immer wieder auf andere Weise. Mal ganz normal als Briefpost, doch manifestierten sich auch wie ein Niederschlag auf oder in Briefpapier. Wer darum zum ersten Mal von den Mahatmas und ihren Briefen hört, wird sich freilich wundern, denn es sind sehr ungewöhnliche Dinge, die im Zusammenhand mit diesen Mahatma-Briefen geschehen; so kurios, dass sie fast schon absurd erscheinen. So heißt es etwa, dass sich die Mahatma-Briefe angeblich plötzlich materiell aus dem Nichts manifestieren könnten.  Wer sich länger mit den Mahatma-Briefen und der Theosophischen Gesellschaft befasst hat, dem wird nach und nach klar, dass es sich hierbei um weit mehr als nur eine Erfindung handeln muss. Allein schon die Größenordnung der Menge in der die Briefe erschienen, dürften schwerlich nur aus den Federn der damals noch kleinen Gruppe von Theosophen, auf so ungewöhnliche Weise zu Papier gebracht worden sein.

Die Art und Weise wie die Mahatma-Briefe verfertigt sind bleibt bis heute ein Rätsel. Trotz dass sie handschriftlich abgefasst wurden findet man in der Papierfassung der Briefe nirgendwo verschmierte Tinte, was bei handgeschriebenen Briefen ja eigentlich Gang und Gäbe wäre.

Mahatma-Brief – ewigeweisheit.de

Ausschnitt aus einem Mahatma-Brief Kuthumis (K. H.).

Laut Madame Blavatsky entstanden diese Schriften auf überirdische Art, wo einer der Mahatmas mit einem auserwählten Chela (Schüler) in Kontakt trat. Sobald ein Mahatma wünschte dass ein solcher Brief übermittelt wird, signalisierte er manchmal dem erwählten Chela mental die Begriffe die dafür verfasst werden sollen. Der Chela handelt dann als lebendiger Kanal des Wortes, während seine Hände die empfangene Botschaft auf das Papier schreiben. So soll durch ihn die Nachricht des Mahatma auf Papier übertragen werden können. Je klarer das Bewusstsein des Chela für seinen Mahatma, desto klarer vermochte er auch den Text der Briefe zu übertragen. Ein Großteil der Briefe wurde auf diese Weise geschrieben.

Nun ist aber das eigentlich Skurrile an den Mahatma-Briefen dass sie mal entweder in das Trägerpapier eingeprägt oder darin ausgefällt erschienen. Mit »eingeprägt« ist eine tatsächliche, innerhalb des Papiers erscheinend geschriebene Tinte gemeint, die aber nicht auf der Ober- oder Rückseite der Papierseite erscheint, sondern sich de facto im Papier selbst befindet. Bei jenen Briefen aber, bei denen die handgeschriebenen Zeilen quasi auf das tragende Papier ausfällt wurden, sich also in Form von Pigmenten darauf manifestierten, fällt bei mikroskopischer Untersuchung auf, dass die Schreibschrift aus winzigen diagonalen Linien besteht.

Ein Großteil der Mahatma-Briefe von Meister M. und Meister K. H. richteten sich an Alfred Percy Sinnet (1923 veröffentlicht im Buch »Die Mahatma-Briefe an A.P. Sinnett«, übersetzt aus dem englischen Originaltitel »The Mahatma Letters to A.P. Sinnett«). Gemäß der Lehren der Theosophischen Gesellschaft, entstanden diese Briefe zwischen 1880 und 1884.

Der Hodgson-Bericht: Ein Versuch die Theosophische Gesellschaft zu diffamieren

Aus heutiger, oberflächlich wissenschaftlicher Sicht aber mag jemand behaupten dass all das nur Schwindel sei, auch ohne sich jemals mit dem eigentlichen Inhalt der Mahatma-Briefe auseinander gesetzt zu haben. Denn freilich waren diese Schriftstücke nicht nur in eigentümlicher Weise verfertigt, sondern enthielten ebenfalls einen außerordentlichen Sinngehalt. Trotzdem: schon als Blavatsky in Indien lebte und wirkte, gruppierte sich ein Kreis, der an ihr und der Echtheit ihres Werkes zweifelte.

