Drachen

Die Schlange: Ein archaisches Symbol

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

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Schlange - ewigeweisheit.de

Wie kaum ein anderes Symbol beinhaltet das der Schlange einen ganz reichen Schatz an Bedeutungen, dessen Inhalte mindestens ebenso vielfältig sind wie die der Sonne. Auch wenn der deutsche Genus sowohl für Schlange und Sonne feminin ist, ist ein Großteil ihrer symbolischen Bedeutungen oft eher maskulin.

Wichtig bei der Betrachtung des Sinnbildes der Schlange sind da zuerst einmal ihre Struktur und ihre physiologischen Eigenschaften. Doch dieses Feld ihrer Bedeutungen erweitern natürlich die unzähligen Legenden und Mythen aus den religiösen und folkloristischen Überlieferungen aus West und Ost.

Die ihr zugeschriebenen symbolischen Eigenschaften differieren da; in manchen religiösen Traditionen steht der Begriff der Schlange mal für etwas Positives, ein andermal für etwas Negatives, so wie etwa als Schlange der Verführung im biblischen Buch Genesis. In anderen Kulturen hingegen verehrte man die Schlange als Fruchtbarkeitssymbol. Die nordamerikanischen Hopi etwa zelebrierten jedes Jahr den Schlangentanz, um die Vereinigung von Schlangenjüngling (einem Geist des Himmels) und Schlangenjungfer (einem Geist der Unterwelt) zu feiern. Damit erhoffte man sich eine Erneuerung der Fruchtbarkeit der Natur. Man hantierte dabei mit lebenden Schlangen, die nach dem Tanz auf den Feldern freigelassen wurden, um gute Ernten zu garantieren.

Als durchaus positiv empfand man das Bild der Schlange auch im alten Griechenland, wo man sie als Symbol für das Therapeutische verehrte, als Attribut des Asklepios, des Gottes der Heilkunst. Wenn wiederum der alt-griechische Gott Hermes sie auf Abbildungen als doppelt-gewundene Schlange um seinen Stab gewunden trägt, ist sie da ein Symbol für die geheime Verbindung der Gegensätze wie auch den Weg von einem Ort zum anderen und damit ein Symbol für die Überbringung von Nachrichten.

Auch in China ist die Schlange sowohl positiv wie auch negativ konnotiert, mal als Symbol für Schlauheit, doch gleichzeitig als Sinnbild für die List – was ja durchaus auch dem ähnelt, wofür die innere und äußere Bedeutung der Schlange in den semitischen Traditionen steht.

Ein Wesen der Unterwelt

Wichtige Symbole der Schlange stehen in Verbindung mit Sexualität, Verführung, mit dem Männlichen wie auch dem Unbewussten. Doch ebenso ist die Schlange ein Symbol der Erde (Erdboden, Gestein), denn darin lebt sie in ihren Höhlen, Gruben und Felsritzen. Insbesondere ihre Wohnstätten machen aus ihr ein Wesen, das symbolisch für das »Austreten aus dem Irdischen« steht. Letzteres korrespondiert darum auch mit dem, was Spiritualität bedeutet als eben eine Form geistiger Kräfte, die sich aus dem Materiellen der Erde »veräußern« (wie sie auch aus der Erdspalte aufstiegen, unter dem Tripod der Hohepriesterinnen der Schlange, im Orakel von Delphi). Als solche, taucht die Schlange (oder der Drachen) auch in Mythen und Märchen auf als Wesen, das die sagenhaften Schätze der Erde bewacht (insbesondere als im Erdgrund gediegen Gold).

Ein Bergen von Schätzen aus dem Erdreich geht einher auch mit Gefahren  und Erdgewalten. Die damit verbundene Symbolik lässt sich aber ebenso übertragen auf das innere menschliche Sein, wo sich ja jeder – wenn er mit seinen inneren, verborgenen Kräften erstmals in Berührung kommt – mitunter in Acht nehmen muss, vor dort »lauernden« Eindrücken, die in sich mitunter gefährliche Ambivalenzen bergen.

Symbol sowohl des Bewussten, wie auch des Unbewussten

In ihrer körperlichen Gestalt stellt sie in ihren Formen aber wiederum sowohl Männliches (zur geraden Linie ausgestreckt) wie auch Weibliches dar (zum Kreis geschlossen, sich »in den eigenen Schwanz beißend« als Ouroboros). In ihrer Wellenform aber (quasi einer Mischung aus Linie und Kreis) bewegt sie sich fort und bildet damit die Gestalt des Vermittelnden, wie sie ja auch als solche ein Symbol des griechischen Götterboten Hermes ist.

Doch sie war in den griechischen Asklepios-Tempeln auch ein Wesen, dass dem Träumenden half, über sich und die inneren Aspekte des Seins zu erfahren und sich damit zu heilen.

Das besondere an der Körperform der Schlange ist, dass sie nur Kopf und Schwanz besitzt. Sie hat nur zwei Enden, womit sie deren Verbindung auch symbolisch darstellt, wo der Kopf für das Bewusste, der Schwanz für das Unbewusste steht, für die Kräfte der Heilung, die in den verbogenen Kräften des Seins ihrer Freisetzung harren.

Als Tier, dessen Bisse tödliche Wunden zu schlagen vermögen, ist sie aber auch ein Symbol für alles Abscheuerregende, Widerliche, Abstoßende. Als Wesen, das den Fluch Gottes repräsentiert, bezeichneten manche das Symbol der Schlange als Zeichen des Fürsten des Unglücks.

Ouroboros – ewigeweisheit.de

Der Ouroboros (alt-griechisch für »der Schwanzverzehrende«) ist ein seit dem Alten Ägypten belegtes Bildsymbol für die Ewigkeit.

Kosmische Weltenschlange

Wir hatten uns bereits das Symbol des Ouroboros angesehen: Die Schlange, die sich in ihren Schwanz beißend einen Ring bildet. Damit ist sie ein Sinnbild für die Gesamtheit der Existenz, für die Unendlichkeit und das Zyklische der Welt (im Mikrokosmos, wie auch im Makrokosmos). In ihrem Wesen versinnbildlicht sie das Lösen von Altem, so das sich Anderes, Gewünschtes, Ersehntes zu entbinden vermag (nämlich weiterzuleben), wo sie sich selbst doch immer wieder aus ihrer alten Haut windend von Neuem beginnt.

Der aus dem alten ägyptisch-griechischen Kulturkreis stammende Ouroboros galt den damaligen Menschen als Symbol für die Milchstraße, da in alten Texten die Rede von einer »Lichtschlange« ist, »die am Himmel wohnt«. Als solche assoziierten sie die Alten Ägypter mit der alten Schlangengottheit Wadjet.

Als solch »Schwanzfresser« umkreist sie in der alt-nordischen Mythologie auch das Midgard-Reptil, als Weltenschlange (auch als »Jörmungandr« bekannt) einen eigenen Kosmos im tiefen Grund des Ozeans.

Bei den Indern schlummert der Hindu-Gott Vishnu auf der siebenköpfigen Schlange Schescha. Auf ihr bewegt er sich über die Gewässer eines kosmischen Weltenozeans. Die ältesten Schriften der Hindus, die heiligen Puranas, beschreiben Scheschas Häupter, die die Planeten des Universums krönen, während sie unablässig aus all ihren Mündern singend den Ruhm Vishnus verkündet.

Als ein Wesen das Himmel und Milchstraße versinnbildlicht, begegnet man einem dem Ouroboros ähnliches Mythengeschöpf auch im präkolumbianischen Mittelamerika in Form des »Quetzalcoatl«.

Auch der westafrikanische Aidophedo, eine Götterschlange des Stammes der Ashanti, ist solch ein Wesen, das als sich selbst in den Schwanz beißend dargestellt wird.

Es scheint, als ob ohne dass damals offensichtlich ein kultureller Austausch bestanden hat (einen atlantischen Ursprung der Menschheitsgeschichte an dieser Stelle einmal außer Acht gelassen), man an verschiedenen Orten der Welt die Symbolform des Ouroboros in ähnlicher Weise verehrte.

 

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Das Mysterium von Sonne und Schlange

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

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Drachenorden in Ost und West - ewigeweisheit.de

Die Sonne ist die Kraft unseres Planetensystems. Von ihr hängt alles Leben auf unserer Erde ab. Ihr Magnetismus, ihre Wärme und ihre Schwerkraft gleichen einer makrokosmischen Dreiheit von Geist, Seele und Körper, die unseren vergleichsweise winzigen Planeten durchwirkt.

Alles geistig-himmlische assoziieren die Menschen seit ehedem mit der Sonne, während man der Schlange die Rolle der Erdkräfte, insbesondere der Kräfte der Unterwelt zuschreibt, wohin sie sich wohl auch tatsächlich zurückzieht um in Starre die Finsternis des Winters zu durchweilen.

Sonne und Schlange - Himmel und Erde

Den Finsterniskräften einer mythischen, sonnenvertilgenden Schlange, steht ein biologisches Reptil gegenüber, für das die Sonne geographisch zwar nicht erreichbar ist, es als Kaltblüter seine Körperwärme aber über das Licht der Sonne bezieht. So wie die mythologische Schlange alles licht- und sonnenhafte aufzehrt, so verschlingt die naturkundliche Schlange gierig ihre Beute, in einem Stück. Der Schlange ist das Begehren inhärent.

In den Sagen des klassischen Altertums taucht sie oft als Wesen auf, dass, so z. B. im alten Ägypten, gegen die lebenserhaltenden Kräfte der Sonne kämpft, und als riesiges Monster versucht die Sonne selbst in ihr finster-kaltes Wesen aufzusaugen. Das sagenumwobene Schlangenwesen scheint zu Grunde zu richten, auszulöschen und alles einverleiben zu wollen, was lebendig ist. Es will alles sich selbst gleich machen, zuweilen sich sogar selbst verzehren: als Ouroboros.

Da Drachen und Schlange, als Wesen der Erde, sich leicht mit allem Unterirdischen assoziieren lassen, ist in der Geomantie auch die Rede von Drachenströmen. Sie verlaufen im Erdgrund, doch tragen meist christliche Namen, die aber ganz und gar nicht abwegig sind, schaut man sich etwa die Symbolik von Michael und Maria im katholischen Christentum an, denn nach diesen beiden Heiligenfiguren sind diese Ströme benannt - zumindest in Nordeuropa.

Durch dies magnetische Strömen, das durch die Einwirkung der Sonne im Erdgrund wirkt, bildet sich das Gold der Alchemisten als geronnenes, kristallines Sonnenlicht. Möglicherweise eine Erklärung dafür, weshalb in verschiedenen Sagen und Märchen, ein Drache erst von einem Sonnenhelden getötet werden muss, bevor ein Goldschatz aus dessen Höhle geborgen werden kann.

Wegen der Begründung im biblischen Sündenfall, hat die Schlange in den abrahamitischen Religionen eine eher negative Konnotation, während sie als solares Weisheitssymbol im Buddhismus oder Hinduismus, z. B. für die Schöpferkraft steht. So etwa Vishnu, der sich als die zehn Avatare auf Erden inkarniert. Er liegt auf einem aus 1000 Schlangen geformten Bett, und badet so im kosmischen Milch-Ozean von König Shesha, dem Herrscher der Schlangengottheiten. Auch der dritte im Bunde der Trimurti, der Zerstörergott Shiva, wird in bildlichen Darstellungen stets mit einer Kobra um den Hals gezeigt.

Als Siddharta Gautama, eine dieser Inkarnationen Vishnus, am siebten Tag seiner Erleuchtung, unter einer Pappel in Meditation das Buddhatum erlangte, begann ein Monsunregen, als eine Riesenkobra an ihn herankroch, sich aufrichtete und ihren siebenköpfigen Schlangenkörper schützend über ihn wölbte.

In China charakterisieren Reptilien oft in Drachengestalt, auf Bildern, Reliefs und Skulpturen dargestellt, den fruchtbringenden Regen des Frühlings, und werden deshalb gerne als Glückssymbole verwendet.

Im 12.000 Jahre alten Tempel von Göbekli Tepe in der Türkei, findet man Stützpfeiler auf denen überwiegend Schlangenfiguren abgebildet sind, was ein Hinweis darauf ist, dass seit bereits sehr alter Zeit Schlangenkulte existiert haben müssen. Auch im 5. Kapitel der Vishnu Puranas wird von großen Schlangengöttern berichtet, die auf der Insel Atala gelebt haben sollen. Ebenso wie das aztekische Atzlan ist Atala ein anderer Name für Atlantis. Sowohl im aztekischen, wie im indischen Mythos wird überliefert, dass einst Schlangengottheiten subterrane Paläste bewohnt haben sollen. Das gibt Anlass zu der Vermutung, dass die atlantische Weltzivilisation von einem Schlangenkult geprägt gewesen sein könnte.

Hierauf Bezug nehmend, möchte ich überleiten zu einem ursprünglich sumerischen Mythos. Der solare Schlangengott Enki, ein Gegenstück zum griechischen Prometheus, kam auf die Erde als Erschaffer und Lehrer der Menschen. Er gründete die Bruderschaft der Schlange, deren Mitglieder sich nach der atlantischen Katastrophe angeblich in zwei Gruppen getrennt hatten: In den Orden des roten Drachen, der seitdem die Geschicke der westlichen Zivilisation lenkt, angeblich aus dem im Erdinnern befindlichen Königreich von Agartha (auch: Agarthi) – während der Orden des gelben Drachen vom himmlischen Shambhala aus, über das Schicksal der östlichen Zivilisation wacht.

Eine Legende aus diesem Mythenkreis berichtet wie die Priester des Roten Drachen von Agartha, durch Invokation ihre Initianden in die Geheimnisse der Erde einweihten, das heißt, dass dabei Wesenheiten durch Anrufung eingeladen wurden.

Die Priesterschaft des Gelben Drachen führte traditionsgemäß Evokationen aus, wobei die Anwesenheit von Wesen der geistigen Welt angeblich erzwungen wurde, um so die Mysten in die Erscheinungsformen der Sonne einzusegnen.

Sagen, Fabeln, Geschichten

Vermutlich rührt der Mythos von der Gründung zweier Bruderschaften im Mittelalter her. Vielleicht hat er sich in den letzten 500 Jahren verbreitet.

Anfang des 15. Jhd. wurden fast zeitgleich zwei Bruderschaften in Europa und Asien gegründet: Die Bruderschaft des Drachen, einem katholischen Ritterorden der von Kaiser Sigismund im Jahre 1408 zur Verteidigung des Christentums gegen die eindringenden Osmanen ins Leben gerufen wurde.

Sein Emblem: ein roter Drache. Ein Jahr später, im Jahre 1409 wurde in Tibet vom Manjushri-Eingeweihten Tsongkhapa, in der Nähe von Lhasa das Kloster Ganden gegründet, aus dem die Gelug-Schule hervorging, der buddhistische Orden der gelben Drachenmützen.

Die Religionen des Okzident glauben an eine innere, verborgene Kräfte. Sie richten sich auf einen zentralen, einzigen Gott aus. Sie glauben an ein, sagen wir, »Konzept« eines Weltendes, wie etwa das jüngste Gericht der Christen oder die »Götterdämmerung« nordischer Mythen. Die spirituelle Auffassung im Orient hingegen, geht aus von einer transzendenten Ewigkeit eines zeitlosen Buddha, dessen Weisheit, da ewig, wie es scheint nicht im selben Umfang geheim gehalten werden muss.

Im Westen werden religiöse Weisheitslehren, insbesondere im Christentum, Judentum und Islam, scheinbar aufgespart und nur gleichnishaft überliefert, während die Lehren östlicher Weisheitstraditionen meist deutlicher erscheinen und dem Vernehmen nach einfacher zu begreifen sind, als z. B. die Gleichnisse der Evangelien, die sich manchem auf den ersten Blick offenbar nichts sagend vorstellen. Östliche Weisheit scheint näher am Leben und geerdeter zu sein, während die westlichen Geisteslehren mit dem wirklichen Leben anscheinend nicht all zuviel zu tun haben – zumindest oberflächlich gesehen.

Die beiden oben vorgestellten Bruderschaften bildeten sich vermutlich, um in der alten Welt eine Polarität aufrecht zu erhalten, die auf dem Widerstreit von Licht- und Finsterniskräften gründet und bis ans Ende des Fischezeitalters vorherrschen sollte. Es sind also zwei Pole, die aber streng genommen eigentlich eine Dualität wiedergegeben, denn würden sie polar-verbunden erscheinen, erführe man wohl ihr innerstes Geheimnis.

Soll damit also der Zugang zu einem der größten Geheimnisse der Menschheit verschleiert werden? Es scheint doch nämlich eine dritte Kraft zu existieren, über die eben jene beiden Pole verbunden sind. Schaue wir in die mythische Zeit unserer Menschheitsgeschichte tauchen da im Okzidents vermeintliche Gegensatzpaare auf, als Sonne und Mond, Michael und Drachen, Mithras und der Stier, Theseus und Minotaurus, Zeus und Typhon, Apollon und Python, Osiris und Seth oder Adler und Schlange.

Auf jene dritte Kraft kommen wohl all jene die den Mysterienweg gegangen sind, die starben um wieder aufzuerstehen: im ägyptischen Memphis, im griechischen Samothrake oder in Eleusis: Die Initianden wurden dem »Einen« geweiht, indem man ein vorübergehendes Auslösen der Seele aus dem Körper, durch eine Art Todeserfahrung erzielte. So wurde aus dem Initianden eine »kluge Schlange«, wie sie einst Jesus beschrieben hatte.

Initiation ist keine Wissenschaft die durch Sprache vermittelt werden kann, sondern eine Einsicht, in deren Besitz man nur durch unmittelbares Erleben kommt – eine Erfahrung die physiologisch über die Nervenimpulse im Rückenmark, in das Bewusstsein des Initianden eintritt und wie überliefert wurde, als ein inneres, sonnenhaftes Licht wahrgenommen wird.

Hier gibt es eine interessante thematische Verbindung zur biologischen Schlange, da das verlängerte Rückenmark, eine evolutionsbedingt reptilienartige Körperstruktur ist. Die Gehirnbrücke, die vom Kleinhirn und Großhirn aufgenommen wird, bezeichnet man in der Anatomie auch als Reptilienhirn. Das eine Art Ur-Reptil, einen Teil unseres Körpers bildet, glauben auch die Jivaro, peruanische Ureinwohner des Amazonas. Einst sollen riesige, schwarze, flugsaurierartige Fischwesen aus dem Weltall gekommen sein, da sie sich vor etwas weit draußen in der Galaxie auf der Flucht befanden, und auf der Erde landeten, um ihren Verfolgern zu entrinnen. Sie brachten angeblich das Leben auf der Erde hervor und waren die wahren Meister des Planeten und der Menschheit. Die Menschen seien nur die Diener und Behälter dieser Reptilienwesen.

Manche New-Age-Forscher und Ufologen vermuten, dass die mächtigsten Familien der Welt, durch reptiloide Wesen, die vom Orion-Sternbild stammen sollen, in ihren Entscheidungen beeinflusst und gelenkt werden, weil diese mit anderen außerirdischen Wesen, wie z. B. den »Plejadiern«, um die Vorherrschaft auf Planet Erde kämpfen. Solche Nachrichten erinnern sicherlich an Sciencefiction, doch lassen sich die Ursprünge solcher Geschichten durchaus in verschiedenen Legenden finden, wie z. B. die der indigenen Tolteken, der Azteken und der Maya. Einst soll die Sonnengottheit Quetzalcoatl, die leuchtende Schwanzfederschlange auf die Erde als Schöpfergott und Lehrer der Menschen gekommen sein, von der geglaubt wird, dass sie wiederkehren werde, um über das Weltreich der Erde zu walten.

