Hohelied

Die Rose: Sinnbild der Geheimnisse

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

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Rosensymbolik - ewigeweisheit.de

Eines der bedeutendsten Symbole der westlichen Mysterientradition ist die Rose. Dabei hat sie mit dem Sinnbild des Heiligen Grals wichtige Gemeinsamkeiten. Sowohl für die schalenförmigen Blütenblätter der Rose, wie auch für den heiligen Kelch, verwendete man im Alten Rom das Wort »Calyx«. Welche Geheimnisse verbergen sich hinter diesem Faktum?

In der christlichen Mystik verwendet man die Rose als uraltes Symbol der Liebe, wegen ihres Duftes, ihrer Farbe und der Geheimnisse die sich in ihrer schönen Form verbergen. Mit der Symbolik des Rosenbildes nun, hat der Heilige Kelch des Letzten Abendmahls manches gemein. So werden manchmal die Farbe der roten Rose in Zusammenhang gebracht mit dem Blut des christlichen Heilands am Kreuz. Denn der Legende nach soll Joseph von Arimathäa, Mitglied des jüdischen Gerichts im Alten Jerusalem, Blutstropfen Christi in diesem Becher des Grals aufgefangen haben. Doch man verhaftete ihn deshalb und steckte ihn in einen Kerker. Doch er lebte dort für Jahrzehnte in einem Kerker, allein durch die mysteriöse Kraft dieses Grals. Darum sollte durch Arimathäas Wirken aus dem heiligen Kelch, und damit auch aus der Rose, ein Sinnbild werden für die Verwandlung der Tropfen dieses Blutes und der Wunden Christi. Sowohl Rose wie auch Gral sind Symbole der Empfänglichkeit für das Wirken des Göttlichen.

Das Bildhafte der Rosensymbolik aber ist, im Vergleich zum Gralskelch, noch vielschichtiger. Betrachtet einer nämlich die Schönheit ihrer Form, die Anzahl und besondere Anordnung ihrer Blütenblätter (die sich im Goldenen Schnitt zueinander um den Blütenkelch herum entfalten), befühlt jemand die samtige Textur der grünen Blätter am Stengel und nimmt dabei ihren bezaubernden Duft war, veranlasst die Rose den Erfahrenden zur Wundernahme über ein tief im Inneren der Rosensymbolik verborgenes Geheimnis. Ihre Blütenblättern nämlich umhüllen da etwas, das tief aus ihrem Zentrum hervorwirkt, als ihr »Mystisches Herz«.

Versammlungsort der himmlischen Seelen

Dem Sinnbild des Gralskelchs und der himmlischen Rose entspricht auch die »Candida Rosa«, einem paradiesischen Ort, an dem sich die Seelen der Gläubigen nach dem Tod aufhalten, wie beschrieben von dem italienischen Dichter Dante Alighieri (1265-1321) in seiner Göttlichen Komödie. Er begegnet dort selbst einer engelsartigen Gestalt: Seiner geliebten Beatrice, die in jungen Jahren verstorben war, doch seither eben dort in der Candida Rosa weilte.

Als Dante in der Göttlichen Kömödie nach beschwerlicher Reise durch Hölle und Inferno schließlich zu Beatrice ins Paradies gelangte, betrachtete er in Göttlicher Schau die Candida Rosa in Form einer riesigen Weißen Rose – als ein Symbol der Liebe Gottes. Die Blätter dieser heiligen Blume, stellten die im Himmel thronenden Seelen der Gläubigen dar. Diese Rose vereint als heiliges Gewächs die kraftvollen Wirkungen irdischer und sterblicher Liebe mit einer himmlischen und unsterblichen Liebe. Ihr strahlendes Licht empfängt diese Rose dabei von einer göttlichen Sonne. Es ist das ein Hinweis auf das Geheimnis der Erlösung des Menschen und der Manifestation der göttlichen Liebe im Universum.

Ein Emblem des Rätselhaften

In Rom entstand der antike Ausdruck »Sub Rosa«: »Unter der Rose«. Das ist eine, aus einem alten Brauch erwachsene Redewendung, die man verwendete um damit zu bezeugen, dass etwas, dass geheim bleiben sollte, man eben nur »unter Rosen« besprach. In Martin Luthers (1483-1564) Übersetzung des biblischen Hoheliedes heißt es darüber:

Ich bin eine Blume zu Saron und eine Rose im Tal. Wie eine Rose unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Töchtern.