Blavatsky hatte 1871 in Kairo das Ehepaar Emma und Alexis Coulomb kennengelernt. Später kamen beide nach Indien und waren, nach einer gescheiterten Geschäftsgründung, vollkommen pleite. Blavatsky aber half und bot ihnen eine Stellung an, im Theosophischen Zentrum in Adyar. Doch die von ihnen zu verrichtenden Arbeiten schienen weit unter ihrem Niveau gelegen zu haben, was sie Helena Blavatsky wohl insgeheim sehr übelnahmen. So kam es dass sich die Coulombs nicht allzu lange später mit einer Gruppe christlicher Missionare in Indien zusammentaten, mit dem Ziel Blavatsky in Misskredit zu bringen.

Wenig später wurde von jemandem ein ausführlicher Bericht der Society for Psychical Research (Gesellschaft für Parapsychologische Forschung) beauftragt. Diese Gesellschaft war ein 1882 in London gegründeten Verein zur Erforschung parapsychologischer Phänomene.

Diesen Bericht nun, der Blavatsky und die Theosophie schwer belasten sollte, verfasste ein Kritiker im Feld der Parapsychologie: der Australier Richard Hodgson (1855-1905). Er besuchte im November 1884 das Hauptquartier der Theosophischen Gesellschaft in Adyar. Das Ehepaar Coulombs hatte ihn hereingelegt, weshalb er zu der festen Überzeugung kam, dass die von Blavatsky erzeugten Phänomene, sowie auch die Mahatma-Briefe, nichts als Schwindel und Betrug seien. Das führte zu einem internationalen Skandal, was zur Folge hatte, dass der Hodgson-Bericht verschiedenen Buchautoren und Journalisten über viele Jahre dabei half, dem Ruf der Theosophischen Gesellschaft wirklich zu schaden.

Gleichzeitig aber gab es zahlreiche Menschen die belegen konnten, dass Hodgons in seinem Bericht, einfach keine wirklichen Beleggründe für eine Fälschung der Mahatma-Briefe vorlegen konnte. Doch das reichte nicht, um den verursachten Schaden zu beheben. Und so waren die Konsequenzen aus diesem Vorfall wirklich schwerwiegend, und sollten ganz wesentlich dazu beitragen, dass Madame Blavatskys Indien für immer verlassen sollte.

Schon damals fühlte sie sich aber auch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr wohl in dem Land. Sie litt schon seit langer Zeit an einer Nierenkrankheit, die sich nach ihrer Rückkehr nach Europa, leider noch weiter verschlimmerte.

Die Geheimlehre

Im März 1885 reiste Madame Blavatsky zurück nach Europa. Nachdem sie sich von einer anderen, längeren Krankheit in Italien erholt hatte, begann sie ihr umfangreichstes, bekanntestes und wohl auch wichtigstes Werk zu verfassen: Die Geheimlehre – erschienen als Kommentar zu dem geheimnisvollen »Buch des Dzyan«. Dieses Werk umfasst vier Bände:

