Suhrawardi

Licht aus dem Jenseits im Dunkel der Welt

Autor und Mentor S. Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

Autor und Mentor

Polarstern - ewigeweisheit.de

Im Sufismus gibt es die Metapher vom polierten Spiegel, der ein Bild ist für das mystische Herz im Menschen – ein spirituelles Organ, auf dem sich allmählich Staub schichtet, ausgefällt von all den Ungereimtheiten des Lebens. Nur wer sein Herz rein hält, der wird der Reflexionen eines Schimmerns gewahr, in dem Göttlichkeit funkelt.

So wie im Makrokosmos das Licht Gottes aus dem Feuerball der Sonne strahlt, so hell auch kann dieses mystische Herz im Menschen zum Strahlen gebracht werden – so die Sufis. Damit wird das Herz selbst zur großen Leuchte und erfüllt den Mikrokosmos menschlichen Seins mit dem Licht Gottes.

Allah ist das Licht der Himmel und der Erde.

- Sure 24:35

So wie die Sonne Licht und Wärme spendet, so strahlt auch das erleuchtete Herz eines Menschen, erfüllt von Weisheit. Wie könnte es auch unerleuchtet bleiben, reflektiert seine Reinheit doch die Ausstrahlungen des Allmächtigen.

Ein wahrer Sufi begehrt darum sein Herz von aller weltlichen Ignoranz zu säubern und dessen mystischen Spiegel zu reinigen. Alles was die Nacht seiner Unwissenheit verdunkelte, werden dann Tausende Sterne erhellen. Es sind Wegmarken auf dem Pfad zur Erleuchtung:

Und mit der Hilfe der Sterne folgen sie ihrem rechten Weg.

- Sure 16:16

Bis auf die Planeten des Sonnensystems, sind alle Lichter am nächtlichen Firmament, selbst Sonnen. Das wissen Astronomen seit langer Zeit. Doch es sind nicht die Sterne als solche, sondern das von ihnen ausgehende Licht, wonach sich die Menschen zu Lande und zu Wasser orientieren.

Ein Mensch der seinen Blick jedoch nach innen richtet, braucht auf seiner Lebensreise eine eigene Orientierung. Und so wie die Sonne die Erde und die Planeten durch ihr lichthaftes Sein »rechtleitet«, so sollte auch das Herz jenes Menschen eine Leuchte werden, in dessen Schein sein Träger den ihm gebührenden Weg findet. Auf diesem Weg strebt einer dann aus dem Dunkel der Nacht der Unwissenheit, hin zu einem Licht seines innersten Geheimnisses. Es gleicht dem Licht der im Osten aufsteigenden Sonne, dass ihm den Weg seines Erwachens bescheint. Er, dem dieses Lichtes gewahr wurde, wird bedauern, sobald er erkennt, wie lange er sich schon wie ein Schlafwandler durchs Leben bewegte.

Sie schliefen nur einen kleinen Teil der Nacht, und in der Morgendämmerung baten sie Gott um Vergebung.

- Sure 51:17f

Gibt es ein himmlisches Selbst?

In der orientalischen Hermetik, existiert das spirituelle Konzept der »vollkommenen Natur« eines Individuums. Es ist jener Teil der menschlichen Seele, der als himmlisches Gegenbild bezeugt, dass auf Erden, einst die Seele in einen Körper eintrat. Davon unberührt aber bleibt ihr himmlisches Gegenbild, ihre kosmische Doppelgängerin, die auf gewisse Weise ein Idealbild zu ihrer irdischen Reflexion darstellt. Die vollkommene Natur einer auf Erden geborenen Seele, dient ihr als großes Selbst, als individueller, übersinnlicher Führer.

Das wahre Licht dieser seelischen Instanz, reflektiert jenes mystische Herz in der Mitte eines Menschen. Wer es dort in sich leuchten sieht, dem wird es ein Licht sein, dass ihn zu seiner wahren Bestimmung führt. So jemand wird sich mit Klugheit durch sein weltliches Leben bewegen und so handeln, dass es zu seinem eigenen und zum Wohle seiner Zeitgenossen beiträgt. Was sich nämlich in seinem Herzen, als die vollkommene Natur widerspiegelt, ist der Grund seiner Inkarnation. Und damit wäre sich einer des Zwecks seiner Menschwerdung bewusst geworden, den er auf Erden auch erfüllen kann und damit seine eigentliche Aufgabe im Leben gefunden hätte.

Wer demnach seine vollkommene Natur, als seinen übersinnlichen, himmlischen Lichtträger erkennt und als sein großes Selbst annimmt, sowie sein gesamtes irdisches Handeln danach ausrichtet, der wird sich erheben können, aus dem Trauerspiel all der vielen Widersprüche, die ihn von seinem wahren Lebensweg abbrachten.

Körper und Geist: Diener des Herzens

Sein höheres Selbst erlebend bemerkt einer, wie sich all die Zweideutigkeiten in seinem Leben auflösen. Das aber setzt voraus, dass ein Mensch die vielen Licht- und Schattenaspekte zu unterscheiden gelernt hat und sieht, wie er sich durch seinen Tag und wie er sich durch seine Nacht bewegt. Das heißt, er erkennt den Tag als Welt rationaler Normen, voller Zwänge und Unzulänglichkeiten, wo er bisher viele vorgefertigte Lösungen einfach hinnahm, im Glauben sie würden das Leben erleichtern. Solange seine Seele weiter schlummert, umdämmert vom Mantel eines Un-Bewusstseins, ohne ihre Verbindung zu jenem himmlischen Licht erkennend, wird ein Zustand der Um-Nachtung aufrecht erhalten.

Das Dunkel weiß nichts vom Licht und das Licht weiß nichts vom Dunkel. Sonne und Mond gehen im Osten auf und im Westen unter. Nur selten erblickt man sie am Himmel zusammen. Dann aber scheint man zu erkennen, dass es eine Verbindung gibt, zwischen Tag und Nacht, zwischen Licht und Dunkelheit. Doch die Seele der meisten Menschen schlummert erfüllt von nächtlicher Unwissenheit, während sie am Tage absinkt, zwischen Kummer und Sorgen, hinunter in die Tiefen des Un-Bewussten.

Das irdische Seelendasein ist ununterbrochen verbunden mit seinem himmlischen Führer, mit seinem großen, göttlichen Selbst – auch Nachts, im Schlaf und im Traum. Tagsüber verdrängen Vernunft und Alltagsbewusstsein das Erleben dieser Verbindung. Nachts aber tritt es ab, in sinnenbezogener Un-Bewusstheit. Mit dem zu Bett und Schlafen gehen, ereignet sich also eine Trennung, so als würde einer seiner Lebenszeit einen Teil entnehmen, der ihm dann verloren scheint, als hätte er etwas in seinem Leben verschwendet.

Es ist der Glaube an die Getrenntheit von Tag und Nacht, von Anwesenheit und Abwesenheit des Lichts, dass dieses Bewusstsein zu rechtfertigen scheint. Weniger aber sind Tag und Nacht tatsächlich getrennt, als eher die beiden Enden einer Polarität, wozwischen sich unzählige Schattierungen auffächern. Gelänge einem nur endlich aus dem Alltagsschlaf zu erwachen, Nachts aber den schlummernden Körper im Traum bewusst zu verlassen, um bei der Rückkehr dann, seinem Tagesbewusstsein entgegen zu streben.

Schihab Ad-Din Suhrawardi - ewigeweisheit.de

Schihab Ad-Din Yahya Suhrawardi (1154-1191).

