Rembrandt: Alter Gelehrter beim Studium - ewigeweisheit.de

Was ist die Kabbala?

Wer schon einmal das Wort Kabbala gehört hat, kam damit vielleicht in Berührung, als er von den jüdischen Gelehrten im mittelalterlichen Europa hörte: In Schwarz gewandete Rabbiner mit langen weißen Bärten, deren freundliche Augen unter Hutkrempen hervorfunkeln.

In den Legenden über die Kenner der alten Geheimlehre der Kabbala, erfuhr man auch von Magiern, die da in ihren kleinen Studierstuben, im gold-orangenen Licht einer Menora sitzend, in leichtem Wippen die Tora studierten.

Kann sein, dass es gerade Mitte Dezember war, irgendwo in den Gassen Krakaus oder Prags, während einer in seinem kleinen Häuschen vor sich in einem Buch über die Kabbala las, ob seines Inhalts eine Vision erfuhr, als er dabei womöglich einen heiligen Vers murmelte. Die Kerzenflammen der Menora zuckten, draußen breiteten sich graue Nebelschwaden aus, während im Geiste dieses Rabbi sich Raum und Zeit ins Unendliche weiteten, ausgedehnt durch gewaltige, magische Namen des Schem Hamephorasch. Da huschte sodann etwas Schattenhaftes, in der Morgendämmerung an Häuserwänden entlang.

Dieser Rabbi stand vielleicht in der Linie unzähliger Weiser die ihm vorausgingen, bei der geistigen Vollendung eines riesigen Schriftwerks, auf das sich die Lehren der Kabbala an unzähligen Stellen beziehen. Der Name eines Meisters seiner Tradition, schwebte vor ihm da im dunklen Raum, in hebräischen Lettern vorgestellt, womöglich einer der Nachfahren des Propheten Abraham. Vielleicht stand in dieser Ahnenreihe seiner Lehrer auch der große Schimon ben Jochai, der Autor des für die Kabbala so wichtigen Sohar, dem Buch des Strahlenden Glanzes. Sich daran erinnernd, beginnt seine Vision allmählich zu verschwimmen.

Anstelle dessen scheint vor seinem inneren Auge ein Dämmerschein gebildet aus heiligen Namen, die sich zu einer symbolischen Figur verdichten, aus der da plötzlich die zehn Strahlen der heiligen Sefiroth hervorscheinen, worin Name um Name kreisend, zaubervoll erglühen.

In der Vorstellung des Kabbala-Meisters werden aus diesen leuchtenden Elementen Formen und aus diesen Formen Seelen, die sich schließlich in Körper kleiden. Aus einem Licht der Ewigkeit erschienen sie im Geiste des Rabbis und strömten wieder zurück ins unbegreiflich Göttliche. Da verstummte der alte Weise, die Lichter der Menora verlöschten, und friedlich ruhte der alte Herr der heiligen Namen in seinem hölzernen Lehnstuhl, während die ersten roten Sonnenstrahlen sich in einer Weichsel oder einer Moldau reflektierten.

Womöglich saß er dann am nächsten Nachmittag, umgeben von auserwählten Schülern, denen er seine geschauten Geheimnisse enthüllte, während sein alter Zeigefinger vor ihnen deutete, auf einen Vers in der großen, aufgerollten Tora. Dabei wohl führte er sie ein, in das Wesen und Werden des Seins, in den Sinn des Lebens und die Tiefen göttlicher Wahrheit.

Begegnete man jenem Ehrwürdigen aber auf den Gassen der Stadt, sprach er da wohl zu den Gläubigen mancherlei gutes Wort, womit dieser sein Leben zu bessern vermochte. Je mehr er verständigen Menschen begegnete, desto höher erhob sich seine Weisheit.

Wenn nun diese kleine Phantasiegeschichte bestimmt ganz gut trifft, was ein alter Weiser der jüdischen Geheimtradition einst war, dürfte wohl damit auch genügend Vorstellung entstanden sein darüber, was wohl das Wesen der mystischen Kabbala ist. Vielleicht sogar ist Manchem da gelegen, noch mehr darüber erfahren zu wollen.

Vom Empfangen einer heiligen Weisheitslehre

Es ist eben so, das die einsamen Pfade der Mystik seit alter Zeit Menschen angezogen hat, die angetan waren von hohen Geistesdingen. Auch wenn da jeder seine individuelle Art hat, ist sein Geist doch auf ein ähnliches Ziel gerichtet: Er sucht nach dem Einen, nach etwas Geistig-Göttlichem in dem er alles hat!

Da verdienen die Weisheiten der Kabbala nicht allein beim Mystiker Beachtung, sondern bei jedem Gebildeten. Und darunter waren im Wandel der Zeit immer auch Menschen, die an der Entwicklung einer bewussten Geistigkeit Interesse hatten. Dabei ist nicht auszuschließen das wiederum manche unter solchen vermuten, dass die Gedankengänge der Kabbala womöglich tiefer gehen, als die der meisten anderen Weisheitslehren.

In älterer Zeit der jüdischen Geschichte jedoch, besonders im ursprünglichen Mosaismus, waren solch mystische Spekulationen wie man sie in der Kabbala praktiziert, fremd. Man kann darum sagen, dass die Entwicklung der Kabbala, als mündlich überlieferte Lehre, erst im Mittelalter begann und sich zu dem entwickelte, als was man sie heute studiert. Ihre Gelehrten bezogen sich stets auf die Weisen ferner Vergangenheit (insbesondere biblische Propheten), zumindest aber auf solche, wie einen Rabbi Nechunjah ben Hakana (um 75 n. Chr.), Rabbi Ischmael ben Elisa (um 130 n. Chr.) oder auf den oben genannten Rabbi Schimon ben Jochai (um 150 n. Chr.).

Der Name »Kabbala« wird erst seit dem 13. Jahrhundert verwendet. Er steht dabei für die Überlieferung, im Sinne des Empfangens einer Lehre, die sich aus den uralten Weisheitstraditionen des Tanach zu dem verdichtete, was heute zum Inbegriff der mystischen Lehren innerhalb des Judentums wurde – sowohl für darin praktizierte Spekulationen über Theosophie und Metaphysik, wie auch die Beschäftigung mit Naturphilosophie und Magie.

 

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