In der hawaiianischen Huna-Tradition, unterscheidet sich das Wesen des Menschen von dem des Tieres dadurch, da er über drei geistige Ebenen verfügt: Das niedere, das mittlere und das höhere Selbst. Das Wort »Huna« steht für eine Geheimlehre, die dem hawaiiansichen Schamanismus der Heiler und Weisen entstammt, den sogenannten »Kahuna«.
Das niedere Selbst
Was diese Kahuna nun als »Unihipili« bezeichnen, steht für das, was bei uns dem psychologischen Konzept des Unter- oder Unbewussten entspricht. Das kahunische Unihipili lässt sich vielleicht verstehen, als eine Art selbstständig funktionierende, feinstoffliche Energiequelle, die ganz eng mit unserer körperlichen Wahrnehmung in Zusammenhang steht. Damit ist es es das festeste, aber auch stärkste der drei Selbste, das über große emotionale und intuitive Willenskräfte verfügt.
Wie auch unser allgemein bezeichnetes Unterbewusstsein, kann es einem Menschen in seiner Entwicklung von großer Hilfe sein, doch mindestens ebenso wirkungsvoll eigenwillig einem das Leben schwer machen, zumal es vielleicht weniger auf der intelligiblen Ebene Fähigkeiten hat, aber eben genau darum unsere wachen und unbewussten Erinnerungen kontrolliert. Physische und visuelle Reize jedoch, vermögen es zu steuern.
Das mittlere Selbst
Man nennt das in der Huna-Tradition »Uhaney«, das wachbewusste Selbst, dass identisch ist mit der menschlichen Fähigkeit zur Sprache. Alle vernunftgesteuerten Entscheidungen sind mit dieser Ebene des Selbst verbunden und lassen sich damit willentlich lenken. Man muss sich dieses, vielleicht könnte man auch von einem »Denkenden Selbst« sprechen, jedoch als eine rein exekutive Funktion des Seins vorstellen, dass als »Denker« dem Diktat des Willens unterliegt, der vom Unihipili her aufsteigt, dem niederen Selbst.
Das höhere Selbst
Wenn die Kahuna vom »Aumakua« sprechen, meinen sie damit das, was vielleicht der Psychologe C. G. Jung kurz einfach »Selbst« nannte – eine Instanz der menschlichen Psyche, die für sich stehend, in einer übergeordneten Bewusstseinsebene, das eigentliche Wesen und die damit verbundene Rolle in dieser Inkarnation ausmacht.
Die Fähigkeiten des Höheren Selbst im Huna, steht weit jenseits dessen, was die beiden anderen Selbste (Unihipili, Uhane) zu bewirken vermögen. Eher gleicht es einem fürsorglichen Geistwesen, dass seinen Träger als solchen kennt und ihn für sein ganzes Dasein, darum in allen Belangen zu unterstützen sucht. Allerdings geschieht das nicht allein auf der materiellen Ebene eines Menschenlebens. Das Aumakua existiert losgelöst von aller Raumzeit. Es steht quasi für sich und vermag darum in der Welt der Form und Vergänglichkeit, außergewöhnliche Dinge zu vollbringen, die mit unter an Wunder grenzen – wozu auch besondere Heilungen von Kranken Menschen zählen.
Kahuna verehren das Aumakua nicht als göttliches Wesen, sondern vielmehr als geistigen Ursprung eines Menschen, aus dem eine Kraft wirkt, die gleich liebevoller Eltern sich um das inkarnierte Individuum sorgt. Daher auch kann man es um Hilfe bitten und es wird sich um einen sorgen – vorausgesetzt, solch Bitte trägt zum Guten bei.
Gut möglich, sagen die Kahuna, dass noch höhere Ebenen des Seins existieren. Doch sie warnen davor, darüber viel zu spekulieren.
