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Integrales Bewusstsein

Im vergangenen Jahrhundert fanden verschiedene Denker zu einer neuen Weltanschauung, die heute geläufig ist als »Integrale Theorie«. Es ist eine Theorie darum, da sie versucht eine umfassende Perspektive zu eröffnen, auf die Bewusstseins-Entwicklung des Menschen als Individuum, wie ebenso auf die Menschheitsentwicklung als Ganze.

Insbesondere zwei Denker des 20. Jahrhunderts prägten den Begriff des »Integralen«:
Im Westen der schweizerische Philosoph und Autor Jean Gebser (1905-1973) und im Osten der indische Mystiker, Philosoph und Politiker Sri Aurobindo Ghose (1872-1950).

Gebser versuchte im Rahmen seiner Arbeit eine Bewusstseinsstruktur der gegenwärtigen Menschheit zu beschreiben, die auf eine ursprünglich

wie dargestellt in seinem 1947 zuerst veröffentlichten Werk »Ursprung und Gegenwart«. Darin beschreibt Gebser die menschliche Geschichte, als eine Folge der zuvor genannten Mutationen von Bewusstseinsstrukturen, die in der Gegenwart in die fünfte, die integrale Struktur münden, wobei in jedem Menschen alle der genannten Bewusstseinsstrukturen (archaisch, magisch, mythisch, mental) veranlagt sind – die eine mehr, die andere weniger. Später entdeckte er, dass auch Sri Aurobindo in Indien, wie auch der französische Philosoph Teilhard de Chardin (1881-1955), in ihrer Forschung zu ähnlichen Ergebnissen kamen.

Eine spirituelle Philosophie des indischen Yoga

Aurobindo Ghose schrieb in seinem »Integralen Yoga« über Ähnliches. Laut seiner Anschauung ereignete sich die menschliche Entwicklung auf fünf Ebenen:

  • der Physis,
  • der sinnlichen Vitalebene,
  • dem Mentalkörper, der die Instanz zwischen dem alltäglichen und dem göttlichen Leben bildet,
  • dem intuitiv-psychischen oder spirituellen Sein, und dem sogenannten
  • »Supergeist«.

Diese höchste Ebene des Supergeists – manchmal auch bezeichnet als »Supermental« – bildet eine Ebene zwischen dem reinen Seinsbewusstseins und dem Leben des Universums (Geist, Leben und Materie). Hieraus können sich Realitäten des Höchsten (das heißt also der göttlichen Welt), als Formen dieser Kraft in der Schöpfung manifestieren. Der Supergeist steht für die Kraft, die die Schöpfung ermöglicht, worin Formen, Energien und Substanzen entstehen. Supergeist ist ein Synonym für etwas, das man als »vollkommenes Wissen« bezeichnen könnte und das für eine integrale Wahrheit von allem Seienden steht. Es gleicht dieses Wissen einer Wahrheit, zu der sich ein Mensch erheben kann, wobei er vollkommenes Verständnis erlangt über das was er selbst und das was die Welt ist. Man könnte darüber auch als ein Erleuchtungs- oder Erweckungserlebnis sprechen, das auf dieser Ebene jemand erfährt, in Form plötzlichen, vollkommenen Glücks.

Zu diesen Erkenntnissen fand Sri Aurobindo durch die Geheimlehre der Upanischaden. Daraus nämlich leitete er die eben dargestellte Fünfheit ab: Den, in den Taittiriya Upanishaden 2:1-5 sogenannten »Panchakosha«, fünf Koshas (Schichten der inkarnierten Seele). Sie beschreiben fünf Schichten des Bewusstseins, die das Atman (absolutes Selbst, »Seelenfunke«) gleich einer Zwiebel umhüllen:

