Was wir heute über den Christus Jesus wissen, findet sich in der Heiligen Schrift und den christlichen Apokryphen. Sonst gibt es mündliche Überlieferungen die jemand niederschrieb aus anderen Geistestraditionen, wie etwa jene der Geheimbruderschaft der Essener, die eine ganz andere Jesus-Geschichte schildern.
Auch wenn das für die enorm wichtige Erscheinung und Weisheitslehren der Gestalt des Jesus von Nazareth, die er bis heute für Milliarden Menschen geblieben ist, keine weitere Rolle spielt, soll im Folgenden dennoch eine andere Perspektive eröffnet werden. Über sie sei uns das Erhaschen eines Blicks erlaubt, der eine, uns vielleicht bisher unbekannte Geschichte liefert über den Messias des Christentums.
Von der Geburt des Lichts im solaren Jahreskreis
Und damit kämen wir zum Fest der Geburt des Christuskindes zu Weihnachten. Dass man sein Geburtstag am 25. Dezember feiert, dem 1. Weihnachtsfeiertag, dieser Glaube hat sich erst im 4. Jahrhundert unter Kaiser Konstantin von Rom aus verbreitet. Im „Chronograph von 354“, der eine Liste der römischen Märtyrer enthält, finden wir darin, mit dem 25. Dezember datiert, eine ganz knappe Notiz:
Natus Christus in Betleem Iudeae.
Christus wurde in Bethlehem in Judäa geboren.
Jeder aber, der die Bedeutung dieses Datums genauer kennt, das heißt, jemand der weiß, dass ab diesem Zeitpunkt im Jahr das Licht wieder zuzunehmen beginnt, dürfte wohl aufmerken, dass das doch ein ganz wunderbarer Zufall gewesen zu sein scheint.
Trotz das von manchen Mitgliedern der noch jungen Christenheit sich große Widerstände gegen diese Festlegung breit machten, sollte, wie jeder heute weiß, dennoch das den Tag der Geburt Jesu markieren, was sich ja in der ganzen damaligen Kirche zu verbreiten begann.
Was man im Römischen Reich zuvor mit den Saturnalien feierte, als Fest zu Ehren des Saturn (dem Gott des Goldenen Zeitalters), war die „Wiederkehr des Lichts“ am 25. Dezember, dem „Dies Natalis Solis Invicti“, dem „Geburtstag der unbesiegbaren Sonne“. Und dieses Fest sollte auf das christliche Fest der Liebe übergehen.
Doch dieses Datum des 25. Dezember, dem Tag wo sich die Sonnenbahn nach der Wintersonnenwende wieder weiter gen Norden erhebt (und damit die Tage länger werden), war als kosmisch-sakrales Ereignis schon den Alten Ägyptern heilig.
Die Pharaonen leiteten einst dazu die Festlichkeiten zur Geburt des Lichtgottes Horus – dem Sohn der Jungfrau Isis. Auch der persische Mysteriengott Mithras kam in der Nacht zum 25. Dezember zur Mitternachtsstunde in einer Höhle zur Welt, so die religiös-legendäre Überlieferung. Er sollte später zu einer Gottheit werden, in der die Römer eine Personifikation der Sonne sahen.
Aber auch wenn dieses Datum heute fest mit dem Geburtsereignis des christlichen Heilands verbunden ist, ist Jesu tatsächliches Geburtsjahr bis heute unbekannt.
Ein jüdisches Buch der Geschichte Jesu
Im 8. Jahrhundert entstand in Italien eine jüdische Sagensammlung: Das Sefer Toledot Jeschu – Das Buch der Geschichte Jesu. Der Name „Jeschu“ wird im Talmud (wie etwa dem Talmud Bavli) und in rabbinischen Schriften ausschließlich in Verbindung mit Jesus gebraucht. Der erste Textnachweis dieses Buches besteht aus Fragmenten aramäischer Handschriften, die man in Kairo entdeckte und wurde wahrscheinlich von mehreren Autoren verfasst.