- Hohelied 1:1f

Es deutet ein Geheimnis an von zwei erotisch Liebenden, womit vermutlich eine Anspielung gemeint ist auf die »verborgene Liebschaft« des Friedensfürsten Salomon mit der schwarzen Königin von Saba. Sehr wahrscheinlich ist die Rosensymbolik in Zusammenhang mit Geheimnissen in der Geschichte aber noch viel älter. Denn die Rose war auch im alten Dionysos-Kult in Griechenland präsent. Damals glaubte man, dass ihre Gegenwart die mit Wein Berauschten davon abhielt, zu versuchen über die Geheimnisse zu sprechen die sie in der Mysterienfeier erfahren hatten.

Das die Rose symbolisch für das Geheimnis steht, ließt man viele Jahrhunderte später auch in einem Buch mit dem Titel »Das Narrenschiff«, von dem deutschen Humanisten Sebastian Brandt (1457-1521). Darin heißt es:

Was wir hier sagen, soll unter Rosen bleiben.

Kein Zufall also dass man Symbolen fünfblättriger Rosen manchmal auch über dem Beichtstuhl begegnet, als ein Zeichen der Verschwiegenheit.

Dass man über die Rose also im selben Kontext wie über die Geheimnisse spricht, mag wohl auch daran liegen, dass sie ja in der Tat einen geheimen inneren Kern besitzt (dem man erst gewahr wird, wenn man die äußeren Blütenblätter entfernt).

Zauberhaftes Bild der orientalischen Rose

Seit dem frühen Mittelalter begannen Menschen in Europa das Bild der Rose zu verehren, als Zeichen für die Vereinigung mit dem Göttlichen – sehr wahrscheinlich inspiriert von Anschauungen arabischer und persischer Sufi-Literatur (wie etwa in Spanien, das einst ja ein islamisches Land war). Als solche war die Rose immer auch ein Symbol für das Geheimnis, für das »Heimliche«. Der persische Sufi-Dichter und Parfümeur Fariduddin Attar (1136-1220) schrieb dazu einmal:

Das Geheimnis leuchtet im Rosenbeet, das Geheimnis ist in der Rose verborgen.

Der Name dieses Dichters war ein Pseudonym, denn es ist das persische Wort für das Rosenöl: »Attar«.

Den Sufi-Meister Al-Qadir Al-Dschilani (1077-1166) nannte man später die »Rose von Bagdad«, so dass in der Symbolik des von ihm gegründeten Ordens der Qadiriyya, entsprechend Rosen eine Rolle spielen.

Immer galt die Rose den Sufis als Sinnbild für einen Menschen edler Gesinnung. Denn so wie die Blütenblätter der Rose zusammengehalten werden, so kann jemand auch lernen verschiedene menschliche Qualitäten in sich, als hohes Gut zu einen, vorausgesetzt, er hat bereits seine wahren Seelenqualitäten entfaltet. Diese Metapher spielt an auf die Ausstrahlung eines spirituellen Menschen, von dem seine positiven Qualitäten ebenso ausstrahlen, wie auch eine Rose ihren Duft verströmt. Gleichzeitig bedeutet das, dass so jemand seine Person zu etwas Edlem entwickelt, durch sein Benehmen, seinen Umgang mit anderen Menschen, seine Rede und sein ganzes Handeln – alles versinnbildlicht durch die Rose. Und das kann so jemand nur, wenn er sich dem Licht Gottes hin öffnet, so wie die Rose dem Licht der Sonne.

Rose und Nachtigall

In der Lyrik der Derwische ist es die Schönheit der Rose, die die Nachtigall veranlasst ihren sehnsüchtigen Gesang zu tirilieren. Besonders in der Bildsprache der persischen Literatur ein beliebtes literarisches Motiv. Da nämlich ist die Rose (pers. Gol) eine Metapher für Vollkommenheit und Schönheit. Manchmal verwendet man sie da um den Geliebten (Gott) oder auch den Propheten Muhammad (as) darzustellen. Die süß singende Nachtigall (pers. Bolbol) war der Liebende in Person des Dichters, wie ja auch der oben zitierte Fariduddin Attar.