  • Annamaya Kosha, die »Ernährungshülle«, gebildet durch den physischen Körper,
  • Pranamaya Kosha, die »Energiehülle«, zusammengesetzt aus der Lebensenergie Prana,
  • Manomaya Kosha, die aus mentalen Strömen gebildete »Geisthülle«,
  • Vijnanamaya Kosha, die »Wissenshülle«, gebildet aus dem Intellekt eines Menschen und dem darin wirksamen Unterscheidungsvermögen, und schließlich
  • Anandamaya Kosha, die »Hülle der Glückseligkeit«, die den Kausalkörper des Menschen bildet (den er als sein Bleibendes von Inkarnation zu Inkarnation weiterträgt). Darin gehüllt ist der Geistfunke Atman – das göttliche Selbst im Menschen.

Gewiss erinnert das an die im Westen von Gebser dargestellte Fünfheit.

Zwar existiert der heutige Mensch, als biologischer Homo Sapiens, seit mehr als 100.000 Jahren. An seiner Bewusstseinsgeschichte (entsprechend seiner Kulturgeschichte) aber, lassen sich besondere Verhaltensformen ablesen, die sich eben erst zur »Aktivierung« der von Sri Aurobindo beschriebenen fünf Ebenen entwickeln mussten.

Wenn hier die Rede ist vom Integralen, deuteten Jean Gebser, Aurobindo Ghose und später auch andere an – darunter Ken Wilber – dass diese Entwicklung letztendlich zu einer Vereinigung des Menschlichen mit dem Göttlichen führen kann. Das setzt jedoch nicht allein eine Befreiung nur all zu menschlicher Voreingenommenheiten voraus, sondern auch eine Bewusstwerdung, dass es einen Grund für das Sein eines jeden inkarnierten Menschenwesens gibt (Atman-Prinzip).

Integrale Spiritualität

Der amerikanische Autor Ken Wilber (*1949) versuchte in den 1970er Jahren religiöse Ideen des Ostens, mit den im Westen entstandenen Systemen der Psychologie zu synthetisieren. Hierüber schrieb er in seinem 1977 erschienen Buch: »The Spectrum of Consciousness« (deutsch: »Das Spektrum des Bewusstseins«). Wilber glaubt, dass die mystischen Traditionen der Welt Zugang bieten, zu Wissen über eine transzendentale Realität, die immerwährend ist und in allen Zeiten und Kulturen dieselbe.

In seinem 1980 erschienenen Buch »Das Atman-Projekt«, stellte er ein Entwicklungsmodell der Menschheit vor, worin er eine strukturelle Stufentheorie beschreibt, gemäß derer sich Individuen, doch auch Menschengruppen, im Laufe der Zeit über drei Stufen entwickeln können. Diese Stufen treffen laut Wilber auch zu auf die Entwicklung des Bewusstseins eines Individuums (von denen etwa auch die Rede ist in der Initiatischen Therapie Graf Dürckheims):

  • Vorpersonal: Entwicklung des Säuglings (Eingebundenwerden ins Kollektiv)
  • Persönlich: Entwicklung des Erwachsenen (Individuation)
  • Transpersonal: Spirituelle Entwicklung (Überweltliches).

Interessant an Wilbers Modell ist, dass er den Beginn dieser Entwicklung beschreibt, als die Trennung eines individuellen Bewusstseins von einer transzendentalen Realität – wie sie etwa erfahren werden kann, in dem von Sri Aurobindo beschriebenen Supergeist, der als Vermittler zwischen dem göttlichen Geist und der manifesten Welt fungiert, und durch den eine Transformationen des gewöhnlichen Seins, in göttliches Sein ermöglicht werden kann. Daraufhin vermag der menschliche Geist das Unendliche zu reflektieren und auf diese Weise »erwachen« und zu Erleuchtung finden. Er soll damit Weisungen aus der Welt des Göttlichen empfangen können, sie aber auf seine eigene Weise kreativ ausführen.