Zwar dürfte das Sefer Toledot Jeschu für Historiker kaum interessant sein, kultur- und geistesgeschichtlich aber sehr wohl. So heißt es in einer Fassung des Buches (um 750), dass Maria, die Mutter Jesu, sich mit Josef verlobte. Doch dann kam es zu dem, was heute als die Panthera-Legende bekannt ist. Darin wird Maria von einem römischen Soldaten namens Panthera getäuscht und verführt und empfängt daraufhin ihren Sohn. Über solche Behauptungen entrüstete sich etwa ein Jahrhundert später der Geistliche, Erzbischof Amulo von Lyon (831–852) in seinem „Liber contra Judaeos“, dem „Buch gegen die Juden“.
Wie dem auch sei, soll später das Jesuskind von seinem Oheim Rabbi Jehoschuah adoptiert und erzogen worden sein, so das Buch Toledot Jeschu. Jesus kam dann in die geistliche Obhut eines jüdischen Mystikers, dem Rabbi Elhanan, wo sich der junge Jesus später, man könnte sagen, mit den „kabbalistischen Wissenschaften“ vertraut machte.
Im sogenannten „Kindheitsevangelium nach Thomas„, einer apokryphen Schrift aus dem 2. Jahrhundert (von manchen der Kirchenväter angenommen) werden verschiedene Wunder beschrieben, die Jesus zwischen dem 5. und 12. Lebensjahr vollbracht haben soll. Vor allem Heilungen durch das Jesuskind werden darin beschrieben.
In dem besagten Evangelium lesen wir darüber, dass Jesus, als er 12 Jahre alt war, einen Rabbi in große Verwunderung versetzte:
Er erstaunte seinen Lehrer durch seine Gelehrsamkeit. Ein gewisser Schulmeister Namens Zachäus, der an einem bestimmten Ort stand, hörte, wie Jesus diese Dinge zu seinem Vater sprach.
Und er war sehr erstaunt, dass ein Kind solche Dinge sprach; und nach ein paar Tagen kam er zu Josef und sagte: ‚Du hast ein weises und vernünftiges Kind, schick es zu mir, damit es lesen lernt.‘
Als er sich hinsetzte, um Jesus die Buchstaben beizubringen, begann er mit dem ersten (hebräischen) Buchstaben Aleph; aber Jesus sprach den zweiten Buchstaben Beth und den dritten Buchstaben Gimel aus und sagte ihm alle Buchstaben bis zum Ende auf.
Dann schlug er ein Buch auf und lehrte seinen Meister die Propheten; aber er (sein Meister) schämte sich und wusste nicht, wie er zu den Buchstaben gekommen war.
Und er stand auf und ging nach Hause, sehr verwundert über diese seltsame Sache.– Aus dem Kindheitsevangelium des Thomas 3:1-7
Das Kindheitsevangelium des Thomas und das Sefer Toledot Jeschu sind auf jeden Fall jüdische Urkunden und für theologische Untersuchungen der Kindheit Jesu von großer Bedeutung. Vielleicht auch deshalb wurde das Toledot Jeschu lange Zeit nur im Geheimen studiert, Christen unzugänglich.
Manche der in den kanonischen Evangelien beschriebenen Wunder finden sich auch im Toledot Jeschu, Sie werden darin jedoch beschrieben als Handlungen, die Jesus mittels ägyptischer Magie anwandte. Jesus nämlich soll, laut dem talmudischen Traktat Sanhedrin in Alexandria von ägyptischen Priestern in ihre Geheimlehren eingeweiht worden sein. Sie sollen aus ihm, ob seiner hohen mystischen Fähigkeiten gar zu einem Hohepriester des Thot-Hermes geweiht haben – so zumindest beschreibt es Helena P. Blavatsky (1831-1891) in ihrem Buch „Isis entschleiert“.
Nach seiner Rückkehr aus Ägypten nach Palästina erregte Jesus mit seiner hohen Gelehrtheit und geistigen Macht den Neid der Rabbiner. Schon in Alexandria soll Jesus aus einem Kreis Abtrünniger eine eigene Glaubensgemeinschaft gegründet haben.
Bei dem was über diese Legenden zu sagen war, dürfte die eine oder der andere bereits aufschauen, wozu diese Ereignisse dann letztendlich führen sollten.
