Dante deutet hin auf den Läuterungsberg – ewigeweisheit.de

Dantes Göttliche Komödie: Das Purgatorium und das Fegefeuer des Läuterungsberges

Vom Mittelpunkt der Erde also, gelangten Dante und sein Führer Vergil, durch einen schmalen Gang auf die entgegengesetzte Halbkugel, die von Wasser bedeckt war. Einst befand sich auch hier Land, doch als Luzifer auf die Erde stürzte, wurde es dabei von den aufschwellenden Fluten überschwemmt. Darin nun ragt der Läuterungsberg zum Himmel. Ihm gegenüber, auf der nördlichen Hemisphäre liegt Moriah: der heilige Berg Jerusalems. Beide Berge sind über den Erdmittelpunkt miteinander verbunden.

Dante deutet hin auf den Läuterungsberg – ewigeweisheit.de

Dante deutet hin auf den Läuterungsberg. Auf dem Gipfel des Berges sieht man Adam und Eva dargestelt, als sie sich dort im Paradies befanden. Ausschnitt eines Gemäldes von Domenico di Michelino (1417–1491).

Den Läuterungsberg umringen Sieben Stufen, wobei die oberste eine kleine Ebene bildet. Auf jeder dieser Stufen werden die sieben Todsünden gebüßt, wobei die Reihenfolge hier umgekehrt ist zu jener der Hölle.

Auch am Zugang zum Läuterungsberg befindet sich ein Vorraum. Dort müssen all jene ausharren, die ihre Reue hinausgeschoben haben. Verschieden lange müssen sie dort verweilen, bevor sie sich durchs Fegefeuer, über die sieben Stufen des Läuterungsberges erheben.

Auf der ersten Stufe

Hierdurch bewegen sich die Hochmütigen. Schwere Lasten tragend, betrachten sie Bilder der Demut. Vergil und Dante kommen nur beschwerlich weiter, denn ihr Weg führt durch eine enge Schlucht.

Hier begegnet Dante dem alten Maler Oderisis, dem einst so viel daran lag, großen Ruhm zu erlangen. Hier, auf dem Sims der Hochmütigen aber erkennt er die Vergänglichkeit allen Seins, wo Streben nach Ruhm und Ansehen, ganz und gar überflüssig erscheinen.

O eitler Ruhm des Könnens auf der Erden!
Wie wenig dauert deines Gipfels Grün,
Wenn roher nicht darauf die Zeiten werden.

[…]

Ein Windstoß nur ist Erdenruhm. Er rauscht
Von hier, von dort, um schleunig zu verhallen,
Indem er Seite und Namen nur vertauscht.

Wird lauter wohl dereinst dein Ruhm erschallen,
Wenn du als Greis vom Leib geschieden bist,
Als wenn du stirbst beim ersten Kinderlallen,

[…]

Dem Grase gleicht der Menschenruhm, dem Grünen,
Das kommt und geht, und durch die Glut verdorrt,
Durch die es blühend aus der Erde erschienen!

– Purgatorio 11:91ff,100-105,115ff

Die Neider – ewigeweisheit.de

Dante und Vergil stehen vor einer Gruppe von Blinden, die ihre Seelen dort läutern wegen ihres einstigen Neids. Gemälde von Hippolyte Flandrin (1809–1864).

Auf der zweiten Stufe

Das ist der Ort, wo die Neider sich läutern müssen. Als Bettler sitzen sie bei einander gekauert und halten sich gegenseitig an ihren Bußgewändern fest, denn sie sind Blinde.

Ihr Anzug war ein schlechtes Bußgewand;
Sie lehnten sich an sich, und ihren Rücken
Sie allesamt an jene Felsenwand;

[…]

Gebohrt war durch die Augenlider Draht,
Ihr Auge, wie des Sperbers, ganz vernähend,
Der, wild, nicht nach des Jägers Willen tat.

– Purgatorio 13:58ff,70ff

Auf der dritten Stufe

Hier wird der Zorn besänftigt derer, zu denen sich gewiss auch Dante zählen dürfte. Drum muss ihn Vergil führen, da der Dichter so zu leiden hat.

Ihr, die ihr lebt, sprecht immer nur, es müsse
Der Himmel selber Schuld an Allem sein,
Als ob er euch gewaltsam mit sich risse.