Das ist hier jedoch schneller geschrieben, als was dazu noch gesagt werden könnte. Zumal solch »Erwachen« mitunter auch unerwartete Effekte auslösen kann, die auf die Lebensrealität eines Menschen wirken. Nicht selten haben Menschen, die unvorbereitet außergewöhnliche »Erleuchtungserfahrungen« erlebten, große Schwierigkeiten, dabei gewonnene Erkenntnisse zur verarbeiten, geschweige denn in ihr alltägliches Leben zu integrieren.

Laut Ken Wilber aber zielt der gesamte Verlauf der menschlichen Entwicklung eben darauf ab, die oben angedeutete, ursprüngliche Einheit von menschlichem und transzendentalem Bewusstsein wiederherzustellen – da sie, wie er glaubt, einst einen natürlichen Teil menschlicher Existenz bildete.

Entwicklung der Weltanschauungsebenen im Menschen

In unserem Leben ist das Geistige überall präsent und wirksam. Immer schon war das Ziel des Menschen als Denker, seine geistige Entwicklung anzuregen und dabei voranzutreiben. Im Gegensatz zu rein naturwissenschaftlichen Ansätzen, versucht man in der Integralen Theorie, dabei die Welt ganzheitlich verstehen zu lernen, ohne sie auf nur materialistische Anschauungen reduzieren zu wollen. Eher geht es um eine Zusammenführung verschiedener Gebiete bewussten Handelns. Die damit verbundene Sicht auf die Welt, vertritt, neben Ken Wilber, auch der amerikanischer Berater Don Beck (1937-2022) in seinem Buch »Spiral Dynamics« (als Koautor gemeinsam mit Christopher C. Cowan erschienen). In diesem Buch geht es, in ähnlicher Form, um die oben genannten Bewusstseinsphasen, die einerseits ein Mensch in seinem individuellen Leben durchlaufen kann. Sie lassen sich andererseits auch anwenden, auf den Lauf der Bewusstseinsentwicklung des Menschheit (ähnlich den von Jean Gebser oder Sri Aurobindo beschriebenen Entwicklungsphasen).

Der Rahmen der Spiral Dynamics ähnelt dem psychologischen Modell menschlicher Bedürfnisse, wie sie der amerikanische Psychologe Abraham Maslow (1908-1970) definierte. Eine von Maslow definierte Hierarchie menschlicher Bedürfnisse bildet ein Modell, dass sich mit Inhalt, Art und Wirkung von Handlungsmotiven eines Menschen beschäftigt. Maslow stellte dabei fest, dass manche Bedürfnisse Priorität vor anderen haben. Luft und Wasser brauchen wir zum Beispiel dringender als etwa ein neues Auto. Zuerst ordnete Maslow diese Bedürfnisse in fünf größeren Kategorien, denen er schließlich noch vier weitere hinzufügte, die folgende Bedürfnisstufen ergeben:

  1. Physiologische Bedürfnisse
  2. Sicherheitsbedürfnisse
  3. Soziale Bedürfnisse
  4. Individualbedürfnisse
  5. Kognitive Bedürfnisse (Wahrnehmung, Lernen, Selbstbeobachtung)
  6. Ästhetische Bedürfnisse
  7. Selbstverwirklichung
  8. Transzendenz

Don Beck belegte je eine dieser von Maslow beschriebenen Ebenen, auch mit verschiedene Farben, die er außerdem mit einem bestimmten zeitlichen Abschnitt der Menschheitsentwicklung verband:

