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Ibn Arabi und die Beschreibung des Unbeschreiblichen

Wenn es wirklich Gottes Wille war, diese Welt zu erschaffen, scheinen sich er und sein Wille zu unterscheiden. Denn wie lässt sich ein erhabener, vollkommener Gott der Einheit in Einklang bringen mit einer Schöpfung, aus der ein Universum der Vielheit und Unvollkommenheiten entstand? Solche Fragen zu beantworten galt immer auch muslimischen Philosophen als große Herausforderung.

Denn was für die Schöpfung des Kosmos gilt, das gilt ebenso für die Pole göttlichen Wirkens, wo Gott ja mal als gnädiger, helfender und gerechter Gott oder aber als strafender, strenger oder offenbar ungerechter Gott erscheint.

Vorausgesetzt nun, Gott ist die absolute, universale Einheit, so kann seine Schöpfung des Universums, nur ein Teil seiner Vollkommenheit sein. Doch laut der heiligen Schriften, war vor Gott nichts gewesen und auch gegenwärtig existiert nichts neben ihm.

Damit ist der erschaffene Kosmos also (nur) ein Teil Gottes. Er nahm seine Schöpfung aus der Ewigkeit und setzte sie in die Zeit. Gott selbst aber existierte immer jenseits von Raum, Zeit und Materie. Und genau diese drei weltlichen Größen unterscheiden die Schöpfung von ihm als Schöpfer.

Eine wichtige Frage bleibt aber weiter unbeantwortet: Wie kann ein Gott absoluter Perfektion und ungeteilter Einheit, ein Universum schaffen, in dem Chaos und Unvollkommenheit existieren? Zu dieser Frage sollen im Folgenden Lösungen gegeben werden.

Zwischen Glaube und Philosophie

Das Problem eines Warum, beschäftigte natürlich schon in vorislamischer Zeit die Philosophen der westlichen Traditionen – allen voran wohl jene Griechen wie Aristoteles, Philo von Alexandria oder Plotinus. Doch auch wenn diese alten Weisen, in der islamischen Philosophie von Bedeutung waren, fanden solche Denker wie der Sufi Muhyiddin Ibn Arabi (1165-1240), später ihre eigenen Wege zur Wahrheit. Ihm galt es die Erkenntnisse seiner spirituellen Vorfahren, in Einklang zu bringen mit den Lehren des Koran.

Dies nun gelang Ibn Arabi auf ganz wunderbare Weise. Allerdings dürfte ihm die anscheinende Widersprüchlichkeit zu schaffen gemacht haben, die sich im Gesamtkontext aus den Aussagen des Korans und einer vernunftbasierten Rechtfertigung, rein philosophisch-logischer Aussagen ergibt. Der Haken aber wurzelt eigentlich in diesem Konflikt.

Als Ausgangspunkt sollen zunächst die Aussagen des Koran, als spirituelle Wahrheiten vorausgesetzt werden dürfen. Wer sich dann mit den Dimensionen der Wahrheit auseinandersetzt, worin aber alle materielle Existenz nur ein Teil der Einheit und des Ganzen ist, doch nicht damit identisch, dem hilft auch Logik nicht weiter. Sie nämlich bezöge sich doch immer nur auf die raumzeitliche, substanzielle Welt.

Was einem damit übrig bleibt, ist entweder die Wahrheiten der Mystik zu akzeptieren oder sie vollständig zu verwerfen. Aristotelische Logik auf jeden Fall hilft da nicht weiter, da sie sich immer aus der Vorstellung eines Universums der Existenzen und der Mengen beziehen würde. Zwar ließen sich damit all die vielfältigen Ableitungen erörtern, wo aus einer Urmaterie als Ausgangspunkt, sich alle manifestierte Materie ergibt – wo sich aus etwas Maßgeblichem also wieder Maßgebliches ableiten lässt. Doch ohne eine Menge gibt es auch kein Maß und ohne Maß keine Logik.

Mystik aber stellt keine Fragen über Logik, Qualität oder Quantität des Existierenden. Statt dessen versucht sie den Sucher auf Wege zu bringen, die ihn zur »Ersten Ursache« geleiten und ihn zu Gott führen, jenseits von Raum, Zeit und Menge.

Vorherbestimmung und Zufall

Die Probleme, mit denen sich die alten islamischen Philosophen konfrontiert sahen, stehen also jenseits dessen was Aristoteles in seiner Logik zu vermitteln bereit war. Es bedarf eines eher spirituellen Wahrnehmungsapparats. Was Sufis wie Ibn Arabi vermochten, war die Realität in Form von Visionen, als direkte Realitäten wahrzunehmen – jenseits aller intellektuellen Einflüsse. Das etwa ist vor Allem die Erfahrung des Zufalls. Man sollte nicht versuchen, ihn logisch einzuordnen, sondern ihn als eine Wegmarke zu wahrer Erkenntnis verstehen. Die Fügungen des Schicksals erklären zu wollen, basiert auf dem Irrtum, das, was wir in unserem Wunsch nach logischer Schlussfolgerung erfüllt sehen wollen, auch tatsächlich erklären können. Eine solche Feststellung etwa, wäre die Aussage »Es gibt keine Zufälle«. So aber würde man das Schicksalhafte an sich bewerten. Vielmehr gilt es, einen besonderen Zufall im eigenen Leben, eben nicht intellektuell einordnen zu wollen. Es gilt ihn eben nicht zu bewerten, sondern die dabei gemachte, direkte Erfahrung, als Vision zu erkennen und also solche zu einem Wegweiser werden zu lassen, auf der Suche nach den Quellen der Inspirtation.