Ein ähnliches Wesen existiert auch in zentralasiatischen Mythen: der Simourgh-Vogel.

Im alten Ägypten war es der Vogel Benu, der vermutlich auch etymologisch mit dem rotgoldenen Feuervogel Phönix identifiziert werden kann, der laut eines anderen Mythos als Stammvater der Phönizier angesehen wird, jenem Volk dem wir die Verbreitung unserer Schrift zu verdanken haben.

Annunaki - ewigeweisheit.de

Ein Unterweltsdämon wie er in alten Mesopotamischen Basreliefen häufig dargestellt wird. Manche meinen, solche Wesen kamen von fernher auf die Erde, um dort die Zivisation der Menschheit zu erschaffen.

Von Drachen und Sonnenkönigen

In den Texten des ägyptischen Totenbuchs scheint es auf den überirdischen oder unterirdischen Aufenthaltsort anzukommen, ob man einer Schlange als Gegner oder als Helfer begegnet, je nachdem wo im zyklischen Verlauf einer Geschichte man sich gerade befindet. Der einstige Sonnengott Osiris wurde von seinem finsteren Bruder Seth ermordet, einem von späthellinistischen Griechen mit dem drachenköpfigen Typhon gleichgesetzten Ungeheuer.

Der selbe Seth ist es auch, der auf dem Bug der Sonnenbarke stehend, mit seinem Speer in der nächtlichen Unterwelt die Apophisschlange bekämpft, um dem Sonnengott Ra, seinen Aufgang am kommenden Morgen zu ermöglichen. Sonne, Mond, Licht, Finsternis, Schlange und Auge bildeten bei den alten Ägyptern ein »antagonistisches System«, aus welchem sich, je nach mythischem Zusammenhang, eine bestimmte, archetypische Wesenheit oder Konstellation manifestieren kann.

Der Sonnengott Ra formte aus dem aus seinem rechten Auge austretenden feurigen Strahlenschein die Uräusschlange. Als goldenes Herrscherdiadem trugen die Pharaonen dieses solare Reptil auf ihrem Haupt. Gekrönt mit diesem Emblem, wähnten sie sich unbesiegbar, sollte doch der Gluthauch der Uräus ihre Feinde vernichten können.

Den beiden Urformen, Sonne und Auge, begegnen wir auch wieder in der Biologie: Als vor 100 Mio. Jahren die ersten Nager, die Vorfahren der Primaten, aus ihren Höhlen krochen und begannen aktiv zu werden, überwiegend im Sonnenlicht, verbesserte sich evolutionsbedingt die Funktion des Sehens um ein Vielfaches – warum? Damit sie ihre Feinde, insbesondere Schlangen, schneller erkennen konnten.

Licht, Auge, Sonne und Schlange stehen sich ihrem Sinn gemäß also näher, als man zuerst vermutet. Sowohl in der Mythologie des Ostens als auch des Westens, in der Biologie, und, wie wir später noch sehen werden, ebenfalls im Zusammenhang mit Feuer und Metall, zeigen sich Sonne und Schlange als äußerst ambivalente Erscheinungen, die sich auf geheimnisvolle Weise gegenseitig ergänzen oder sich sogar in einander umwandeln können.

Auf diese Ambivalenz wurde seit jeher in vielen Sagen von Sonnenhelden hingewiesen, die zunächst aus der Finsternis kommend, ganz gleich ob nun aus einer physischen Dunkelheit oder aus geistiger Umnachtung, sich auf eine Reise begaben, um das verlorene Licht oder Feuer wiederzufinden und den Menschen zurückzubringen – eine Art Paradies, das sich in die physische Welt versenkt hatte und von dort von einem Erlöser, aus seinen materiellen Verstrickungen befreit, aus der Dunkelheit emporgehoben wurde: Dafür steht die solare, das Erdreich mit ihrem Magnetismus belebende Schlange, wie wir sie auf dem Baum der Erkenntnis von Gutem und Bösem in der Bibel antreffen – oder als die auf dem Baum des ewigen Lebens wachende Schlange der atlantischen Hesperiden. Es ist ebenfalls diese Schlange, die am Stab des Heilergottes Asklepios empor kraucht, dem Sohn des Sonnengottes Apollon.

Prometheus, der Bruder des Atlas, war Kulturstifter, laut Ovid sogar Erschaffer der Menschen. Dem griechischen Held Herakles wies er den Weg nach Westen, wo er mit Atlas den Drachen der Hesperiden überlistete, um an die Äpfel des ewigen Lebens zu gelangen. Prometheus brachte den Menschen auch das Feuer, trotz dass Zeus es ihnen versagte. Als der Göttervater entdeckte, dass er es den Menschen nicht wieder nehmen konnte, bestrafte er Prometheus, den er im Kaukasus vom Himmelsschmied Hephaistos an einen Felsen ketten ließ, wo ein schrecklicher Adler täglich von seiner Leber zehrte.

Die in diesem Mythos beschriebene Himmelsschmiede steht wohl auch in Bezug zur Region des kaukasischen Georgiens, in dem bereits vor 7.000 Jahren Erze zu Metall verarbeitet wurden.

Georgien ist auch das Land aus dem die früheste Erwähnung der Drachentöter-Legende des heiligen St. Georg bekannt ist, auf den im Mittelalter die Eigenschaften des solaren St. Michael übertragen wurden, jenem Erzengel, der laut christlicher Überlieferung den rebellierenden Lichtfürsten in den Abgrund stürzte – wo er sich in die böse Schlange Satan verwandelte und angeblich seither aus der Unterwelt versucht die Herrschaft über die Erde an sich zu reißen.

Von einer anderen Drachentöter-Legende erfahren wir in der germanischen Nibelungensage. Dort ist es der rotblond gelockte Siegfried, der von einem Schmied namens Mime in einer Waldhöhle erzogen wird. Mit seiner Hilfe schmiedet Siegfried das Zauberschwert Balmung, womit er den schrecklichen Drachen Fafnir tötet, um damit einen riesigen Goldschatz in Besitz zu nehmen. Eigentlich aber sind die wirklichen Besitzer des Schatzes die sagenhaften Nibelungen, doch Siegfried, von seiner Goldgier überwältigt, möchte den ganzen Schatz für sich behalten. Damit zieht er einen Fluch auf sich: Er vergisst seine Vergangenheit und auch seine Liebe Brunhilde, die ihm dafür eines Tages, durch seinen Widersacher Hagen, ihre Rache tödlich spüren lassen wird (Hagen ist der Neffe des getöteten Drachen).

Die visuelle Sinnenbindung an den Glanz des Sonnenmetalls, veranlasste also Siegfried eine Bestie zu beseitigen, doch die chtonischen Begierdekräfte gingen auf den Drachentöter über. Ihm kam ein Blutstropfen des getöteten Drachen auf die Zunge, er schmeckte seine Zauberkraft und nahm daraufhin sogar ein Bad im Blut des Drachen, das ihn unverletzlich machte. Vielleicht ist das Drachenblut auch eine symbolische Manifestation des Menschen innerster Angst vor dem Tod, etwas, über das er sich mit irdischen Reichtümern hinwegzutäuschen versucht.

Wie die Sonne, kann auch das Schwert mit der Schlange kulturhistorisch in Verbindung gebracht werden: Die Waffen des Mittelalters trugen Schlangenverzierungen oder hatten einen Drachenkopf als Knauf. Insbesondere in künstlerischen Darstellungen aus dem Mittelalter finden sich Schlangenlinien in den Hohlkehlen von Schwertklingen. Zudem wurden die Schichten des Stahls auf bestimmte Weise »verdreht«, womit der Schmied eine »Schlängelung« der Metallfasern bewirkte, um so eine Härtung des Stahls zu erzielen. Eine andere Form der Metallhärtung geschieht durch Abschrecken des glühenden Stahls in einem Wasserbecken.

Einen interessanten Bezug zum Element Wasser gibt es auch in der Geschichte der griechisch-orthodoxen Heiligen Margarete von Antiochien, einer christlichen Drachenbezwingerin und der Schutzpatronin des zuvor erwähnten Drachenordens. Die griechische Form ihres Namens, Marina, bedeutet »Vom Meer stammend«. Margarete als Name ist allerdings persischen Ursprungs. »Morvarid« bedeutet auf persisch »Kind des Lichts« – ein besonderer Name für das Wort »Perle«, da in der persischen Mythologie die Perle durch die Umwandlung eines Tautropfen durch das Mondlicht entsteht. Wasser und Mond bilden also Variablen, die sich in die »Familie« der Schlangensymbole einreihen lassen. Der Mond, wie man ihn etwa im Bildnis der Mondsichelmadonna findet, weist auf die Offenbarung des Johannes hin. Dort steht eine Schwangere auf dem Mond, die von einem Drachen verfolgt wird. Das ist sozusagen die biblische Fortsetzung der Geschichte des gestürzten Erzengels, der sich an der Menschheit und an Gott rächen will, doch im letzten apokalyptischen Gefecht gegen den Sonnenfürsten Michael, von diesem endgültig geschlagen wird.

Schlangenlinien und Sonnenkräfte

Schon vor tausenden von Jahren ahnten Menschen, dass die sichtbare Wirklichkeit nur die Erscheinungen einer im verborgenen Kraft sind. In der indischen Philosophie ist Maya die Göttin der Illusion, aus der sich alles in der Welt manifestiert. Sie verschleiert die kreative Kraft Shakti, die den Menschen in der Materie manifestiert erscheint. Was zu Materie wurde, gleicht dem Schatten einer eigentlich geistigen Wirklichkeit. Anfang des 20. Jhrhunderts gab Albert Einstein's Relativitätstheorie dem auch einen wissenschaftlich erklärbaren Rahmen.

Sichtbar für die Augen ist alles, das sich mit hoher Frequenz in Schwingung befindet oder etwas hoch Schwingendes reflektiert, das von einer materiellen Form ausgeht und letztendlich einer im Vakuum geronnenen Lichtwirkung gleichkommt, die sich zu kristallinen Materiestrukturen verfestigte.

Im sogenannten »Einheitlichen Feld«, vom dem die Quantenphysik spricht, bestehen polare Wechselwirkungen bestimmter, objektiver Kraftfelder, die, ab einer sehr hohen Umdrehungs-Frequenz, beginnen Licht auszusenden. Damit dieses Licht Wirklichkeit wird, bedarf es eines relativen Beobachters, wodurch eine Polarität von dem was leuchtet und dem was dieses Leuchten wahrnimmt aufgespannt wird – ohne Auge, kein Licht.

Wär nicht das Auge sonnenhaft, die Sonne könnt es nie erblicken.

- Goethe

Physikalisches Licht gleicht einer polaren, schlangenförmigen, raumzeitlichen Ausbreitung zweier Kräfte: Elektrizität und Magnetismus, die aus einer androgynen, für uns nicht wahrnehmbaren, da unsichtbaren Energie, in eine sich bedingende, untrennbare Zweiheit der Bewegung »gestürzt« ist, worauf vielleicht auch der Luzifermythos hindeutet. Die Tatsache, dass erst durch Polarität Wahrnehmung entstehen kann, führt zu dem Schluss, dass Einheit von Unveränderbarkeit, Ewigkeit und Formlosigkeit begleitet wird.

Alles Ewige unterliegt keiner Veränderung und auch keinem Kreislauf. Leben kann deshalb nur, was zwar an der Ewigkeit teilnimmt, als Polarität unbedingt aber sterben muss, um wieder in die Einheit zurückzukehren.

Der Lauf des Lebens beginnt als Geburt aus der Dunkelheit – ob nun aus dem finsteren Weltraum, aus dem Mutterleib oder dem unter der schwarzen Erde keimenden Samen, der den Erdboden irgendwann durchbricht, um in den Tag zu wachsen. In Ägypten symbolisiert diesen Vorgang die Geburt des Sonnenkäfers Skarabäus, den der warme, schwarze Nilschlamm bebrütet, bis er schließlich aus seiner Hülle schlüpft, um alsdann zur Sonne empor zu fliegen.
Es ist immer eine Geburt aus der Finsternis hinein ins Licht.

Die Dinge fangen im Unsichtbarem an, treten aus dem Verschlossenen in die Wahrheit der Gegenwart. Für diesen Vorgang steht als Sinnbild das Ei. Aus einem Ei schlüpft ein Insekt, ein Fisch, ein Vogel oder eine Schlange – letztere beiden weisen im ägyptischen Mythos ebenfalls auf eine Verwandtschaft, denn in den Pyramidentexten finden wir des Öfteren Geier und Schlange dargestellt, die das Auge des Sonnengottes beschützend flankieren. Hier wird wieder der Zusammenhang zwischen Licht und Materie, zwischen Sonnenkraft und Schlangenkraft deutlich.

Alles ist lebendig, das sich von selbst und anderes bewegen kann. Das gilt ebenso für unser Zentralgestirn Sonne, um deren Zentrum sie sich selbst und mit ihr alles dreht was sich im Sonnensystem befindet – auch das Leben im Wechsel der Jahreszeiten, wird aus dieser Drehung immer wieder von Neuem geboren. Doch wie insbesondere durch die vier Jahreszeiten verdeutlicht, ist für das Aufrechterhalten der Lebenszyklen auch ein Opfer notwendig – stirbt doch ein gewisser Teil des animalischen und vegetarischen Lebens im Winter ab, woraus dann wieder Nahrung auf der Erde entsteht, für einen kommenden Sonnenzyklus.

Opfer verkörpern auch die Symbole des gekreuzigten Jesus oder der von Moses im Sinai am Kreuz aufgerichteten, ehernen Schlange: die flüchtigen, heilkräftigen Christus- bzw. Schlangenkräfte (Magnetismus) sollen auf den Betrachter übertragen und durch das Sinnbild des Kreuzes auch in ihm fixiert werden. Drum windet sich auch eine symbolische Schlange um den Stab des Arztes Asklepios, während sich sein Vater Apollon im ägäischen Delos selbst einmal als Schlange oder in Delphi als Verkörperung der Kräfte der Erleuchtung und der Erkenntnis zeigt, wenn er eben als Sonnenheld das Orakel von einem Reptil, vom Drachen Python befreit.

Ein anderes, in verschiedenen Mythen verwendetes Symbol, in dem sowohl Sonne als auch Schlange vereint sind, ist der hermetische Heroldstab. Dieses Symbol wird auch verwendet in Bezug auf die feinstoffliche Ebene des menschlichen Körpers: In der vedischen Esoterik ist die Rede von zwei Schlangen Ida und Pingala, die als »Kundalini-Kraft« jeweils um den zentralen, sogeannten »Shushumna-Nadi«, entlang der Wirbelsäule aufsteigen – einer Symbolik die gewiss dem zuvor skizzierten Stab des Hermes entspricht.

Den Sonnenkräften im Menschen entspricht das sinnbildliche Herz. Es teilt auf Höhe des Herzchakra die Bahn der Schlange Kundalini in zwei Hälften: drei geistig-ätherische und drei seelisch-körperliche Energiezentren.

Kundalini und Sonnenlicht sind von zweifacher Natur und können entweder richtig oder missbräuchlich angewendet werden – wirken aufbauend oder abbauend, lebensfördernd oder lebenszerstörend.

Wenden wir unseren Blick nun aber noch einmal nach Sumer: Da beschreitet der mythische König Gilgamesh auf seiner Reise einen Weg zu sich selbst. Nach dem Tod seines Freundes Enkidu, wird er sich auch seiner eigenen Sterblichkeit bewusst und irrt aus Angst vor dem Tod lange umher, bis er zu den Skorpionmenschen kommt, die den Weg der Sonne bewachen.

The Phanes-Eros - Illustrated by Selim Oezkan - ewigeweisheit.de

Der alt-griechische Gott Phanes-Eros.

Er befragt sie nach dem Aufenthaltsort des ehrwürdigen Helden der Sintflut, der angeblich den Odem der Unsterblichkeit besitzt. Ihn will er befragen über Leben und Tod. In der Unterwelt erscheint ihm der Sonnengott und lässt Gilgamesh wissen, dass er das ewige Leben nach dem er sucht, nicht finden wird. Am Ufer des morgendlichen Sonnenaufgangs erreicht Gilgamesh schließlich den Unsterblichen.

Dieser stellt Gilgamesh eine Aufgabe: er solle dem Schlaf, solle dem Bruder des Todes widerstehen – doch Gilgamesh schläft ein – als er erwacht erkennt er, dass er nicht für die Unsterblichkeit geschaffen sei. Die Frau des Unsterblichen aber legt für Gilgamesh ein gutes Wort ein, da er große Mühen auf sich genommen hat, um hierher zu kommen. Man solle ihm doch bevor er abreist ein Geschenk machen. Der Unsterbliche offenbart Gilgamesh also ein verborgenes Geheimnis der Götter: Auf dem dunklen Grund des Meeres, wüchse eine Pflanze, die neues Leben verleiht. Gilgamesh holt sich diese Pflanze aus der Tiefe, doch eine Schlange entwendet sie ihm flink und verjüngt sich auf der Stelle, indem sie ihre alte Haut abstreift. Wieder begnen wir einem Antagonismus von Sonne und Schlange: Diesmal aber kommt das Licht der Sonne aus der Vergangenheit, während die Finsterniskräfte der Schlange für die Zukunft stehen, da sie durch ihr Wesen die Vergänglichkeit des Lebens ankündigen.

Aus den Mythen des Altertums in West und Ost lernen wir, dass der Mensch als Bindeglied dieser vermeintlichen Trennung von Oberem und Unterem und als Mittler zwischen Göttlichem und Irdischem gesehen werden kann, so wie auch das menschliche Herz im Körper die Kohärenz zwischen Denken und Fühlen bildet. Durch die Verbindung dieses antagonistischen Systems in uns, im Jetzt, können wir beide, Sonne und Schlange, Geistiges und Materielles, Himmel und Erde, in ihrer ursprünglichen, heilsamen Einheit erfahren.

Die beiden widerstrebenden Strömungen sind letztendlich nichts anderes als Synonyme für die Trennung der Erlebnisse von Denken und Erfahren, etwas das z. B. auch Religion von Wissenschaft abgrenzt. Über Jahrhunderte hinweg verteufelte die Kirche alles, was uns die Natur lehrt. Man denke nur an die mittelalterlichen Auffassungen über die Beschaffenheit der Welt, wie sie aus Sicht des Klerus angeblich durch Kolumbus, Galilei oder Bruno in Frage gestellt wurden. Bestimmt einer der Gründe, dass sich seit dem Zeitalter der Aufklärung eine so vehemente Ablehnung entwickelte, gegenüber der Kirche, dem Glauben und einem christlichen Gott. Materialistisches Vernunftdenken lehnt eine Gottesvorstellung deshalb bis heute kategorisch ab, da für viele das Wort Gott eine Personifikation ist. Darum sei nochmals hervorgehoben, weshalb vielleicht die Ideen die zu uns aus buddhistisch geprägten Traditionen gekommen sind, toleranter aufgenommen werden, da sie eine transzendente Weltsicht vertreten, als die eines immanenten, monotheistischen Gottes der Vergeltung, wie er uns aus dem Pentateuch erscheint.

Es wird immer eine Gruppe von Menschen geben, die unablässig bemüht ist die Gegensätze der beiden, immanenten und transzendenten Weltsichten in einer gemeinsamen, ewigen Philosophie zu versöhnen. Glauben und Vernunft, Religion und Wissenschaft können zu einer lebendigen Einheit, in einem organischen Ganzen verschmolzen werden, was Aufgabe der Menschen des neuen Weltzeitalters sein wird.