Zusammen bilden Rose und Nachtigall die Archetypen des Geliebten und des Liebenden. Die Rose als Sinnbild des Schönen nennen die Dichter eitel (im Sinne von »rein«, »ungetrübt«). Wer ihre Unbeflecktheit jedoch bezweifelt, dem zeigt sich die Rose zuweilen auch grausam, symbolisiert in den Dornen. Die Nachtigall aber singt wegen ihrer Sehnsucht und Hingabe unaufhörlich von ihrer geliebten Rose. Dies außergewöhnliche Liebesverhältnis sollte im Sufismus zu einer Metapher werden, für die Sehnsucht der Seele nach der Vereinigung mit Gott.

Von dieser Verbildlichung der Liebe der Nachtigall zur Rose, ließen sich auch Dichter wie Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) oder Rainer Maria Rilke (1875-1926) inspirieren.

Der Liebende wird nicht irre gehn,
Wär’s um ihn her auch noch so trübe.
Sollten Leila und Medschnun auferstehn,
Von mir erführen sie den Weg der Liebe.

Ist’s möglich daſs ich Liebchen dich kose!
Vernehme der göttlichen Stimme Schall!
Unmöglich scheint immer die Rose,
Unbegreiflich die Nachtigall.

- Aus Goethes West-östlichem Divan

Dass die Sufi-Mystik auch für den Westen von Bedeutung werden sollte, zeigt uns ein Gedichtband des persischen Dichters Saadi (1210-1292) mit dem Titel »Der Rosengarten«.

In den frühesten Gärten der Wüstengebiete des Nahen Ostens versuchte man allegorische Abbilder des Garten Eden anzulegen, worin vier Bäche nach den vier Himmelsrichtungen hin flossen. In der Mitte des Gartens aber wuchs ein Sinnbild des Lebensbaums. Schon im Alten Persien legte man auch solche, wie Mandalas aufgebaute Gärten, umrahmt von vier Mauern, als Zeichen für die Abgeschiedenheit von der profanen Welt und Hinweis auf eine innere Vollkommenheit, in deren Mitte aus mit Kristall verfertigten Brunnen Quellwasser sprudelte. Nicht zufällig spielten da Baum und Brunnen eine zentrale Rolle, nämlich als Sinnbilder des Weiblichen, wo sich aus einer unsichtbaren Welt, sich ständig erneuernden Symbole einer geheimen Quelle ins Diesseits ergießen.

Nun ist interessant, dass das Wort Paradies, das aus der alt-iranischen Sprache stammt, einen umzäunten Garten meint. In diesem Rahmen findet sich die Ursprungsidee dafür, dass man im Mittelalter auch Rosengärten bewusst in solch einem »Paradiesischen Viereck« anlegte. Dies geschah, um die ursprüngliche Harmonie Edens anzudeuten, wodurch der Rosengarten im 12. Jahrhundert zum Standardbild des Paradieses wurde. Die Kultivierung geometrischer Gärten, in denen die Rosen einen ganz zentralen Platz einnehmen, hat im Iran und den angrenzenden Ländern eine lange Geschichte.

Heilig weibliche Blume

Im alten Ägypten verehrte man die Rose als wichtigste unter allen Blumen, die der Göttin Isis selbst als heilig galt. Archäologische Funde belegen das, fand man doch Überreste von Rosenkränzen in den ältesten Gräbern Ägyptens.

Das die Rose seit alter Zeit aber vor allem ein Symbol für das Geheime und damit für die Heiligen Mysterien der Ägypter gewesen sein dürfte, das lässt das berühmte Werk des römischen Philosophen Apuleius von Madaura (123-170 n. Chr.), die »Metamorphosen«, auch bekannt als »Der Goldene Esel« vermuten. Es geht darin um die Prüfungen des Eingeweihten Lucius (dessen Name dem lateinischen Wort für das Licht entspricht), der sich befreien will aus seiner unglücklichen Verwandlung in einen Esel. Durch die Göttin Isis erfährt er die Heilige Initiation und erhält seine menschliche Gestalt zurück, nachdem er von ihren Rosen kostet.