Sein ist alles – außer das Nicht-Sein

Auch wenn Ibn Arabi zur Erklärung seiner Mystik philosophische Systeme verwandte, war er nicht wirklich Philosoph, sondern eben ein Sufi, der auch die Fähigkeiten eines Sehers besaß.

Und doch beschrieb man seine Weisheitslehre immer als pantheistische Philosophie, wonach Gott in allen Dingen der Welt existiert und auch mit ihnen identisch ist. Darum lag Ibn Arabi auch so viel daran, die eigentliche Ungeteiltheit Gottes und seiner Schöpfung zu beweisen. Er versuchte die oben gestellte Frage, ob ein Gott der Einheit gegenüber seiner Schöpfung, im Konzept einer Dualität gesehen werden muss, oder ob in direkter Vision, diese rein philosophische Frage beantwortet werden kann, beziehungsweise sich erübrigt. Die Antwort auf die Fragen ob es eine Dualität gibt von Gut und Böse oder von göttlicher Allmacht und menschlichem Freien Willen gibt, genügte ihm einfach nicht.

Im Koran finden wir die Grundaussage, dass es nur einen Gott gibt, während Ibn Arabi insbesondere hervorhebt, dass es nichts als Gott gibt. Damit richtet er sein Augenmerk weg von dem einigen Gott, der das Universum erschuf, hin zu einem Gott der Alles und in Allem ist. Weniger lag Ibn Arabi aber daran zu zeigen, dass was Gott aus sich erschaffen hat und worin er fortbesteht, oder ob er irgendwann wieder in seine Einheit zurückkehrt. Er sprach nicht über einen aktiv schaffenden Gott, der nach seiner Schöpfung fortexistierte, sondern vielmehr davon, dass sich Gott in einer unendlichen Vielfalt, bis zu diesem Augenblick und für alle Ewigkeit in Formen manifestiert. Gott als Schöpfer ist damit nicht von seiner Schöpfung getrennt, sondern er selbst ist diese Schöpfung.

Man denke an einen Werkmeister: mit seinen Händen formt er etwas, dass aber nicht mit ihm identisch ist. Das Geschaffene ist damit etwas vom Schaffenden Getrenntes. Wenn Gott in seiner geformten Schöpfung aber nicht ebenso schafft, sondern sich in den Formen seiner Schöpfung manifestiert, lässt er letztendlich dem Gläubigen die Wahlfreiheit, welche dieser manifestierten Formen Gottes er akzeptiert oder ablehnt.

Der Mensch in Gott

Ibn Arabi unterscheidet also zwischen einem endlichen, religiösen Gott, der die Welt erschuf, und einem unendlichen, mystischen Gott, der sich selbst zur Welt formte. Ersterer gibt sich in den verschiedenen Sichtweisen der Religionen zu erkennen. Und damit liegt es am Gläubigen, welche Religion er gemäß seines Fassungsvermögens zu begreifen und anzunehmen vermag.

Allein durch die Entwicklung seines mystischen Herzens, vermag ein Sufi allem gegenüber empfänglich zu sein. Der Gott des Sufi beinhaltet damit alle Religionen, denn er ist auch fähig, sich zu erheben, über die Gegensätze von Gut und Böse, über die Widersprüche von Tugend und Sünde.

Für Ibn Arabi stand Gott ganz und gar jenseits aller Moralvorstellungen. Sein »Mystischer Gott« war weder muslimisch, noch christlich, noch war er Hindu oder Jude, noch sonst ein Wesen aus heidnischer Vorzeit.

Mein Herz vermag alle Formen zu empfangen,
Ein Mönchskloster, ein Gotteshaus der Götzen,
Wo Gazellen weiden, die Kaaba-Pilger,
Die Tafeln der Tora, der Koran.
Mein Glauben hält sich an der Liebe fest: Wohin auch immer
Seine Kamele ziehen, bleibt mir der eine feste Glaube

– Aus dem Tarjumanu Al-Ashwaq

Gott ist die Essenz allen Seins. Damit der Mensch selbst ist, braucht er Gott. Diese essentielle Realität des Göttlichen ist für Ibn Arabi Reinheit, ganz und gar ohne Eigenschaften. Erst in seiner Manifestation, wird dieses reine Sein mit Eigenschaften ausgestattet. Und sie sind es, die auch identisch sind mit Gott – etwas, dass für einen materialistisch-rational denkenden Mensch jedoch bedeutungslos bleibt. Für einen Gläubigen hingegen basiert alles das existiert, auf den Eigenschaften göttlicher Absolutheit.