  1. Beige: archaisch, instinktiv, überlebensbestimmt (die Menschheit vor etwa 100.000 Jahren).
  2. Purpur: animistische Stammeskulturen, geprägt von magisch-rituellen Ahnenkulten (vor etwa 50.000 Jahren), in denen sich das Individuum ganz und gar der Gruppe unterstellte.
  3. Rot: bestimmt von Vorbildern heroischer Gewaltgottheiten (seit etwa 7000 v. Chr.) und einer egozentrierten Machtthematik. Damals begann sich ein vom Stamm unterscheidendes Ich, als Bewusstseinsstruktur zu bilden.
  4. Blau: Gehorsam, Ordnung (Verhaltenskodex, dessen Nichteinhaltung gravierende Folgen mit sich bringt) und Hierarchie bestimmen das Bewusstsein dieser Phase der Menschheitsentwicklung (seit etwa 3000 v. Chr.), wo man begann das Leben einem höheren Sinn unterzuordnen. Diesen höheren Sinn beschrieben auch Götter- und Heldenlegenden, die uns ja bis heute aus der Mythologie erhalten geblieben sind.
  5. Orange: Effizienz der Handlungen (Leistungsorientierung, Maximierung von Erträgen), naturwissenschaftlich und mechanistisch geprägte Anschauungsperspektiven entwickeln sich (zwischen 600 n. Chr. bis ins 18. Jahrhundert) und beherrschen die Gesellschaft ihre Politik und ihren Handel.
  6. Grün: auf soziale Gleichheit gerichtet (seit der Zeit zwischen Ende des 19. und frühen 20. Jahrhundert), geprägt von neuem Gemeinschaftsgefühl und Zusammenhalt, ökologische Sensibilität, Wertschätzung von Mutter Erde und des darauf befindlichen Lebens. Lösung aus hierarchischen Strukturen.
  7. Gelb: systemisch-integrativ (seit etwa 1950), wo das Selbst sein kann, was es zu sein wünscht, jedoch mit Rücksicht auf Mitmenschen und das Leben im Allgemeinen. Nicht nur das eigene Leben soll gefördert werden, Dies wurde jedoch nur von einem kleinen Teil der Menschheit gelebt.
  8. Türkis: holistischer Ansatz (seit etwa 1970), der multiple Seinsebenen mit einbezieht.

Aus den Erfordernissen der türkisen Lebensbedingungen werden sich dereinst zukünftige Bewusstseinsstrukturen entwickeln, die Beck zwar nicht definieren wollte (da sie eben erst noch entstehen), aber einer nächsten dieser Strukturen die Farbe Koralle (helles Rot-Orange) zuordnete.

Seit der türkisen Bewusstseinsstruktur, kann der heute lebende, »Integrale Mensch« (»Homo sapiens integralis«) zurückblicken, auf die eben genannten Entwicklungsstadien, die entsprechend auch in ihm veranlagt sind. Damit ist es ihm möglich, in sich eine ganzheitliche und entwicklungsbezogene Auffassung der Realität entstehen zu lassen – wozu besonders auch spirituelle Erfahrungen beitragen.

Es ist vor allem die heutige Spiritualität, oder sagen wir »Mystik der Gegenwart«, über die sich jedem Menschen Zugänge zu Wissen eröffnen, über die Vorgänge in der Natur, wie auch über die Beschaffenheit menschlichen Bewusstseins. Durch Introspektion (Innenschau) vermag jemand allmählich Erfahrungen zu entdecken, die mit Ereignissen der Außenwelt in Zusammenhang stehen. Dabei stellt das menschliche Ego ein geeignetes Handlungsfeld dar, wo jeder Mensch versuchen sollte sein Ego zu überwinden, eben durch Interaktion mit anderen Menschen. Denn die Befreiung von egoistischen Motiven, befähigt einen Menschen sich spirituell mit den Gedanken und Gefühlen seiner Mitmenschen verbinden zu können, mit dem Ziel eine transpersonale Seinsrealität zu erreichen.

Es sollte ab einem gewissen Entwicklungsgrad das Ziel eines jeden Menschen sein, die Identifikation mit seinem Ego zu transzendieren und die dabei gemachten Erfahrungen in sein Leben zu integrieren. In diesem Sinne kann jemand Impulse setzen in der Gestaltung des Alltags, im Umgang mit anderen Menschen und in der Begegnung mit sich selbst.

 

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