Die bildlichen Darstellungen Jesu Christi mit seinem bekannten Fingerdeut weisen auf das Herz – die Sonne im Körper – das Organ der Erleuchtung. Im indischen Vedanta ist das Anahata, das Herzchakra, mit einem Hexagramm gekennzeichnet, dem Symbol der Vereinigung von Äther und Stoff. Es ist ein Versuch beides, Geistiges und Körperliches zu er- und beleben, ohne eines von beiden zu leugnen. Zwar setzt die Wahrnehmung eine Trennung, einen Kontrast voraus, durch den die Dinge überhaupt erkennbar werden, denn nur was sich in der Polarität befindet, kann der Mensch erfassen. Doch beide, Sonne und Schlange, Geist und Materie, Himmlisches und Irdisches, sind nur Erscheinungsformen der im allegorischen »kosmischen Ei« enthaltenden unbegrenzten Wirklichkeiten der Einheit, die die hermetische Tradition als »das einige Ding« oder die moderne Physik als einheitliches Feld bezeichnen.

Die wohl treffendste Darstellung der hier diskutierten Pole von Sonne und Schlange, wie sie als feurige Kraft aus der Einheit zum Vorschein kommen, ist deutlich versinnbildlicht in der Gestalt des leuchtenden Gottes Phanes-Eros aus der griechischen Mythologie. Von einer Schlange umwunden, entsteigt er als Sonnengott aus den beiden Hemisphären eines kosmischen Ovals. Bei den Orphikern war der aus dem Ei entsteigende Phanes-Eros der Urschöpfer allen Lebens und die treibende Kraft aller Reproduktionen im Kosmos.

Die Orphiker sahen in Phanes-Eros den Ursprung der Kräfte von Licht, Liebe und Leben, die seither in der Welt umherschweifend bestrebt sind, die ursprüngliche Einheit wieder herzustellen, was den Zyklus von Werden und Vergehen in der Ewigkeit zeitigt.

 

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Transmutation auf Gold...

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

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Autor und Mentor

transmutation auf Gold - ewigeweisheit.de

Assoziativ gesprochen: bei der Transmutation auf Gold geht es auch um den Drachen. In verschiedenen Mythen und Legenden bewacht er, in Höhlen wohnend, das kostbare Sonnenmetall. An einem unzugänglichen Hort im Innern der Erde hält er es verborgen.

Wegen seines unteriridschen Wohnorts scheint er zwar ein recht jämmerliches Dasein in der Dunkelheit zu fristen, doch der Drache birgt in sich ein Feuer, dass er aus dem Gold bezieht. Ja, aus dem Gold!

Gold galt den Alten als geronnenes Sonnenlicht und war somit auch ein Sinnbild äußerer Wärme. Deshalb jagt der Drache dem Gold nach, so die Alchemisten. In der düsteren Kälte der Felsen seiner Gruft würde es ihn sonst wohl frieren. Bevor das Gold in der Sonne glänzt, verbirgt es also ein Drache vor allen Menschen bei sich, im Dunkel der Erde.

Sankt Michael tötet den Drachen - ewigeweisheit.de

Sankt Michael tötet den Drachen. Spanische Illustration aus dem frühen 15. Jahrhundert.
Die Rote Farbe seiner Rüstung ließe sich als Hinweis auf die Rubedo (Rötung) deuten: Die letzte und höchste Stufe im großen Werk bei der Bereitung des Steins der Weisen. Jenen legendären Stein verwendeten die Alchemisten um unedle Metall in Gold umzuwandeln.

Gottessohn des Lichts

Sonne und Gold sind beides Symbole reinen Lichts. Vis-a-vis stehen ebenjene Symbole der Dunkelheit. Als Sonnenkönig ist der alt-griechische Gott Apollon das lichterfüllte Gegenstück zum schwarzen Drachen Delphis. Apollon aber tötete ihn und damit endete eine alte Zeit, so dass etwas Neues geboren werden konnte: das goldene Zeitalter des Lichts. Das aber ist lange her.

Apollon ist ein Lichtbringer, dem man als solchem im späteren Christentum aber den Namen Luzifer gegeben hätte (Lichtbringer oder Lichtträger). Unwissende setzten ihn damit wohl auch gleich, mit der alten Schlange Satan. Dann aber haben wir wieder mit dem Drachen zu tun. Was nun also? Beides?

Gutes und Böses, zwei Seiten der selben Münze auf deren Rand eine Gravur zu lesen ist:

ABRAXAS

Das ist der griechische Name des Gottessohnes der 365 Tage, dem Zeitraum in der sich die Erde um die Sonne "schlängelt". Was aber hat dieser Name mit 365 zu tun? Nun, es soll nicht alles gleich verraten werden. Aber: Sechs mal Sechs mal Zehn und Fünf – oder: 1 + 2 + 100 + 1 + 200 + 1 + 60 = 365. Was hat es damit auf sich?

Diabolisch. Symbolisch. Metabolisch

Werfen wir aber zunächst einmal einen Blick auf das Sinnbild des Lebensbaumes der Kabbala. Diese Struktur nennen manche jüdische Gelehrte den Sefirothbaum. Sefiroth sind archetypische Konzepte, wenn man so will, etymologisch verwandt mit dem deutschen Wort für die "Sphären", hermetischen Gefäßen quasi, in denen sich ganz besondere Eigenschaften verwirklichen lassen, sobald man einen Weg hinein gefunden hat. Dann aber lassen sich in solch abgeschlossenen Einheiten alchemistische Prozesse anstoßen.

In manchen Darstellungen sieht man ein Reptil, eine schwarze Schlange, die sich entlang der Äste dieses geheimnisvollen Lebensbaumes nach oben windet, zur Krone – "nach Kether hin", wie die Kabbalisten sagen. Eine Sonne aber leuchtet im Zentrum dieses Wunderbaumes. Und diese solare Mitte umhüllt Tiphereth, die Schönheit, die sechste Sefirah (Singular von Sefiroth) im Lebensbaum der Kabbala.

Kabbala-Gelehrte haben später die Alchemisten dazu inspiriert, den einzelnen Positionen im Lebensbaum, bestimmte planetarische Mächte zuzuordnen. An der sechsten Position im Lebensbaum aber, der Sefirah Tiphereth, befindet sich gemäß der chaldäischen Reihe die Sonne. Sechs entspricht dem Sonnenlicht.

Nun lesen wir im Neuen Testament:

Und ich sah ein anderes Tier aus der Erde aufsteigen; und es hatte zwei Hörner gleich einem Lamm, und es redete wie ein Drache. [...] Hier ist die Weisheit. Wer Verständnis hat, berechne die Zahl des Tieres!

- Offenbarung 13:11,18

Wer weiterließt kommt zur Symbolik dreier Sechsen. Und jene Zahl, die hier nich stehen muss, ergibt sich wie folgt: In der Magie ist die Rede vom sogenannten "Planetenquadrat der Sonne". Zu diesem, wie zu den anderen sechs klassischen Himmelskörpern, gibt's ein magisches Quadrat. Warum aber magisch? Schauen wir uns dazu einmal die erste Reihe der folgenden Tabelle an, die so ein magisches Quadrat zeigt:

 

6 32 3 34 35 1
7 11 27 28 8 30
19 14 16 15 23 24
18 20 22 21 17 13
25 29 10 9 26 12
36 5 33 4 2 31

 

Addiert man nun einmal alle Zahlen in der obersten Reihe, da erhält man eine bestimmte Summe. Magisch an dieser Figur ist nun die Tatsache, dass egal aus welcher Reihe des Quadrats man die Zahlen zusammenzählt (sechs waagrecht liegende Ziffern, sechs senkrechte oder die beiden diagonalen Zahlenreihen), man immer die selbe Summe sieht. Und da dieses magische Quadrat der Sonne dem Gold und damit auch der Zahl Sechs entspricht, fühlt sich vielleicht die eine oder der andere dazu verleitet, diese Summe eben mit Sechs zu multiplizieren. Und siehe da: Man hält wohl inne, beim Entdecken des wirklichen Endes vom 13. Kapitels jener Offenbarung, aus der wir oben zitierten.

Als erstes sechsmal gesprochen FALABA CALADA LEA.
Danach dann ...

Wissen Sie wie es weitergeht? Obiges Sonnenquadrat verrät's. Drum Vorsicht!

Der Rote Löwe

Wenn nun also die Sonne sym-bolisch aus der sechsten Sefirah Tiphereth strahlt, ist ihr, aus alchemistischer Sicht, das Metall Gold zugeordnet (so wie der Dritten das Metall Blei, der vierten Sefirah das Zinn und der fünften das Eisen) – das Metall also, dass dem dia-bolischen Drachen in seiner pythischen Erdspalte Wärme spenden soll.

Wiederum steht in diesem Zusammenhang nun, mit der zuvor erwähnten, durch den Sonnenkönig Apollon vollzogenen Tötung des bösen Drachen (der die dortige Erdspalte bewachte woraus ein edles Gas hervorströmte), die christliche Symbolik St. Michaels. Erzengel Michael – in der Kabbala bewohnt auch er die sechste Sefirah Tiphereth – erstach den Drachen, stürzte ihn vom Himmel, wo sich ja bekanntlich der paradiesische Lebensbaum befindet – so dass er ins Innere der Erde fiel: Die irdische Unterwelt des Drachen den Apollon erschlug. In der Symbolik Michaels und des Drachen sieht man den Erzengel, wie auch er mit Schwert oder Lanze, das reptilische Ungeheuer tötet. Es geht hier um die "Marter der Metalle", wie es die Alchemie nennt. Mit Lanzenklingen wurde auch Christus am Kreuz von seinen Martern erlöst und Johannes der Täufer vom stählernen Schwert enthauptet. Und dies hat auch eine Querverbindung zum Element Feuer, so wie das Schwert dem Element Luft, der Kelch oder Gral dem Element Wasser und der Stein dem Element Erde zugeordnet sind.

Wenn Michael nun also den Drachen mit einer Lanze ersticht, so kommt da das Feuerprinzip ins Spiel. Ist das dann nicht auch eine Transmutation auf Gold? Man denke etwa an das Simileprinzip des Paracelsus, und assoziiere damit die Reihe: Feuer – Lanze – Sonne – Gold. Und wenn nun die Lanze, ihrer esoterischen Bedeutung nach, mit dem Feuer assoziiert wird, und das Feuer das Element des astrologischen Löwen ist, einem Sternbild über das, astrologisch, wiederum die Sonne regiert, so kommt hier sicher auch der "Rote Löwe" (auch: "Roter Leu") der Alchemisten ins Spiel.

Da ward ein roter Leu, ein kühner Freier,
Im lauen Bad der Lilie vermählt,
Und beide dann mit offnem Flammenfeuer
Aus einem Brautgemach ins andere gequält.
Erschien darauf mit bunten Farben
Die junge Königin im Glas,
Hier war die Arzenei, die Patienten starben,
Und niemand fragte: wer genas?

Aus Goethes Faust – Der Tragödie erster Teil: "Vor dem Tor", Faust zu seinem Famulus Wagner

Jede Veredelung (Transmutation auf Gold) erfolgt ancheinend über den leidvollen, ja sogar qualvollen Weg (Marter). Das Körperliche Prinzip muss geopfert werden, entsprechend dem am Kreuz geopferten Leib Christi, damit das Lichtprinzip der Geistesseele entweichen kann, wie auch der Heilige Dunst aus der Erdspalte zu Delphi, wo nach Apollons Sieg, seither ein toter Drachen fault.

Sonne und Drachen,
wie Apollon und Python,
in Licht und Finsternis,
durch Feuer und Erde,
ergeben die Sechs mal Drei
und Gold aus Blei.

LAFELAC DABLA

 

 

Licht aus dem Jenseits im Dunkel der Welt

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

von

Autor und Mentor

Polarstern - ewigeweisheit.de

Im Sufismus gibt es die Metapher vom polierten Spiegel, der ein Bild ist für das mystische Herz im Menschen – ein spirituelles Organ, auf dem sich allmählich Staub schichtet, ausgefällt von all den Ungereimtheiten des Lebens. Nur wer sein Herz rein hält, der wird der Reflexionen eines Schimmerns gewahr, in dem Göttlichkeit funkelt.

So wie im Makrokosmos das Licht Gottes aus dem Feuerball der Sonne strahlt, so hell auch kann dieses mystische Herz im Menschen zum Strahlen gebracht werden – so die Sufis. Damit wird das Herz selbst zur großen Leuchte und erfüllt den Mikrokosmos menschlichen Seins mit dem Licht Gottes.

Allah ist das Licht der Himmel und der Erde.

- Sure 24:35

So wie die Sonne Licht und Wärme spendet, so strahlt auch das erleuchtete Herz eines Menschen, erfüllt von Weisheit. Wie könnte es auch unerleuchtet bleiben, reflektiert seine Reinheit doch die Ausstrahlungen des Allmächtigen.

Ein wahrer Sufi begehrt darum sein Herz von aller weltlichen Ignoranz zu säubern und dessen mystischen Spiegel zu reinigen. Alles was die Nacht seiner Unwissenheit verdunkelte, werden dann Tausende Sterne erhellen. Es sind Wegmarken auf dem Pfad zur Erleuchtung:

Und mit der Hilfe der Sterne folgen sie ihrem rechten Weg.

- Sure 16:16

Bis auf die Planeten des Sonnensystems, sind alle Lichter am nächtlichen Firmament, selbst Sonnen. Das wissen Astronomen seit langer Zeit. Doch es sind nicht die Sterne als solche, sondern das von ihnen ausgehende Licht, wonach sich die Menschen zu Lande und zu Wasser orientieren.

Ein Mensch der seinen Blick jedoch nach innen richtet, braucht auf seiner Lebensreise eine eigene Orientierung. Und so wie die Sonne die Erde und die Planeten durch ihr lichthaftes Sein »rechtleitet«, so sollte auch das Herz jenes Menschen eine Leuchte werden, in dessen Schein sein Träger den ihm gebührenden Weg findet. Auf diesem Weg strebt einer dann aus dem Dunkel der Nacht der Unwissenheit, hin zu einem Licht seines innersten Geheimnisses. Es gleicht dem Licht der im Osten aufsteigenden Sonne, dass ihm den Weg seines Erwachens bescheint. Er, dem dieses Lichtes gewahr wurde, wird bedauern, sobald er erkennt, wie lange er sich schon wie ein Schlafwandler durchs Leben bewegte.

Sie schliefen nur einen kleinen Teil der Nacht, und in der Morgendämmerung baten sie Gott um Vergebung.

- Sure 51:17f

Gibt es ein himmlisches Selbst?

In der orientalischen Hermetik, existiert das spirituelle Konzept der »vollkommenen Natur« eines Individuums. Es ist jener Teil der menschlichen Seele, der als himmlisches Gegenbild bezeugt, dass auf Erden, einst die Seele in einen Körper eintrat. Davon unberührt aber bleibt ihr himmlisches Gegenbild, ihre kosmische Doppelgängerin, die auf gewisse Weise ein Idealbild zu ihrer irdischen Reflexion darstellt. Die vollkommene Natur einer auf Erden geborenen Seele, dient ihr als großes Selbst, als individueller, übersinnlicher Führer.

Das wahre Licht dieser seelischen Instanz, reflektiert jenes mystische Herz in der Mitte eines Menschen. Wer es dort in sich leuchten sieht, dem wird es ein Licht sein, dass ihn zu seiner wahren Bestimmung führt. So jemand wird sich mit Klugheit durch sein weltliches Leben bewegen und so handeln, dass es zu seinem eigenen und zum Wohle seiner Zeitgenossen beiträgt. Was sich nämlich in seinem Herzen, als die vollkommene Natur widerspiegelt, ist der Grund seiner Inkarnation. Und damit wäre sich einer des Zwecks seiner Menschwerdung bewusst geworden, den er auf Erden auch erfüllen kann und damit seine eigentliche Aufgabe im Leben gefunden hätte.

Wer demnach seine vollkommene Natur, als seinen übersinnlichen, himmlischen Lichtträger erkennt und als sein großes Selbst annimmt, sowie sein gesamtes irdisches Handeln danach ausrichtet, der wird sich erheben können, aus dem Trauerspiel all der vielen Widersprüche, die ihn von seinem wahren Lebensweg abbrachten.

Körper und Geist: Diener des Herzens

Sein höheres Selbst erlebend bemerkt einer, wie sich all die Zweideutigkeiten in seinem Leben auflösen. Das aber setzt voraus, dass ein Mensch die vielen Licht- und Schattenaspekte zu unterscheiden gelernt hat und sieht, wie er sich durch seinen Tag und wie er sich durch seine Nacht bewegt. Das heißt, er erkennt den Tag als Welt rationaler Normen, voller Zwänge und Unzulänglichkeiten, wo er bisher viele vorgefertigte Lösungen einfach hinnahm, im Glauben sie würden das Leben erleichtern. Solange seine Seele weiter schlummert, umdämmert vom Mantel eines Un-Bewusstseins, ohne ihre Verbindung zu jenem himmlischen Licht erkennend, wird ein Zustand der Um-Nachtung aufrecht erhalten.

Das Dunkel weiß nichts vom Licht und das Licht weiß nichts vom Dunkel. Sonne und Mond gehen im Osten auf und im Westen unter. Nur selten erblickt man sie am Himmel zusammen. Dann aber scheint man zu erkennen, dass es eine Verbindung gibt, zwischen Tag und Nacht, zwischen Licht und Dunkelheit. Doch die Seele der meisten Menschen schlummert erfüllt von nächtlicher Unwissenheit, während sie am Tage absinkt, zwischen Kummer und Sorgen, hinunter in die Tiefen des Un-Bewussten.

Das irdische Seelendasein ist ununterbrochen verbunden mit seinem himmlischen Führer, mit seinem großen, göttlichen Selbst – auch Nachts, im Schlaf und im Traum. Tagsüber verdrängen Vernunft und Alltagsbewusstsein das Erleben dieser Verbindung. Nachts aber tritt es ab, in sinnenbezogener Un-Bewusstheit. Mit dem zu Bett und Schlafen gehen, ereignet sich also eine Trennung, so als würde einer seiner Lebenszeit einen Teil entnehmen, der ihm dann verloren scheint, als hätte er etwas in seinem Leben verschwendet.

Es ist der Glaube an die Getrenntheit von Tag und Nacht, von Anwesenheit und Abwesenheit des Lichts, dass dieses Bewusstsein zu rechtfertigen scheint. Weniger aber sind Tag und Nacht tatsächlich getrennt, als eher die beiden Enden einer Polarität, wozwischen sich unzählige Schattierungen auffächern. Gelänge einem nur endlich aus dem Alltagsschlaf zu erwachen, Nachts aber den schlummernden Körper im Traum bewusst zu verlassen, um bei der Rückkehr dann, seinem Tagesbewusstsein entgegen zu streben.

Schihab Ad-Din Suhrawardi - ewigeweisheit.de

Schihab Ad-Din Yahya Suhrawardi (1154-1191).

Die Philosophie der Erleuchtung

Dem persischen Sufi und Mystiker Schihab Ad-Din Yahya Suhrawardi, den seine Schüler auch »Meister der Erleuchtung« nannten, galten das Licht und seine Symbolik, als Dreh- und Angelpunkt seiner Weisheitslehre: Hikmat Al-Ishraq – Philosophie der Erleuchtung.

Die gesamte von einem Menschen wahrgenommene Realität, war für Suhrawardi die Zusammensetzung aus einem Spektrum aller Schattierungen zwischen Lichtem und Finsterem, zwischen Lebendem und Totem, zwischen Mittäglichem und Mitternächtlichem.

In seiner Licht-Philosophie schildert er, wie sich all die unzähligen Facetten von Lichtern und Finsternissen, sowie all die damit erscheinenden Wechselwirkungen, aus etwas hervorgehen, dass er das »Reine Licht« nennt. Das ist etwas, dass jenem »guten Licht« der Genesis ähnelt, woraus Gott Helles und Finsteres bildete.

Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis.

- Genesis 1:4

All die Schattierungen, die aus diesem Wechselspiel lichthafter Erscheinungen hervorgingen, setzte Suhrawardi für die Entstehung des Universums voraus. Dabei aber unterscheidet er zwischen dem eigentlichen, physikalischen Licht, den Arten der Dunkelheit und all den vermittelnden Übergängen und Begrenzungen dazwischen. In der Lichtwelt wohnen die Seelen, während die Welt der Finsternis, alle von der Lichtwelt ausgeschlossenen Wesen beherbergt.

Was der Lichtwelt zugesprochen werden kann, existiert aber in verschiedenen Graden und Abstufungen von einander – zwischen dunkleren bis hin zu helleren Lichtern, vom Roten bis ins Blaue, vom verfestigen, »gefrorenen Licht« des Materiellen, bis hin zu den feinsten Nuancen der geistigen Welt, die jenem »reinen Licht« zustreben – dort wo sich alle Zweideutigkeiten auflösen und zu einer ursprünglichen, reinen Geistigkeit verschmelzen.

Für Suhrawardi war aber nicht etwa das Licht selbst die Realität allen Seins, sondern dieses, sich aus Lichtern zusammensetze Gefüge, von einander abgestufter Helligkeiten. Ununterbrochen gebiert sich daraus neues Sein. Als wahrer Ursprung dieser unendlichen Schöpfungen des Seins, galt Suhrawardi aber immer jenes Reine Licht.

Alles Sein in der physischen, elementaren Welt, besteht aus einer Mischung von Licht und Finsternis. Darin aber durchfließen diese beiden Extreme, wiederum Lichter verschiedener Grade und schichten sich vertikal über die Welt der Materie. Die Anzahl dieser Lichter entspricht, laut Suhrawardi, der Anzahl der Fixsterne des nächtlichen Himmels. Diese Lichter galten ihm darum als unbegrenzt, jedoch nicht unendlich und waren darum erschaffen.

Diese vertikalen Erleuchtungsschichten beeinflussen einander, woraus sich eine horizontale Ordnung von Lichtern ergibt, die das Sein alles Wesentlichen lenkt. Alle darin existierenden Seinsformen, gleichen göttlichen Abbildern jener höheren Lichter. Aus dem Wechselspiel dieser vertikalen und horizontalen Lichter, entstehen schließlich die Körper der Wesen der niederen Welt. Auch sie befinden sich in einer bestimmten Ordnung, gemäß ihrer Fähigkeit selbst Licht auszusenden oder zu empfangen.

Kosmischer Orient, Ursprung der Seelen

In ihrer inkarnierten Form auf Erden, orientieren sich diese Wesen der niederen Welt, anhand der sieben Himmelsrichtungen: Osten, Westen, Norden, Süden, Oben, Unten und der Mitte. Hierin spiegelt sich die Vertrautheit mit ihrer Existenz auf Erden, denn durch diese Orientierung in ihrer physischen Natur, verleihen sie ihrem Dasein seinen Sinn. Zu diesem Dasein als »Wesen«, zählen natürlich auch die körperlichen Individualitäten des Menschseins.

Jene oben angedeutete, kosmische Horizontale aber, empfinden die irdischen Wesen als ideale Linie, deren Enden Ost und West berühren, und die zwischen Orient und Okzident, zwischen Mitternacht und Mittag empfunden, als räumliche Augenscheinlichkeit wahrgenommen wird. Auch wir Menschen orientieren uns daran.

Horizontal heißt, den Horizont betreffend – ganz gleich ob sich der Beobachter auf einer geraden Fläche oder einer riesigen Sphäre befindet, was für die Erde aus dem Sichtkreis eines Menschen ja zutrifft. Diese räumliche, horizontale Orientierung nach den Himmelsrichtungen hin, deren wichtigste Position der Orient ist (von lat. orior, »aufgehen«) und darum der Osten wo die Sonne aufgeht, dient dem Menschen in seiner tagtäglichen Wiederholung, zuerst einmal als zeitliche Orientierung.

Doch so wie der Mensch die Himmelslichter seiner Umwelt als horizontale Erscheinungen seines raumzeitlichen Seins wahrnimmt, existiert zu den traditionellen, außerdem eine achte, zusätzliche Himmelsrichtung. Sie bildet den Orientierungspunkt einer Senkrechten, die über das nördliche Ende der Erdachse hinausstrebt. Sie weist in Richtung einer Vertikalen, deren Pol ein übersinnlicher, mystischer Orient ist – ein Ort des Ursprungs und der Rückkehr.

Auf weltlicher Ebene repräsentiert diesen kosmischen Orient der Polarstern. Er bildet die Spitze der irdischen Rotationsachse. Wenn die Erde nun als absolutes Diesseits vorausgesetzt wird, dort eben, wo die Menschenseelen inkarnieren, ließe sich der Polarstern mit dem Gesagten, symbolisch als Schwelle zum Jenseits verstehen.

Dies ist der Pol nach dem sich der Mystiker zu orientieren trachtet: ein auf unseren Weltkarten nicht lokalisierbarer Orient, jenseits des irdischen Nordpols. Von dort, aus dieser vollkommenen Lichtwelt, steigen die Seelen hinab in die Welt der finsteren Materie – und von dort kehren sie dereinst in diese Lichtwelt wieder zurück. Solange aber die Seele auf Erden in einem Körper lebt, fließen ihr Lichter aus den höheren, vertikalen Ebenen dieser Lichtwelt zu.

Polaris - ewigeweisheit.de

Der Nordpolarstern Stella Polaris: Hellster Stern in der Konstellation Kleiner Bär (Kleiner Wagen).

Der vergessene Pol

Es scheint aber, als sei all das dem menschlichen Bewusstsein verloren gegangen. Unwissend, stehen wir Menschen damit im Brennpunkt der Gegensätze eines Überirdischen und eines Unterirdischen, zwischen etwas ultimativ Gutem, das uns aus himmlischen Fernen skeptisch beäugt oder einem heißblütigen Bösen, dass ganz tief in der Erde glühend, unseren Eifer anfeuert. In einem auf solche Weise gefestigten Glauben, bleiben wir aber nur in dieser wahrnehmbaren Horizontalwelt gefangen. Überbewusstsein und Unterbewusstsein scheinen nur über Umwege erreichbar, da uns der Tag mit all seinen vielen Normen und die Nacht mit ihren tiefen, unersättlichen Leidenschaften nur davon abhalten, jenes vertikalen Orients wieder gewahr zu werden. Doch ohne das Bewusstsein über diese vertikale Dimension unseres Seins, bedingt unser Leben die große Illusion vom Hier und Dort – in vielleicht niemals vergehenden Erinnerungen an schlechte Zeiten unserer Vergangenheit und eventuell furchtgeschwängerte Vermutungen, mit denen wir die eingetretene Zukunft dann in Kauf nehmen.

Im Horizontalbewusstsein zu verweilen, ist, als spanne man einen langen Bogen über das Sein im Jetzt, an diesem Ort, an dem man sich gerade befindet. Diesem Bogen folgt, ganz nebenbei, unsere tägliche Aufmerksamkeit – zwischen Morgen und Abend. Doch es ist allein der Dämmerzustand – der nicht mehr Tag und noch nicht Nacht ist und der nicht mehr Nacht und noch nicht Tag ist – an dem sich ahnen ließe, das sich in der sterblichen Hülle unseres Körpers eine Seele befindet. Während all ihrer Lebensjahre auf Erden, ist sie stets verbunden mit jenem kosmischen Selbst unserer vollkommenen Natur, am erleuchteten Gipfel jenes himmlischen Pols.

Im Gewahrwerden dieses Geheimnisses erhält jemand, der aus dem Schlaf seiner Alltäglichkeit erwacht, ein Bewusstsein für das Leuchten eines Überbewussten Anteils seines Seins. Ebenso aber wird er dann in der Finsternis der Welt, dem Wesen seines Unterbewusstseins gewahr. Doch die im Verborgenen, dahinter wirkende Kraft, ist jenes Reine Licht, von dem wir oben sprachen, das Teil jener vertikalen Dimension ist, die losgelöst von Raum und Zeit, in Ewigkeit existiert.

Beim Lotusbaum am äußersten Ende

Diese vertikale Dimension durchragt die Himmel, die sich zwischen dem Diesseits und dem Jenseits übereinander aufschichten. Sie bereiste der islamische Prophet Mohammed (as) in seiner Nachtreise, der Miradsch (arab. für »Stufenleiter«). Dabei begegnete er auch den anderen, ihm vorausgegangenen (biblischen) Propheten in den sieben Himmeln, bis er schließlich vor dem Angesicht Gottes erschauderte.

Der islamische Historiker Abu Dschafar At-Tabari (839-923) schrieb in einem Kommentar zur 53. Koran-Sure »der Stern« (Sirius):

Als der Prophet die Verkündigung erhalten hatte und bei der Kaaba schlief, wie das die Quraisch zu tun pflegten, kamen die Engel Gabriel und Michael zu ihm und sprachen: 'Mit Bezug auf wen haben wir den Befehl erhalten?' Worauf sie selbst erwiderten: 'Mit Bezug auf ihren Herrn'. Darauf gingen sie fort, kamen aber in der nächsten Nacht zu Dreien wieder. Als sie ihn schlafend fanden, legten sie ihn auf den Rücken, öffneten seinen Leib, brachten Wasser vom Zamzam-Brunnen und wuschen das, was sie in seinem Leibe an Zweifel, Götzendienst, Heidentum und Irrtum fanden. Dann brachten sie ein goldenes Gefäss, das mit Glaube und Weisheit gefüllt war, und so wurde sein Leib mit Glaube und Weisheit gefüllt. Darauf wurde er zum untersten Himmel emporgehoben.

- At-Tabari

Gabriel und Michael stellten eine Leiter auf, zwischen dem Heiligtum der Kaaba und dem heiligen Zamzam-Brunnen zu Mekka. Diese Leiter ragte bis in die sieben Himmel hinauf. Von Gabriel begleitet, betrat darauf Mohammed (as) die himmlischen Sphären, wo er von den Propheten Belehrungen erhielt, bis ihn Gabriel anwies, selbst aber außerhalb zurückbleibend, sich vor das Angesicht Gottes zu begeben.

Und er gab seinem Diener jene Offenbarung ein. […] Und er sah ihn bei einer anderen Begegnung, beim fernsten Lotusbaum (Sidrat Al-Muntaha) am äußersten Ende, an dem das Paradies der Geborgenheit liegt, als den Lotusbaum überflutete, was (ihn) überflutete. Der Blick (des Propheten) schweifte nicht ab, und er übertrat nicht die gesetzte Grenze. Wahrlich, er hatte eines der größten Zeichen seines Herrn gesehen.

- Sure 53:10,13-18

Als der Prophet Mohammed (as) am darauffolgenden Tag seiner Gemeinschaft vom Erlebten berichtete, erntete er nur Hohn und Spott. Schließlich äußerte er etwas, dass dem konformen Gottesglauben seiner Zeit nicht entsprach. All jene, die die spirituelle Reise seines lichthaften Daseins bezweifelten, waren Vertriebene aus dem Lichtreich, fernab ihrer vollkommenen Natur, gefangen im weltlichen Gefüge althergebrachter Gewohnheiten und Normen.

Doch das äußerste Ende, von dem in diesen Koranversen, vom lichtüberfluteten Lotusbaum die Rede war und wo »kein Blick abschweift« (Sure 53:14-17), dort eben beleuchtet das Glanzlicht des Erhabenen, das höhere Selbst eines Individuums, am Himmelspol jenes zuvor beschriebenen kosmischen Orients.

Suhrawardi nannte diesen kosmischen Orient, die Himmelsrichtung der Erleuchtung, ein Ort von dem aus das Licht einer überirdischen Sonne aufsteigt. Dieses Licht empfand Suhrawardi als Quelle allen Seins. Der gegenüberliegende, kosmische Okzident aber, galt ihm als finsterer Abgrund allen Nicht-Seins. Im Arabischen heißt der Okzident »Maghreb«, was etymologisch einhergeht mit der Vorstellung vom Fernen, und damit etwas benennt, das getrennt von der Welt in Dunkelheit besteht, eben so wie auch die Orte jenseits des irdischen Sonnenuntergangs. Darum steht der Okzident im übertragenen Sinne auch für das Schattenhafte im Menschen, seine Ignoranz, insbesondere aber seine Unwissenheit über das wahre Wesen seiner Seele.

Suhrawardi schrieb in einer seiner visionären Erzählungen, über die Seele, die sich im Exil von ihrem wahren Ursprung befindet. Doch auf Erden im Menschenleibe inkarniert, vergaß sie den wahren Ursprung ihrer eigentlichen Lichtnatur.

In dieser kleinen mystischen Schrift Suhrawardis, erwähnt der Autor eine »Zwei-Einheit«, die sich aber leider den Kategorien menschlicher Sprache entzieht, da sie sich nur in der Polarität ausdrücken lässt. Doch beides zugleich, Sein und Nichtsein in Einem, kann lediglich als Begrifflichkeit vorausgesetzt werden, die aus dem Reinen Licht entstammen. Aus ihm wurde auch die Vollkommene Natur geboren, das große, kosmische Selbst, das dem Licht-Menschen verhilft, ihn aus seinem körperlichen Exil, zu seiner wahren Herkunft zurückzuführen.

Sonnenuntergang - ewigeweisheit.de

Ein Sonnenuntergang über dem Wasser. Die geografische Region, wo die Abendsonne im Westen versinkt, nannten die Römer den Okzident: das Abendland.

Die Erzählung vom westlichen Exil

Gewiss erinnert Suhrawardis gleichnishafte Erzählung, an das aus den gnostischen Thomas-Akten bekannte »Lied von der Perle«. Denn auch in seiner Geschichte erzählt er von einem Jungen, der sich aus dem Orient ins Exil begibt. Er geht nach Al-Qairawan, die Stadt der Unterdrücker.

Einst unternahmen ich und mein Bruder eine Reise, ins Land des Okzident, das zum Land jenseits des Flusses gehört

- Erzählung vom Westlichen Exil 1:1

In diesem Land lebten Despoten, die in der Erzählung Suhrawardis, die Hauptfigur als Freien erkannten und ihn darum festnahmen, fesselten und in einen tiefen Brunnen warfen, den die Mauerzinnen einer riesigen Burg umgaben. Die Einwohner der Stadt Al-Qairawan erlaubten dem Jungen seinen Kerker zu verlassen, wenn er dabei nur nackt bliebe und zu Tagesanbruch wieder dort hin zurück kehrt – an jenen Ort tiefster Finsternis, über die es in der koranischen Licht-Sure heißt:

Wie Finsternisse in einem abgrundtiefen Meer, eine Woge bedeckt es, über ihr ist eine Woge, darüber ist eine Wolke: Finsternis über Finsternis.

- Sure 24:40

Nur Nachts also, für kurze Augenblicke, konnte er aus der Tiefe emporsteigen. Natürlich scheint das eine Anspielung zu sein, auf die Seele, die sich des Nachts in der Traumwelt frei bewegt, doch im Erwachen am Tage, in den Körper zurückkehren muss, ihre eigentliche Ungebundenheit und die gesehenen Wahrheiten der Traumgesichte, wieder vergessend.

Der Wendepunkt in der Erzählung vom westlichen Exil, ist das Erscheinen eines Wiedehopf, der die Hauptfigur eines Nachts, zu Vollmond besuchte.

Ich bin gekommen um Euch frohe Botschaft zu überbringen aus dem Königreich von Saba.

- Erzählung vom Westlichen Exil 1:10

Wer die Tempellegende der Freimaurer kennt, dürfte hier aufhorchen.

Wie dem auch sei, erhielt er von dem Wundervogel einen Brief, den ihm sein Vater aus Sehnsucht geschrieben hatte. Er glaubte nämlich, sein Sohn hätte ihn vergessen.

'Wir rufen nach dir, doch du trittst die Reise nicht an. Wir senden dir Zeichen, doch du verstehst sie nicht.' Dann fuhr der Verfasser des Briefes damit fort, mir Anweisung in seiner Nachricht zu geben, die da hieß: 'Wenn du dich retten willst, warte nicht, schiebe deine Abreise nicht weiter auf, und nutze den Rat unserer Leitung vom himmlischen Drachen des Mondes, der über die spirituelle Welt regierend, die Enden der Ekliptik umkreist.'

- Erzählung vom Westlichen Exil 1:11f

Der Wiedehopf flog ihm voraus, und als er den Rand der Finsterwelt erreichte, sah er die Sonne über sich aufsteigen. Darin erkannte er den Ruf seines Aufbruchs. Er machte sich auf die Suche nach jenem Orient, der sich aber nicht im Osten unserer Weltkarten finden lässt. Es war jener Orient, der im kosmischen Norden verortet, den Reisenden auf seiner Rückkehr dorthin, jenseits des kosmischen Mond-Drachen, durch das Reich der Sternbilder führt, hinauf zu dem kosmischen Berge Qaf, dem mystischen Sinai, dessen Felsen aus reinstem Smaragd, das gesamte Universum umringen.

Den smaragdenen Felsen des Berges Qaf, erreicht schließlich derjenige, der alle Himmel hinter sich gelassen hat. Dort angekommen, betritt er das mystische Lichtland von Hurqalya. Jenes Licht das ihm dort aufdämmert, führt ihn zu seinem eigenen Selbst, worin er seiner vollkommenen Natur gewahr geworden, die äußeren Sinne seiner Körperlichkeit hinter sich lässt.

Es ist in Hurqalya, wo der Pilger seinem persönlichen Engel begegnet, der ihm die mystische Hierarchie all derer enthüllt, die vor ihm, hierher gelangt waren.

'Wisse, dass dies der Berg Sinai (Qaf) ist. Über diesem Berge aber ist ein anderer: Der Sinai dessen, der mein Vater ist, dein Großvater, zu dem ich in Beziehung stehe, wie du zu mir. Und doch gibt es noch weitere Ahnen und unsere Abstammung endet schließlich beim König, dem höchsten Urahn, dem, der keine Ahnen und keinen Vater hat (dem unbewegten Beweger). Wir sind seine Diener, dem wir unser Licht schuldig sind, da wir unser Feuer von seinem Feuer nur geborgt haben. Seine Schönheit ist beeindruckender als jede andere Schönheit, von nobelster Erhabenheit und überwältigendem Lichtschein. Er ist jenseits allen Jenseits. Er ist das Licht über dem Licht (Sure 24:35), jenseits allen Lichts in Ewigkeit für alle Ewigkeit.

- Erzählung vom Westlichen Exil 3:42f

Jener Pilger, ein Ausgestoßener, als er noch unbewusst in jenem tiefen Kerker der Materialität gefangen war (in der Stadt Al-Qairawan), ging gegen seine Unterdrücker an. Schließlich hatten sie ihn gezwungen, seine wahre Herkunft zu vergessen, damit er sich nicht mehr an seine eigentliche Lichthaftigkeit erinnere. Doch er wurde erst zum Pilger, zum »Aufbrechenden« auf der Rückkehr zu seinem wahren, zu seinem kosmischen Selbst. Als »Bleibender« war er wie ein Heimatloser gefangen, in jener Welt der Finsternis, wo man ihn konform machen wollte im Un-Bewusstsein eines dunklen Vergessens.

Als er aber den Ruf seines Vaters (aus dem Lichtland Hurqalya) vernommen hatte, und aufbrechen wollte, galt er jenen Unterdrückern wohl als Ketzer, der sich wieder die Gesellschaftlichen Normen wandte. Ihnen war er nur noch ein Unangepasster, ja sogar ein Verrückter. Als so ein Kranker diagnostiziert, sollte er zum »Heilbaren« werden, dem seine Hirngespinste ausgeredet werden mussten, um ihn wieder leben zu lassen – im Einvernehmen mit dem Konformen.