[…]

Drum, wenn die Welt mit sich der Irrtum reißt,
In euch nur liegt der Grund, liegt in euch Allen,
Wie, was ich sage, deutlich dir beweist:

Es kommt aus dessen Hand, dessen Wohlgefallen
Ihr lächelt, ehe sie ist, gleich einem Kind,
Das lacht und weint in unschuldsvollem Lallen,

Die junge Seele, die nichts weiß und sinnt,
Als, dass, vom heitern Schöpfer ausgegangen,
Sie gern dahin kehrt, wo die Freuden sind.

Sie schmeckt ein kleines Gut erst, fühlt Verlangen
Und rennt ihm nach, wenn sie kein Führer hält,
Kein Zaum sie hemmt, der Neigung nachzuhangen.

Gesetz, als Zaum, ist nötig drum der Welt,
Ein Herrscher auch, der von der Stadt, der wahren,
Im Auge mindestens den Turm behält.

– Purgatorio 16:67ff,82-96

Dante Alighieri – ewigeweisheit.de

Dante Alighieri – Portrait von Gustave Doré (1832-1883).

Auf der vierten Stufe

Hier muss die Trägheit überwunden werden. Dante bemerkt, dass er zu hinken beginnt und setzt sich. Schlaftrunken schließt er die Augen.

»O, meine Kraft, was musst du so ermatten!«
So sprach ich still bei mir, denn ich empfand,
Dass sich gelöst der Füße Kräfte hatten.

Wir waren auf der höchsten Stufe Rand,
Und standen fest, wie angeheftet, dorten,
Gleich einem Kahn in des Gestades Sand.

– Purgatorio 17:73-78

Auf der fünften Stufe

Die Geizigen werden hier geläutert. Sie sind gezwungen, ihren Blick auf die Erde zu richten, denn sie liegen dort auf dem Bauch. Die Erde aber fängt an zu beben.

Von Stürmen, die im Erdenschoß entstehn,
Mag’s sein, dass unten oft der Berg erdröhne;
Hier – wie? begreife ich nicht – ist’s nie geschehn.

[…]

Ich lag fünfhundert Jahr in diesem Leid
Und länger noch, und fühlte mir so eben
Zum Aufwärtsziehen den Willen erst befreit.

Drum fühltest du den ganzen Berg erbeben,
Drum pries den Herrn die ganze fromme Schar;
Er helfe ihr bald, sich selber zu erheben.

– Purgatorio 21:55ff,67-72

Die Geizigen – ewigeweisheit.de

Die Geizigen auf dem Läuterungsberg: Sie liegen auf dem Bauch, gezwungen immer fort die Erde anzustarren. Illustration von Gustave Doré (1832-1883).

Auf der sechsten Stufe

Es ereignet sich auf dieser Ebene, die Läuterung all der Schlemmer und Gierigen, die dort ganz abgemagert nach den Früchten eines hohen Baumes greifen. Doch vergeblich. In ihrer Verschwendungssucht verloren sie ihren Willen. Dafür nun müssen sie büßen.

Als wir voll Obstes einen andern Baum
Mit üppigem Gezweig nicht fern entdeckten,
Da wir uns bogen um der Stufe Rand.

Und Leute, die hinauf die Hände streckten,
Schrien auf zum Laub, das in die Lüfte steigt,
Den Kindlein gleich, den gierigen, geneckten,

Die bitten, während der Gebetene schweigt,
Und um zu schärfen die Begier, ihr Sehnen
Hoch hinhält und es frei und offen zeigt.

– Purgatorio 24:103-109

Auf der siebenten Stufe

Hier büßen die Wollüstigen im Feuer. Darin betteln sie um Befreiung von der bösen Lust.

Den Felsen sah ich Flammen vorwärts schießen,
Der Vorsprung aber haucht empor zur Wand
Windstöße, die zurück die Flammen stießen.

[…]

Gott höchster Gnade, hörte ich’s aus dem Raum,
Den jene große Glut erfüllte, singen,
Und hielt den Blick an meinem Wege kaum.

[…]

Ich weiß von keinem Mann – dies Wort erklang
Mit lautem Ruf, als jenes Lied verklungen,
Und neu begannen sie’s mit leisem Sang

– Purgatorio 25:112ff,121ff,127ff

Zu diesem Gang durchs Feuer, ist ausnahmsweise auch Dante gezwungen. Hier verbrennt der Rest jeder Leidenschaft, symbolisiert im hellen Licht der Venus, die gerade als Morgenstern im Osten aufsteigt.

Ehe gleiches Grau den Horizont umfing
In allen seinen unermessenen Teilen,
Ehe Nacht um Alles ihren Schleier hing,

Da musste auf einer Stufe Jeder weilen,
Die uns zum Bett ward, denn die Zeit benahm
Die Macht mehr, als die Lust, empor zu eilen.