Die Philosophie der Erleuchtung

Dem persischen Sufi und Mystiker Schihab Ad-Din Yahya Suhrawardi, den seine Schüler auch »Meister der Erleuchtung« nannten, galten das Licht und seine Symbolik, als Dreh- und Angelpunkt seiner Weisheitslehre: Hikmat Al-Ishraq – Philosophie der Erleuchtung.

Die gesamte von einem Menschen wahrgenommene Realität, war für Suhrawardi die Zusammensetzung aus einem Spektrum aller Schattierungen zwischen Lichtem und Finsterem, zwischen Lebendem und Totem, zwischen Mittäglichem und Mitternächtlichem.

In seiner Licht-Philosophie schildert er, wie sich all die unzähligen Facetten von Lichtern und Finsternissen, sowie all die damit erscheinenden Wechselwirkungen, aus etwas hervorgehen, dass er das »Reine Licht« nennt. Das ist etwas, dass jenem »guten Licht« der Genesis ähnelt, woraus Gott Helles und Finsteres bildete.

Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis.

- Genesis 1:4

All die Schattierungen, die aus diesem Wechselspiel lichthafter Erscheinungen hervorgingen, setzte Suhrawardi für die Entstehung des Universums voraus. Dabei aber unterscheidet er zwischen dem eigentlichen, physikalischen Licht, den Arten der Dunkelheit und all den vermittelnden Übergängen und Begrenzungen dazwischen. In der Lichtwelt wohnen die Seelen, während die Welt der Finsternis, alle von der Lichtwelt ausgeschlossenen Wesen beherbergt.

Was der Lichtwelt zugesprochen werden kann, existiert aber in verschiedenen Graden und Abstufungen von einander – zwischen dunkleren bis hin zu helleren Lichtern, vom Roten bis ins Blaue, vom verfestigen, »gefrorenen Licht« des Materiellen, bis hin zu den feinsten Nuancen der geistigen Welt, die jenem »reinen Licht« zustreben – dort wo sich alle Zweideutigkeiten auflösen und zu einer ursprünglichen, reinen Geistigkeit verschmelzen.

Für Suhrawardi war aber nicht etwa das Licht selbst die Realität allen Seins, sondern dieses, sich aus Lichtern zusammensetze Gefüge, von einander abgestufter Helligkeiten. Ununterbrochen gebiert sich daraus neues Sein. Als wahrer Ursprung dieser unendlichen Schöpfungen des Seins, galt Suhrawardi aber immer jenes Reine Licht.

Alles Sein in der physischen, elementaren Welt, besteht aus einer Mischung von Licht und Finsternis. Darin aber durchfließen diese beiden Extreme, wiederum Lichter verschiedener Grade und schichten sich vertikal über die Welt der Materie. Die Anzahl dieser Lichter entspricht, laut Suhrawardi, der Anzahl der Fixsterne des nächtlichen Himmels. Diese Lichter galten ihm darum als unbegrenzt, jedoch nicht unendlich und waren darum erschaffen.

Diese vertikalen Erleuchtungsschichten beeinflussen einander, woraus sich eine horizontale Ordnung von Lichtern ergibt, die das Sein alles Wesentlichen lenkt. Alle darin existierenden Seinsformen, gleichen göttlichen Abbildern jener höheren Lichter. Aus dem Wechselspiel dieser vertikalen und horizontalen Lichter, entstehen schließlich die Körper der Wesen der niederen Welt. Auch sie befinden sich in einer bestimmten Ordnung, gemäß ihrer Fähigkeit selbst Licht auszusenden oder zu empfangen.

Kosmischer Orient, Ursprung der Seelen

In ihrer inkarnierten Form auf Erden, orientieren sich diese Wesen der niederen Welt, anhand der sieben Himmelsrichtungen: Osten, Westen, Norden, Süden, Oben, Unten und der Mitte. Hierin spiegelt sich die Vertrautheit mit ihrer Existenz auf Erden, denn durch diese Orientierung in ihrer physischen Natur, verleihen sie ihrem Dasein seinen Sinn. Zu diesem Dasein als »Wesen«, zählen natürlich auch die körperlichen Individualitäten des Menschseins.

Jene oben angedeutete, kosmische Horizontale aber, empfinden die irdischen Wesen als ideale Linie, deren Enden Ost und West berühren, und die zwischen Orient und Okzident, zwischen Mitternacht und Mittag empfunden, als räumliche Augenscheinlichkeit wahrgenommen wird. Auch wir Menschen orientieren uns daran.

Horizontal heißt, den Horizont betreffend – ganz gleich ob sich der Beobachter auf einer geraden Fläche oder einer riesigen Sphäre befindet, was für die Erde aus dem Sichtkreis eines Menschen ja zutrifft. Diese räumliche, horizontale Orientierung nach den Himmelsrichtungen hin, deren wichtigste Position der Orient ist (von lat. orior, »aufgehen«) und darum der Osten wo die Sonne aufgeht, dient dem Menschen in seiner tagtäglichen Wiederholung, zuerst einmal als zeitliche Orientierung.

Doch so wie der Mensch die Himmelslichter seiner Umwelt als horizontale Erscheinungen seines raumzeitlichen Seins wahrnimmt, existiert zu den traditionellen, außerdem eine achte, zusätzliche Himmelsrichtung. Sie bildet den Orientierungspunkt einer Senkrechten, die über das nördliche Ende der Erdachse hinausstrebt. Sie weist in Richtung einer Vertikalen, deren Pol ein übersinnlicher, mystischer Orient ist – ein Ort des Ursprungs und der Rückkehr.

Auf weltlicher Ebene repräsentiert diesen kosmischen Orient der Polarstern. Er bildet die Spitze der irdischen Rotationsachse. Wenn die Erde nun als absolutes Diesseits vorausgesetzt wird, dort eben, wo die Menschenseelen inkarnieren, ließe sich der Polarstern mit dem Gesagten, symbolisch als Schwelle zum Jenseits verstehen.

Dies ist der Pol nach dem sich der Mystiker zu orientieren trachtet: ein auf unseren Weltkarten nicht lokalisierbarer Orient, jenseits des irdischen Nordpols. Von dort, aus dieser vollkommenen Lichtwelt, steigen die Seelen hinab in die Welt der finsteren Materie – und von dort kehren sie dereinst in diese Lichtwelt wieder zurück. Solange aber die Seele auf Erden in einem Körper lebt, fließen ihr Lichter aus den höheren, vertikalen Ebenen dieser Lichtwelt zu.

Polaris - ewigeweisheit.de

Der Nordpolarstern Stella Polaris: Hellster Stern in der Konstellation Kleiner Bär (Kleiner Wagen).

Der vergessene Pol

Es scheint aber, als sei all das dem menschlichen Bewusstsein verloren gegangen. Unwissend, stehen wir Menschen damit im Brennpunkt der Gegensätze eines Überirdischen und eines Unterirdischen, zwischen etwas ultimativ Gutem, das uns aus himmlischen Fernen skeptisch beäugt oder einem heißblütigen Bösen, dass ganz tief in der Erde glühend, unseren Eifer anfeuert. In einem auf solche Weise gefestigten Glauben, bleiben wir aber nur in dieser wahrnehmbaren Horizontalwelt gefangen. Überbewusstsein und Unterbewusstsein scheinen nur über Umwege erreichbar, da uns der Tag mit all seinen vielen Normen und die Nacht mit ihren tiefen, unersättlichen Leidenschaften nur davon abhalten, jenes vertikalen Orients wieder gewahr zu werden. Doch ohne das Bewusstsein über diese vertikale Dimension unseres Seins, bedingt unser Leben die große Illusion vom Hier und Dort – in vielleicht niemals vergehenden Erinnerungen an schlechte Zeiten unserer Vergangenheit und eventuell furchtgeschwängerte Vermutungen, mit denen wir die eingetretene Zukunft dann in Kauf nehmen.

