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Oden an die Liebe – von Sufis, Troubadouren und Minnesängern

Arabische Liebesdichtung und der platonische Eros: Sie verschmolzen ab dem 9. Jahrhundert in zahlreichen Gedichten, erst in islamischen Kulturkreisen, später auch im Gesang der Troubadoure und Minnedichter zu einer höfischen Liebeslyrik.

Bewusst entsagungsvolle Verse der Sufis, die darin zu einer spiritualisierten, idealisierenden Liebe fanden, führen zu Wegen, auf denen man gar an mancher Stelle dem spirituellen Eros Platons begegnet.

Der Liebende rief da diesen Gott der begehrlichen Liebe an, forderte gar ihn zu besitzen, während die Geliebte den »Anteros«, die göttliche Weisheit anrief, um damit ihrerseits den Besitz des Eros einzufordern.

Der Liebende (gleichzeitig Geliebte) sehnte sich nach Göttlichkeit, lernte sie kennen und vereinigte sich schließlich mit ihr. Die Geliebte (gleichzeitig Liebende) identifizierte sich mit der Göttlichkeit und erfuhr durch sich selbst den Fluss göttlicher Weisheit. So erhoben sich beide, Liebende und Geliebter, für eine gewisse Zeit in die Sphären des Himmelischen.

Der Liebhaber verwendete für seine Geliebte üblicherweise einen symbolischen Namen, wie zum Beispiel »Edelstein jenseits aller anderen«, um damit ihre Identität zu verschleiern. Schließlich war sie mit einem anderen verheiratet. Doch das hatte den spirituellen Effekt, dass sich beide daran erinnerten, dass sie jeweils für sich den ewigen Geliebten repräsentierten (also Gott). Spricht man in diesem Fall von einer Beziehung, handelte es sich um ein rein archetypisches Liebesverhältnis. Ihre Geheimhaltung machte solcherart Liebe aber mehr noch zu einer Tugend, zumal das Ego so ja vollständig zurückgestellt wurde. Damit aber solch spirituelle Praxis auch erfolgreich bleibt, muss jede Partei danach streben das Ideal zu verkörpern das sie repräsentiert, um ein geeignetes Vehikel für die göttliche Energie zu sein.

Erreichen die Liebenden das jedoch, ließe sich für sie eine geistige Kraft freisetzten, die ihre Liebesfähigkeiten so sehr vervollkommnete, das man in dieser liebevollen und spirituellen Bindung von einer »Hieros Gamos« sprechen kann, einer Heiligen Ehe. Dies bewirkte eine Transformation des Bewusstseins, wo einen schlummernden Teil der Seele eine äußere Kraft erweckt, eine Art aktiver Intellekt, den man vielleicht auch als eine besondere Form der Weisheit verstehen könnte, gleich einem archetypischen Geistwesen vollkommener Intelligenz, einem Engel des Wissens.

Im Rahmen all solcher Anschaungen, sahen die Sufis, Troubadoure und Minnedichter des Mittelalters, Erkennungszeichen höfischer Liebe.

Einflüsse aus dem arabischen Orient

Auch wenn das in Schriften über höfische Literatur des Mittelalters manchmal übersehen wird, waren die Troubadoure und Minnesänger Europas in ihrer Dichtkunst beeinflusst von arabischer Literatur. Besonders die Poesie des einst muslimischen Spaniens brachte bis dahin nicht geahnte Aspekte der Liebe zum Ausdruck, die jedoch sowohl heilvoll als auch betrüblich sein konnten. Sicherlich aber übte man schon vor dieser Zeit eine besondere Form höfischer Liebe, die in der gesamten islamischen Welt verbreitet war. Darum ist es sehr wahrscheinlich, dass die christlichen Kreuzfahrer von islamischen Gebräuchen beeinflusst waren, was insbesondere in Südeuropa (Spanien oder auch Sizilien) in ihren klassischen Formen aufkam.

In der arabischen Literatur hatten sich eben bereits mehrere relevante Elemente der Liebesdichtung entwickelt, die später von europäischen Lyrikern übernommen wurden, wie zum Beispiel in Gegenüberstellungen von Krankheit und Heilung, Lust oder Leid, um damit Liebeserlebnisse zu beschreiben – wo sicherlich ja Leid und Leidenschaft oft synonym, ganz nah beieinander stehen. Aber etwa auch die Vorstellung von der wahren Liebe als ein nie zu erfüllendes Verlangen, taucht bereits in der arabischen Dichtung auf und sollte in der europäischen Literatur gar zu einer feststehenden Lehre werden.