Ein Angehöriger der jüdischen Sekte der Essener
In der christlichen Esoterik wird das übliche Jesusbild dadurch ergänzt, dass der spätere Christus eben mittels Initiation in die Geheimlehren der Essener auf seine einzigartige Rolle als Weltlehrer vorbereitet wurde. Die Essener (auch: Essäer) waren ein jüdischer Geheimbund besonderer Heiler (die Nazarener waren ein späterer Zweig der Essener). Jesus hatte in seiner frühen Jugend bei ihnen gelebt und wurde durch sie zuerst zum Heiler ausgebildet. Mit seiner dabei erlernten Heilkunst habe er später dann seine vielen Wunder vollbracht. Vor allem aber soll er dadurch in die Lage versetzt worden sein die Kreuzigung überlebt zu haben. In seinem Grab sei er bereits in den nächsten Tagen genesen.
Ein 1849 in Leipzig erschienenes Buch mit dem ausführlichen Titel „Wichtige historische Enthüllungen über die wirkliche Todesart Jesu. Nach einem alten, in Alexandrien gefundenen Manuskript von einem Zeitgenossen Jesu aus dem heiligen Orden der Essäer. Aus einer lateinischen Abschrift des Originals übersetzt.“ Darin lesen wir, dass der Ordensälteste der Essener die Kreuzigung als Augenzeuge miterlebt habe. Jesus sei dabei in ein Koma gefallen und später durch die medizinischen Künste von zwei Essenern – Joseph von Arimathäa und Nikodemus – heimlich wiederbelebt worden. Als Autor dieses Textes, der eigentlich anonym veröffentlicht wurde, gilt der Hannoveranische Medizinprofessor Hermann Klencke (1813-1881).
Auch ein Zeitgenosse Klenckes, der französische Schriftsteller Édouard Schuré (1841-1929) schrieb in seinem Buch „Die Großen Eingeweihten“ über Jesus, als eben diesen in die Geheimnisse des essenischen Ordens Eingeweihten. Er soll in ihrem Kreise mit dem höchsten Grad initiiert und damit zu einem einzigartigen Adepten geworden sein (einem Vollkommenen, der als Ebenbild Gottes auf Erden wirken soll), einer Einweihungsstufe die sie ihm nur für seine prophetische Mission bereithielten.
Seine Einweihung soll sich gemäß Schurés Beschreibung in einer Grotte im Innern eines Berges ereignet haben. Denn schon immer befanden sich Zentren der Einweihung unter der Erde, als besondere Orte des Todes und der Wiedergeburt aus Mutter Erde, wie ja auch in den alt-griechischen Demeter-Mysterien.
Im Namen des Vaters
Als solch Adept und Hierophant, zu dem Jesus laut Édouard Schuré durch die Essener wurde, symbolisierte man seine Erscheinung mit dem Sinnbild der Schlange. Es ist darum wohl auch kein Zufall, wenn Jesus Christus später im Evangelium des Johannes über sich sagte:
Und wie Mose die Schlange in der Wüste (am Kreuz) erhöht hat, so muss der Menschensohn (also Jesus Christus) erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat.
– Johannes 3:14f
In Gestalt des initiierten Jesus sollte sich der durch das gesamte Universum windende, erhabene und darin unerkennbare Gott der Menschheit offenbaren – in einer unserem Verstand fassbaren Gestalt. Er ist der Vater im Sohn. Jesus erklärt das seinem Jünger Philippus wiederum im Evangelium des Johannes:
Wer mich sieht, der sieht den Vater. […] Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und der Vater in mir? Die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht aus mir selbst.
– Johannes 14:9
Nun, was wir mit dem Begriff des „Christus“ verbinden (griechisches Wort das man im Hebräischen „Meschiach“ nennt, also Messias) ist das, wozu der Christus wurde durch die Taufe im Jordan durch Johannes den Täufer, der von den Essenern darauf vorbereitet worden war (und damit hierarchisch ja eigentlich über Jesus erhaben ist). Und in diesem Moment, als sich der Heilige Geist in Form der weißen Taube über dem getauften Jesus senkte, war eben dieser Moment als sich Gott dem Jesus offenbarte. Damit war er sich seiner Sendung bewusst geworden und seine Reden und Handlungen erfolgten entsprechend dem Willen seines himmlisch-göttlichen Vaters durch ihn.