Im Horizontalbewusstsein zu verweilen, ist, als spanne man einen langen Bogen über das Sein im Jetzt, an diesem Ort, an dem man sich gerade befindet. Diesem Bogen folgt, ganz nebenbei, unsere tägliche Aufmerksamkeit – zwischen Morgen und Abend. Doch es ist allein der Dämmerzustand – der nicht mehr Tag und noch nicht Nacht ist und der nicht mehr Nacht und noch nicht Tag ist – an dem sich ahnen ließe, das sich in der sterblichen Hülle unseres Körpers eine Seele befindet. Während all ihrer Lebensjahre auf Erden, ist sie stets verbunden mit jenem kosmischen Selbst unserer vollkommenen Natur, am erleuchteten Gipfel jenes himmlischen Pols.

Im Gewahrwerden dieses Geheimnisses erhält jemand, der aus dem Schlaf seiner Alltäglichkeit erwacht, ein Bewusstsein für das Leuchten eines Überbewussten Anteils seines Seins. Ebenso aber wird er dann in der Finsternis der Welt, dem Wesen seines Unterbewusstseins gewahr. Doch die im Verborgenen, dahinter wirkende Kraft, ist jenes Reine Licht, von dem wir oben sprachen, das Teil jener vertikalen Dimension ist, die losgelöst von Raum und Zeit, in Ewigkeit existiert.

Beim Lotusbaum am äußersten Ende

Diese vertikale Dimension durchragt die Himmel, die sich zwischen dem Diesseits und dem Jenseits übereinander aufschichten. Sie bereiste der islamische Prophet Mohammed (as) in seiner Nachtreise, der Miradsch (arab. für »Stufenleiter«). Dabei begegnete er auch den anderen, ihm vorausgegangenen (biblischen) Propheten in den sieben Himmeln, bis er schließlich vor dem Angesicht Gottes erschauderte.

Der islamische Historiker Abu Dschafar At-Tabari (839-923) schrieb in einem Kommentar zur 53. Koran-Sure »der Stern« (Sirius):

Als der Prophet die Verkündigung erhalten hatte und bei der Kaaba schlief, wie das die Quraisch zu tun pflegten, kamen die Engel Gabriel und Michael zu ihm und sprachen: 'Mit Bezug auf wen haben wir den Befehl erhalten?' Worauf sie selbst erwiderten: 'Mit Bezug auf ihren Herrn'. Darauf gingen sie fort, kamen aber in der nächsten Nacht zu Dreien wieder. Als sie ihn schlafend fanden, legten sie ihn auf den Rücken, öffneten seinen Leib, brachten Wasser vom Zamzam-Brunnen und wuschen das, was sie in seinem Leibe an Zweifel, Götzendienst, Heidentum und Irrtum fanden. Dann brachten sie ein goldenes Gefäss, das mit Glaube und Weisheit gefüllt war, und so wurde sein Leib mit Glaube und Weisheit gefüllt. Darauf wurde er zum untersten Himmel emporgehoben.

- At-Tabari

Gabriel und Michael stellten eine Leiter auf, zwischen dem Heiligtum der Kaaba und dem heiligen Zamzam-Brunnen zu Mekka. Diese Leiter ragte bis in die sieben Himmel hinauf. Von Gabriel begleitet, betrat darauf Mohammed (as) die himmlischen Sphären, wo er von den Propheten Belehrungen erhielt, bis ihn Gabriel anwies, selbst aber außerhalb zurückbleibend, sich vor das Angesicht Gottes zu begeben.

Und er gab seinem Diener jene Offenbarung ein. […] Und er sah ihn bei einer anderen Begegnung, beim fernsten Lotusbaum (Sidrat Al-Muntaha) am äußersten Ende, an dem das Paradies der Geborgenheit liegt, als den Lotusbaum überflutete, was (ihn) überflutete. Der Blick (des Propheten) schweifte nicht ab, und er übertrat nicht die gesetzte Grenze. Wahrlich, er hatte eines der größten Zeichen seines Herrn gesehen.

- Sure 53:10,13-18

Als der Prophet Mohammed (as) am darauffolgenden Tag seiner Gemeinschaft vom Erlebten berichtete, erntete er nur Hohn und Spott. Schließlich äußerte er etwas, dass dem konformen Gottesglauben seiner Zeit nicht entsprach. All jene, die die spirituelle Reise seines lichthaften Daseins bezweifelten, waren Vertriebene aus dem Lichtreich, fernab ihrer vollkommenen Natur, gefangen im weltlichen Gefüge althergebrachter Gewohnheiten und Normen.

Doch das äußerste Ende, von dem in diesen Koranversen, vom lichtüberfluteten Lotusbaum die Rede war und wo »kein Blick abschweift« (Sure 53:14-17), dort eben beleuchtet das Glanzlicht des Erhabenen, das höhere Selbst eines Individuums, am Himmelspol jenes zuvor beschriebenen kosmischen Orients.

Suhrawardi nannte diesen kosmischen Orient, die Himmelsrichtung der Erleuchtung, ein Ort von dem aus das Licht einer überirdischen Sonne aufsteigt. Dieses Licht empfand Suhrawardi als Quelle allen Seins. Der gegenüberliegende, kosmische Okzident aber, galt ihm als finsterer Abgrund allen Nicht-Seins. Im Arabischen heißt der Okzident »Maghreb«, was etymologisch einhergeht mit der Vorstellung vom Fernen, und damit etwas benennt, das getrennt von der Welt in Dunkelheit besteht, eben so wie auch die Orte jenseits des irdischen Sonnenuntergangs. Darum steht der Okzident im übertragenen Sinne auch für das Schattenhafte im Menschen, seine Ignoranz, insbesondere aber seine Unwissenheit über das wahre Wesen seiner Seele.

Suhrawardi schrieb in einer seiner visionären Erzählungen, über die Seele, die sich im Exil von ihrem wahren Ursprung befindet. Doch auf Erden im Menschenleibe inkarniert, vergaß sie den wahren Ursprung ihrer eigentlichen Lichtnatur.

In dieser kleinen mystischen Schrift Suhrawardis, erwähnt der Autor eine »Zwei-Einheit«, die sich aber leider den Kategorien menschlicher Sprache entzieht, da sie sich nur in der Polarität ausdrücken lässt. Doch beides zugleich, Sein und Nichtsein in Einem, kann lediglich als Begrifflichkeit vorausgesetzt werden, die aus dem Reinen Licht entstammen. Aus ihm wurde auch die Vollkommene Natur geboren, das große, kosmische Selbst, das dem Licht-Menschen verhilft, ihn aus seinem körperlichen Exil, zu seiner wahren Herkunft zurückzuführen.

Sonnenuntergang - ewigeweisheit.de

Ein Sonnenuntergang über dem Wasser. Die geografische Region, wo die Abendsonne im Westen versinkt, nannten die Römer den Okzident: das Abendland.

Die Erzählung vom westlichen Exil

Gewiss erinnert Suhrawardis gleichnishafte Erzählung, an das aus den gnostischen Thomas-Akten bekannte »Lied von der Perle«. Denn auch in seiner Geschichte erzählt er von einem Jungen, der sich aus dem Orient ins Exil begibt. Er geht nach Al-Qairawan, die Stadt der Unterdrücker.