Grundsätzlich ist die Rose als symbolische Blume in der klassischen Mythologie Griechenlands in Hülle und Fülle zu finden. Ein Attribut der Unterweltsgöttin Hekate war manchmal ein Kranz aus fünfblättrigen Rosen auf ihrem Haupt. Die Priesterinnen der Aphrodite, der alt-griechischen Göttin der Liebe, trugen Kränze aus weißen Rosen, und die Wege in ihrem Heiligtum waren mit Rosen bestreut. Die ersten Rosen der Welt, so der Mythos, sollen aus Aphrodites Tränen entsprungen sein. Da war Aphrodite traurig und weinte um ihren erschlagenen Geliebten. Laut der Legende gab es damals nur weiße Rosen, doch sie färbten sich rot, als die Göttin auf der Suche nach ihm in die Dornen der Rose trat, worauf sich die Blüten blutrot färbten.

Maria im Rosenhag - ewigeweisheit.de

Madonna im Rosenhag - Gemälde von Martin Schongauer (1473).

Im Alten Rom bedeckten die Menschen ein Bildnis der Göttin Kybele, der »Großen Mutter«, ihr zu Ehren, in ihren Prozessionen mit vielen Rosen. Es heißt auch, dass Kybele selbst die Rose erschaffen habe, da sie eifersüchtig auf Aphrodite war und in ihrer Rivalität um Adonis, dem Gott des Liebreizes, etwas noch Schöneres auf Erden schaffen wollte.

Ein anderer griechischer Mythos erzählt von Aphrodites Verliebtheit in Adonis. Er verunglückte und sie wollte ihn retten, doch Adonis starb. Sie verletzte sich dabei an einem Brombeerstrauch, so dass ihr Blut zu Boden fiel woraus viele rote Rosen erblühten. Nun war der Göttervater Zeus so gerührt von der Trauer Aphrodites, dass Adonis nur vier Monate des Jahres unter den Toten im Hades bleiben musste, vier Monate aber in der Welt der Lebenden blieb und für weitere vier überließ ihm Zeus wo er lieber gewesen wäre. Die »Rose die den Tod überwindet« ist ein Symbol der Liebe, der man als solches auch im Zusammenhang mit dem Prozess der Wiedergeburt begegnet.

Aus Aphrodite wurde im Römischen Reich später die Göttin Venus. Die Rose behielten die Römer darum als heiliges Symbol dieser Göttin bei. Zwischen dem 11. Mai und dem 15. Juli feierte man in Rom das sogenannte »Rosalienfest«, das eng mit einem Totenkult verbunden war. Dieses Fest der Rosen übertrug sich schließlich auf die christliche Welt, worin man manchmal Pfingsten ja auch als das »Ostern der Rosen« bezeichnet.

Die Rose in der Christlichen Bildsprache

Als das Christentum zur offiziellen Religion des Römischen Reiches wurde, verschwanden seine heidnischen Kulte in denen die Rose als Symbol des Geheimnisses eine Rolle spielte. Denn den Kirchenvätern erschien die Rose als Symbol für die Venus, die ja auch Göttin der Lust war, als nicht vereinbar mit ihrer religiösen Doktrin. Im Mittelalter war die Rose zudem ein Attribut der Jungfrauen.

Doch auch wenn das der Fall war, konnte sich ein Verbot der verschiedenen Rosenembleme nicht wirklich durchsetzen. Es blieb einfach immer ein wichtiges Element bildender und sakraler Kunst.

Mutter Maria – Mystische Rose

So wie man der Rose in der Antike begegnet als Symbol weiblicher Gottheiten (Isis, Hekate, Aphrodite, Venus), so sollte sie ihre Funktion als Symbol des Heiligen, auch als wichtiges Attribut Marias erfüllen.

Im Christentum verkörpert schon immer die heilige Jungfrau Maria das göttlich Weibliche. Mit der Rose, als Symbol des Weiblichen, erhielt auch Maria verschiedene Beinamen; darunter »Rose von Sharon«, »Rosengirlande«, »Rosenmadonna« oder »Königin des heiligsten Rosengartens«. Als »Königin des heiligen Rosenkranzes« ist sie zudem die »Rosa Mystica« – die geheimnisvolle Rose. Auch nannte man Maria im Gebet schon »Rose ohne Dornen«, um damit auf die »ursprüngliche Rose« zu deuten, die im Garten Eden wuchs.

