Was ist Christliche Hermetik?

Nur für jene unter uns, die offen für das Verborgene sind, ist das, was mit Hermetik gemeint ist, auch klar erkennbar. Einen »bequemen« Zugang dazu jedoch gibt es nicht. Man muss zur wahren Natur dieser esoterischen Wissenschaft wirklich vordringen wollen.

Unsere heutige, wissenschaftliche Geschichtsschreibung weiß nicht viel über die Anfänge der Hermetik. Ihre Wurzeln aber reichen tief in die Urgeschichte Alt-Ägyptens zurück.

Im Zentrum dieser Geheimwissenschaft steht das »Corpus Hermeticum«: Das ist eine Sammlung von Traktaten, in denen man liest über die Entstehung der Welt, die Gestalt des Kosmos sowie über das Wesen der Weisheit des Menschen (Philosophie) und der Weisheit des Göttlichen (Theosophie). Als Verfasser dieses einmaligen Schriftwerks gilt seit der Antike der Universalgelehrte und Eingeweihte Hermes Trismegistos. Für die alten Griechen bestand zwischen ihm und dem ägyptischen Gott Thot eine enge Verwandtschaft.

Hermes nun lehrte, dass jeder Mensch, der die Absichten der Geistigen Welt erkenne und danach arbeite, sich dazu befähige, sich nach seinem Tod zu vereinen mit den darin wirkenden Kräften. So etwa beschrieb das Wesen der Hermetischen Lehre, der Begründer der Anthroposophie Rudolf Steiner (1861-1925) in seinem Buch »Die Geheimwissenschaft im Umriss«. Wie er darin beschreibt, erlangt ein Mensch Erkenntnisse aus der Geistigen Welt, wenn sich seine Seele den Impulsen eines »Oben« hin öffnet, sich ihnen entsprechend angleicht und seine Seele damit eine Form annimmt, in der sie sich mit der Geistigen Welt verbindet. Einst hatte eine natürliche Verbindung der menschlichen Seele mit der Geistigen Welt bestanden. Doch mit dem sogenannten »Sündenfall« zerriss diese Verbindung.

Hermes Trismegistos versuchte durch sein Schriftwerk nun diese Trennung von Mensch, Gott und den zwischen ihnen wirkenden merkurialen Kräfte wieder herzustellen (Merkur ist der römische Name für den Gott Hermes). Das heißt also, jenes bereits angedeutete »Oben« mit dem menschlichen »Unten« wieder zu verbinden: Darin lag die Erkenntnis einer analogen Verbindung dieser beiden Welten zueinander – der Menschenwelt und der Gotteswelt.

Solarer Christus

Im Mittelpunkt der hermetischen Schriften steht die sogenannte »Tabula Smaradina«: Die Smaragdene Tafel des Hermes Trismegistos. Darin lesen wir im zweiten Vers:

Wie oben so unten, wie unten so oben, um zu vollbringen die Wunderwerke eines einigen Dinges.

Um die genannte Wiederherstellung dieser heiligen, merkurialen Verbindung zu erlangen, muss nun ein Schüler der Hermetik seine spirituellen Kräfte, als Denken, Fühlen und Wollen, auf der Erde (dem Unten) reinigen und vervollkommnen. Nach seinem physischen Tod steigen diese Kräfte auf, um sich mit der zentralen Verkörperung des Göttlichen vereinen zu können. Dafür steht in der hermetischen Lehre das Wesen der Sonne. Sie ist der Vater jenes zitierten »einigen Dinges« (siehe oben) und bildet damit dessen inneren Ursprung.