Doch seine Erweckung ließ sich nicht auf solche Angepasstheit reduzieren, auch wenn man ihn hat Speisen des Vergessens verzehren lassen. Trotz alledem vernahm er den Ruf. Er kam als Botschaft aus jener Lichtwelt, die nicht dem Tageslicht der Stadt Al-Qairawan entsprach. Es war der Ort seiner wahren Herkunft, der Ursprung des großen Selbst seiner vollkommenen Natur – dort auf dem Berge Qaf, am smaragdenen Felsen – am Pol des himmlischen Orient.

Auf der Suche nach der vollkommenen Natur unseres Seins

Kehren wir noch einmal zurück zur Schilderung der Himmelsfahrt des Propheten Mohammed (as). Sieben Himmel durchreiste er, bis er vor Gottes Angesicht, am Lotusbaum des äußersten Endes vom Licht des Erhabensten gebannt »eines der größten Zeichen seines Herrn gesehen« hatte (Sure 53:18). Der griechische Philosoph Aristoteles, der in der islamischen Philosophie wie auch für Suhrawardi, eine nicht unbedeutende Rolle spielte, hatte ebenfalls den Himmel in sieben Sphären unterteilt, als Königreiche der sieben Gestirne, wo Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn regieren.

Von diesen sieben Himmeln ist auch im Koran die Rede, wo Allah jeden davon harmonisch formte (Sure 71:15) und den Wesen und Planeten (als Himmelsleuchten) darin, ihre jeweiligen Aufgaben zuwies (Sure 41:12). Diesen Geschöpfen, durch die biblischen Propheten repräsentiert, begegnete Mohammed (as) auf seiner Reise (Miradsch) durch die sieben himmlischen Sphären.

Die Vision vom kosmischen Selbst

In der folgenden meditativ-imaginative Exkursion, möchte ich dem Leser eine Möglichkeit übergeben, sich auf ähnliche Weise, diesem kosmischen Orient, in einer Visualisierung zu nähern, um sich dort der vollkommenen Natur seines Großen Selbst gewahr zu werden.

Denke dir eine Stufenleiter, die vor dir aufsteigend, hin in Richtung Norden, zum Sternbild des Großer Bären weisend (Großer Wagen) und über den Horizont hinausstrebt (jenem Sternbild nämlich, das in Europa etwa 20° über dem Horizont der nördlichen Hemisphäre, Tag und Nacht um den Polarstern kreist).

Du näherst dich ihr und betrittst ihre Stufen, bis du den ersten Himmel erreichst. In deinem spirituellen Gewahrsein, findest du dort einen geheimnisvollen See. Dieser erste Himmel ist das Zuhause Adams und Evas, die dort mit den Engeln der Sterne weilen.

Und wie du dich weiterbewegst, durchschreitest du die Sphäre des zweiten Himmels, dessen Pfade gesäumt sind von Perlen. Hier ist die himmlische Heimat von Johannes dem Täufers und von Jesus dem Christus.

Im dritten Himmel, der in festem Eisen gefasst erscheint, dort wohnt der Prophet Joseph.

Nun bewegst du dich fort in den vierten Himmel. Alles dort ist in weißes Gold gehüllt. Es ist die Wohnstatt des Propheten Idries (Henoch).

Im fünften Himmel erreichst du eine kosmische Sphäre, wo fein poliertes Silber das Angesicht des Propheten Aaron spiegelt.

Den sechsten Himmel schmücken wundervoll rote Rubine, bei denen sich der Prophet Moses aufhält.

Endlich erreichst du den siebten Himmel. Hier wirst du eines Lichtes gewahr, so wundervoll, dass du es nur mit deinem inneren Auge vernehmen kannst und es dir sicherlich auf eine Weise erscheint, wie nur du es zu vernehmen vermagst. In ihm erblickst du einen riesigen Felsen aus reinstem Smaragd, dessen Leuchten alles in grünes Licht eintaucht. Hier begibst du dich in Gegenwart des Propheten Abraham, in dessen Nähe sich auch der geheimnisvolle Lotusbaum der koranischen Licht-Sure befindet. Er markiert den Gipfel des siebten Himmels. Hier erfährt die Seele ihre höchste Erfüllung und erkennt die Lichtnatur ihres eigentlichen, höheren Selbst.

An diesem Punkt der Reise angelangt, ordnet sich alles. Die Gedanken werden rein und Klarheit erfüllt dein Wahrnehmen. Hier nimmst du Kontakt auf mit den tiefsten Schichten deines Selbst, wo sich der Schimmer deiner vollkommenen Natur, deines kosmischen Selbst, im polierten Spiegel deines Herzen reflektiert.

Sei wachsam – empfinde und fühle, was von dort, aus der Mitte deines Seins, du mit dem Auge deines Herzens erblickst. Es ist der Glanz deines großes Selbst.

Lass dich von ihm führen.

 

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Also sprach Zarathustra: Denke, rede und handle gut...

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

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Autor und Mentor

Lehre mich vor allem eines: dankbar zu sein für deine Güte, aber auch danken zu können für die geringsten Taten der Menschen gegen mich.

- Zarathustra

Zarathustra - ewigeweisheit.de

Eine der außergewöhnlichsten Religionen auf unserem Planeten ist der Zoroastrismus. Nicht nur ihre makellose Ethik macht sie so besonders: Auch ihre vielen Parallelen zum Christentum, lassen staunen.

Drei zoroastrische Priesterkönige kamen nach Bethlehem, um ihre geweihten Gaben, Josef, der Heiligen Mutter und dem neugeborenen Christuskind zu überreichen. Im zweiten Kapitel seines Evangeliums, spricht der Evangelist Matthäus von ihnen als den Magoi apo Anatolon – den Magiern aus dem Morgenland. Sie sollen ausgesprochen kluge Männer gewesen sein, Könige großer Weisheit.

Diese drei Weisen besaßen genaue Kenntnisse über die Himmelsbewegungen und erkannten das von Zarathustra prophezeite Zeichen am Nachthimmel: den Stern von Bethlehem – einen astralen Vorboten, der auf das Kommen des großen Weltlehrers hinweist.

Im Anfang war das Wort

Ihren Gott sahen diese orientalischen Priesterkönige im Allweisen Herrn Ahura Mazda – den einen und guten Gott. Sein Prophet war Zarathustra, der im ersten Jahrtausend vor Christus im alten Iran lebte und als Philosoph und Priester lehrte.

Zarathustras Gott Ahura Mazda, wurde jedoch nicht gezeugt, sondern existierte immer. Denn er ist ohne Anfang und ohne Ende. Er gab sich zu erkennen, als das vortreffliche, reine und zündende Wort, das im Anfang stand. Im Sprechen des Heiligen Wortes Ahuna Vairya, entstand die Welt. Und so existierte das Wort vor allem Anderen, das dereinst sein sollte.

Das war das Wort Ahuna Vairya, O Zarathustra, das ich dir verkündete, vor der Erschaffung des Himmels, vor dem Wasser, vor der Erde, vor dem Rind, vor der Pflanze, vor dem Feuer, dem Sohn Ahura Mazdas, vor dem wahrheitsgläubigen Menschen, vor den Devas wie den üblen Menschen, vor der gesamten stofflichen Welt, vor allem Guten von Mazda Geschaffem, die die Saat der Rechtschaffenheit sind.

- Yasna 19:3

Davon scheint ja ebenso das Evangelium Johanni zu künden: mit den griechischen Worten en arkhei en ho logos, »Im Anfang war das Wort«.

Auch im noch viel älteren, indischen Rigveda, lesen wir vom vach, dem alles durchdringenden Wort des Uranfangs.

Ewig heilige Flamme

Und so wie dieses Urwort Ahura Mazdas das Licht des Universums entzündete, so existiert bis heute das Licht jenes heiligen, leuchtenden Feuers fort: Atasch. Es gehört ebenso zu Ahura Mazda, wie das Licht zur Sonne gehört. Im Atasch sehen die Gläubigen, dass sie lebendig und untereinander verbunden sind.

Für dieses Licht des Atasch, brennen auf den zoroastrischen Feueraltaren, wie etwa im Tempel von Yazd, die Heiligen Flammen der Zarathustra-Priester, dem allweisen Ahura Mazda geopfert werden. Es sind die Flammen des Heiligen Feuers, dass nie erlöschen und durch nichts verunreinigt werden darf.

Der Gott Zarathustras

Es gibt einen Gott - den allmächtigen Ahura Mazda.
Er schuf diese Erde.
Er schuf diesen Himmel.
Er schuf den sterblichen Menschen.
Er schuf dem Menschen die Glückseligkeit.

- Aus dem Gandschname des König Darius, Keilschrift-Gravierung im Alvand-Gebirge

Ahura Mazda erschuf die wahre Reinheit Ascha, durch die er die kosmische Ordnung aufrecht erhält. Sowohl die moralische, wie auch die materielle Beschaffenheit der Welt, entstand durch das Ascha Ahura Mazdas. So ist er der Erschaffende, der Herrschende (Ahura), der Allwissende (Mazdao) und der, der durch Ascha, alles im Universum ordnete. Durch sein Handeln entstand die Welt und sein darin wirkendes, ewig-universales Weltgesetz.

Mit diesen Eigenschaften entspricht er auch dem vedischen Gott Varuna – dem Allumfassenden, den man in früh-vedischer Zeit als höchsten Gott verehrte.

Im Avesta, der Heiligen Schrift der Zoroastrier, werden die spirituellen Vorstellungen des Ahura Mazda, ganz klar dargestellt: sein Auge ist die Sonne, der Himmel sein göttliches Kleid, die Fluten seine Gemahlinnen.

Ahriman – der arge Geist

Dem lichtvollen, die reine Wahrheit verkörpernden Ahura Mazda, widersetzt sich der lügende Verderber Ahriman. Er ist jener, den die judeo-christliche Tradition als Satan bezeichnet. So ist er Verkörperung der bösen Mächte der Finsternis.

Nachdem Ahura Mazda, die Welt als Reich des Lichts vollendet hatte, griff Ahriman in die Schöpfung ein und verdarb sie.

Auch gegenwärtig wirkt er dem erschaffenen, eigentlichen Lichtreich Ahura Mazdas, durch seine finsteren Machenschafren entgegen. Um jeden Preis will er diese Welt zerstören. Im Kampf dieser beiden Licht- und Finsterniskräfte, ist die gesamte Geschichte der Welt begründet.

Doch dieser Kampf zwischen Gutem und Bösem, ist ja etwas, dem wir ja in eigentlich allen Religionen und Mythen begegnen.

So ist Ahriman auch identisch mit jenem »Alten Drachen« der Indo-Arier, der sich wiederum in alt-vedischen Schriften, als Schlangendämon Vritra personifiziert. Als dieser nämlich kämpft er gegen den Götterkönig Indra.

Jener Kampf zwischen dem lichtvollen Feuergott und dem Schlangendämon Afrasiab, begegnet uns als solcher auch in der Religion der Indo-Iraner.

Ebenso im griechischen Mythos finden sich diese entgegengesetzten Wirkprinzipien in hohen, göttlichen Wesen verkörpert. Da nämlich tötet der Lichtgott Apollon, die aus dem dunklen Schlamm geborene Schlange Python.

Nicht zuletzt finden wir eine ähnliche Symbolik auch im Kampf des christlichen Heiligen St. Georg gegen den Drachen.

Die Frucht des ewigen Lebens

Im Garten Eden, wie ihn das 1. Buch Mose (biblische Genesis) beschreibt, wuchs einst eine Wunderpflanze: der Lebensbaum, dessen Früchte ewiges Leben verleihen. Die Vorstellung von einem solch geheimnisvollen Gewächs, stammt aus dem alten Reich von Akkad und entwickelte sich dort lange bevor die Fünf Bücher Mose entstanden, vermutlich vor 5000 Jahren.

Damit ist das Bild vom Baum des Lebens bereits uralt und zeitlich kaum noch zu bestimmen. Vermutlich entstand die Idee von einem Leben spendenden Gewächs nämlich bereits in einer Zeit, als sich die Menschen ausschließlich von den Früchten der Bäume ernährten. Damit war der paradiesische Lebensbaum also eine Pflanze gewesen, auf dem für die Menschen lebenswichtige Nahrung wuchs.

Diese alte Vorstellung wurde von den Assyrern dann in ihr Glaubenssystem aufgenommen, die es dann an die Babylonier weitergaben, bis es schließlich von dort zu den alten Persern kam – den Urahnen Zarathustras.

Das Heilige Opfer

Wie die biblische Genesis aber weiter erzählt, wuchs in Eden ein Baum mit verbotenen Früchten: der Baum der Erkenntnis von Gutem und Bösem. Die Schlange verführte Eva und versprach, dass ihr die »Augen aufgingen«, sobald sie von diesen Früchten esse. Was für ein Baum war das? Wuchsen auf ihm vielleicht Früchte, deren Samen psychedelische, bewusstsein-erweiternde Substanzen enthielten?

Im zoroastrischen Feuerritual, nehmen die Priester den heiligen Haoma-Trank ein. Diesen magischen Trank bereiten sie wohl aus den Samen der Ephedra (Meerträubel), sowie Zweigen und Blättern des Granatapfelbaumes. Naheliegend ist, dass wer die Essenz dieser Samen einnimmt, in einen rauschartigen Zustand eingeht, enthalten Ephedra-Samen doch das psychoaktive Alkaloid Ephidrin.

Mit dem Saft dieser Ephedra-Samen, könnte darum auch das gemeint sein, was im Zoroastrismus mit dem Namen »Gaokerena« bezeichnet wird: dem Saft einer magischen Pflanze, der das Elixier des ewigen Lebens enthält.

Einer alt-persischen Legende nach, brachte der heilige Vogel Simurgh die Samen der Haoma-Pflanze auf die Erde. Er flog von seinem Nest auf dem Gipfel des Berges Alburz, hinauf ins himmlische Paradies, wo er in Mitten des Meeres Vourukascha, von den Zweigen eines riesigen strahlend-weißen Baumes brach.

Gewiss besteht im Haoma-Ritual eine Ähnlichkeit zum vedischen Ritus und dem dabei eingenommenen Soma.

Was später in der heiligen Eucharistie mit der Einnahme des gesegneten Weines und Brotes erfolgte, weist gewisse Parallelen zum Haoma-Ritual auf. Denn in ähnlicher Form werden beim zoroastrischen Feueropfer den Priestern Haoma und kleine, gesegnete Kuchen den Gläubigen zur Einnahme gereicht.

Vom Kommen der Endzeit

Eine der charakteristischen Züge persischer Religion ist die Vorstellung vom Nahen der Endzeit. Seit dem Ableben des Propheten Zarathustra, fürchtet man sich vor einer kommenden, großen Weltkrise, in die sich die gesamte Menschheit begibt – etwas das besonders heute bedrohlich aufzudämmern scheint. Nicht aber dachte man, dass mit dem »Ende der Welt« alles schlimmer würde, sondern wusste vielmehr um die Erneuerung der selben.

Mit diesen großen Ereignissen, werden die Erretter der Menschheit erscheinen, Nachfahren des großen Zarathustra. Mit ihnen werden die Toten auferstehen. Ein von einer Jungfer geborener Erlöser werde erscheinen: der Saoschyant – Sohn der Eredat-fedhri, der »Siegreichen Helferin«:

Wir verehren den wachenden Geist (Faravahar) des rechtschaffenen Erlösers (Astvatereta). Er wird ein siegreicher Erretter (Saoschyant) sein und sein Name wird Fleisch gewordene Rechtschaffenheit (Astvatereta) sein. Ihn soll man nennen den Gütigen, den Heiland, denn er wird das Gute bringen, wird alle Fleisch gewordene Welt erretten. Ihn soll man nennen die Fleisch gewordene Rechtschaffenheit (Astvatereta), denn als solcher, begnadet mit mit Lebenskraft, wird er als Unverweslicher dem Teufel (Druj) widerstehen, mit seiner zweibeinigen Nachkommenschaft, um zu widerstehen den Bösen Taten der Gläubigen.

- Aus dem Hymnus an den Schutzengel, Yascht 13:128-129

Faravahar - ewigeweisheit.de

Faravahar: das wohl am meisten verwendete Symbol zur Kennzeichnung der zoroastrischen Kultur

Mit dem Auftreten des Saoschyant werden die Lebenden unsterblich, ihre Leiber verklärt, so dass sie als schattenlose Körper wandeln.

Solch Vorstellungen sind gewiss Vorausahnungen von etwas, das dereinst ja auch im Neuen Testament auftauchte. Denn auf ähnliche Weise prophezeiten Johannes der Täufer und Jesus von Nazareth, vom Kommen eines himmlischen Königreichs. Der Heilige Paulus von Tarsus glaubte gar, dass er noch zu seinen Lebzeiten diesen Neubeginn des Guten erlebe. Die Toten, in Gott ruhenden, würden zu neuem Leben erweckt, ihre fleischlichen Körper verklärt und unsterblich.

Doch nicht allein im Christentum existiert solch eine Vorstellung. Eigentlich in allen Traditionen auf der Erde, hegte man den Glauben an eine kommende Welt, eine Zeit der Seligen, eine lichtvolle Zukunft für die Menschheit.

Ob nun die alten Griechen, Ägypter, Hindus, die alten Kelten oder Germanen: der Glaube der Menschen der Antike bezeugt dieses große Ereignis. Dann werden die Guten für ihre Wohltaten belohnt, die Bösen aber für ihr übles Handeln bestraft. Wahrheit wird über Unwahrheit siegen und alles Übel in der Welt zerstört.

Daher sollte jeder Mensch nach dem Guten streben, damit die Menschheit sich selbst perfektioniere und sich am Ende die Welt erneure – in vollkommener Wahrheit und im Licht reiner Güte. So werde ein Reich vollkommener Souveränität nahen, ein gelobte Land der Reinheit und des Friedens.

Daher wies der Prophet Zarathustra die Gläubigen an, stets gut zu denken, gut zu sprechen und gut zu handeln.

Der wachende Allgeist Faravahar

Für diese drei Grundprinzipien der Güte, steht im Zoroastrismus der Faravahar, ein Schutzgeist oder Schutzengel, der den Menschen während seines Lebens begleitet.

Das Symbol für den Faravahar, der auch manchmal »Frawaschi« genannt wird, ist einer, der ein geflügeltes Fahrzeug lenkt. Zahlreiche Reliefs in der altpersischen Stadt Persepolis, zeigen diese Figur.

Es wird bewusst als Mensch dargestellt, was gewiss als Verweis auf das menschliche Denken, den humanen Geist hinweisen soll. Der Bart dieser Person verweist auf die Reife und Weisheit, die ein jeder Mensch in seinem Leben erstreben sollte. Das er die rechte Hand erhebt, verweist er auf rechtes Streben in allen Handlungen, in allem Sprechen und Denken.

Wer sein Denken, sein Sprechen und Handeln geläutert hat, den beflügelt die Kraft seines Faravahar. Wohl daher die Schwingen des Bildes.

Im Erfüllen der genannten drei Prinzipien des Guten, kann sich ein Mensch seinem Schutzgeist nähern, wird sich seines persönlichen Schutzengels bewusst.

Und was bedeutet gut zu denken, gut zu sprechen und gut zu handeln? Nur wessen Geist von Unwissenheit getrübt und mit Unwahrheit belastet ist, dessen Sprache ist durchdrungen von Lüge und entsprechend schlecht sind seine Handlungen.

Der Faravahar aber ist wissend und sein Geist gleicht dem Licht Ahura Mazdas. Wer daher sein Denken läutert, wird auch in Wahrheit sprechen und sein Handeln in Harmonie bringen mit dem Guten.