Verschiedene mittelalterliche Gemälde stellen Maria dar, in einem ummauerten Rosengarten, jenem Paradiesischen Viereck von dem wir vorhin sprachen. Solch Garten meint sinnbildlich auch den heiligen Leib einer Mutter. Drum scheinen Mutter Maria und der Rosengarten eins zu sein. Sie bilden so das gerahmte jungfräuliche Organell, in der sich die Empfängnis des »Sohns des Lichts« ereignete. In künstlerischen Abbildungen sieht man Maria da dann zum Beispiel unter einer Rosenlaube oder vor einem Rosenteppich sitzen oder mit einer Rosenkrone bekrönt (siehe Abbildung). Sieht man auf alten Bildnissen Maria als die oben genannte Königin des heiligsten Rosengartens, die in ihrer Hand eine Rose hält, nimmt diese den Platz des Zepters einer Königin ein. Doch ihre Macht stammt dabei eher aus göttlicher Liebe denn aus weltlicher Erhabenheit. Denn es ist die Liebe der einzige Schlüssel, der die Tür zum Garten öffnet und das Geheimnis der verborgenen Rose lüften kann.

Bruderschaft vom Rosenkreuz

Im Protestantismus der Frühen Neuzeit wurzeln die Ursprünge einer spirituellen Reformbewegung, die in das sogenannte »Rosenkreuzertum« mündete. Für die daraus entstandenen christlich-esoterischen Gemeinschaften spielte die Rose eine besondere Rolle. In ihrer Symbolik ist diese Rose gewöhnlich fünfblättrig und befindet sich in der Mitte eines Kreuzes: Ein Symbol des Heiligen Herzens Christi. In manchen Abbildungen aber sieht man noch vier weitere Rosen, die sich jeweils an den vier Enden der einzelnen Kreuzeszweige befinden. Der waagrechte Zweig steht da für die Spannung zwischen allen Gegensätzen (Licht und Finsternis, Gut und Böse, etc.), während die Senkrechte die Verbindung der heiligen himmlischen Rose mit dem irdischen, heiligsten Herz des Eingeweihten steht. Da diese Vier zusammenlaufen in der Rose die sich genau in der Kreuzesmitte befindet, und damit quasi eine Erfüllung des Einen darstellen, so steht diese fünfte Rose für einen Schlüssel, der das Tor zu einem lang verborgenen Geheimnis vom edlen Werden wieder zu eröffnen vermag.

 

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Dreh dich um, wende dich, Schulamith! Wende dich, dreh dich um, dass wir dich schauen! Was wollt ihr Schulamith anschauen, wie beim Tanz der beiden im Lager?

Wie schön sind deine Füße in den Sandalen, du Fürstentochter! Deiner Hüften Rund gleicht zwei Spangen, die des Meisters Hand gemacht.

Dein Schoß ist wie eine runde Schale, dem Würzwein nicht mangelt. Dein Leib ist wie ein Weizenhaufen, umsäumt von Lilien.

Deine Brüste sind wie zwei Kitzlein, Zwillinge einer Gazelle.

Dein Hals ist wie ein Elfenbeinturm. Deine Augen sind wie die Teiche von Heschbon am Tor von Bat-Rabbim. Deine Nase ist wie der Turm auf dem Libanon, der nach Damaskus schaut.

Dein Haupt auf dir ist wie der Karmel. Das Haar auf Deinem Haupt ist wie Purpur, ein König liegt in deinen Locken gefangen.

Wie schön du bist und wie lieblich! Liebe, voller Wonne!

Wie ein Palmbaum ist dein Wuchs und deine Brüste gleichen Trauben.

Ich sage: Besteigen will ich die Palme, will greifen nach ihren Zweigen. Lass deine Brüste sein wie Trauben am Weinstock und den Duft deines Atems wie Äpfel.

Und dein Gaumen wie der köstlichste Wein, der meinem Freunde glatt hinunterrinnt und die Lippen der Schlummernden netzt.