Einst unternahmen ich und mein Bruder eine Reise, ins Land des Okzident, das zum Land jenseits des Flusses gehört

- Erzählung vom Westlichen Exil 1:1

In diesem Land lebten Despoten, die in der Erzählung Suhrawardis, die Hauptfigur als Freien erkannten und ihn darum festnahmen, fesselten und in einen tiefen Brunnen warfen, den die Mauerzinnen einer riesigen Burg umgaben. Die Einwohner der Stadt Al-Qairawan erlaubten dem Jungen seinen Kerker zu verlassen, wenn er dabei nur nackt bliebe und zu Tagesanbruch wieder dort hin zurück kehrt – an jenen Ort tiefster Finsternis, über die es in der koranischen Licht-Sure heißt:

Wie Finsternisse in einem abgrundtiefen Meer, eine Woge bedeckt es, über ihr ist eine Woge, darüber ist eine Wolke: Finsternis über Finsternis.

- Sure 24:40

Nur Nachts also, für kurze Augenblicke, konnte er aus der Tiefe emporsteigen. Natürlich scheint das eine Anspielung zu sein, auf die Seele, die sich des Nachts in der Traumwelt frei bewegt, doch im Erwachen am Tage, in den Körper zurückkehren muss, ihre eigentliche Ungebundenheit und die gesehenen Wahrheiten der Traumgesichte, wieder vergessend.

Der Wendepunkt in der Erzählung vom westlichen Exil, ist das Erscheinen eines Wiedehopf, der die Hauptfigur eines Nachts, zu Vollmond besuchte.

Ich bin gekommen um Euch frohe Botschaft zu überbringen aus dem Königreich von Saba.

- Erzählung vom Westlichen Exil 1:10

Wer die Tempellegende der Freimaurer kennt, dürfte hier aufhorchen.

Wie dem auch sei, erhielt er von dem Wundervogel einen Brief, den ihm sein Vater aus Sehnsucht geschrieben hatte. Er glaubte nämlich, sein Sohn hätte ihn vergessen.

'Wir rufen nach dir, doch du trittst die Reise nicht an. Wir senden dir Zeichen, doch du verstehst sie nicht.' Dann fuhr der Verfasser des Briefes damit fort, mir Anweisung in seiner Nachricht zu geben, die da hieß: 'Wenn du dich retten willst, warte nicht, schiebe deine Abreise nicht weiter auf, und nutze den Rat unserer Leitung vom himmlischen Drachen des Mondes, der über die spirituelle Welt regierend, die Enden der Ekliptik umkreist.'

- Erzählung vom Westlichen Exil 1:11f

Der Wiedehopf flog ihm voraus, und als er den Rand der Finsterwelt erreichte, sah er die Sonne über sich aufsteigen. Darin erkannte er den Ruf seines Aufbruchs. Er machte sich auf die Suche nach jenem Orient, der sich aber nicht im Osten unserer Weltkarten finden lässt. Es war jener Orient, der im kosmischen Norden verortet, den Reisenden auf seiner Rückkehr dorthin, jenseits des kosmischen Mond-Drachen, durch das Reich der Sternbilder führt, hinauf zu dem kosmischen Berge Qaf, dem mystischen Sinai, dessen Felsen aus reinstem Smaragd, das gesamte Universum umringen.

Den smaragdenen Felsen des Berges Qaf, erreicht schließlich derjenige, der alle Himmel hinter sich gelassen hat. Dort angekommen, betritt er das mystische Lichtland von Hurqalya. Jenes Licht das ihm dort aufdämmert, führt ihn zu seinem eigenen Selbst, worin er seiner vollkommenen Natur gewahr geworden, die äußeren Sinne seiner Körperlichkeit hinter sich lässt.

Es ist in Hurqalya, wo der Pilger seinem persönlichen Engel begegnet, der ihm die mystische Hierarchie all derer enthüllt, die vor ihm, hierher gelangt waren.

'Wisse, dass dies der Berg Sinai (Qaf) ist. Über diesem Berge aber ist ein anderer: Der Sinai dessen, der mein Vater ist, dein Großvater, zu dem ich in Beziehung stehe, wie du zu mir. Und doch gibt es noch weitere Ahnen und unsere Abstammung endet schließlich beim König, dem höchsten Urahn, dem, der keine Ahnen und keinen Vater hat (dem unbewegten Beweger). Wir sind seine Diener, dem wir unser Licht schuldig sind, da wir unser Feuer von seinem Feuer nur geborgt haben. Seine Schönheit ist beeindruckender als jede andere Schönheit, von nobelster Erhabenheit und überwältigendem Lichtschein. Er ist jenseits allen Jenseits. Er ist das Licht über dem Licht (Sure 24:35), jenseits allen Lichts in Ewigkeit für alle Ewigkeit.

- Erzählung vom Westlichen Exil 3:42f

Jener Pilger, ein Ausgestoßener, als er noch unbewusst in jenem tiefen Kerker der Materialität gefangen war (in der Stadt Al-Qairawan), ging gegen seine Unterdrücker an. Schließlich hatten sie ihn gezwungen, seine wahre Herkunft zu vergessen, damit er sich nicht mehr an seine eigentliche Lichthaftigkeit erinnere. Doch er wurde erst zum Pilger, zum »Aufbrechenden« auf der Rückkehr zu seinem wahren, zu seinem kosmischen Selbst. Als »Bleibender« war er wie ein Heimatloser gefangen, in jener Welt der Finsternis, wo man ihn konform machen wollte im Un-Bewusstsein eines dunklen Vergessens.

Als er aber den Ruf seines Vaters (aus dem Lichtland Hurqalya) vernommen hatte, und aufbrechen wollte, galt er jenen Unterdrückern wohl als Ketzer, der sich wieder die Gesellschaftlichen Normen wandte. Ihnen war er nur noch ein Unangepasster, ja sogar ein Verrückter. Als so ein Kranker diagnostiziert, sollte er zum »Heilbaren« werden, dem seine Hirngespinste ausgeredet werden mussten, um ihn wieder leben zu lassen – im Einvernehmen mit dem Konformen.

Doch seine Erweckung ließ sich nicht auf solche Angepasstheit reduzieren, auch wenn man ihn hat Speisen des Vergessens verzehren lassen. Trotz alledem vernahm er den Ruf. Er kam als Botschaft aus jener Lichtwelt, die nicht dem Tageslicht der Stadt Al-Qairawan entsprach. Es war der Ort seiner wahren Herkunft, der Ursprung des großen Selbst seiner vollkommenen Natur – dort auf dem Berge Qaf, am smaragdenen Felsen – am Pol des himmlischen Orient.

Auf der Suche nach der vollkommenen Natur unseres Seins

Kehren wir noch einmal zurück zur Schilderung der Himmelsfahrt des Propheten Mohammed (as). Sieben Himmel durchreiste er, bis er vor Gottes Angesicht, am Lotusbaum des äußersten Endes vom Licht des Erhabensten gebannt »eines der größten Zeichen seines Herrn gesehen« hatte (Sure 53:18). Der griechische Philosoph Aristoteles, der in der islamischen Philosophie wie auch für Suhrawardi, eine nicht unbedeutende Rolle spielte, hatte ebenfalls den Himmel in sieben Sphären unterteilt, als Königreiche der sieben Gestirne, wo Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn regieren.

Von diesen sieben Himmeln ist auch im Koran die Rede, wo Allah jeden davon harmonisch formte (Sure 71:15) und den Wesen und Planeten (als Himmelsleuchten) darin, ihre jeweiligen Aufgaben zuwies (Sure 41:12). Diesen Geschöpfen, durch die biblischen Propheten repräsentiert, begegnete Mohammed (as) auf seiner Reise (Miradsch) durch die sieben himmlischen Sphären.