Gott aber, der sich selbst kennt, kennt auch alle Dinge die in seinem Sein existieren. Einziger Unterschied ist, dass Gott weiß, dass er nicht identisch ist mit seiner Schöpfung. Sie ist vielmehr ein Produkt seiner eigenen Erkenntnis.

Beim Menschen bewegt sich diese Erkenntnis in einer Dualität, zwischen Erschaffer und seinem Erschaffenen. Das aber gilt nicht für Gott. Was er als für ihn bekannten, erschaffenen Gegenstand (Objekt) erkennt, ist das Selbe wie das ihm Zugrundeliegende (Subjekt). Denn die Essenz des Göttlichen vereinigt in sich sowohl denjenigen der erkennt, das Erkannte und den Akt des Erkennens. Gott steht damit für die vollkommene Einheit von Subjekt (der Ursache), Objekt (der Wirkung) und dem Verhältnis der beiden zueinander.

Die göttliche Schöpfung

Laut Ibn Arabi befindet sich die Welt in einem ununterbrochenen Prozess des Werdens – einem ewigen Erschaffen und Auslöschen. Das sind die beiden Extreme, denen alles Sein im Kosmos unterliegt. Es entsteht, verändert sich und wenn es sich nicht mehr verändert, stirbt es schließlich. Alles was ist, wird und verschwindet wieder. So wird auch der Kosmos (Ordnung) der sich verändert und sich letztlich wieder im Chaos (Unordnung) auflöst.

Genesis 1:2 entnehmen wir dazu Folgendes:

Und die Erde war wüst und leer

erinnern wir uns daran, dass mit dem im Folgevers zitierten

Es werde Licht!

das Sein, in seine neue Existenz kam.

Die Wirkungen dieses Seins aber, verändern sich von Augenblick zu Augenblick. Alles im Kosmos befindet sich in einem kontinuierlichen Werden. Auch der Mensch als Teil des Kosmos, kann niemals bleiben was er ist, sondern ununterbrochen verändert sich auch sein Leben. Das ist eine sehr tröstliche Tatsache, denn alles was existiert, wird irgendwann auch wieder verschwinden – was aber ebenso für unsere Probleme gilt.

Ibn Arabi wusste auch, dass Gott nicht jedes Ding im Universum selbst zu erschaffen braucht. Denn da für ihn Gott in Allem existierte, konnte sich alles selbst, als Teil der göttlichen Ordnung weiterentwickeln. Mit dieser Sichtweise wandte sich Ibn Arabi jedoch ab, von Vorstellungen die vor seiner Zeit, etwa durch den Sufi-Mystiker Al-Ghazali (1058-1111) vorausgesetzt wurden. Für den nämlich galt alles Geschaffene und sich Ereignende, als etwas, dass sich auf vollkommen neue Weise vollzieht, wo Gottes Wirken in jedem Augenblick zur Wirkung kommt.

Doch auch Ibn Arabi wusste, dass die Gesetze der Schöpfung und der Veränderung, jedem Ding zu Eigen ist – und das war für ihn nichts und niemand anderes, als Gott selbst. Die Frage die sich Ibn Arabi jedoch stellte, war, auf welche Weise sich die »Veranlagung zu Sein« letztendlich und als eigentliches Sein, in die Erscheinungswelt einordnen lässt?

Ibn Arabi unterschied bei dieser Fragestellung zwischen dem was wir oben als die »Göttliche Essenz« bezeichneten und den »Göttlichen Namen«, beziehungsweise den »Göttlichen Eigenschaften«. Letztere nämlich galten ihm als begrenzte Formen der »Göttlichen Essenz«, durch die sich jedoch die Erschaffung neuen Seins und neuer Seinszustände ereignet. Das mündliche Äußern eines der 99 Gottesnamen, führt zu der seiner Bedeutung nach entsprechenden Manifestation.

Alles aber entstammt immer jener Essenz des Göttlichen. Das göttliche Bewusstsein umfasst dabei alle Urformen der Intelligenz. Sie nennt Ibn Arabi die »Ayan«, was er mit dem alt-griechischen »Logos« gleichsetzt – etwas, dass in Johannes 1:1 das Wort Gottes bezeichnet:

Im Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott, ja das Wort war Gott.

Ibn Arabi galten die Ayan als »latente Realitäten«, die die substantielle Realität Gottes definieren, den Modus in dem Gott erschafft, erhält und wieder zerstört.

Aus dem Einen die Vielheit

Ibn Arabi setzt in seiner Lehre voraus, das zwischen Gott und seinen Geschöpfen ein besonderes Verhältnis besteht. Nicht aber bilden göttliche Essenz und geschaffene Substanz eine Dualität. Nur die eine Realität ist zulässig und sie ist göttlich, benannt im Namen Al-Haqq – die Wahrheit. Ganz gleich ob einer behauptete dass sich Gott selbst erkennt oder von seinen Geschöpfen erkannt wird: dieses Erkennen basiert immer auf einem einheitlichen, göttlichen Grund, der sich aus der göttlichen Essenz manifestiert.