Gleich wie die Ziegenherde, satt und zahm,
Im Schatten wiederkäut in stillem Brüten,
Die hungrig, jähen Sprungs zur Höhe kam.

Wenn nun im Mittagsbrand die Lüfte entglühten,
Indes der Hirt den Stab zur Stütze macht,
Und dort steht, gestützt, um sie zu hüten;

Und wie ein Hirt im freien Feld bei Nacht,
Damit kein wildes Tier der Herde schade,
Und sie zerstreut, entlang der Hürde wacht;

So jetzt wir drei auf engem Bergespfade,
Der Ziege ich gleich, den Hirten jenes Paar,
Umschlossen hier und dort vom Felsgestade.

Ob wenig gleich zu sehen nach außen war,
Doch sah ich durch dies Wenige die Sterne
Weit mehr, als sonst gewöhnlich, groß und klar.

– Purgatorio 72:70-90

Vergil verlässt Dante, als er Lea begegnet – ewigeweisheit.de

Vergil verlässt Dante. Vor ihnen Lea, ein Blumen pflückendes Mädchen. Sie ist eine Allegorie auf die Triebkräfte der Natur, denn ihr Name entspricht der biblischen Gattin des Stammvaters Jakob, und bedeutet »Wildkuh« – symbolischer Inbegriff der Mutter Natur. Illustration von Gustave Doré (1832-1883).

Dante befindet sich nun also auf der höchsten Höhe des Läuterungsberges, von wo aus er nun also die Sterne im Himmel erblickt. Hier verabschiedet sich Vergil von Dante. Der Dichter soll sich von nun an auf sein eigenes Gefühl verlassen. Seine innere Stimme soll ihn führen.

Vergil sprach:

»Des zeitlichen und ewigen Feuers Leiden,
Sahst du, und bist, wo weiterhin nichts mehr
Ich durch mich selbst vermag zu unterscheiden.

Durch Geist und Kunst geleitete ich dich her;
Zum Führer nimm fortan dein Gutbedünken;
Dein Pfad ist von nun an nicht steil und schwer.

Sieh dort die Sonne auf deine Stirne blinken,
Sieh, durch des Bodens Kraft und ohne Saat
Entkeimt, dir Gras, Gesträuch und Blumen winken!

Bis sich dir froh ihr schönes Auge naht.
Das mich zu dir einst rief mit bittern Zähren,
Ruhe oder wandle hier auf heiterem Pfad.

Nicht harre weiter meiner Winke und Lehren;
Frei, grade, gesund ist, was du wollen wirst,
Und Fehler wär es, deiner Willkür wehren,

Drum sei fortan dein Bischof und dein Fürst.«

– Purgatorio 27:124-142

Ganz allein und nur durch seinen freien Willen, muss sich Dante von nun an führen lassen. Weder Weltliches noch Geistiges stehen über ihm.

Die Erde ist eine Amme – ewigeweisheit.de

»Nutrix ejus terra est«: Die Erde ist eine Amme. Emblem aus dem Buch Atalanta Fugiens von Michael Meier (1568-1622). Links sieht man eine Ziege. Sie säugt den jungen Asklepios – Schutzgott der Mediziner. Auf der rechten Seite ist die Wölfin, die die Gebrüder Romulus und Remus säugt – dem Mythos nach Gründer Roms.

Irdisches Paradies

Auf dem Gipfel des Läuterungsberges befindet sich das irdische Paradies, wo Gott dem Adam und seiner Frau Eva ihren Wohnsitz angewiesen hatte. Dante trifft hier auf das blumenpflückende Mädchen Lea, die mit dieser charakteristischen Tätigkeit, an die Proserpina der alten Mysterien erinnert.

»Sah ich im Traum, der mich mir selbst entrückte,
Ein schönes junges Weib, das hold bewegt,
Durch Wiesen ging und singend Blumen pflückte.«

»Lea bin ich, dies wisse, wer mich frägt,
Ich liebe, Kränze windend, hier zu wallen,
Und emsig wird die schöne Hand geregt.«

– Purgatorio 27:97-102

Die selbe Rolle die das Mädchen Proserpina, als griechische Kore Persephone in den eleusinischen Einweihungsriten spielte, ist im 27. Gesang der Göttlichen Komödie, also das Blumenmädchen Lea. Sie aber scheint identisch zu sein mit einer Frau, die Dante im 28. Gesang des Purgatorio, Matelda nennt. Gut möglich wohl, dass sie zu Lea steht, wie die Fruchtbarkeitsgöttin Ceres zur Toten- und Unterweltsgöttin Proserpina.