Die Vision vom kosmischen Selbst

In der folgenden meditativ-imaginative Exkursion, möchte ich dem Leser eine Möglichkeit übergeben, sich auf ähnliche Weise, diesem kosmischen Orient, in einer Visualisierung zu nähern, um sich dort der vollkommenen Natur seines Großen Selbst gewahr zu werden.

Denke dir eine Stufenleiter, die vor dir aufsteigend, hin in Richtung Norden, zum Sternbild des Großer Bären weisend (Großer Wagen) und über den Horizont hinausstrebt (jenem Sternbild nämlich, das in Europa etwa 20° über dem Horizont der nördlichen Hemisphäre, Tag und Nacht um den Polarstern kreist).

Du näherst dich ihr und betrittst ihre Stufen, bis du den ersten Himmel erreichst. In deinem spirituellen Gewahrsein, findest du dort einen geheimnisvollen See. Dieser erste Himmel ist das Zuhause Adams und Evas, die dort mit den Engeln der Sterne weilen.

Und wie du dich weiterbewegst, durchschreitest du die Sphäre des zweiten Himmels, dessen Pfade gesäumt sind von Perlen. Hier ist die himmlische Heimat von Johannes dem Täufers und von Jesus dem Christus.

Im dritten Himmel, der in festem Eisen gefasst erscheint, dort wohnt der Prophet Joseph.

Nun bewegst du dich fort in den vierten Himmel. Alles dort ist in weißes Gold gehüllt. Es ist die Wohnstatt des Propheten Idries (Henoch).

Im fünften Himmel erreichst du eine kosmische Sphäre, wo fein poliertes Silber das Angesicht des Propheten Aaron spiegelt.

Den sechsten Himmel schmücken wundervoll rote Rubine, bei denen sich der Prophet Moses aufhält.

Endlich erreichst du den siebten Himmel. Hier wirst du eines Lichtes gewahr, so wundervoll, dass du es nur mit deinem inneren Auge vernehmen kannst und es dir sicherlich auf eine Weise erscheint, wie nur du es zu vernehmen vermagst. In ihm erblickst du einen riesigen Felsen aus reinstem Smaragd, dessen Leuchten alles in grünes Licht eintaucht. Hier begibst du dich in Gegenwart des Propheten Abraham, in dessen Nähe sich auch der geheimnisvolle Lotusbaum der koranischen Licht-Sure befindet. Er markiert den Gipfel des siebten Himmels. Hier erfährt die Seele ihre höchste Erfüllung und erkennt die Lichtnatur ihres eigentlichen, höheren Selbst.

An diesem Punkt der Reise angelangt, ordnet sich alles. Die Gedanken werden rein und Klarheit erfüllt dein Wahrnehmen. Hier nimmst du Kontakt auf mit den tiefsten Schichten deines Selbst, wo sich der Schimmer deiner vollkommenen Natur, deines kosmischen Selbst, im polierten Spiegel deines Herzen reflektiert.

Sei wachsam – empfinde und fühle, was von dort, aus der Mitte deines Seins, du mit dem Auge deines Herzens erblickst. Es ist der Glanz deines großes Selbst.

Lass dich von ihm führen.

 

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Der Einfluss der Hermetik auf die moderne Wissenschaft

Autor und Mentor S. Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

Autor und Mentor

Camille Flammarion's L'atmosphère: météorologie populaire (Paris, 1888) - ewigeweisheit.de

Pythagoras war einer der wichtigsten Vertreter der hermetischen Philosophie in Europa. Auf seinen vielen Reisen sah er was andere nie zu Gesicht bekamen. Während eines langen Aufenthalts in Ägypten soll er von Priestern des Thoth in die hermetische Wissenschaft eingeweiht worden sein. Andere Überlieferungen behaupten, sein Initiator war Hermes Trismegistos selbst.

Die Überlieferungen der Pythagoreer wurden zu einer wichtigen Grundlage für Platons Philosophie. Vielleicht hatte aber auch er zu Füßen ägyptischer Meister gesessen und die Weisheiten der "Hohen Kunst" vernommen.
Die Philosophie seines Schülers Aristoteles sollte bis in die Neuzeit hinein das wissenschaftliche Denken im Westen prägen.
Aristoteles war auch Erzieher Alexanders des Großen - dem Gründer Alexandrias. 700 Jahre lang war diese Stadt das Zentrum der Gelehrsamkeit und weit über die Grenzen Ägyptens hinaus berühmt. Alexandria war ein Schmelztiegel der Weisheiten Griechenlands, Ägyptens, Palästinas, Babylons, Persiens und Indiens.

Alexandrias legendäre Bibliothek machte die Stadt im ganzen Mittelmeerraum bekannt und wurde zu einem Statussymbol der ptolemäischen Herrscher Ägyptens. Doch bereits vor Beginn der christlichen Zeitrechnung gab es in dieser Gegend Privatbibliotheken vieler esoterischer Schulen, die sich mit der Heiligen Wissenschaft der Hermetik befassten. Darunter waren auch Geheimbibliotheken der Therapeuten - einer ägyptischen Sekte der Essener.
Der alexandrinische Geist dieser alten Zeit beförderte hermetisches, neupythagoreisches und neuplatonisches Gedankengut, wie man es auch in den 42 Büchern des Hermes findet.

Im 7. Jhd. entstand eine neue Religion in Arabien: der Islam. Mit seiner schnelle Ausdehnung, verbreitete sich auch viel esoterisches Wissen aus dem Orient, zunächst in Westasien und Afrika, drang später über Marokko ins spanische Europa vor (Andalusien, Cordoba, Granada). Die islamische Wissenschaft erreichte ihren Höhepunkt mit der Gründung des "Hauses der Weisheit" - einer Akademie, die durch den Kalifen Al-Mamun von Bagdad im 9. Jhd. ins Leben gerufen wurde.
Im 11. Jhd. machten sich die Templer mit den islamischen Wissenschaften vertraut. Wegen ihres großen Einflusses (Einführung des europäischen Bankwesens) verbreitete sich islamisches Wissensgut schließlich in ganz Europa. Diese besondere Stellung der islamischen Wissenschaften im Mittelalter, ist noch heute zu erkennen. Namen von Sternen wie Vega, Formalhaut, Algol oder Ras Algethi, als auch Bezeichnungen wie Alchemie, Algebra, Alkohol und Alkali, sind arabischen Ursprungs.

Diese Einflüsse inspirierten im Mittelalter viele Denker, woraus schließlich der Wunsch aufkam, die Grenzen alter, kirchlicher Dogmen und Glaubenszwänge, mit Vernunft, Forscherdrang und Empirie zu überwinden. Dieser Forschergeist sollte in Europa bis in die Renaissance lebendig bleiben. Man gewann neue Inspirationen aus den alten Mythenschätzen der Magie, des Okkultismus und Hermetizismus. Dogmen die die Kirche untermauerten, gerieten immer mehr ins Wanken.
Das bedeutet aber nicht, dass christliche Glaubensvorstellungen von Hermetikern abgelehnt wurden. Vielmehr verschmolzen diese mit älterem, teils paganem Wissensgut, in einer spirituell-wissenschaftlichen Strömung.