Mit dieser Auffassung über das göttliche Sein, unterschied sich Ibn Arabis Lehre allerdings von dem, was andere Philosophien lehrten. Gott ist bei ihm nicht der Grund für die Entstehung der göttlichen Schöpfung, sondern die Essenz dessen, was in allem Geschaffenen enthalten ist. Wie oben bereits angedeutet, meisterte Gott seine Schöpfung nicht aus dem Jenseits, sondern nahm erst in ihrer Entstehung alle Formen der Erscheinungswelt an.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet, ist die Realität abhängig vom Betrachter. Wir als Menschen sehen immer nur einen Teil und niemals alles auf einmal. Real ist für uns das, was wir an der Oberfläche ablesen. Und doch ähnelt sich damit auch unsere Wahrnehmung mit der göttlichen Wahrnehmung. Denn in den Dingen die uns umgeben, sollten, zumindest aber könnten wir uns stets selbst erkennen. Was sich uns in unserer Realität darbietet sind Dinge, die auch in uns selbst vorhanden sind. Ganz gleich wie absurd einem diese Behauptung auch vorkommen mag, wäre es vielleicht trotzdem angebracht, im gegenwärtigen Zeitpunkt, die Welt einmal aus dieser Perspektive anzusehen.

Für Ibn Arabi stehen Gott und seine Schöpfungen in einem Verhältnis, wie ein Gegenstand, dessen Erscheinung unzählige Spiegel reflektieren. Ohne diese Reflexionen gäbe es auch keinen Gott. Denn sie sind, wenn man so will, er selbst – doch gleichzeitig nicht.

Wie geht das an?

Die Reflexionen gleichen dem Reflektierten nur eben so lange, wie wir sie als solche wahrnehmen. Doch sie bleiben immer göttlich. Erst wenn einer Gott vergisst oder seine Existenz verleugnet und seine Reflexionen (das heißt alles von ihm Geschaffene) für endgültige Wahrheiten hält, haben sie für ihn ihre Göttlichkeit verloren.

Spirituelle Ebenen menschlichen Seins

Wenn nun aber ein Gläubiger, als Gottes Geschöpf, bereits die Einheit in Gott anstrebt, wieso sollte dem Mystiker dann überhaupt noch daran liegen, sich mit Gott zu vereinen?

Diese Frage lässt sich einfach beantworten: Nur wer glaubt von Gott getrennt zu sein, ist es auch tatsächlich. Wer sich aber seine eigentlich ursprüngliche Verbindung mit Gott bewusst macht, erinnert sich daran, dass seine Seele jetzt, in diesem Augenblick und sonst auch immer, mit der göttlichen Weltseele eine Einheit bildet. Und doch wird Gott niemals Mensch werden, und der Mensch niemals Gott. Denn seine Seele kann sich zwar selbst, doch niemals aller anderen Seelen bewusst sein. Dieses »Bewusst-Sein« ist allein der göttlichen Weltseele vorbehalten, von der die individuelle Weltseele jedoch immer ein Teil und darum auch mit ihr eins ist.

Wie in anderen spirituellen Lehren, spricht auch Ibn Arabi von Körper, Seele und Geist. Sie bilden die Dreiheit, aus der sich ein auf Erden lebender Mensch zusammensetzt. Die Seele wiederum unterteilt sich in eine Dreiheit von Vernunft, vegetativer Seele und Triebseele (oder Animalischer Seele).

Der Teil des Menschen, für den die Vernunft steht, identifiziert Ibn Arabi weniger mit dem Intellekt, als eher mit einem geistigen Prinzip der Ratio. Was er als vegetative Seele beschrieb, hatte die Aufgabe den Körper am Leben zu erhalten, indem sie Essen sucht und aufnimmt.

Vegetative Seele und Triebseele, galten Ibn Arabi als Teil des menschlichen Körpers. Dagegen die Vernunft unabhängig vom Körper existiert und den Körper als Vehikel nutzt. Letztendlich aber bilden Vernunft und Körper für Ibn Arabi, Aspekte einer zentralen Realität, wobei die Vernunft das innere, geistige Leben, der Körper aber das äußere, weltliche Leben repräsentiert. Wie auch sonst soll der Körper ohne Vernunft sein, angesichts der Tatsache, dass er doch für den äußeren Aspekt der Realität steht?

Durch das Auge des Herzens sehen lernen

Laut Ibn Arabi besitzt die Seele eines Menschen, bereits zur Geburt ein »angeborenes Wissen«. Doch noch bevor der Körper des Säuglings zur Welt kommt, »vergisst« die Seele dieses Wissen. Hierauf deutet auch ein Teil der berühmten Bildtafel des Kebes von Theben (spätes 5. und frühes 4. Jahrhundert v. Chr.). Man sieht dort am unteren Bildrand kleine Kinder aus der Erde aufsteigen, die auf dem Weg zu einem hohen Felsen sind. Er ist unterteilt in drei Abschnitte, durch je eine Mauer, durch die ein Tor führt. Am ersten Tor verabreicht eine Frau den Ankömmlingen den Trank des Vergessens. Der Fels ist ein Symbol für die Welt, wo nur manche den höchsten Gipfel erklimmen und von den Priesterinnen des Kronos-Tempels herzlich empfangen werden.