Was Dante zuvor Lea nannte, heißt später also Matelda (beziehungsweise in der deutschen Übersetztung Streckfuß’: Mathilda), die wie ihre Vorgängering auch Blumenkränze flechtet.

Aus Matelda machte Dante eine Verkörperung der Göttin Natura. Sie aber ist die alleinige Bewohnerin des irdischen Paradieses und eine Verkörperung der Weisheit auf Erden (in christlich-esoterischer Lehre die Jungfrau Sophia).

Urania – ewigeweisheit.de

Die Göttin Urania göttliche Muse der Astronomie. Die sieben Sterne um ihr Haupt, symbolisieren die sieben planetarischen Sphären des Himmels. Gemälde von Eustache Le Sueur  (1616–1655)

Und mir erschien – so stellt dem Blick zu Zeiten
Sich unversehn Erstaunenswertes dar,
Den Geist von allem Andern abzuleiten –

Ein einsam wandelnd Weib, das wunderbar
Im Gehen sang, aufsammelnd Blüte um Blüte,
Womit vor ihr bemalt der Boden war.

»O Schöne, die du, zeigt sich das Gemüte,
Wie’s pflegt, im Äußern, mich zu glauben zwingst,
Dass an der Liebe Strahl dein Herz entglühte,

O käme Lust dir, dass du näher gingst,«
Ich sprach’s zu ihr, den Fuß zum Bache lenkend,
»Dass ich verstehen könne, was du singst.

Dich seh ich jetzt, Proserpinas gedenkend,
Des Orts auch, wo die Mutter sie verlor,
Und Sie den Lenz, sich in die Nacht versenkend.«

– Purgatorio 28:40-51

In der römischen Mythologie ist die Proserpina (griech. Persephone) die Tochter des Himmelsgottes Jupiter (griech. Zeus) und der Erdmutter Ceres (griech. Demeter). Als Gattin Plutos, des Gottes der Unterwelt (griech. Hades), verbringt sie eine Hälfte des Jahres in der Unterwelt und die andere Hälfte des Jahres auf Erden. Doch im Frühling steigt sie aus dem tiefen Erdgrund empor und führt mit sich die aufsteigenden Kräfte der Natur, wo jetzt das Grün der Pflanzen zu sprießen beginnt.

Für diesen Vorgang in der Natur steht Dantes Matelda, worin der Mensch den Kosmos jedes Jahr auf ein Neues erlebt. Doch sie verkörpert auch jene Kraft, die der Mensch in seinem nächtlichen Leben, zwischen Einschlafen und Aufwachen erlebt. Auf der anderen Seite ist da die Himmelsgöttin Urania, deren Kraft jener entspricht, die man im Christentum den Heiligen Geist nennt. Im Menschen wird sie erlebt in Verstand und Intellekt. Jene Urania stellte man seit alter Zeit dar mit einem Globus und einem Zeigestab, womit sie den Sternenlauf der Himmelssphären andeutete.

In Gegenwart Mateldas, deren Erscheinung auch eine Allegorie für die christliche Liebe ist, befindet sich Dante nun an der Schwelle zu den Sphären des  himmlischen Paradieses. Als Mensch erlebt er das Natürliche des irdischen Mikrokosmos und das Göttliche im himmlischen Makrokosmos, die sich nun in ihm, in einer mystischen Vermählung (griech. Hieros Gamos) verbinden. Dante wird sich damit einem Teil seines Seins bewusst, der durch und durch lebendig ist. Hierbei erfährt er eine metaphysische Liebe, die er als Ursache aller weltlichen Liebe erkennt. Von ihr erfüllt, erlebt er sich als Teil des Kosmos.

Da lässt ihn Matelda von den paradiesischen Flüssen trinken: Lethe und Eunoë. Lethes Wasser lässt die Sünden vergessen. Alle Erinnerungen an die Verfehlungen einstigen Erdenlebens, werden damit ausgelöscht und das Bewusstsein befreit, für ein rein geistige Erleben. Aus dem anderen, dem Fluss Eunoë, muss der Tote vor seinem Aufstieg ins himmlische Paradies trinken, um damit seine geistigen Kräfte zu stärken. Ist dies erfolgt erinnert er sich schließlich wieder an seine guten Taten. Damit nun ist Dantes Läuterung vollendet.