Islamische Hermetik in Ägypten und Persien

Für den ägyptische Naturmystiker und Sufi-Heiligen Dhul-Nun Al-Misri (796-859) war die hermetische Tradition der Alchemisten, eine kosmologische Tradition göttlicher Offenbarung. Sein wissenschaftliches Streben stand im Einklang mit der Natur. Er gewann seine Erkenntnisse aus Gleichnissen, die er in seiner Umwelt wahrnahm, während andere versuchten so etwas in den heiligen Schriften zu finden.
Dhul-Nuns poetische Gebete, die dem koranischen Wort treu blieben, beeinflussten auch die Naturschilderungen der Sufi-Mystiker Persiens. Unter diesen mag sich auch Abdullah ibn Sina (980-1037) befunden haben: Arzt, Alchemist, Philosoph und Dichter - in der europäischen Gelehrtenwelt bekannt unter dem Namen "Avicenna". Er entwickelte u. a. verschiedene alchemistische Verfahren, wie etwa die Herstellung ätherischer Öle und Pflanzenauszüge für medizinische Zwecke.
Durch seine große Kenntnis westlicher und östlicher Geisteshaltungen in Naturwissenschaft und Philosophie, galt Avicenna als Brückenbauer zwischen Orient und Okzident. Seine hermetische Philosophie hatte viele Gemeinsamkeiten mit aristotelischen Weltanschauungen. Darum wurden in Europa die Werke Aristoteles' häufig gemeinsam mit den Schriften Avicennas herausgegeben.

Avicenna (Ibn Sina) - ewigeweisheit.de

Der persische Alchemist Abdullah ibn Sina (Avicenna)

Einer der in der Tradition Avicennas stand, war der persische Philosoph und Mystiker Schihab Al-Din Al-Suhrawardi (1154–1191), den man später den "Meister der Erleuchtung" nannte. Trotz das Suhrawardi in seinem Studium die Lehren Avicennas vollständig verinnerlicht hatte, kritisierte er an dessen Lehrgebäude, die gesamte Welt allein durch logische Schlussfolgerungen begreifen zu wollen. Doch da zu damaliger Zeit die aristotelisch geprägte Weltanschauung Avicennas, in der islamischen Gelehrtenwelt allgegenwärtig war, gelang ihm zunächst nicht, seinen Zeitgenossen den hohen Wert seiner hermetischen Philosophie zu vermitteln.

Suhrawardi beschreibt ein immaterielles Licht (vergl. Genesis 1:3) in dem nichts manifest ist. Dieses Licht entfaltet sich über mehrere Stufen hinab, bis es sich in den dichtesten und dunkelsten Formen der Materie erhärtet. Mit anderen Worten: in Suhrawardis Philosophie besteht das Universum mit all seinen Ebenen der Existenz, aus graduellen Schattierungen von Licht und Finsternis.
Außerdem unterteilte er die körperlichen Formen der irdischen und kosmischen Natur, gemäß ihres Vermögens und Unvermögens, göttliches Licht aufzunehmen. Für diejenigen Menschen die dieses Licht aufzunehmen vermochten, war es eine Inspirationsquelle der Erkenntnis.

Diese neue Art Einsichten zu gewinnen, ließen sich nur schwer mit den Lehren Avicennas vereinbaren. Suhrawardi war auf der Suche nach Antworten, die ihm aber niemand geben konnte! Doch eines Nachts erschien ihm im Traum Aristoteles, von dem er seine lang gesuchte Antwort bekam. Mit Hilfe dieser Traumvision schuf er die Grundlagen für seine Erkenntnistheorie der Erleuchtung. Er erkannte: nur durch die Zusammenführung von göttlich inspirierter Intuition und wissenschaftlich-philosophischer Werkzeuge der Vernunft (Aristoteles), kann spirituelles Wissen für jeden verständlich gemacht werden.

Hermetik als Inspirationsquelle der Wissenschaften

Der durch islamische Mystiker (Sufis) überlieferte Wissensschatz der Hermetik, übte großen Einfluss auf das im 17. Jhd. entstehende Rosenkreuzertum aus und bildete eine wichtige Inspirationsquelle für europäische Gelehrte. Unter ihnen befanden sich Persönlichkeiten wie Nikolaus Kopernikus, Johannes Kepler, Francis Bacon und Isaac Newton. Isaac Newton übersetzte einen der wohl bedeutendsten Texte der Hermetik ins Englische: die Tabula Smaragdina (Smaragdtafel).
Viele zeitgenössische Wissenschaftler verschließen gerne die Augen, wenn es um die okkultistisch-religiös geprägte Geschichte Isaac Newtons geht. Newton war nämlich ein streng gläubiger Mensch und außerdem jemand, der so "ketzerische Wissenschaften" wie Hermetik und Alchemie betrieb. Insbesondere im hermetischen Gedankengut fand er Wissen, das seinen Zeitgenossen unzugänglich blieb. Ohne die Erkenntnisse die er aus dem Hermetismus gewann, hätte er höhere Bereiche der Wissenschaften, wie z. B. die Gravitationsgesetze oder die Gesetze der Optik, niemals erklommen.

Hermetisches Denken war im Zeitalter der Aufklärung für viele Naturwissenschaftler als Werkzeug unablässig. Die Beschreibungen der Natur hatte darum einen entsprechend hermetischen Sinngehalt.
Auch Nikolaus Kopernikus bediente sich hermetischen Vokabulars, um etwa sein heliozentrisches Weltsystem zu beschreiben:

Inmitten des Alls thront die Sonne. Wo sonst im Himmelstempel sollten wir das schöne Gestirn platzieren, damit es alles erleuchte auf seine Weise? Nicht ohne Grund wird sie die Leuchte, die Regentin, der Geist des Universums genannt. Hermes Trismegistos nannte sie den sichtbaren Gott - Elektra (in der Tragödie des Dichters Sophokles) die 'Allsehende'. Auf königlichen Thron sitzend, regiert sie Planeten die um sie kreisen.

Isaac Newton - ewigeweisheit.de

Isaac Newton - Übersetzer der Tabula Smaragdina

Der Stein der Weisen und das Elixier des Lebens

In der Hermetik werden die unsichtbaren Verbindungen der himmlischen Ebenen mit den irdischen Ebenen des Seins untersucht. Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen entwickeln Hermetiker Verfahren, um ihrerseits die verborgenen Verbindungen zwischen den Dingen, den Lebewesen oder den Seelen zu erkennen. So können Naturphänomene und die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Ebenen des Seins erkannt werden. Dies verstehend erzielt der Hermetiker seinen Einfluss auf die Natur. Hermetiker waren daher immer auch Alchemisten. Sie waren auf der Suche nach dem Stein der Weisen, dem "lapis philosophorum" oder "lapis exillis" (Gral) - einem magischen "Elixier des Lebens". Die Bereitung dieses Wundersteins ist aber nicht primär auf die Handhabung mit Substanzen im Außen ausgerichtet. Eher geht es um die allmähliche Vergeistigung eines physischen Körpers, was in drei Phasen erfolgt:

  1. Nigredo, die "Schwärzung" wird durch den Raben symbolisiert. Auf Seelenebene geht es um die Konfrontation mit dem Schattenselbst. Hinsichtlich der alchemistisch zu veredelnden Ausgangssubstanz, werden durch "Verwesung" (lat. putrefactio) verunreinigender Aspekte ausgeschieden.
  2. Albedo, die "Weißung" wo sich der symbolische Rabe in eine weiße Taube verwandelt. Hiermit beginnt die "Vergeistigung" der Ausgangssubstanz, die Reinigung von den Abfällen aus dem Nigredo-Prozess. Auf seelischer Ebene wird sich der Hermetiker jetzt seines gegengeschlechtlichen Anteils bewusst - das was C. G. Jung bei der Frau als Animus, beim Mann als Anima bezeichnet. Alte psychische Konzepte werden in der Albedo verworfen.
  3. Rubedo, die "Rötung" als Symbol für die Rose und das Blut, sowie die Farbe der Weisheit, signalisiert das Ende des Großen Werks (Opus Magnum). In C. G. Jungs Archetypenlehre entspricht die Rubedo dem Selbst in seiner Verschmelzung mit dem Ich (Ego): die "Rote Morgendämmerung des Erwachens". Der Stein der Weisen wurde gefunden.