Verbindung aufnehmen zum Höheren Selbst
Es scheint naheliegend, dass die Ebene von Ubhane, dem mittleres Selbst, direkt mit dem höheren Selbst, dem Aumakua kommuniziert. Eine direkte Verbindung gibt es zwischen diesen Ebenen des Selbst jedoch nicht. Was zwischen beiden vermittelt, ist das niedere Selbst des Unihipili. Der Grund dafür ist dieser: Alle unbewussten Anteile Unihipilis denken rein intuitiv, in Bildern, durch eine, nennen wir es »kreative Visualisierung«. Wichtig ist dabei, sich dieses Bild ganz klar und deutlich ausmalen zu können, während man sich der Auswirkungen dieser Visualisierung bereits bewusst ist. Einer der fragt erhält darum auch genau das, was er sich wünscht. Sollten das eigene Denken Beschatten negative Aspekte beschatten, werden die Erfüllungen entsprechend ausfallen.
So ist das hier definierte Höhere Selbst also nur über das niedrige Selbst erreichbar, dass über das mittlere Selbst verbunden, schließlich dorthin seine Wirkungen übermittelt.
Man stelle sich hier etwa an die Messe im orthodoxen oder auch katholischen Christentum vor: Da sieht man in heilige Gewänder gekleideten Priester, die mitunter den andächtigen Beiwohnern einer Messe sakrale Ikonen vorhalten, während die Ohren der Gläubigen dem Gesang des Kirchenchors lauschen, wo heilige Hymnen gesungen und biblische Versen zitiert werden. Man riecht da den Weihrauch, während auf rein körperlicher Empfindungsebene die Gefühle von Stehen, Sitzen oder Knien wechseln. Schließlich werden alle teilnehmenden Christen mit der eucharistischen Speise und dem Trank des heiligen Weines »verköstigt«. All diese Erfahrungen, macht des Gläubigen niederes Selbst aus. Die Kahuna sprechen da nun eben von dem »Unihipili«.
Alles Gelingen und Misslingen ist gänzlich davon abhängig, wie gut diese einfachen Sinnesempfindungen auf körperlicher Ebene im gesamten Ritual erfahren werden. Sonst nämlich, wenn der Geist einen Weg und die Sinneswahrnehmung einen anderen Weg gehen, findet da höchstens eine reine Pflichterfüllung statt, die allein der weiteren Aufblähung des Ego gereicht.
Um mit dem aber in Verbindung zu treten, von dem die hawaiiansischen Schamanen als Lebenskraft sprechen, dem »Mana«, bedarf es einer Kontrolle über das Unihipili, über das niedere Selbst. Dort nämlich entspringt alle Lebenskraft.
Im Namen des Guten
Dem niederen Selbst Unihipli erscheint das höhere Selbst Aumakua, als eine fürsorgliche Kraft, die ihm uneingeschränkt zur Verfügung steht – vorausgesetzt ein Wunsch gereicht auch dem Guten Aller. Ein dem entgegen stehendes Handeln, was man im Christentum als »Sünde« bezeichnet, ist laut der Huna-Philosophie erst dann eine solche, wenn sie für anderen Menschen tatsächlich schädlich ist. Ansonsten sagen die Kahuna ganz klar:
Wenn es niemandem und in keinster Weise schadet, war ein Tun auch keine Sünde.
Ganz gleich also welch Regelwerk dieser und jener spirituellen Tradition übergestülpt ist und teils sehr den Normen und religiösen Vorstellungen anderer Glaubensgemeinschaften widerspricht, geht es am Besten darum zu erkennen, was den eigenen Mitmenschen tatsächlich von Nutzen ist. So erübrigt sich auch jedes Urteil gegenüber anderen Religionen. Für so eine Haltung aber muss ein Mensch wahrhaft tolerant sein, was eigentlich nur dem gelingt, der in seinem eigenen Glauben vollkommen gefestigt im Leben steht, in seinem Denken, Reden und Handeln.