Das Lied von der Perle...

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

von

Autor und Mentor

Der ursprüngliche Titel dieses wunderschönen Gedichts ist uns heute leider nicht mehr bekannt. Der alternative Titel »Die Hymne der Seele« deutet bereits an was der Inhalt dieses alten Textes ist. Als »Das Lied von der Erlösung« gab es der deutsche Philologe und Theologe Erwin Preuschen (1867-1920) heraus, während es der englische Theosoph George R. S. Mead (1863-1933) »Die Hymne des Gloriengewands« nannte.

Perle, Seele, Erlösung und Gloriengewand - das sind Begriffe die auf den Kern unseres Daseins hindeuten, seine Bestandteile und den Weg der werdenden Seele bis zu ihrer Erlösung aus dem Zyklus der Wiedergeburten. 

Zentrales Objekt dieses Gedichts ist die Perle - ein Symbol für die Gnosis - der religiösen Geheimlehre, in deren Umfeld sich im 3. Jhd. n. Chr. verschiedene Gruppierungen bildeten. Ich habe mich in dieser Fassung darum für den Titel »Das Lied von der Perle« entschieden. Denn die Perle erhebt sich wegen ihrer Schönheit aus dem Wirrwarr des profanen Erdenlebens. Dieser Titel wurde auch übernommen von Max Bonnet, der im Jahr 1903 den Originaltext in Rom entdeckte und später in denen von ihm gesammelten »Thomasakten« veröffentlichte. Das Perlenlied gehört also zum gnostischen Text-Corpus des heiligen Thomas, wie auch die ihm zugeschriebenen 114 Verse des Thomas-Evangeliums.

Der Zwilling

Thomas war einer der drei Jünger, die neben seinem Bruder Jakob (dem Gerechten) und Maria Magdalena, Jesus am nächsten standen. In den Texten der Gnosis werden Thomas und Maria Magdalena immer wieder angegeben, als wichtigste Apostel. So wie der Heilige Petrus für den Katholizismus eine zentrale Rolle spielt, so ist der heilige Apostel Thomas von Bedeutung für die Gnosis. Er gilt als der wichtigste Apostel, denn er war es, der die Lehre Jesu, in ihrer innersten Wahrheit verstanden hatte.

Thomas wurde später ein großer Lehrer, dem viele nachfolgten. Er begab sich auf eine Reise nach Indien. Noch heute leben dort die Nachfahren seiner Jünger – die sich »Thomaschristen« bezeichen – im Bundessaat Kerala, damals Malabar genannt. Die indischen Christen sehen sich auch als die ersten Christen überhaupt, noch lange bevor andere Christengemeinden in Europa entstanden (durch Paulus in Griechenland oder Petrus in Rom). Sie waren also die ersten Christen außerhalb Palästinas.

In manchen Überlieferungen wird Thomas als Jesu Zwillingsbruder bezeichnet. Daher der griechische Beiname »Didymus« der »Zwilling«. Bereits aber der Name »Thomas«, ist aramäischen Ursprungs und auch »Thomas« bedeutet »Zwilling«.

Das Gedicht

Das in alt-syrischer Sprache verfasste Manuskript, geht auf die gnostische Schule der Bardesanisten zurück, die als Gruppe von Dichtern Anfang des 3. Jhd. n. Chr. in Mesopotamien, westlich des Euphrat siedelte. Der Name dieser gnostischen Gruppierung geht auf ihren Gründer Bardaisan (154-222) zurück. Er gilt als Verfasser des Perlenlieds, dass er wahrscheinlich in Edessa niederschrieb. Er stammte aus reichem Elternhaus und wurde am Hof in Edessa, gemeinsam mit dem Kronprinzen der Abgaren aufgezogen. Er selbst, zuerst Heide, konvertierte später zum gnostischen Christentum und versuchte den Thronfolger davon zu überzeugen, das gnostische Christentum als Staatsreligion einzuführen.

Bardaisan war erfüllt von einem Verlangen, die Geheimnisse der Gnosis zu durchdriungen. Er schloss sich einer Handels-Karawane an, die ins ägyptische Alexandria reiste. Auf dieser Reise kam er in Kontakt mit einem Landesgenossen, der sich ebenso auf der Suche nach den Geheimnissen der Gnosis befand. Der warnte Bardaisan vor den Pseudo-Sekten und Charlatanen, die sich als Gnostiker ausgaben. Doch leider fiel er in Ägypten in die Hände skrupelloser Magier, die ihn vergessen ließen, weshalb er sich auf seine spirituelle Reise begab. Erst später, als er sich aus den Fängen dieser falschen Gnostiker befreien konnte, wurde er initiiert, im inneren Kreis der valentinischen Gnosis. Wenn man das Gedicht liest, scheint es, als wären Teile dieser persönlichen Geschichte Bardaisans, teils in die geheimnisvolle Poesie seines Perlenliedes eingeflossen.

Bardaisans Gedicht ist eine wirkliche Inspiration für alle »Sucher der Erkenntnis«.

Zu vielen Begriffen und Symbolen im Text gibt es am Ende dieser Seite Fußnoten mit Interpretation und Erklärungen (klicken Sie auf die Begriffe im Text, die sie direkt zur Fußnote führen; am Ende jeder Fußnote finden sie einen Link  um zum Vers zurückzukehren).

 

Einleitung

Als der heilige Apostel Thomas sich auf seiner Reise nach Indien befand, nahm man ihn gefangen und warf ihn ins Gefängnis. Dort sprach er ein Gebet. Und als er gebetet hatte, setzte er sich und sang diese Hymne:

I.

Als ich ein kleines Kind war und in meinem Königreiche, in meinem Vaterhause wohnte, und mich erfreute am Reichtum und an der Pracht meiner Ernährer, entsandten mich meine Eltern vom Morgenland, unserer Heimat, nachdem sie mich ausgerüstet hatten. Und aus dem Reichtum unseres Schatzhauses schnürten sie mir eine Last zusammen, groß und doch leicht, so dass ich sie selbst tragen konnte.

II.

Gold aus Beth-Ellaya und Silber von Gazak dem Großen, Rubine aus Indien und Achate aus Beth-Kashan. Und sie umgürteten mich mit dem Diamant, der Eisen ritzt, und sie zogen mir das glänzende Gewand aus, das sie mir in ihrer Liebe gemacht hatten, und die purpurne Toga, die nach dem Maße meiner Gestalt gewebt war.

III.

Und sie schlossen mit mir einen Pakt und schrieben ihn mir in mein Herz, das ich ihn nicht vergessen möge:

»Wenn du nach Ägypten hinabsteigst und die eine Perle bringst, die in der Mitte des Meeres ist, das der laut atmende Drachen umschließt, dann sollst du dich wiederum in dein glänzendes Gewand und in deine Toga kleiden, die darauf liegt, und sollst mit deinem Bruder, unserem Zweiten –, Erbe in unserem Reiche sein.«

IV.

Ich brach auf vom Morgenland und stieg hinab, geleitet von zwei Wächtern, denn der Weg war gefährlich und schwierig und ich war zu jung, ihn (allein) zu gehen. Ich durchschritt das Gebiet von Maischan, dem östlichen Treffpunkt der Kaufleute, und kam zum Lande Babylon und betrat die Mauern von Sarbug. Ich stieg hinab nach Ägypten und meine Gefährten (Wächter) verließen mich.

V.

Ohne Umweg ging ich zu dem Drachen, nahm Wohnung nahe seiner Stätte, bis er schlummern und schlafen würde und ich meine Perle ihm entwenden könnte. Und da ich völlig allein und den Mitbewohnern meiner Herberge ein Fremder war, erblickte ich dort einen Mann meines Stammes, einen Edelmann aus dem Morgenland, einen jungen Mann, schön und von Anmut, einen Sohn von höchstem Adel; und er kam und hing mir an.

VI.

Ich machte ihn zu meinem Freund und meinem Gefährten und ließ ihn teilhaben an meinem Handel. Ich warnte ihn vor den Ägyptern und vor den Beziehungen zu den Unreinen. Ich aber bekleidete mich mit ihren Gewändern, damit sie nicht gegen mich Verdacht schöpften, ich sei von auswärts gekommen, um die Perle zu nehmen, und damit sie nicht den Drachen gegen mich aufscheuchten.

VII.

Aus irgendeinem Grunde aber bemerkten sie, dass ich in ihrem Land ein Fremder war. Und sie näherten sich mir mit List und gaben mir zu essen ihre Speise. Ich vergaß, dass ich ein Königssohn war, und diente ihrem König als Sklave. Und alles was die Perle betraf vergaß ich, um derentwillen mich meine Eltern entsandt hatten; und durch die Schwere ihrer Speisen versank ich in tiefen Schlaf.

VIII.

All dies, was sich aber mit mir begab, ward meinen Eltern kund und sie sorgten sich meinetwegen. Und in unserem Königreiche wurde verkündet, dass ein jeder komme zum Tore (unseres Reiches): Die Könige und Häupter von Parthien und alle noblen Prinzen des Morgenlands; und meinetwegen fassten sie einen Entschluss, dass man mich nicht in Ägypten lassen solle. Und sie schrieben einen Brief an mich, und jeder Große unterzeichnete ihn mit seinem Namen:

IX.

»Von deinem Vater, dem König der Könige, und deiner Mutter, der Königin des Morgenlands, und von unserem Zweiten, deinem Bruder, dir senden wir, unserem Sohne in Ägypten, Gruß. Auf, erhebe dich von deinem Schlaf und höre die Worte unseres Briefes. Erinnere dich, dass du ein Königssohn bist. Siehe wem du als Sklave dienst! Erinnere dich an die Perle, derentwegen du nach Ägypten reistest!«

X.

»Erinnere dich deines glänzenden Gewandes und gedenke deiner prächtigen Toga, die du tragen sollst und mit der du geschmückt sein sollst, dass im Buche der Tapferen dein Name gelesen werde! Und mit deinem Bruder, unserem Erben, zusammen sollst du Thronfolger in unserem Reich sein!«

Der Brief war ein Sendung, die der König mit seiner Rechten versiegelt hatte, ihn zu verschonen vor den Bösen, den Kindern von Babylon und den tyrannischen Dämonen von Sarbug.

XI.

Er flog wie ein Adler, dem König aller Vögel. Er flog und ließ sich neben mir nieder, wurde ganz und gar zum Wort. Bei seiner Stimme, dem Geräusch seines Rauschens, erwachte ich und erhob mich aus meinem Schlaf; ich nahm ihn auf und küsste ihn und löste sein Siegel und las. Ganz so wie in meinem Herzen aufgezeichnet, waren geschrieben die Worte meines Briefes.

XII.

Ich entsann mich, dass ich ein Königssohn sei und ich entdeckte meine noble Abstammung. Ich erinnerte mich an die Perle, um derentwillen ich nach Ägypten gesandt worden war, und ich begann ihn zu beschwören, den grauenhaft schnaubenden Drachen. Ich versenkte ihn in Schlummer und Schlaf, da ich den Namen meines Vaters über ihm aussprach und den Namen unseres Zweiten und den meiner Mutter, der Königin des Morgenlands.

XIII.

Und ich entriss ihm die Perle und wandte mich um, zurückzukehren in meines Vaters Haus. Und ihr schmutziges und unsauberes Gewand zog ich aus und ließ es in ihren Landen. Und ich nahm den Weg auf zum Licht unseres Landes, zum Morgenland. Und meinen Brief, meinen Erwecker, fand ich vor mir auf dem Wege; wie er mich durch seine Stimme geweckt hatte, so führte er mich nun mit seinem Licht.

XIV.

Auf seidenem Stoff mit roter Farbe geschrieben, mit seinem Aussehen vor mir strahlend, mit der Stimme seiner Führung gab er mir Mut und spornte mich an mit seiner Liebe. Ich zog weiter und durchquerte Sarbug. Ich ließ Babylon zu meiner Linken und gelangte zum großen Maischan, zum Hafen der Kaufleute, der sich am Ufer des Meeres befindet.

XV.

Und das glänzende Gewand, das ich abgelegt hatte, und meine Toga, die es umhüllte, hatten meine Eltern von den Höhen Hyrkaniens durch ihre Schatzmeister hierher gesandt, die wegen ihrer Treue damit betraut wurden. Und da ich mich nicht seiner Art und Weise entsann – denn ich hatte doch mein Vaterhaus in meiner Kindheit verlassen, so wurde plötzlich das glänzende Gewand, als ich es mir gegenüber sah, mir gleich wie mein eigen Spiegelbild.

XVI.

Ich sah es als ein Ganzes und ich sah mich ganz in ihm mir gegenüber, denn wir waren zwei in Verschiedenheit und doch wiederum eins in einer Gleichheit. Und auch die Schatzmeister, die es mir gebracht hatten, sah ich in gleicher Weise: Sie waren zwei und waren doch gleich an Gestalt, denn ein Siegel des Königs befand sich auf ihnen, dessen, der mir mein Vertrauen und meinen Reichtum durch sie zurückgab.

XVII.

Mein glänzendes Gewand war geziert mit herrlichen Farben, mit Gold und mit Beryllen, mit Rubinen und Achaten und mit verschiedenfarbigen Sardonen. Es war in seiner Erhabenheit angefertigt worden, mit Diamantsteinen waren alle seine Nähte befestigt, und das Bild des Königs der Könige war in voller Größe überall aufgemalt. Und Saphiren gleich waren seine Farben bunt gewirkt.

XVIII.

Ich sah, dass in seinem ganzen Umfang die Bewegungen der Erkenntnis sichtbar wurden. Und ich sah weiter, dass es sich zum Sprechen bereitete. Ich hörte den Klang seiner Musik, die es bei seinem Herabkommen flüsterte:

»Siehe, ich gehöre zum flinkesten Diener, den sie für ihn vor meinem Vater großgezogen haben. Ich habe in mir gespürt, dass meine Gestalt mit seinen Werken wuchs.«

XIX.

Und mit seinen königlichen Bewegungen, ergoss es sich vollkommen über mir und auf der Hand seiner Überbringer, damit ich es empfinge. Und auch mich trieb meine Liebe an, ihm entgegenzueilen und es zu empfangen; und ich streckte mich hin, um es zu empfangen. Mit der Pracht seiner Farben schmückte ich mich und hüllte mich ganz in meine glänzend farbige Toga.

XX.

Ich kleidete mich in sie und stieg auf, zum Tor des Grußes und der Demut. Ich beugte mein Haupt und verehrte die Herrlichkeit meines Vaters, der es mir gesandt hatte, dessen Gebote ich befolgt hatte, so wie auch er erfüllte, was er verheißen hatte; und am Tore seiner Satrapen mischte ich mich unter seine Edelmänner, denn er hatte mich mit Wohlgefallen aufgenommen und ich war mit ihm in seinem Königreich.

XXI.

Ihm singen all seine Diener, mit süß klingenden Stimmen Lobpreisungen. Und er verkündete, dass ich zum Tore des Königs der Könige gehen solle und mit der Opfergabe meiner Perle mit ihm zusammen vor unserem König erscheinen solle.

Die Hymne des Judas Thomas des Apostels, die er in seiner Kerkerzelle sprach, endet hier.

 

Interpretation

Der Heilige Thomas sprach zu seinen Jüngern in kurzen Erzählungen und Parabeln, ähnlich wie das vor ihm Jesus tat. Zu den wichtigsten dieser Lehrparabeln, gilt dieser Hymnus. Das »Lied von der Perle« soll uns an unsere eigene Göttlichkeit erinnern und uns von den Verblendungen befreien, der unsere Menschenseelen ausgesetzt sind. Es gilt aber die Perle zu finden und aus den Fängen des Demiurgen, des Weltenbaumeisters, zu befreien. Im »Lied von der Perle« wird der Demiurg als »Drache« (Satan) bezeichnet. Die Perle, von der hier die Rede ist, über sie schrieb auch der Evangelist Matthäus:

[...] eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen, damit die sie nicht zertreten mit ihren Füßen und sich umwenden und euch zerreißen.

- Matthäus 7:6

Die gnostische Interpretation dieses Verses, versteht unter den »Säuen« die Dämonen des Demiurgen. Vor ihnen soll man das höhere Selbst, den göttlich Funken, den jeder in sich trägt, bewahren. Es ist dieser »Licht-Funke« das Christus-Bewusstsein im Menschen. Somit ist die Perle ein Symbol für das im Menschen verborgene Geheimnis, dass in seinem Körper »begraben« liegt. Im Land der Ägypter sah Bardaisan die materielle Welt, den menschlichen Körper.

Wiederum ist das Reich der Himmel gleich einem Kaufmann, der schöne Perlen sucht; als er aber eine sehr kostbare Perle gefunden hatte, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.

- Matthäus 13:45-46

In diesem Gleichnis steht die Perle für den Höchstwert dessen, was der Finder besitzen wird. Wenn er klug genug ist, es zu erwerben, bekommt er einen Platz im kommenen "Königreich". Dieses Gleichnis ist quasi ein Echo auf das Lied der Perle.

Symbole im Text


Kleines Kind: der göttliche Funke im Menschen. Es ist auch ein Hinweis auf die Stufe der Initiation, wo der (untere) Mensch seine spirituelle Natur in sich erkennt und aus sich hervor bringt.

König: Gott.

Königin: der Heilige Geist.

Prinz: die Seele, welche im Paradies lebte und ausgeschickt wurde in die Welt (Ägypten). Der Prinz vergisst die Perle, welche über die Seele kommt, wenn sie in den Körper (Gewänder der Ägypter) eingekerkert ist.

Bruder des Prinzen: die »Zwillingsseele« des Menschen. Die »duale Sohnschaft«, die im Symbol des Prinzenbruders ausgedrückt ist, war ein weit verbreitetes Symbol bei den Gnostikern. Der Prinz und sein Bruder stehen für die beiden »Söhne«: einer der verbleibt und einer der weitergeht - d. h. der, der fortbesteht, ist der Christus. In Vers III lesen wir »deinem Bruder, unserem Zweiten«: dieser »Zweite« ist der Menschensohn, der überirdische Mensch. Und der Herabgestiegene, der Prinz, gewinnt die »Perle vom Bewusstsein des Höheren Selbst«, wird schließlich erhöht und auf die Stufe mit dem Menschensohn gebracht, so ist der Prinz gleichzeitig auch der Christus - Christus und der Menschesohn sind eins, so wie die inkarnierte Seele eins ist mit dem Höheren Selbst.

Zwei Wächter: wie der Bruder des Prinzen, gehören die beiden Wächter zum Symbol der Zwillinge. In antiken Legenden war der Zwilling ein Symbol für die Initiation. Als eine Art Zwilling kann man auch die beiden Diebe ansehen, die neben Christus am Kreuz hingen. Auch in der »Verklärung des Herrn«, wo auf Berg Tabor Jesus in gleißendem Licht erscheint (Lukas 9:28-36), sehen ihn drei Jünger begleit von zwei »Wächtern« - Moses und Elija. Im Kontext der Hermetik, sind es die beiden Schlangen, die sich im den Caduceus winden. Andererseits stehen die beiden Wächter auch für das Vater-Mutter-Androgyn der Seele, das zur Welt kommen will und mit der weltlichen Geburt in das Diesseits, mit dem ersten Atemzug, qausi die erste Initiation ins weltliche Menschsein erfährt. Es sind also die Kräfte, die zur Wiedergeburt zwingen.

Kaufleute: die Grenzen der materiellen Welt.

König der Ägypter: der Teufel.

Drachen (oder Schlange): der Demiurg, das heftige Verlangen. Er ist der Typhon, der Verschlinger, der Widersacher, der Herr der Leidenschaften. Auch ist der Drachen ein Symbol für die elementare, tierische Essenz der Materie.