Dieser Stein, auch "Roter Löwe" genannt, soll rubinfarbig leuchtend, durchsichtig und sehr schwer sein. Wer ihn gefunden hat, soll minderwertige Metalle in Gold transmutieren, Kranke gesund machen und ewige leben können!

Nikolas Flamel - ewigeweisheit.de

Der "Goldmacher" Nikolas Flamel

Quacksalber oder Goldmacher

Avicenna verwies in seinen Schriften auf die zentrale Bedeutung des Merkur (→ Planet Merkur, griech. Hermes), der ja mikrokosmisch dem Metall Quecksilber entspricht (→ Mercurius). Mercurius ist der Mittler zwischen Gott und der Welt, zwischen Himmlischem und Irdischem, zwischen Anfang und Ende.
Nicht zufällig ist dem Wochentag Mittwoch (zwischen Montag und Sonntag) der Planeten Merkur (zwischen Mond und Sonne, laut ptolemäischem Weltbild) zugeordnet!
Mit Hilfe der merkurialen Kräfte des Quecksilbers, soll laut Avicenna die Bereitung des sagenhaften Steins gelingen:

Quecksilber ist kalt und feucht. Mit ihm hat Gott alle Metalle geschaffen. Es ist luftig und wird flüchtig durchs Feuer. Und wenn es dieses Feuer einige Zeit ausgestanden hat, erreicht man mit ihm Wunderwerke.
Der lebendige Geist des Quecksilbers ist von beispielloser Kraft. Man nennt es auch das Weiße oder Rote Elixier - "Ewiges Wasser", das "Wasser des Lebens" oder die "Milch der Jungfrau". Wer immer es zu sich nimmt wird den Tod nicht schmecken (Hinweis: Quecksilber ist ein starkes Nervengift! Ein Widerspruch also? Oder ist hier von einem anderen Quecksilber die Rede?).
Um das weiße und das rote Elixier zu gewinnen, müssen zwei Körper vereinigt werden. Selbst wenn Gold das perfekteste und edelste aller Metalle ist, wird es aufgelöst und durch seine verborgene Hitze geistig und flüchtig wie das Quecksilber. Es ist die sagenhafte Tinktur, das rote Elixier, das auch der "heiße männliche Same" genannt wird. Hingegen hat das weiße Elixier einen kalten und trockenen Charakter. Es gleicht dem aufgelösten Silber und wird darum der "kalte weibliche Same" genannt. Im Stein (der Weisen) sind beide Elixiere vereinigt. Dieser Stein ist eine flüssige Wundermedizin.

Unsterbliche Alchemisten

Es bleibt letztendlich ungeklärt, welchen Personen es gelang den sagenhaften "Roten Löwen" zu finden. Die wohl bekannteste Legende rankt sich um den französischen Alchemisten Nikolas Flamel (1330-1418, offiziell). In einem Traum erschien ihm ein Engel der ihm Hinweise auf ein besonderes Buch gab, das er sich darauf hin für wenig Geld beschaffte. Er fand darin sieben allegorische Bilder, welche die Arbeitsschritte bei der Bereitung des Steins der Weisen enthüllten. Nach langen Nachforschungen traf er auf einer Rückreise von Santiago de Compostela (Spanien) einem Gelehrten namens Maître Canches. Dieser erkannte den jüdischen Ursprung der darin gezeigten Bilder. Er identifizierte sie als Bilder aus dem "Buch Abrahams des Juden". Mit Canches' Hilfe konnte Flamel diese magischen Bilder entschlüsseln:

  1. Calcinatio - die Operation des Feuers.
  2. Solutio - die Operation des Wassers.
  3. Coagulatio - die Operation der Erde.
  4. Sublimatio / Destillatio - die Operation der Luft.
  5. Putrefactio / Fermentatio - der Fäulungsvorgang durch Verwesung.
  6. Separatio - die Destillation, Sublimation und Verdunstung.
  7. Conjunctio - der Höhepunkt des Großen Werks (Opus Magnum).

Am 17. Januar 1382 soll Flamel gemeinsam mit seiner Frau erstmals die Herstellung von Silber aus Quecksilber gelungen sein. Am 25. April desselben Jahres, gelang ihnen dann die Transmutation auf Gold!
Mit Hilfe des sagenhaften Buches, fanden Nikolas Flamel und seine Frau schließlich das "Elixier des ewigen Lebens". Einer Legende zu Folge begegneten die Flamels noch im 18. Jhd. (mehr als 400 Jahre alt!) Leuten in der Türkei. Manche Legenden behaupten sogar, Nikolas Flamel sei einstiger Großmeister der Prieuré de Sion gewesen. In diesem Zuge versuchen ihn Verschwörungstheoretiker auch mit dem Geheimnis von Rennes-le-Chateau und dem verborgenen Schatz der Katharer in Verbindung zu bringen.

Ebenso kursieren Gerüchte über den mysteriösen Graf von Saint-Germain (1710-1784, offiziell) der ebenfalls Unsterblichkeit erlangt haben soll. Der Legende nach soll er als unbekannter, "Ewiger Wanderer" noch weit bis ins 19. Jhd. in Europa gesehen worden sein.
Saint-Germain verzauberte mit seinem magischen Violinspiel seine Zuhörer auf Bühnen in England. In Italien kannte man ihn als fabelhaften Bildhauer, in Deutschland wiederum bewunderte man ihn als genialen Chemiker. Besonders aber in Frankreich kursierten verschiedene Gerüchte über Saint-Germain. Es heißt, er pflegte innige Verbindungen zum französischen Königshaus. König Ludwig XV. und seine Mätresse Madame de Pompadour, behandelten ihn als äußerst respektablen Zeitgenossen. Ludwig hielt ihn für eine Person edelster Abstammung. Er glaubte Saint-Germain kenne das Geheimnis der Transmutation von Metallen in Gold. Doch viele hielten ihn für einen Betrüger und Hochstapler. Die pariser Polizei suchte nach Beweisen, die zeigen sollten, dass Saint-Germain auf ungesetzliche Weise zu seinem Reichtum kam. Doch leider versagte der Versuch irgendeine normale Quelle für seinen Wohlstand ermitteln zu können. Eine andere Legende erzählt, dass eine 45-jährigen Edeldame ein Fläschchen von Saint-Germain bekam. Diese enthielt ein Wunderelixier das die Frau auf einen Zug austrank. Niemand erkannte sie danach, denn sie verjüngte sich, ohne es selbst zu merken, in eine sechzehn jähriges Mädchen!

Graf von St. Germain - ewigeweisheit.de

Der unsterbliche Graf von Saint-Germain

Hermetik, Naturwissenschaft und die Industrielle Revolution

Durch die Erkenntnisse aus der Hermetik gelang die Herauslösung wissenschaftlicher Bestrebungen aus den Zwängen kirchlicher Dogmatik und Glaubensnormen. Damit sich aber die Formen der Wissenschaften weiter kristallisieren konnten, mussten bestimmte hermetische Gesetze erneut verworfen werden. Nur so konnte eine letztendliche Trennung vom Kirchenglauben erfolgen. Der alte Wunsch nach Erleuchtung musste wissenschaftlichem Forschen weichen.
Als Offenbarungslehre diente die Hermetik also der Trennung von Wissen und Glauben - blieb aber gleichzeitig als Bindeglied zwischen diesen beiden Haltungen menschlichen Intellekts erhalten.