Christliche Prozession mit Triumphwagen – ewigeweisheit.de

Christliche Prozession mit Triumphwagen. Illustration von Giovanni di Paolo (1403-1482) aus einer italienischen Handschrift der Divina Commedia, aus dem 15. Jahrhundert.

An der Grenze zum himmlischen Paradies

Nachdem Dante die Wasser der paradiesischen Flüsse trank, sieht er da auf dem Gipfel des Läuterungsberges vor ihm einen Triumphzug.

Es stellte im Raum sich, den die Tiere umfingen
Ein Siegeswagen auf zwei Rädern dar,
Dessen Seile an eines Greifen Halse hingen.

Und in die Streifen ging der Flügel Paar,
Die hoch, den mittelsten umschließend, standen,
So, dass kein Streif davon durchschnitten war.

Sie hoben sich so hoch, dass sie verschwanden;
Gold schien, so weit er Vogel, jedes Glied,
Wie sich im Andern Weiß und Rot verbanden.

Nicht solche Wagen zum Triumph beschied
Rom dem Augustus, noch dem Afrikanen;
Ja, arm erschiene dem, der diesen sieht,

Wagen des Gottes Sol, der, entrückt aus seinen Bahnen,
Verbrannt ward auf der Erde frommes Flehn
Durch Zeus’ gerechten Ratschluss, wie wir ahnen.

[…]

Mir gegenüber fuhr der Wagen vor,
Worauf ein Donnerhall mein Ohr ereilte,
Und sich des Zugs Bewegung schnell verlor,

Der jetzt zugleich mit seinen Fahnen weilte.

[…]

Still stand, da wandten, die’s vom Greifen schieden,
Die zweimal zwölf wahrhaften Zeugen sich
Zum Wagen hin, als wie zu ihrem Frieden.

– Purgatorio 29:106-120,151-154, 30:7ff

Dante trifft Beatrice – ewigeweisheit.de

Dante und Beatrice begrüßen sich. Teil eines Gemäldes von Dante Gabriel Rossetti (1828–1882).

Nun hält der Zug an.

So, durch die Blumenflut, die sie umschloss,
Und niederstürzend um und in den Wagen
Sich aus der Himmelsboten Hand ergoss,

Sah ich ein Weib in weißem Schleier ragen,
Olivenzweige ihr Kranz, und um’s Gewand,
Das Feuer schien, des Mantels Grün geschlagen.

– Purgatorio 30:28-33

Ohne sie bisher erkannt zu haben, sieht Dante vor sich seine liebe Beatrice (lateinisch für »Glücklich Gesegnete«). Von ihrer Tugendkraft überwältigt, will er diese Erfahrung teilen, mit seinem einstigen Führer Vergil. Doch jetzt erst merkt er, dass sein verehrter Meister nicht mehr da ist. Dante ist traurig und Tränen rinnen ihm über die Wangen. Da gibt sich Beatrice zu erkennen. Sie macht Dante zum Vorwurf, dass er im Paradies weine, wo man aber hier doch glücklich sein soll. Dante, von Reue ergriffen, löst sich und wird sich der Gegenwart von Beatrice bewusst

»O Dante, mag Virgil auch von dir scheiden,
Nicht weine drum, noch jetzo weine nicht:
Zu weinen ziemt dir über andres Leiden!«

– Purgatorio 30:55ff

Erst nun zeigt sich ihm Beatrice, und Dante wird gewahr, wo er sich nun eigentlich befindet. Als weise Lehrerin (entsprechend der römischen Minerva, Göttin der Weisen und Dichter) führt sie Dante nun hinauf ins himmlische Paradies.

Doch ihr vom Haupte wallend ließ der Schleier,
Der von Minervas Laub umkränzet ward,
Mir ihren Anblick nur noch wenig freier.

Stolz sprach sie nun mit königlicher Art,
Gleich Einem, der erst mild spricht, anzuschauen,
Und sich das härtre Wort für’s Ende spart:

»Schau her, Beatrice bin ich!
Welch Vertrauen Führt dich zu diesen Höhen?
Wie? weißt du nicht, Beglückte wohnen nur in diesen Auen.«

[…]

So ging, nachdem sie mich am Arm genommen,
Die schöne Frau, und sagte weiblich mild
[…] »Auch du sollst mit ihm kommen.«

[…]

Ich ging aus jener heiligen Flut hervor,
Wie neu erzeugt, von Leid und Schwäche ferne,
Gleich neuer Pflanze in neuen Lenzes Flor,

Rein und bereit zum Flug ins Land der Sterne.

– Purgatorio 30:67-75, 33:133,142-145

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