Stich aus dem 16. Jahrhundert des hollndischen Künstlers Jacob Matham (1571-1631): Die Tabula Cebetis Thebani – die Bildtafel des Kebes von Theben.

Wenn sich der in der Welt lebende Mensch, neues Wissen aneignet, erinnert er sich quasi an sein »vorgeburtlich vergessenes Wissen«. Denken war für Ibn Arabi damit ein Vorgang, wo sich der Seele angeborene Begriffe, mit Begriffen der Ist-Welt neu verbinden. Zu verstehen hieß für ihn damit also, ein Verhältnis aufzubauen, zwischen dem was vergessen und dem was wieder neu erlernt wurde. Jeder Begriff steht damit für eine unveränderliche Vorstellung.

Die Prinzipien des Lichts sind die Grundlage zur Befähigung jeglicher Wahrnehmung. Es ist die innerste Essenz aller Intelligenz, die Gott am nähesten steht. Licht ist ein Synonym für die spirituelle Wechselwirkung eines ausstrahlenden Gottes und der wahrnehmenden, ewigen und unsterblichen Vernunft des Menschen. Das, was die Sufis das spirituelle Herz nennen. In diesem Licht empfängt das Auge des Herzens (Al-Ayn Al-Basira) die Sinneswahrnehmungen. Das Herz aber gleicht einem Spiegel, der alle Sinneseindrücke in den Intellekt des Gehirns reflektiert, wo sie dann als Sinneseindrücke erkannt und zu Vorstellungen werden.

Bewusst zu leben heißt, dieses Licht mit dem Auge des Herzens zu erblicken. Doch es benötigt dabei eben nicht den Intellekt, sondern vermag die Vollkommenheit des Göttlichen direkt zu erblicken.

Einblicke in die Mystik der Traumwelt

Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte der Schweizer Psychoanalytiker Carl Gustav Jung (1875-1961) die Theorie der Archetypen. Darin ging er aus von einer universell vorhandene geistigen Struktur, die den Seelen aller Menschen zu Grunde liegt. Ganz unabhängig von geschichtlichem und kulturellem Hintergrund jedoch, können sich diese Archetypen in einem Menschen unterschiedlich realisieren. Jung nannte sie die Archetypen des kollektiven Unbewussten: Ursymbole der menschlichen Psyche, die sich in allen Kulturen der Welt, als seelische Tendenzen finden und alle samt auf einem gemeinsamen Muster basieren.

Schon Ibn Arabi dachte sich die Seele, aus archetypischen Symbolen beschaffen. Sie nannte er die Khayal, die für ihn die Grundlagen der Erscheinungswelt bildeten. Dazu zählt er sowohl die Traumwelt wie auch die Wachrealität. In beiden aber sah er diese Archetypen im Verborgenen wirken.

Wenn der Mensch nun seine Erlebnisse im Schlaf, als Träumender verarbeitet, betrachtet er sie mit dem inneren Auge des Herzens. Normalerweise bündeln sie sich darin zu den Symbolen unserer Wünsche, die wir in unseren Herzen tragen. Wenn Carl Gustav Jung nun von Archetypen sprach, stimmt das überein mit dem, was für Ibn Arabi als Urformen des göttlichen Wortes auf der sogenannten Lauhul-Mahfudh geschrieben steht: der »Wohlverwahrten Tafel«. Vorstellungen von diesem heiligen Gegenstand, brachte man immer wieder in Verbindung mit der Tabula Smaragdina der Alchemie, die ja insbesondere auch in Carl Gustav Jungs Schriftwerk, eine nicht unbedeutende Rolle einnimmt. Über die Symbole dieser Wohlverwahrten Tafel nun, wird die menschliche Seele im Traum, mit jenen Archetypen »beeindruckt«, die aus dem Feld der universalen Weltseele stammen.

Ganz gleich aber, wie deutlich diese vermittelten Urbilder der Weltseele, im inneren Auge des Herzens erkannt werden, reflektiert es sie als Zerrbilder dieser Archetypen in den Geist eines Menschen. Was er dabei dann in seinem Geiste erinnert, kleidet sich in die Bilder seiner eigenen Vorstellungskraft. Und das ist der Grund, dass Erscheinungen in Träume interpretiert werden müssen. Warum? Da die eigentliche Realität hinter diesen archetypischen Erscheinungen dem entspricht, was sich als die göttliche Wahrheit bezeichnen ließe: eine in jedem Menschen wirkende Lebensabsicht.