Mit der Wissenschaftlichen Revolution gegen Ende des 18. Jhd., kam es zur eigentlichen Trennung von Astrologie und Astronomie, von Alchemie und Chemie, von Hermetik und Naturwissenschaft. Ansichten über die Natur wurden immer mehr in einem mechanistischen Weltbild untergebracht.
1776 wurde die erste einsatzfähige Dampfmaschine nach dem Prinzip von James Watt in England installiert; das war die Geburt des industriellen Zeitalters. Durch die Einführung quantitativer Messmethoden in der Chemie durch den Franzosen Antoine de Lavoisier, wurden materielle Weltanschauung gefestigt. Man wollte nun mit Vernunft und Logik nach wahrem Wissen streben und sich so, ein für alle mal von Religion und Spiritualität trennen.
Gleichzeitig veränderten sich Ende des 18. Jhd. auch die politischen Verhältnisse in der westlichen Welt. Die Macht der Monarchien begann zu schwinden. Geheimgesellschaften wie z. B. der Illuminaten-Orden (gegründet 1776 von Adam Weishaupt in Ingolstadt) gewannen an Einfluss. Amerika deklarierte 1776 seine Unabhängigkeit vom britischen Königshaus und mit der Französischen Revolution von 1789, begann die Zerschlagung des absolutistischen Machtapperats der Monarchie in Frankreich.

Ganzheitliche Wissenschaft im 21. Jahrhundert

Bis Anfang des 20. Jhd. versuchten Wissenschaftler alles Wahrnehmbare mit dem Tatsächlichen gleichzusetzen. Das heißt, wenn man Naturerscheinungen erforschte, glaubte man im Beobachten dieser Erscheinungen, ihre charakteristische Wesensart zu erkennen. Wenn z. B. ein Stern an einer bestimmten Position strahlte, so hielt man diese Position auch für seinen tatsächlichen Aufenthaltsort am Himmel. Doch wie man heute weiß, krümmen schwere Sterne die Raumzeit. Die Positionen vieler Sterne sind darum von der Erde aus betrachtet verschoben. Diese, durch Albert Einsteins Relativitätstheorie vorausgesagte Raumkrümmung, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts durch Arthur Eddington bestätigt. Am 28. Mai 1919 ereignete sich eine totale Sonnenfinsternis. Um den Rand der Finsternis konnte Eddington Sterne fotografieren, die sich eigentlich hätten hinter der Sonne befinden müssen. Durch die große Masse aber, krümmte die Sonne die Raumzeit so, dass sich der Lichtstrahl des Sterns auf einer gebogenen Linien um die Sonne herumbewegte und so gesehen werden konnte.

John Dalton's neues System der chemischen Philosophie - ewigeweisheit.de

John Dalton's "Neues System der Chemischen Philosophie"

Auch die Atomphysik sollte im 20. Jhd. eine Revolution erfahren. Mehr als 2.500 Jahre lang glaubte man, dass Atome unteilbar seien. Doch 1911 entdeckte Ernest Rutherford (1871-1937), dass sich Atome aus einem "festen" Kern und einer "durchlässigen" Hülle zusammensetzen. Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts sollte sich außerdem zeigen, dass die materielle Welt des Mikrokosmos in Wirklichkeit überhaupt nichts Festes enthält!
In den Atomkernen erkannte man noch kleinere Bausteine: die Nukleonen (Protonen und Neutronen). Das Modell einer "Atomhülle" aus Elektronen, wurde zu einem wolkenartigen Orbitalmodell aus "Wahrscheinlichkeitsräumen" erweitert, in dem sich die Elektronen eines Atoms aufhalten können.
Die Nukleonen wiederum setzten sich aus sogenannten Quarks zusammen, Quarks und Elektronen aus den noch kleineren T- und V-Rishons. Neuere Theorien der Quantenphysik sprechen gar von kneuelartigen, mitunter chaotischen Strukturen (sogentannte "Strings"), aus denen diese Quarks zusammengesetzt sind.

Das Alte auflösen um darin das Neue zu verbinden

Im 20. Jhd. sollten die Erkenntnisse aus der Relativitätstheorie und der Quantenphysik, alte physikalische Denkgebäude endgültig zum einstürzen bringen. Materie und Energie waren nicht etwa mehr verschiedene physikalische Zustände, sondern in bestimmten Fällen ein und das Selbe!

Albert Einstein - ewigeweisheit.de

E = m · c² – Energie ist Masse mal Lichtgeschwindigkeit im Quadrat

Astrophysiker fanden "Schwarze Löcher", deren Schwerkraft so stark war, dass sie eintretendes Licht anscheinend "verschluckten", während in ihrer Nähe die Zeit stehenblieb. Das sind wissenschaftliche Tatsachen, die den menschlichen Verstand bei weitem übersteigen. Auch Experimente im subatomaren Bereich liefern je nach Art der Beobachtung immer andere Ergebnisse. Kurz: man sieht das alles relativ ist - der Betrachter bestimmt den Ausgang eines materiellen Experiments.

Je weiter also unser Blick in den Makrokosmos abschweift und je genauer wir in die Feinheiten des Mikrokosmos zu spähen versuchen, desto mehr verliert menschliche Vernunft an Bedeutung.
​Beobachter und Beobachtetes sind untrennbar miteinander verbunden - das was untersucht wird ist eine Reflexion des Untersuchenden. Was im Universum vor sich geht, das geschieht ebenso in seinem Innern.

Wenn sich der Mensch von alten Vorstellungen löst, um neue Erkenntnisse zu gewinnen, so sollte er dennoch das überlieferte Wissen nicht vollständig verwerfen. Wir erinnern uns an den Traum des Suhrawardi!
Eines der Ziele der Hermetik war immer, bestehendes aufzulösen und darin neue Erkenntnisse zu verbinden. Darum lautet eines der wichtigsten Axiome der Hermetik:

Solve et Coagula

Diese Formel beschreibt den Prozess der Trennen oder Auflösung (Solve) eines Zustandes und das anschließende Zusammenfügen (Coagula) seiner Komponenten, was zur Erhöhung seines Ausgangszustandes führt.
Fortschritt im Denken der Menschen ist also nur durch ein kontinuierliches Trennen von alten Vorstellungen und einem Verbinden mit neuen Vorstellungen möglich.
Mündlich überlieferte Weisheiten aus dem altägyptischen Paganismus, kristallisierten sich während des jüdischen Exodus im Sinai zu einer Buchreligion. Als sich diese Form der Überlieferung im christlichen Mittelalter verhärteten, kam es schließlich zur Herauslösung wissenschaftlichen Denkens. So konnten sich unabhängig voneinander Intellekt und Spiritualität weiterentwickeln und sich gewissermaßen in einem Opus Magnum der Menschheit, getrennt voneinander zu ihrer höchsten Form veredeln - exoterisch und esoterisch.

Dieses Streben führte auf getrennten Wegen durch die Welt der Erkenntnisse. Im aufdämmernden aquarianischen Zeitalter des 21. Jahrhunderts, werden diese Wege sich aber immer häufiger kreuzen und schließlich wieder zu einem gemeinsamen Weg zusammenlaufen - einem Weg der die Menschheit zurückführt zur Einheit im Göttlichen.

[...] mit dem Vermögen die Wunderwerke eines einigen Dinges zu vollbringen.

- Tabula Smaragdina

Dieser Artikel ist außerdem erschienen in der Zeitschrift Adyar der Theosophischen Gesellschaft, 71. Jahrgang, Heft 2, Juni 2016

Verwendetes Titelbild: Holzstich "Wanderer am Weltenrand" von Nicolas Camille Flammarion (1842-1925).

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