Satrap: ein Stadthalter im alten Persien.


Vaterhaus: das Zuhause des Höheren Selbst.

Ägypten: der Kosmos in dem der Fleischkörper des Menschen »gefangen« ist. Es ist die materielle, irdische Welt, die vom Demiurgen erschaffen wurde, eine Welt die verführerisch den Menschen in Abhängigkeiten gefangen hält, darum auch »Unterwelt«. In dieser Welt schläft der Prinz, ist sich also unbewusst seiner wahren, himmlischen Herkunft.

Maischan: die äußerste Grenze zwischen der himmlischen Welt (Überwelt), dem Äther, und der irdischen Welt. Es ist dies in etwa zu vergleichen mit der Nachtreise des Propheten Mohammed, in der er sich zur äußersten Grenze des siebten Himmels begab (Sure 53:14-15) am Rande des Paradieses.

Babylon und Sarbug: die Gefahren auf dem Weg. Es sind die falschen Religionen und falschen Versprechungen, die den Menschen davon abhalten sich dem wahrhaft Göttlichen anzunähern.

Königreich: das Reich das im Morgenland liegt, im Osten, so wie das Paradies (Genesis 2:8), wo der Prinz in Reichtum und Wonne lebte.

Morgenland: die himmlische Lichtwelt, das Elysium im Osten. Es ist damit das Pleroma (Glanz- und Lichtmeer der Gnostiker) gemeint, wie auch die sogenannte Ogdoade - die Achtheit - eine Bezeichnung für die sieben Himmel (ptolemäische Planetensphären) und die "Achte Sphäre" (Fixsternhimmel) - somit also die geistigen Königreiche der Welt.

Meer: der »Ozean« der Genesis, das Meer der groben wie der feinen Materie. Das Meer ist das Manifestierte, in dem der Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt stattfindet.

In den Landen zurücklassen: der Prinz ließ seinen Körper während der Initiation in Verzückung zurück.

Hyrkanien: der Götterberg (Moriah, Meru), die »Überwelt«, das Pleroma (Glanz- und Lichtmeer der Gnostiker). Hyrkanien ist aber auch eine tatsächliche Gebirgslanfschaft im Süden des Kaspischen Meeres (heutiger Iran / Turkmenistan).


Reichtum: die Instinkte und Sinne des spirituellen Geistes.

Perle: das himmlische Königreich im Sinne der Gnosis, repräsentiert durch das höhere Selbst und den Gnostizismus an sich.

Glänzendes Gewand: der Lichtkörper, das Lichtgewand der Seele - eine kosmische Struktur (Gewebe) des Lichts und des Lebens. In diesem strahlenden Lichtgewand zeigte sich Jesus seinen Jüngern Petrus, Johannes und Jakobus (»Taborlicht«, Lukas 9:28-36).

Purpurne Toga: das heilige Wissen des Menschen, seine innere Festigkeit. Purpur ist die Farbe der Könige, denn Bardaisan singt von der königlichen Seele.

Gewänder der Ägypter: der menschliche Körper. Die Gewänder der Ägypter müssen scharf abgegrenzt werden vom himmlischen Kleid, dem "Glänzenden Gewand". Die Aussage in Genesis 3:21, dass Gott Adam und Eva in "Kleider von Haut" machte", kann als diese Leiblichkeit interpretiert werden. Das Logion 56 des Thomas-Evangeliums dazu: "Wer auch immer kam um die Welt zu erkennen, fand nichts als eine Leiche. Und wer auch immer eine Leiche fand, der ist der Welt überlegen." 

Speisen der Ägypter: die weltlichen Freuden.

Brief: die Weisheit, verkörpert durch die Heilige Sophia.

Worte des Briefes: der Christus-Logos, der durch die Heilige Sophia zu dem Prinzen spricht und ihm hilft sich an seine wahre Herkunft zu erinnern.

Herz: die innerste Substanz der menschlichen Natur, in der das spirituelle Blut, die Lebenssubstanz des Menschen fließt. Der Pakt (Verpflichtung) der geschlossen wurde, wurde nicht in den Geist, sondern ins Herz geschrieben, wo er nicht vergessen werden kann - kurz: nicht Wissen, sondern mystische Erfahrung der Einweihung.

Namen: die Kräfte.

Adler: der höchste Einweihungsgrad, der z. B. in den Mithras-Mysterien dem »Grad des Vaters« entspricht.

Niederlassen des Vogels: das Niedersteigen des Heiligen Geistes bzw. des geistigen Bewusstseins.

Linke: der Prinz geht zur Rechten, wie alle die in den Mysterien eingeweiht werden.

Spüren: das Werk des Kausalkörpers, der Kausalhülle, die das höhere Ich bildet.

Spiegelbild: der himmlische Doppelgänger der Seele, der Schutzengel als himmlisches Ebenbild (Abbild) des Menschen. Dieser Schutzengel existierte schon vor dem Menschen, war sogar vor der Grundlegung der Welt entstanden (Genesis 1:26).

Wir Kinder des Feuers

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

von

Autor und Mentor

Ehrfürchtig verehrten die Urmenschen die übermächtige, Licht und Wärme spendende Sonnenscheibe. Ein durch Blitzschlag und Vulkanausbrüche entfachtes Feuer auf der Erde war für sie ein wunderbares Abbild des Sonnenfeuers. Um so heiliger muss es dem Urmenschen erschienen sein, als er zum ersten Mal selbst ein Feuer entfachte.

Auch wenn wir uns heute das Feuer längst dienstbar gemacht haben, übt der Anblick lodernder Flammen immer noch einen geheimnisvollen Zauber auf uns aus. Wie viel mehr musste das der Fall sein, wo Feuer noch etwas Seltenes war, wo man es an Gewitterbränden oder in Vulkankratern entzündet in die Siedlungen trug.

Der Urmensch ahnte im Feuer instinktiv ein mächtiges Lebensprinzip, das aus einer ihm unzugänglichen Sphäre heraus wirkte. In der Kultur der Ur-Indoeuropäer verkörperte Feuer das erste göttliche Wesen. Als der Mensch irgendwann das Feuer selbst entfachen konnte, war das der erste Kultusakt der Menschheit: eine Zeitenwende der urzeitlichen Zivilisation.

Mit jeder Landnahme errichteten die Ur-Indoeuropäer einen Feueraltar. Feuer war für sie, wie später für die iranischen Zarathustrier (auch: Zoroastrier), ein Medium durch das ihnen Offenbarungen der geistigen Welt zuströmten. Aus dem heiligen Licht seiner Flammen strahlte ihnen der höchste Gott Dyaus Pita entgegen - Allvater des strahlenden Himmels. In seinem Namen liegt der Ursprung der Blitze schlagenden Donnerers Zeus Pater, Ju-Piter und Deus Pater. Letzterer formte sich Jahrtausende später zum christlichen »Gott Vater«, dessen »Sohn Jesus Christus« sich bekanntlich ja auch als »Licht der Welt« bezeichnete.

In der indogermanischen Religion war Dyaus Pita ein hohes Lichtwesen, der mit Prittvi, der vedischen Mutter Erde, die Götter Surya, Ushas und Indra zeugte. Sie repräsentieren die himmlischen Lichtaspekte des Sonnenfeuers, der Morgenröte und des blitzenden Donners. Als charakteristische Verkörperung der irdischen Erscheinung von Dyaus Pitas trat ein weiterer Sohn Gottes zu Tage: Agni - vedischer Repräsentant des sakralen Feuers. In seinem Namen liegt der Ursprung des lateinischen ignis (Feuer).

Im Himmel geboren fuhr Agni in Gestalt eines Blitzes auf die Erde hernieder. Gemäß dem Rigveda wurde er durch den Feuerpriester Atharvan empfangen – einem der sieben Rishis, die nach der Sintflut vom Manu begleitet die Kulturtechniken auf der Erde hervorbrachten. Seinem Namen nach ist Atharvan mit Atar verwandt, dem Konzept des heiligen Feuers der Zarathustrier (Parsen). Im heiligen Licht Atars offenbarte sich Zarathustra's prophetische Berufung. Sowohl Atharvan wie auch Atar gehen aus der indoeuropäischen Wortwurzel athr hervor: das Feuer. Das ist auch der Ursprung des alt-griechischen Wortes Aither (deutsch: Äther): geistiger Sitz des Lichts, der Götter und der Gedanken.

Auch in Religionen außerhalb des indoeuropäischen Kulturkreises galt Feuer als Vermittler zwischen dem Menschen und den Göttern. Im Opferfeuer wurde die fromme Spende von den Flammen verzehrt und trug sich im Rauch verflüchtigend empor zu den himmlischen Göttern. So pries man das Feuer als vermittelnden Boten zwischen Mensch und dem Höchsten.

Die vedischen Hymnen betonen besonders die geistigen Fähigkeiten Agnis. Er wird dort als ein weiser, mit vorausschauender Klarsicht begabter Heiliger bezeichnet, der mit seiner schöpferischen Vorstellungskraft im Spiel der Flammen, zahllose kosmische und biologische Synthesen hervorbrachte.
So scheint Agni auch Vorbild für den Titanen Prometheus geworden zu sein – dem griechischen Genius und Töpferdämon der »nach seinem Bilde« den Menschen aus Ton formte, belebte und mit Denkkraft und Vorausschau begabte.
Dieser Titan war so stolz auf sein Schöpfungswerk, dass er sich am Liebsten selbst auf der Stufe des Höchsten (Zeus) gesehen hätte. Aus Furcht vor dem Rebell verbarg deshalb Zeus vor ihm und seinen Geschöpfen das Feuer. Doch mit größter List und Verschlagenheit gelang es Prometheus das Feuer zu stehlen und den Menschen zu bringen. Am solarischen Feuer der Himmelsschmiede entzündete er eine Doldenstaude (Narthex) die er brennend zu den Menschen am Fuße des Kaukasus trug. Im Zorn gebot Zeus seinem Sohn Hephaistos (römisch: Vulcanos) den Prometheus an den Kasbek anzuketten - einem hohen Vulkan im Kaukasus-Gebirge. Hephaistos erschuf auch Pandora, um dem bisher männlichen Menschenvolk eine Frau zu senden. Doch was aus ihrer Büchse über die Welt kam, waren Fluch und Tod, den die Menschen seit damals »im Schweiße ihres Angesichts« versuchten zu überwinden. Seit dieser Zeit wohl, hielt man in Griechenland die Mysterien der Demeter-Anesidora ab, wo Menschen in die Künste der Landwirtschaft, des Bergbaus und der Schmiedekunst eingeweiht wurden.

Es scheint als träfen sich hier Mythos und Geschichte, denn die Besiedelung vulkanischer Regionen (z. B. im Kaukasus) war in der Urzeit durchaus üblich. Unsere frühen Vorfahren konnten Feuer noch nicht selbst entfachen, sondern entzündeten in der Nähe von Vulkankratern trockene Pflanzen oder hielten einen durch Blitzschlag oder Vulkanausbrüche natürlich entstandenen Brand als Lagerfeuer am Leben. Außerdem wuchsen in der fruchtbaren, mineralstoffreichen Vulkanerde wahrscheinlich viele Pflanzen die den Steinzeitmenschen als Nahrung dienten. Erstarrte Lava gab auch wichtige Werkstoffe: das schwarze, vulkanische Quarzglas Obsidian war aufgrund seiner scharfen Bruchkanten bis in die Bronzezeit eines der wichtigsten Mineralien zur Herstellung von Keilen, Klingen, Pfeilspitzen und Schabern. Stellen wir die bereits damalige Nutzung von Quarzen ihrer gegenwärtigen Bedeutung gegenüber, so ist das darin enthaltene Silicium (chemisch setzen sich Quarze aus Siliciumdioxid-Molekülen zusammen) bis heute für den Menschen äußert wichtig geblieben, denn schließlich werden Informationen auf Siliciumbasis (Halbleitertechnik mit Siliciumkristallen) gespeichert und transportiert (mit Glasfaserkabeln und Glas bekanntlich ja amorphes Siliciumdioxid). An anderer Stelle werden wir auf den geheimnisvollen Einfluss des Siliciums auf die menschliche Zivilisation noch genauer eingehen.

Fest steht, dass die Umgebung von Vulkanen immer wichtige Siedlungsgebiete der Menschheit gewesen sein müssen, denn bis heute lebt ca. ein Zehntel der Weltbevölkerung im direkten Einflussbereich aktiver Vulkane.

Feuer und Zivilisation

Wenn der mythische Prometheus auf dem Olymp tatsächlich die Ursache der Blitze fand, so hat er diese Technik ganz sicher seinen Geschöpfen verraten. So konnte der Mensch irgendwann ohne den himmlischen Blitz selbst elektrische Kräfte entfachen, um damit ein Feuer zu entzünden. Dazu verwendeten unsere Vorfahren ein steinzeitliches »Feuerzeug«: ein Pyrit aus dem sie mit einem spitzen Feuerstein (Quarzkiesel) Funken schlugen, um einen Zunder zum Brennen zu bringen. Dieses leicht entzündliche Brennmaterial war meist ein in Urin getränkter, nachträglich aber getrockneter Baumpilz (z. B. Fomes fomentarius, »Zunderschwamm«). Damit konnte überall schnell ein Feuer entzündet werden.
Mit dem Feuers konnte der Mensch dann auch Nachts arbeiten, es in dunklen Höhlen entzünden, um von dort etwa wertvolle Mineralien und Erze ans Tageslicht zu befördern. So erhob er sich mit der Handhabung des Feuers über das Tier. Er wurde sesshaft und konnte seine Behausungen von den Bäumen auf die Erde verlagern, denn gefährliche Raubtiere und Insekten hielten sich vom Feuer fern. Es ist für uns heute kaum noch vorstellbar, was der Sonnenuntergang für die Urmenschen bedeutete. Bevor man Feuer handhaben konnte gab es besonders in Neumondnächten überhaupt kein Licht, man schlief in völliger Finsternis und war auflauernden Raubtieren somit hilflos ausgeliefert.

Mit der Meisterung des Feuers verfügte der Mensch jetzt auch über ein Mittel der Transmutation. Was zuvor nur die Sonne in einem langwierigen Prozess bewirkte, konnte durch Feuer viel rascher erreicht werden. Speisen und Fleisch wurden durch die Zubereitung mit Feuer einfacher verzehrbar und leichter verdaubar. Als unsere Vorfahren ihre Nahrung noch roh verzehrten, verbrachten sie täglich mehr als neun Stunden mit Essen. Zum einen weil sie die Nahrung sehr lange kauen mussten, um sie ebenso lange zu verdauen.

In der Evolution vom Homo Erectus zum heutigen Menschen verkleinerten sich mit der Verwendung des Feuers, über einen Zeitraum von etwa 2 Mio. Jahren, sowohl die Zähne als auch der Verdauungstrakt des Menschen. Die zuvor aufgewendete Energie für die Verdauung, verwendeten Evolutionsmechanismen nun zur Vergrößerung des Gehirns. Dies war der Aufgang einer neuen, denkenden Menschheit. Das war der Übergang vom Jäger- und Sammlertum zur Sesshaftigkeit und Domestizierung von Pflanze und Tier. Mit dem Feuer wurde der Mensch zum Schöpfer – wurde wie ein Gott!

Auch die Art der Herstellung von Gebrauchsgegenständen änderte sich mit der »Feuergabe«. Primitive Töpferkunst verwandelte sich in hochwertige Keramiktechniken. Mit der Entwicklung der Metallurgie, der späteren Kupfergewinnung durch Verhüttung, und der daraus entstehenden Schmiedekunst, sollte der Mensch schließlich die höchste Stufe seines Kulturschaffens erklommen haben.

Diego Velázquez (1599–1660): La Fragua de Vulcano

Die Schmiede des Vulcanos (Hephaistos) - Gemälde von Diego Velázquez (1599–1660)

 

Das blitzende Metall der Himmelsschmiede

Kehren wir noch einmal zurück zu den alten Mythen die sich um das Element Feuer drehen. Im Glauben der alten Griechen brachte die Göttermutter Hera als Jungfrau ihren Sohn Hephaistos zur Welt. Er sollte Gott und Schutzherr aller Schmiede, Metallurgen und Kunsthandwerker werden. Wegen seiner Hässlichkeit aber verstieß sie ihn vom leuchtenden Berg Olymp. Wie ein leuchtender Meteor stürzte er auf die Erde.

Auf der Erde wurde Hephaistos in einer Höhle von Nymphen aufgezogen. Sie brachten ihm den Umgang mit Feuer und den Metallen bei. Als Schmied der Götter und Helden erfand Hephaistos später den Hammer, den Amboss und die Zange. Damit schmiedete er aus Bronze den mythischen automaton und gab ihm den Namen Talon. Es war der »erste Roboter« der ihm und seinen Gehilfen, den Zyklopen, bei seinen Schmiedearbeiten behilflich war.

Raymond Monvoisin - Ninfas en el baño

Die Nymphen beim Bad - Gemälde von Raymond Monvoisin (1790-1870)

Für Zeus verfertigte Hephaistos eine magische Axt. Damit spaltete er das Haupt des Göttervaters und aus dem gespaltenen Kopf wurde die Weisheitsgöttin Athene in voller Rüstung geboren. Sofort verliebte sich Hephaistos in die schöne Zeustochter. Von Verlangen überwältigt kam sein Same auf die Erde und daraus erstieg der Zwitter Erichthonios. Er besaß den Oberkörper eines Menschen und den Unterkörper einer Schlange. Er war es der Rad, Deichsel und Wagen erfand.

Auch im Schamanismus war der erste Schmied himmlischen Ursprungs: ein Vorbild aller irdischen Helden und Herrscher, die in den Legenden der Mongolen und Tartaren, als legendäre Sänger und Poeten auftraten. Auch die alten Germanen verehrten einen Metallarbeiter: Odin - »der singende Schmied«.

Der große Gengis Khan wurde von seinen Zeitgenossen »Der Eisenarbeiter« (oder Schmied) genannt. Das liegt an seinem Kindernamen Temüjin – in dem zwei mongolisch-türkische Wörter enthalten sind: Eisen - temür, und Arbeit - jin.
Ein alter schamanischer Mythos der sibirischen Burjäten berichtet vom Gott Boshintoj. Er kam mit seinen neun Söhnen vom Himmel, um den Menschen die Kunst der Metallurgie zu lehren. Boshintoj kehrte bald darauf zurück, während seine Söhne auf der Erde blieben, da sie sich in die irdischen Töchter verliebten und Nachkommen mit ihnen zeugten. Das waren die Urahnen aller Schmiede.

Ähnliches findet sich auch in der biblischen Genesis:

Da sich aber die Menschen begannen zu mehren auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden, da sahen die Söhne Gottes nach den Töchtern der Menschen, wie schön sie waren, und nahmen zu Weibern, welche sie wollten. […] Es waren zu dieser Zeit auch die Nephilim auf Erden; denn da die Söhne Gottes zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder gebaren, wurden daraus Riesen in der Welt und berühmte Männer.

Genesis 6:1-2,4

Kain (wörtlich: Schmied), der erste Sohn Adams, hatte einen Sohn: Henoch. Laut den Büchern Henochs waren die oben erwähnten »Söhne Gottes« Rebellen wie auch der Titanensohn Prometheus einer war. Als Nachkommen des Seth, des dritten Sohnes von Adam (Genesis 4:25, 5:3), lebten sie auf dem Himmelsberg (vergl. Olymp) jenseits der Erde, jenseits der Nachkommen des Brudermörders Kain. Als sie nun die schönen Kainstöchter erblickten (»Töchter der Menschen«) stiegen sie vom Himmelsberg auf die Erde hinab und widersetzten sich damit dem Verbot Gottes. Darum wurden sie vom Himmel auf die Erde verstoßen (vergl. Hephaistos). Dort zeugten sie Nachkommen mit den Töchtern des Kain. Gemäß den Henochbüchern war ihr Anführer der Engel Azazel, der seinen Nachkommen verbotene Dinge und Himmelsgeheimnisse verriet, so wie ja der Prometheus beim Feuerraub seine Menschen.