Mittler zwischen Menschsein und Gottsein

Für Ibn Arabi galt Gott als die Essenz dieser Erscheinungen. Alle Ursachen und Wirkungen, von aktiv Göttlichem und passiv Weltlichem, sind Derivate dieser Essenz. Zählt sich einer zum weltlichen Teil der Erscheinungen, lebt er für sich von Gott abgesondert. Sein Dasein ähnelt einem Spielball, auf den stets äußere Umstände wirken, ihn allegorisch von hier nach dort und wieder zurückwerfen. Derjenige, der sich jedoch seiner eigenen Göttlichkeit bewusst würde, so Ibn Arabi, der würde selbst zur Ursache und zu einem aktiven Erschaffer. Er begänne dann als Mittler Gottes zu agieren, dessen aktive, schöpferische Kraft durch sein Wirken als Mensch zum Ausdruck kommt. Denn er ist als empfangender Teil der göttlichen Aktivität selbst aktiv, als einer der auf Gott reagiert.

Das Gute als reine Abwesenheit des Bösen

Ibn Arabi galt alle Realität (Al-Haqq) als absolut Gutes (Al-Khayr Al-Mahd). Wo aber bleibt da noch Platz für das Böse?

Nun, Ibn Arabi empfand das Böse als das Gegenteil der Realität. Es war ihm eine Nicht-Existenz – eine vollkommene Abwesenheit des Wirklichen. Das heißt, dass alles Seiende zwangsläufig positiv sein muss, wohingegen alles Negative alles Nicht-Seiende repräsentiert.
Somit entspräche das Böse also dem Fehlen von positiven Eigenschaften, zu denen man zum Beispiel Wahrheit, Licht, Stärke, Heil und Gesundheit zählen kann. Jemand oder etwas krankt, dem die Gesundheit entzogen wurde. Krankheit ist in diesem Sinne also keine negative Eigenschaft, sondern stellte für Ibn Arabi eine »Nicht-Gesundheit« dar.

Es ließe sich daraus also schließen, dass das was gut ist, ist. Was nicht ist, aber ist negativ. Nichtsein von Negativem ist im Umkehrschluss darum Positives. Und wenn Gott als absolutes Sein aller Existenz, als dessen Essenz und Vollkommenheit definiert ist, tendiert auch Unwissenheit zum Bösen. Denn sie verhüllt das Gute und damit das eigentlich Göttliche. Gott kann damit also nichts Böses erwirken. Vielmehr entzieht sich das Böse dem Guten, fällt von ihm ab, wie die bittere Schale von einer süßen Frucht (man denke hier etwa an die Vorstellung der kabbalistischen Klipoth).

Ibn Arabi hatte aber noch eine weitere Definition für das Böse. Denn ihm galt der Kosmos nur dann als perfekt, wenn darin auch Unvollkommenheit existierte. Und in eben diesen Unvollkommenheiten, sah Ibn Arabi die notwendigen Ereignisse etwas vermeintlich Unguten oder Bösen – als Prozess des Werdens –, denn erst durch sie fände das Gute seinen Weg zu seinem vollkommenen Sein.

Wenn nun offensichtlich aber die Vorstellung vom »Sündigen«, eine negative, böse Auffassung über das Sein darstellt, wird das ebenso aus der Welt der Unvollkommenheiten »geboren« – ja vielleicht besser formuliert: Durch das Handeln eines Individuums kann auch das Böse »zur Welt gebracht« werden, bevor es je existierte. In Ibn Arabis Lehre ist Sünde ein indirekter Ungehorsam gegen den Willen Gottes. Denn was nach Gottes Maß sein muss, ganz gleich auch wie beschwerlich, kann nicht umgangen werden, sondern muss dem Willen des Guten entsprechen. Jeder der dem nicht voll entspricht, »sündigt«, doch eben nicht nach der allgemein gebräuchlichen Vorstellung seiner Wortbedeutung: zu Sündigen wäre damit nicht gegen eine Moralvorstellung zu verstoßen, da diese ja rein menschlicher Natur sein kann. »Sünde« hieße damit eher, sich nicht mit den gegebenen Umständen abzufinden, sondern stets Gelegenheiten zu erhaschen, die einem eine vermeintliche Kompensationen bringen, doch sich immer zum Nachteil der Welt ergeben.

Wenn Ibn Arabi von einer durch und durch göttlichen Welt ausgeht, wo alles »fehlend Nicht-Seiende«, »Nicht-Göttliche«, zwangsläufig dem Bösen zugerechnet wird, kann damit also Sünde nur etwas sein, dass sich wie über eine Hintertür ins Leben eines Menschen schleicht und zwar genau immer dann, wenn er sich eben gehen lässt und nicht mehr versucht dem Guten zu folgen. Und wenn das Gute der Vollkommenheit entspricht, schafft ein Mensch damit Unvollkommenheit, die sich dann, je nach Grad, als das Böse bezeichnen ließe. Gott aber gab dem Menschen die Mittel um unterscheiden zu können, zwischen Vollkommenheit und Unvollkommenheit, zwischen Harmonie und Uneinigkeit, zwischen Erfüllung und Davonlaufen.