Französische Dichter und Sänger höfischer Lieder

Auf verschiedenen Wegen verbreiteten sich Liebesgedichte im südlichen Frankreich in der mittelalterlichen Provence und Aquitanien (Region im äußersten Südwesten Frankreichs). Diese Regionen bilden die Wiege dessen, was man heute als höfische Liebe bezeichnet. Zu jenen, die sich als Dichter in der Tradition der Troubadoure befanden, zählten viele die über die Routen der Kreuzfahrer zurück in den Westen kamen. Viele aber wurden auch inspiriert von einer morgenländischen Liebeslyrik, die ihren Weg aus dem spanischen Andalusien über die Pyrenäen fand. So ist es nicht allzu überraschend, dass die Hälfte der überlieferten Lieder des ersten bekannten Troubadours, Wilhelm von Poitiers (1071-1127), in ihrer detaillierten metrischen Struktur und ihren konventionellen Ausdrücken mit einer bestimmten Form der arabischen mystischen Poesie übereinstimmen.

Dieser Wilhelm war einst Graf von Poitiers und Herzog von Aquitanien. Seine Vorfahren standen in Verbindung mit neuplatonischen Philosophen in der berühmten Stadt Chartres. Dadurch inspiriert, verarbeitete Wilhelm in seinen Liebesdichtungen wohl so manch alte platonische Vorstellungen über das Wesen der Weltseele, als eine das Universum durchdringende Kraft, eine Quelle der Inspiration und Weisheit (entsprechend einem mystischen Wirken des christlichen Heiligen Geistes).

Solch neuplatonisches Gedankengut aber sollte auch zu einer Entwicklung der damaligen Stellung der Frau beitragen. Denn es entwickelten sich daraus neue Formen von Erbschaftsgesetzen, die Frauen mehr Unabhängigkeit verlieh. Auch ein im zwölften und dreizehnten Jahrhundert aufkommender Marienkult trug dazu ebenso bei, wie auch der Kontakt mit der kulturell keltisch geprägten Gesellschaft, in der Frauen weitaus mehr geachtet, ja dem Mann sogar gleichgestellt, von den Druiden sogar als göttlich und prophetisch angesehen wurden.

Die deutsche Minne

Seinem Ursprung nach kommt das im Mittelalter gebräuchliche Wort »Minne« vom »meinen«, im Sinne etwas mit jemandem gut zu meinen und zwar den, den man für sich auserwählte, den man im Auge hat, da einen die Liebe dazu brachte. Doch mit der Minne an sich war zunächst allein die helfende Liebe gemeint, woraus sich dann eine Bedeutung entwickelte, zur Bezeichnung für eine innige Liebe und Verehrung für einen Menschen. Sicherlich aber war das, was man heute als Minnedichtung kennt, noch weit mehr, als die Beschreibung seiner zärtlichen Zuneigung, sondern eher schont die Liebe zum anderen Geschlecht und damit die körperliche Liebe.

Besonders letztere Thematisierung war für diese Zeit etwas ganz und gar Neues, denn seit Ende des 12. Jahrhunderts beschrieben deutsche Minnedichter sogar den Umgang mit emotional-erotischen Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Vor dieser Zeit vermied man so etwas anzusprechen (wenngleich wohl zwei Jahrtausende zuvor das besagte Thema doch recht deutlich im Hohelied Salomos zur Sprache kam). In der Antike hatten leidenschaftliche Liebe und Eheleben nicht wirklich miteinander zu tun. Was man als sexuelle Gefühlswallung mit einem anderen Menschen erlebte, das fand im Allgemeinen weit außerhalb der Ehe statt.

In der Mystik nun, meint Minne die Liebe zu Gott, was in der höfischen Kultur des Mittelalters prägend war. Damals wurde die Minne zu einem Ideal platonischer Liebe stilisiert (wie beschrieben in Platons »Symposion«, dem »Gastmahl«). Da etwa bedeutete »Hohe Minne« zuerst etwas, das vor allem den ritterlichen Dienst für eine Dame meinte, der sich ein Ritter unterwarf um ihrer Gunst willen.

 

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