  • Band I: Kosmogenesis – die Entstehung des Kosmos. Hierin erklärt Blavatsky den Ursprung und den Verlauf der Evolution des Universums. Sie stützte sich dabei auf die hinduistischen Vorstellungen über die zyklischen Entwicklungskreisläufe, zwischen Perioden der Aktivität, den sogenannten »Manvantaras«, und Perioden der Passivität, den »Pralayas«. Jedes Manvantara erstreckt sich über viele Millonen Jahre und setzt sich aus einer genauen Anzahl von »Yugas« (Zeitalter) zusammen.
  • Band II: Anthropogenesis – die Entstehung der Menschheit. Blavatsky schrieb in diesem Teil ihrer Geheimlehre über die Ursprünge der Menschheit und führte den Begriff der »Wurzelrassen« ein. Das Wort »Rasse« darf hier aber nur im übertragenen Sinne verstanden werden. Was Blavatsky nämlich meinte waren Entwicklungsperioden der Menschheit und weniger die Unterscheidungen von Menschentypen. Die erste von sieben Wurzelrassen war noch unstofflich und ätherisch. Die zweite Wurzelrasse besaß zwar einen Körper, war aber geschlechtslos. Sie lebte auf dem Kontinent Hyperboräa. Die dritte Wurzelrasse lebte in Lemurien und entwickelte sich mit der vierten Wurzelrasse zu dem, was auf dem sagenhaften Kontinent Atlantis leben, doch untergehen sollte. Die heutige Menschheit bezeichnete Blavatsky als die Arier.
    Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass aus gegenwärtiger Sicht, besonders nach den Verbrechen der Nazis im Zweiten Weltkrieg, Blavatskys Anthropogenesis mit solchen Begriffen bei vielen Menschen vielleicht Unmut stiftet. Besonders solche Begriffe wie »Wurzelrasse« oder »Arier« sind in Deutschland mit Vorsicht zu genießen. In jüngeren, deutschen Übersetzungen der Geheimlehre, wurde darum auf den Begriff »Rasse« verzichtet und stattdessen das Wort »Menschheit« verwendet, was von ihr eigentlich auch so gemeint war. »Arier« sind eigentlich die Nachfahren des persischen Propheten Zarathustra, die heute überwiegend in Indien und im Iran (etymologisch »Land der Arier«) leben.
  • Band III: Esoterik. Dieser und der vierte Band wurden zwar von Blavatsky vorbereitet, doch erst nach ihrem Tod zusammengestellt und veröffentlicht, von ihrer Schülerin Annie Besant (1847-1933), einer wichtigen Person in der Geschichte der Theosophischen Gesellschaft.
  • Band IV: Index-Band.

Mit ihrer Geheimlehre schuf Helena Blavatsky eine Synthese von Wissenschaft, Religion und Philosophie und damit die Grundlage für die moderne Theosophie. Dieses Buch gilt als eines der monumentalen Standardwerke moderner Esoterik und bildet eine der einflussreichsten Auslegungen und Erörterungen von Mythologie, antikem Schrifttum und geheimwissenschaftlichen Vorstellungen. Die Theosophin Annie Besant schrieb über Blavatskys Geheimlehre:

Als ich Seite um Seite des Buches durchblätterte, fesselte es immer mehr meine Aufmerksamkeit. Doch was ich darin fand erschien mir vertraut. Mein Geist schien den Schlussfolgerungen vorauszueilen, so natürlich kam es mir vor, so stimmig, so subtil und doch so einleuchtend. Ich war wie geblendet von dem Licht, in dem die darin vorgelegten Fakten analysiert und als Teil eines Ganzen gesehen wurden. All mein Rätseln, meine Verwirrung und meine Probleme, schienen sich aufzulösen. Die verbleibende Wirkung kam mir teilweise vor wie ein Trugbild, aus dem erst später alles langsam wieder entwirrt und mein Gehirn sich erst allmählich wieder an das anpassen musste, was meine zu schnell vermutete Intuition als Wahrheit begreifen wollte. Doch das Licht das ich darin sah blieb und in diesem Erleuchtungsmoment wusste ich, dass meine so ermüdende Suche nun vorüber war und ich die Wahrheit gefunden hatte.

-Annie Besant über die Geheimlehre in ihrer Autobiografie

Annie Besant, Henry S. Olcott und William Q. Judge – ewigeweisheit.de

Annie Besant, Henry S. Olcott und William Q. Judge 1891 in London - nicht lange nach dem Tod Helena Blavatskys.

Blavatskys Erbe

Nach langer, schwerer Krankheit erlag Blavatsky ihren Schmerzen. Am 8. Mai 1891 verstarb sie in London im Kreise ihrer engsten Vertrauten. Ihre Freunde und Schüler hatten von nun an die Aufgabe, die Ziele und Absichten Blavatskys fortzuführen, die sie in ihren Büchern verewigt hatte.

Was sie in ihrem Schriftwerk hervorbrachte sollte im Großen und Ganzen jedem Menschen verfügbar gemacht werden, war es ihr doch ein zentrales Anliegen die Erkenntnisfähigkeit des Menschen zu fördern.