Freier Wille und Schicksal

Hat ein Mensch die Freiheit der Wahl oder ist sein Leben durch die göttliche Fügung vorherbestimmt?

Schon immer schieden sich hier die Geister, auch unter muslimischen Philosophen. Bis heute liegt dazu keine eindeutige, abschließende Theorie vor.

Ibn Arabi sah in der Wahlfreiheit eines Menschen keine übergöttlich vorherbestimmte Sache. Vielmehr handelt ein Individuum gemäß seiner eigenen inneren Regeln. Sein Leben gleicht manchmal dem eines Baumes: die Veranlagungen eines Menschen, sind enthalten in der Erbsubstanz, dem Samen und der Eizelle, woraus er wuchs. Sobald der Samen eines Baumes im Boden keimt, wächst er so lange, bis er durch die Wirkungen von Außen seine Wachstumsprozesse an die Umgebung angleicht. Doch dereinst wird er sterben – so wie auch ein Mensch. Die Lebensregeln des Baumes aber waren in der Erbsubstanz seines Samens »von Gott eingegeben«. Hier von Freiem Willen zu sprechen erübrigt sich damit, zumindest seine wörtliche Bedeutung. Denn wenn der Same doch bereits aus göttlichem Ursprung seiend, seinen Lebenszweck als wachsender Baum erfüllt, vielleicht Früchte trägt oder Schatten spendet, »tut« er das, was seine Veranlagung ihm gebietet. Niemals aber würde ein Baum, sein Dasein als Lebewesen verwirken – erfüllt er doch nur das in ihm veranlagte Leben zu leben. Er kann also nicht anders, als seinem Wesen nach Vollkommenheit anzustreben.

Der Mensch in der Gesellschaft jedoch, kann sich anpassen oder seinem freien Denken gemäß anders entwickeln. Immer scheint ihm dabei offen zu stehen, ob er seinen eigentlichen, veranlagten Grund zu sein, erkennen will oder nicht. Dem Menschen steht sogar frei, sich zu Grunde zu richten – es sei denn, er glaubt an seinen göttlichen Ursprung und weiß, dass es einen, wenn auch nicht durch Worte beschreibbaren Grund dafür gibt, dass er auf der Erde geboren wurde. Ihn nämlich gilt es zu finden, ihn sollte man zu erkennen trachten.

Einswerden mit Gott

Seit alter Zeit gibt es im Sufismus den arabischen Begriff Fana: das Auslöschung und Eingehen ins Göttliche – eine subjektive Empfindung der Auflösung in der substantiellen Welt. Nur aber der sich dazu befähigt, allem Weltlichen zu entsagen, kann sich damit dem göttlichen Willen ergeben.

Fana galt Ibn Arabi als spirituelles Konzept, das sich sowohl aus mystischer, wie auch metaphysischer Sicht erklären lässt. Die mystische Qualität des Fana, bestand für Ibn Arabi in einem »Vergehen der Unwissenheit«, einer ultimativen Erkenntnis also, wo einem Individuum seine grundlegende Einheit im göttlichen Sein bewusst wird. Seinem metaphysischen Sinn gemäß, sah er Fana als ein Dahinscheiden der Formen in der Erscheinungswelt, wobei jedoch die allem zu Grunde liegende kosmische Essenz Gottes, immer fortbestehen bleibt.

Alle Form, sei sie spiritueller oder metaphysischer Art, ist eine von Gott eingenommene Struktur, die sich in Fana aber auflöst, und quasi freigegeben wird, damit sich Gott in einer anderen Form manifestieren kann. Auf das alltägliche Leben übertragen, ist es, wie wenn jemand eine alte Gewohnheit opfert, damit gutes Neues in sein Leben kommen kann. Denn Leben ist Werden und unterliegt damit einem stetigen Wandlungsprozess der Erschaffung, Zerstörung und Neuschaffung des Seienden.

Fana ereignet sich in einem unendlich kleinen Augenblick, wo etwas aufgelöst und vernichtet wird, damit aus Gewesenem sofort etwas Neues entstehen kann. Was dabei entsteht, muss zwangsläufig wieder vergehen. Nur gehört dieser eigentliche Vorgang des Übergangs, der Unendlichkeit an, weshalb Fana nur im ständigen Werden des eigenen Seins erlebt werden kann.