Während der Ereignisse der Zeitenwende nun, stieg dieses »Solare Wesen« aus der Sonnenwelt herab, verband sich mit der Erde, um damit in ihr wirksam zu werden. Dieses Ereignis ging einher mit dem Erscheinen des Christus Jesus, der, laut christlicher Lehre geistig unter uns lebt. Er bildet die vollkommenste und lebendigste Entsprechung dieses »Oben und Unten«, wonach sich die Seele eines Menschen zu Lebzeiten hin angleichen kann, um an ihrer Vereinigung mit dem erhabenen »Sonnenwesen« zu arbeiten. Daher ist es das Ziel christlicher Hermetik, hier auf der Erde eine lebendige Beziehung zu einer geheimen, inspirierenden Gemeinschaft aufzubauen, die um das Zentrum dieses Ich-bin-Wesens eines solaren Christus wirksam ist.

Symbole astralen Lichts

Aus den Lehren der christlichen Hermetik strömt eine lebendige Weisheit. Sie rührt den Schüler dazu an, dem Weg dieser Weisheitslehre auf eine Weise zu folgen, die ihn zu einem erlebten Wissen führt. Was er hierfür braucht ist Glaube, ist wahre Spiritualität. Über diesen Weg nämlich findet er in sich zu einem verborgenen Lichttempel, worin er für die spirituellen Eingebungen des christlichen Sonnenwesens empfänglich wird. In diesem Erleben erfährt er etwas, dass weit über intellektuelle Erkenntnisse hinausgeht und darum kaum durch Worte beschrieben werden kann. Als Lernender nämlich erfährt der Geistesschüler dabei eine höhere Schulung seiner Intuition.

Intuition ist in der christlichen Hermetik sehr wichtig. Es geht da nämlich um ein Einlassen auf symbolische Darstellungen, über die ein Betrachter meditiert, was sein Handeln entsprechend inspiriert. In der esoterischen Tradition finden sich solcherart Symbole etwa in den archaischen Bildern der Großen Arkana des Tarot. Aus ihnen lassen sich geistige Übungen ableiten, durch die ein Mensch dazu befähigt wird einzutauchen, in den lebendigen Strom der hermetischen Tradition.

In den uralten Überlieferungen des Hermes Trismegistos wirkt auch in diesem Augenblick die Gemeinschaft aller spiritueller Wesenheiten, die seit jeher in den 22 Großen Arkana des Tarot als Wegweiser dienen und die den Geistesschüler direkt an die Quellen der hermetischen Weisheit führen. Weder muss er dazu ihre genaue Bedeutung kennen, noch durch sie vermitteltes Wissen erlernen. Es sind vielmehr direkt erfahrene Eindrücke, die einer in kontemplativer Betrachtung ihrer Symbole empfängt. Die Symbole der Tarot-Geheimnisse sind darum weniger Werkzeuge für die Art wie der Schüler denkt, als sie eher eine geistige Lehre vermitteln, zu der sich ein Mensch bekannt hat.

So wie der sternenkundige Eingeweihte sich den Lichtern der nächtlichen Himmelskonstellationen zuwendet, damit sich ihm ihre Geheimnisse offenbaren, entsprechend öffnet sich ein Mensch innerlich diesen Symbolen des Tarot. Dabei wird die Verbindung zwischen seiner Seele und den Ereignissen in seinem Leben hergestellt und lassen sich von ihm damit erkennen. Zwischen dem Astralen und dem Physischen ermöglicht eine ätherische, von Bewusstsein durchdrungene Welt das hermetische »Wie oben, so unten«. Hierdurch erkennt der zum Sehen Erwachte die Ereignisse seines Lebens in einem kosmischen Gesamtzusammenhang.

In diesem Vorgang bildet sich das, was die Hermetik den »solaren Astralleib« nennt – den oben genannten inneren Lichttempel. Das jedoch ist allein dann möglich, wenn der Geistesschüler sich den Lektionen seines äußeren Lebens nicht verwehrt, sondern sich den Herausforderungen in seinem Leben stellt. Erst damit nämlich findet er, in ein von der Sonne bestrahltes ätherisches Leben. Das ermöglicht ihm eine neue, innere Orientierung, in Richtung eines unmittelbar und deutlichen Erfahrens seines irdischen Daseins – als wahrer Mensch.

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