Und Azazel lehrte den Menschen wie man Schwerter und Messer und Schilde und Brustplatten herstellt und zeigte ihnen die Metalle der Erde und die Kunst mit ihnen zu arbeiten und Kettchen und Ornamente und die Verwendung des Antimon, womit sich das Schminkzeug der Frauen herstellen ließ

1. Henoch 8:1

Lamech, ein Nachkomme Kains und Sohn des alten Methusalem hatte vier Kinder: Jabal war der Stammvater aller Nomaden und Viehhirten, Jubal Stammvater aller Harfen- und Flötenspieler, Tubal-Kain schmiedete die Geräte aller Erz- und Eisenhandwerker, Naama lehrte die Frauen sich schön zu kleiden, zu frisieren, zu schminken und wie sie mit ihren weiblichen Reizen in den Weinschenken für die Unterhaltung der männlichen Gäste sorgten.
Auf verschiedenen kulturellen Ebenen und der Völker der Erde existiert eine enge Verbindung zwischen Schmiedehandwerk, der Musik, dem Gesang, dem Tanz und den Initiations- und Geheimwissenschaften (Schamanismus, Magie, Heilkunst, etc.). Darum spielt Tubal-Kain eine zentrale Rolle in der Tempellegende der Freimaurer.

Ebenso gehören zu dieser Gruppe die Zigeuner. Seit alters her waren unter ihnen viele Schmiede, Handwerker, Musiker, Heiler und Wahrsager. Sie werden in alten Sanskrit-Texten mit den Dalits identifiziert, die man in Indien die »Unberührbaren« nennt. Sie sind außerhalb des indischen Kastensystems, gleichen »Ausgestoßenen«. Viele Schmiede und Musiker zählen in Indien zu den Dalits.

Vielleicht erklärt sich all das auch in der alten Furcht der Menschen vor den Schmieden. Mit Hilfe von Feuer und Metall wurden dort alle möglichen ungeheuren Dinge hervorgebracht. Schmieden befanden sich darum oft am Rande der Dörfer.Das heilige Schmiedehandwerk war und ist etwas Magisches. Alle Schmiede bewahren die Geheimnisse ihrer Zunft. Das ließ sie in vielen Kulturen, besonders in Afrika, zum Kulturheros aufstiegen. Ihr initiatorisches Wissen über den Umgang mit Feuer, Metall, Hammer, Zange und Amboss, wurde über unzählige Generationen verfeinert. Außerdem erhielten Schmiede, Metallurgen und Gießer über mehreren Jahrtausende die Tradition einer ganzen Gesellschaft, denn sie waren es die die Waffen, Werkzeug und Schmuck, die Kirchenglocken und Burgtore fertigten.

Mutter Erde und ihre Nachkommen

Cultura, das lateinische Wort für den Ackerbau, steht für die Techniken der Landwirtschaft. Die Kultivierung von Getreide erfordert aufmerksame Pflege und Schutz. Man kann Getreide nicht aussähen ohne es zu hüten, da es sonst von allen möglichen Tieren weggefressen wird. In alter Zeit mussten die Felder darum aufmerksam bewacht werden. Daher erklärt sich, dass Ackerbau und Sesshaftigkeit untrennbar miteinander verbunden sind.

Seit 8.000 v. Chr. wurde wild wachsendes Getreide wie Weizen, Gerste, Hirse und Reis allmählich domestiziert. Das heißt, über viele Generationen hinweg wurde die Nutzbarkeit der Samen durch Auslese verbessert. Zum ersten mal in der Geschichte der Menschheit wurde direkt Einfluss genommen auf die biologische Entwicklung von Pflanzen. In gewisser Hinsicht war das die Geburt der Biotechnologie und Gentechnik.

Durch die Optimierung des Getreidewuchses entstand mit der Lagerung landwirtschaftlicher Güter auch der Besitz. Die Wörter »Sesshaftigkeit« und »Besitz« enthalten beide ja auch das selbe Verb: »sitzen«.

Besitz erzeugt Gründe ihn zu schützen, wenn nötig auch zu verteidigen. Nicht zufällig war der alt-griechische Kriegsgott Ares (römisch: Mars) auch der Gott der Ackergrenzen!

Mit dem allmählichen Rückgang des Nomadentums und der zunehmenden Bedeutung des Getreide-Ackerbaus, kam es zu einer immer schnelleren Vermehrung der Bevölkerung. So entstanden die ersten großen Siedlungen. In der anatolischen Siedlung Çatalhöyük lebten zwischen 7.500 und 5.700 v. Chr. bereits um die 10.000 Menschen. Das war noch vor dem Beginn der Metallzeit. Werkzeuge und Waffen wurden in Çatalhöyük aus Obsidian hergestellt. Man beschaffte den Stein vom 190 km entfernten Vulkan Göllü Dağ (Zentralanatolien). Mit der Zunahme der Bevölkerung und dem damit einhergehenden Bedarf an Nahrungsmitteln, verbesserte sich auch das dazu verwendete Werkzeug.

Einen ganz wesentlichen Sprung in der Menschheitsentwicklung machte um das 4. Jahrtausend v. Chr. die georgische Kura-Araxes-Kultur (benannt nach den Flüssen Kura und Araxes). Sie waren die ersten die Werkzeuge und Waffen aus Kupfer und Bronze verfertigten. Besonders die Nutzung bronzegefertigter Sicheln, Hacken und Pflügen, vermehrten die landwirtschaftliche Produktion um ein Vielfaches. Der dadruch immer weiter zunehmende Besitz bildete ein festes Fundament für die Formierung einer einheitlichen Gemeinschaft und politischen Gesellschaft. Das erforderte die Existenz von Anführern, woraus sich das Königtum entwickelte. Was einst Ackergrenzen als Einflussbereich von Herrschern markierten, sollten später einmal die Grenzen zwischen Staaten werden.

Erze: Kinder der Erde

Die Orte aus denen Menschen Erze geborgen haben, waren häufig vulkanischen Ursprungs. In geologisch aktiven Gebieten dringt in die Erdkruste Magma ein, das einen hohen Anteil an wertvollen Metallen besitzt. Bei der Abkühlung des Magmas kommt es zur Auskristallisierung dieser Minerale - so entstanden unterirdische Erzlagerstätten. Metallerze und Reinmetalle wie etwa Gold, doch auch Edelsteine, darunter Smaragde und Rubine, wachsen aus dem steinigen Boden hervor - werden über viele Millionen Jahre daraus geboren. Drum nannte man im Altertum solche Gesteinsareale Petri Genitrix: »fruchtbare Felsen«. Diese subterranen »Kinder der Erde«, so glaubten die alten Feuermeister, würden dort von Erdgeistern, Genien und Devas gehütet werden. Ein Schmelzer warb deshalb um die Gunst dieser Wesenheiten. Aus Respekt vor den Erdgeistern war die Senkung einer neuen Mine immer mit einem religiösen Ritus verbunden. Bei den Germanen glaubte man, »Meister Hömmerling« (ein Poltergeist) könnte durch das Grubenwerk der Bergleute gestört werden und aus Zorn einen Erdrutsch auslösen. Man wollte die Wesen des Erdreichs darum stets günstig stimmen. Darum holte der Bergmeister das Erz aus der Mine ganz sorgsam hervor, und beförderte es ebenso ehrfürchtig in den Schmelzofen.
Für die Bergleute war das Erz wie ein Embryo im Uterus der Erdmutter. Der Schmelzofen war wie eine Gebärmutter, worin die »Reifung des Metalls« erfolgte und darin seine Schwangerschaft vollendete. Metallurgie ist darum eine Art Geburtshilfe.
Die Hitze des Ofens war der Ersatz für die Hitze im Erdinnern. Darin reifen die Erze um auf der Erde zu kristallisieren. Erz und Embryo sind magisch miteinander verbunden. Im Schmelzvorgang sag man eine Frühgeburt, weshalb man abergläubisch tatsächliche Embryos, meist von Tieren, in die Schmelze warf um so den Vorgang magisch zu beschleunigen.

Die Verhüttung von Metallen ist bereits sehr alt; das belegen über 10.000 Jahre alte archäologische Funde aus Anatolien und dem Iran. Ab 7.500 v. Chr. wurde im mesopotamischen Uruk bereits Kupfer verarbeitet. Ab dem 5. Jahrtausend v. Chr. verbreitete sich höheres Wissen über die Metallverarbeitung wahrscheinlich zuerst im Kaukasus-Gebirge Georgiens. In der Antike besaß Georgien die wichtigsten Metall- und Erzlagerstätten der Welt. 
Im Land vom »Goldenen Vlies«, dem alten Kolchis (»Reich des Aietes«), gab es eine Fülle an Goldvorkommen. Hier lebte eine hoch entwickelte Gesellschaft, die wegen ihres Goldes über großen Reichtum verfügte und einem gotterwählten König unterstand. Solch ein König war auch der Sohn des Sonnengottes Helios: Aietes von Kolchis. Das west-georgische Kolchis war für die alten Griechen die ferne Goldquelle am Schwarzen Meer. Laut dem römischen Geschichtsschreiber Appian (90-160 n. Chr.) gewannen die alten Kolcher mit Hilfe von Schaf- oder Widderfellen den goldhaltigen Sand aus Flussläufen des kaukasischen Phasis (heute: Rioni). Dazu legten sie zottige Felle ins Wasser und fingen die kleinen Goldteilchen auf.
Möglicherweise ist das eine Erklärung für den Ursprung des Mythos vom Goldenen Vlies, wofür sich die Argonauten vor mehr als 3.000 Jahren in das sagenhafte Goldland von Kolchis begaben. Das Goldene Vlies befand sich laut Mythos an einer Eiche befestigt im Hain des Ares. Ein Drache bewachte den Ort. Der Held Jason tötete das Reptil und nahm das heilige Widderfell an sich. Wie der griechische Mythos weiter berichtet, erhielt der finstere König Aietes vom Himmelsschmied Hephaistos zwei feuerschnaubende Stiere aus Bronze. Das Goldene Vlies lag zwar bereits in Jasons Händen, doch Aietes ließ ihn nicht eher gehen, bevor er nicht mit diesen Stieren einen dem Ares geweihten Acker pflügte. Darein sollte er die Zähne des getöteten Drachen sähen. Laut Mythos ersprossen aus den Zähnen Krieger, die in schwere Rüstungen aus Bronze gekleidet waren.

Diese Geschichte zwingt zur Vermutung, dass die feuerschnaubenden Stiere des Hephaistos und die ausgesäten Drachenzähne Symbole antiker Technologie sind, um aus der Erde Erze zu gewinnen bzw. diese Erze in hochwertige Metalle (Kupfer) zu verwandeln. In der Alchemie symbolisiert der Drachen den Ausgangsstoff zur Herstellung des Steins der Weisen, d. h. ein Agens zur Verwandlung eines unedlen Stoffes, in diesem Fall Erz, zu etwas hochwertigem: das Edelmetall Kupfer.

Da nun im Osten Georgiens, am Großen Kaukasus, bereits zwischen dem 5. und 4. Jahrtausend v. Chr. große Mengen an Kupfererz abgebaut und verhüttet wurden, scheint die Behauptung, das es sich bei der Argonautensage auch um die Schilderung einer Initiation in die Metallurgie handelte, nicht ganz unwahrscheinlich. Denn von Georgien aus kam metallurgisches Wissen über Anatolien nach Ägypten und Griechenland, später nach Mitteleuropa und England, wo die hohe Kunst der Metallverarbeitung weiter verfeinert wurde.

Und Wir haben das Eisen herab gesandt

Eisen, das stärker als jedes Metall ist,
In des Gebirgs Talgründen,
Vom flammenden Feuer bezwungen,
Unter der Hand des Hephaistos zerschmilzt auf der heiligen Erde;
So denn schmolz von der Lohe des flammenden Feuers die Erde.

Aus der Theogonie des Hesiod

Hesiods Gedicht beschreibt einen heftigen Waldbrand in dem ein Eisenklumpen schmilzt. Es kann sich dabei nur um Meteoreisen handeln. Das er eine zufällige Reduktion von Eisenerz beschreibt ist sehr unwahrscheinlich, denn so hätte es schon nach kurzer Zeit zu rosten begonnen. Wegen des hohen Nickelanteils (ca. 5-20 %) in Meteoreisen bleibt eine Korrosion aber aus. Schon vor der eigentlichen Eisenzeit, wurde überall auf der Erde meteoritisches Eisen zur Herstellung von Kultgegenständen, Werkzeugen und Waffen verwendet und wegen seiner großen Seltenheit, war es sogar wertvoller als Gold!

Dem Menschen bot das himmlische Eisen schon vor Jahrtausenden einzigartige Vortrefflichkeit, denn es war das härteste aller Metalle. Im alten Sumer (Mesopotamien im 3. Jahrtausend v. Chr.) nannte man es an-bar, das »Feuer aus dem Himmel« oder urudu-an-bar das »Kupfer des Himmels«. Auch die Hethiter (2. Jahrtausend v. Chr. in Kleinasien und alten Syrien) kannten es als ku-an.
Im mesopotamischen Ur, dem Geburtsort Abrahams (Genesis 11), entdeckte man um 3.100 v. Chr. einen Königsdolch aus Meteoreisen mit goldenem Griff – 2.000 Jahre vor der Eisenerzeugung aus Erz! Wenn Tubal-Kain (»Tubal der Schmied«), ein Nachkomme Kains, der etwa um diese Zeit gelebt haben könnte, in Genesis 4:22 als Eisenhandwerker erwähnt wird, so verfertigte er Kultgegenstände und Waffen aus Meteoreisen, da man zu dieser Zeit die Eisenerzverhüttung noch nicht kannte.

Die Hebräer nannten Eisen parzil, die Assyrer barzillu - »Metall Gottes« oder »Himmelsmetall«. Das es sich um etwas Himmlisches handelt, das bestätigt auch der bis heute in Georgien verwendete Name für Meteoreisen: tsis-natckhi – »himmlisches Bruchstück«. Auch im alt-ägyptischen Namen bj-n-pt für das »Eisen des Himmels« sind die Wörter bj, der Blitz und pt, Himmel, enthalten. Es ist gut möglich dass in Ägypten, wo es sehr selten regnet, in ferner Vergangenheit nicht wirklich unterschieden werden konnte zwischen Blitz, Donner und Meteoriten. Auffällige, blitzartige Lichterscheinungen am Himmel, die von lautem Prasseln und Donnern begleitet waren, wurden mit wetterbedingtem Blitz und Donner wahrscheinlich gleichgesetzt. Vielleicht fand man nach solchen Blitzeinschlägen manchmal an den Stellen schwarze Steine oder schwere Meteorklumpen, was die Alten wohl als eine Botschaft der Götter auffassten. Solche himmlischen Objekte lieferten das Material aus dem heilige Werkzeuge hergestellt wurden: so etwa das Werkzeug für das alt-ägytische Mundöffnungsritual der Mumie (siehe Abb.).

Abbildung aus dem Ägyptischen Totenbuch des Hunefer (ca. 1.300 v. Chr.). Das in der Mitte abgebildete Werkzeug aus Meteoreisen, wird an den Mund des verstorbenen Pharao geführt (cc).

Donnerschlag und Blitzerscheinung waren immer schon die stärksten Kräfte in der Natur. So glaubten die schamanischen Medizinmänner oder keltischen Hohepriester, dass durch die ungeheuerliche Kraft eines Blitzes das aufzusprengen wäre, was der Tod verhüllte. Man glaubte Totes durch die magische Kraft der Elektrizität lebendig machen zu können. Blitz, Donner, Meteore und himmlisches Eisen galten darum lange Zeit als Ausdruck göttlicher Aktivität. Das zeigt sich auch im blitzenden Hammer des germanischen Gottes Thor. Er besaß ebenso blitzende Donnerwaffen wie der griechische Zeus oder der indogermanische Diyaus Pita.

Magische Waffen des Sagenhelden Siegfried oder des König Artus, wurden sehr wahrscheinlich aus Meteoreisen verfertigt. Auch geschichtliche Helden und Eroberer wie der Hunnenkönig Attila († 453) oder Timur Lenk (1336-1405 – Timur ist vom türkischen Temür abgeleitet, das Wort für »Eisen«), besaßen aus Meteoreisen geschmiedete »Himmlische Schwerter«. Auch die arabischen Kalifen führten Schwerter aus Meteoreisen in der Hand.

Und Wir haben das Eisen herab gesandt. In ihm ist starke Gewalt und Nutzen für die Menschen –, damit Allah kennt, wer Ihm und Seinen Gesandten im Verborgenen hilft.

Aus der Sure »Der Stern« (Al Najm)

Manche Legenden behaupten dass der heilige Stein der Kaaba in Mekka, von Abraham aus einem 1.100 km östlich von Mecca befindlichen Meteoritenkrater in die heilige Stadt gebracht worden sei. Dieser Schwarze Stein der Kaaba soll aus extraterrestrischem Silikat-Glas bestehen, worin Meteoreisen eingeschlossen ist. Vermutlich handelt es sich dabei um ein Bruchstück des Meteoriten der vor ungefähr 6.000 Jahren im saudi-arabischen Wabar niederging. Über dieses Ereignis scheinen viele arabische Poeten geschrieben zu haben. Sogar der Koran erwähnt diesen Ort als das »Iram der Säulen«: eine Stadt die in verschiedenen Fabeln (Märchen aus 1000 und einer Nacht) manchmal als das Atlantis des Sandes erwähnt wird, das wegen der Bösartigkeit seines Königs einem »Himmelsbrand« zum Opfer fiel.

Hast du nicht gesehen, wie dein Herr mit den 'Âd verfuhr, jenen Bewohnern der Stadt Iram, mit den emporragenden Säulen, dergleichen in keiner Stadt sonst errichtet worden waren? Und mit den Thamûd, die Felsen zum Bauen ins Tal brachten? und mit Pharao, dessen Heerscharen seine Herrschaft wie Pfähle stützten? Sie trieben maßlos in den Städten ihr Unwesen und richteten viel Unheil an. So überhäufte dein Herr sie mit peinvoller Strafe. Dein Herr beobachtete alles genau.

Aus der Sure »Die Morgendämmerung« (Al Fajr)

Wir können davon ausgehen, dass schon die Urzeitmenschen, lange vor der Neusteinzeit und Bronzezeit, kleinere Stücke aus Meteoreisen als Werkzeug bei sich trugen. Meteoreisen war das beste Metall das zu damaliger Zeit ohne Verhüttung zur Verfügung stand. So besaßen die Urmenschen eine Eisenlegierung die alles überragte was bis 1890 an Metallgegenständen industriell hergestellt werden konnte!

Erst seit den 1920er Jahren wurde viel Geld ausgegeben, um einen der größten Metall-Meteoriten in der Geschichte der Erde zu untersuchen: der Canyon Diablo (»Teufelsschlucht«). Der ca. 300.000 Tonnen schwere Eisenmeteorit hat einen der größten und berühmtesten Krater in der Wüste von Arizona hinterlassen. In den Bruchstücken die man bis heute fand, kam auch eine besondere Substanz vor, die man bis zum damaligen Zeitpunkt auf der Erde noch nicht als chemische Substanz kannte: Siliciumcarbid – heute synthetisch hergestellt, wird diese Silicium-Verbindung als Halbleiter in Leuchtdioden verwendet.

Fortsetzung folgt

 

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