Das Wort »Theosophie« ist heute vielen Menschen ein Begriff, selbst wenn sie die Lehren und Vorstellungen der Theosophischen Gesellschaft nicht kennen. Zurückblickend auf die vergangenen hundert Jahre nach Blavatskys Tod aber, scheint sich ihre Hoffnung nur sehr, sehr langsam verwirklicht zu haben. Es ist eben auch schwer festzustellen, welchen Einfluss Blavatskys Werk besonders auf die Entscheidungsträger unseres Planeten nahm. Fest steht aber, dass sich zumindest in intellektuellen Kreisen und in der Politik, ein gewisses Bewusstsein entwickelt hat, hinsichtlich einer mitfühlenden Haltung gegenüber Menschen in unserer Gesellschaft, denen anscheinend weniger Chancen gegeben sind, als anderen Menschen.

Grundsätzlich lässt sich über Madame Blavatskys Werk sagen, dass sie insbesondere sieben Hauptziele in ihrer Arbeit als Schriftstellerin und Initiatorin der Theosophischen Gesellschaft verfolgte:

  1. Sie wollte bewusst machen, dass damals (und auch heute noch) ein Kreis von Adepten lebt und als Diener der Menschheit aus dem Verborgenen wirkt. Die Weisheit dieser Adepten wurzelt in den geistigen Welten grauer Vorzeit. Damit aber wollen sie den Menschen in ihrer individuellen Weiterentwicklung helfen, um wie sie, dereinst selbst Wesen tugendhafter Güte zu werden.
  2. Der Mensch als spirituelles Wesen ist unsterblich, da ein Teil in ihm als universaler, göttlicher Geistes strahlt – so wie auch in allen anderen Wesen der Natur.
  3. Blavatsky wollte darauf hinweisen, dass es nicht veränderbare, universale Gesetze im Kosmos gibt, die kein Wesen übertreten kann, ganz gleich wie gewaltig und groß es auch sein mag.
  4. In ihrem Schriftwerk zeigte sie wie die Zivilisationen der Erde einst kamen und wieder verschwanden, wovon auch die gegenwärtige Zivilisation nur Gegenstand einer bestimmten Periode ist.
  5. Jene kosmischen Gesetzmäßigkeiten äußern sich auch im Leben des Einzelnen, der von Natur aus mit einem grundsätzlichen Sinn für Tugendhaftigkeit und einer menschlichen Intuition ausgestattet ist. Das ist der Schlüssel auf dem Weg zu spirituellem Fortschritt.
  6. Blavatsky zeigte, dass es außerhalb der physischen, körperlich-erfahrbaren Welt, auch unsichtbare Bereiche des Seins gibt, wie sie etwa als Astral- oder Ätherkörper bestehen.
  7. Außerdem machte sie auf etwas aufmerksam, dass im Hinduismus und Buddhismus das Gesetz des moralischen Ausgleichs genannt wird – das Karma. Die Seele des Menschen wird immer wieder in einem neuen, vollkommen anderen Körper geboren (Reinkarnation), mit dem Zweck die Essenz seines Menschseins im Evolutionsprozess anzutreiben. Blavatsky wollte damit insbesondere darauf hinweisen, das es in jedes Menschen eigener Verantwortung steht, seine Bestimmung zu erfüllen und sein Schicksal entsprechend selbst zu gestalten.

Blavatskys Theosophie beschreibt die Evolution als eine Entwicklung des Bewusstseins. Das bildet den eigentlichen Grund allen lebendigen Daseins, als Ergebnis seiner eigenen Erfahrungen und Erlebnisse.

Glücklicherweise gibt es eine universale Bruderschaft auf Erden (zu der im Übrigen sämtliche Propheten, Heiligen, Mystiker und Philosophen aller Religionen und Kulturen zählen), deren Mitglieder jedem Menschen auf seinem Lebensweg und in seinen Entscheidungen assistieren – solange der Betroffene nur die Fähigkeit entwickeln will, seinen Glauben nach und nach, geduldig in eine vollkommene Gewissheit zu transformieren.

 

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