Zu sterben, bevor man stirbt

Gemäß Ibn Arabi, kann sich ein Mensch allmählich dem Zustand des Fana nähern. Auf sieben Stufen spiritueller Entwicklung, strebt er diesem höchsten Zustand des Gewahrwerdens zu, durch

  1. das Absterbenlassen des durch Sünde beschränkten Lebensfeldes, wobei sich der Sufi jedoch klar wird, das selbst einem, der in dieser Weise handelt, immer die Möglichkeit gegeben wird, solches Streben zu unterlassen und sich wieder dem Guten zuzuwenden.
  2. Das Absterbenlassen aller Handlungen und die dabei gleichzeitige Bewusstmachung, dass sie immer aus dem Göttlichen kommend vollzogen werden.
  3. Das Absterbenlassen aller formalen Merkmale im Leben und die gleichzeitige Bewusstwerdung ihres Sinnes, als von Gott ausströmende Wahrheiten.
  4. Das Absterbenlassen der eigenen Persönlichkeit und des Ich-Bewusstseins, in gleichzeitiger Bewusstwerdung, dass so etwas wie ein Selbst als Erscheinung, überhaupt nicht existiert. Hierin erkennt das Individuum das Fortbestehen einer ewigen, göttlichen Substanz.
  5. Das Absterbenlassen alles Weltlichen und die gleichzeitige Bewusstmachung, dass sich das eigentliche Sein, noch auf dem Grund der Erscheinungswelt befindet.
  6. Das Absterbenlassen von Allem, das nicht dem Göttlichen entspricht. Damit erlischt im Mystiker der Wunsch sich als göttliches Wesen zu erkennen. Da wird sich Gott selbst als Betrachter im Betrachtenden identifizieren können – denn beide sind Eins geworden.
  7. Das Absterbenlassen aller göttlichen Attribute, wo das Universum nicht mehr als Wirkung einer Ursache, sondern nur dem Aussehen nach real ist (arab. Haqq fi Zuhur). Ibn Arabi galt dies als die ultimative Wahrheit, aus der alles Sein entsteht.

Wer sich nun aber diese sieben Schritte zur Erlangung des Fana-Zustandes durchließt, könnte schnell auf die Idee kommen, dass da einer vergeblich versuchte, etwas nicht zu Beschreibendes in Worte zu kleiden. Die Erklärung kann eben niemals das Erklärte selbst sein. Denn der Intellekt reicht nicht dazu aus, diese, auf Erfahrung basierenden Wahrheiten, als in Worte gefasste Beschreibungen zu verstehen. Die mystische Erfahrung, die Ibn Arabi auf diese Weise fast schon vergeblich versucht zu erklären, ist vielmehr etwas, das sich gar nicht mündlich kommunizieren lässt. Damit eigentlich zwingt es den Erfahrenen zur Geheimhaltung, denn worüber hier Gesprochen werden könnte, entspricht eben niemals der Wahrheit und wäre auf diese Weise kommuniziert, einfach falsch.

Alles Qualitative kann wie gesagt erfahren, weniger aber erklärt werden, wohingegen das Gegenteil wahr ist für alles Quantitative. Ganz und gar sinnlos wäre es zum Beispiel, anhand einer Skala beschreiben zu wollen, wie sehr man einen Menschen liebt. Denn selbst könnte man es an einer Art Thermometer ablesen, wäre es für den Nicht-Betroffenen ganz und gar unnütze. Doch durch sein Hineinversetzen in das Gefühl eines Liebenden, kann er versuchen die Gemütsbewegungen seines Mitmenschen zumindest nachzuempfinden – vorausgesetzt, er hat selbst einmal geliebt.

Was Ibn Arabi, in seinen sieben Stufen zur Erreichung des Fana-Zustandes, versuchte zu erläutern, ist die Erlangung wahren Wissens. Nur aber durch das Absterbenlassen aller Dinge der Erscheinungswelt (Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen) und damit allem Nicht-Göttlichen, kann solches Wissen auch tatsächlich erlangt werden. Damit erreicht ein Individuum den Zustand des vollen Gewahrwerden Gottes – wird damit selbst Gott, in dem Sinne, dass Gott sich selbst im Sein eines Menschen zu erkennen beginnt. So einem wird die Realität aller Realitäten bewusst und er erreicht damit die höchste Form menschlichen Seins.

Ein Meister der Denkkunst

Ibn Arabi war ein Künstler darin, seine Leser in ihrer Geduld herauszufordern. In der Schwierigkeit Ibn Arabis Werk zu begreifen, liegt weniger das Werk an sich, als die Art wie er seine Methoden als Schlussfolgerung entwirft. Seine Aussagen erscheinen oft oberflächlich oder gar hinfällig, da man darin nur geringfügige Unterscheidungen von Begriffen findet. Doch eben sie sind so wichtig.

Der Grund für Ibn Arabis anscheinende Kompliziertheit liegt auf der Hand: Wie will man durch Sprache, die ja auf Logik basiert, etwas erklären, dass sich jenseits aller Logik befindet? Von seinen Lesern verlangt er darum höchstes philosophisches Verständnisvermögen. Unzählige, jedoch nur anscheinende Widersprüche in seinem Werk, zehren und zerren an seiner Intellektualität, die einen in eine »hochgeistige Verzweiflung« bringen kann. Doch wer mit dem Weisen geduldig bleibt, wird allemal belohnt!

Ibn Arabi gelang es ein System zu entwerfen, dass mit allen Finessen philosophischer Denkkunst ausgestattet ist. Unzählige Fragen, die westliche Philosophen unbeantwortet ließen, finden sich in seiner Lehre – sowohl Mysitsches, Philosophisches, wie auch Religiöses, verstand Ibn Arabi zu beantworten.

 

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