Ich gehöre meinem Geliebten und nach mir steht sein Verlangen.

Komm, mein Geliebter, wandern wir auf das Feld hinaus, bei den Hennasträuchern die Nacht verbringen.

Früh wollen wir dann zu den Weinbergen gehen und sehen, ob der Weinstock treibt und seine Rebenblüten aufgehen, ob die Granatbäume blühen. Dort will ich dir meine Liebe schenken.

Die Liebesäpfel geben den Duft, und an unsren Türen warten alle köstlichen Früchte, frische und auch vorjährige. Für dich hab ich sie aufgehoben, mein Geliebter.

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Wohin ist dein Liebster denn gegangen, o du Schönste unter den Frauen? Wir wollen ihn suchen mit dir. Wo könnte er denn sein?

Mein Geliebter ging in seinen Garten hinab, wo Balsambeete wachsen, um in den Gärten zu weiden, um Rosen zu pflücken.

Mein Freund ist mein und ich bin sein. Er allein nur darf unter Rosen weiden.

Schön bist du, meine Freundin, wie Tirza, lieblich wie Jerusalem, überwältigend wie die himmlischen Heerscharen.

Wende deine Augen von mir ab, denn dein Blick verwirrt mich. Deine Haare sind wie eine Herde Ziegen, die herabziehen vom Berge Gilead.

Deine Zähne sind weiß wie eine Herde Mutterschafe, die aus der Schwemme steigen und die alle Zwillinge haben. Der Jungen beraubt ist keines von ihnen.

Hinter dem Schleier schimmern deine Wangen rosig, wie der Riss im Granatapfel.

Sechzig Königinnen sind es, achtzig Nebenfrauen und Jungfrauen ohne Zahl.

Ich liebe aber nur die eine, meine Taube, meine Vollkommene, die Einzige ihrer Mutter, strahlend rein für jene, die sie geboren hat. Als die Töchter sie sahen, priesen sie sie glücklich. Die Königinnen und Nebenfrauen schwärmen von ihr.

Sie ist so strahlend schön wie die Morgenröte, so herrlich wie der Mond und der klare Schein der Sonne, überwältigend wie die himmlischen Heerscharen?

Ich ging hinab ins Tal, in den Garten der Walnussbäume, zu schauen ob ihre Knospen schon blühen, ob der Weinstock sprosst, ob der Granatapfelbaum treibt.

Ohne dass ich es merkte, entführte mich die Sehnsucht zu meinem Liebsten, hin zu seinem königlichen Prachtwagen.

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Meine Schwester, liebe Braut, ich bin gekommen in meinen Garten. Ich pflücke meine Myrrhe, den Balsam, esse meine Wabe samt dem Honig. Ich habe meinen Wein samt meiner Milch getrunken. Esst und trinkt, meine Freunde, und berauscht euch an der Liebe!

Ich schlafe, aber mein Herz wacht. Horch, die Stimme meines Freundes, mein Geliebter klopft an: Mach auf, meine Schwester und Freundin, meine Taube, du Makellose! Denn mein Haupt ist voll Tau, aus meinen Locken tropft die Nacht.

Ich habe mein Kleid ausgezogen, wie soll ich ihn wieder anziehen? Die Füße habe ich gewaschen, wie soll ich sie wieder besudeln?

Mein Geliebter steckte seine Hand durchs Riegelloch. Da bebte ihm mein Herz entgegen.

Da stand ich auf, um meinem Freund zu öffnen. Da tropften meine Hände von fließender Myrrhe an dem Riegel am Schloss.

Ich öffnete meinem Geliebten: Doch er war weg, verschwunden. Meine Seele war außer sich, als er redete. Ich suchte ihn, aber ich fand ihn nicht; ich rief, aber er antwortete mir nicht.

Es fanden mich die Wächter bei ihrer Runde durch die Stadt. Sie schlugen mich wund. Die Hüter auf der Mauer nahmen mir meinen Schleier.

Ich beschwöre euch, Ihr Töchter Jerusalems: Wenn ihr meinen Geliebten findet, sagt ihm, dass ich vor Liebe krank liege.

Was hat dein Geliebter den andern voraus, o du schönste unter den Frauen? Was hat dein Geliebter den andern voraus, dass du uns so beschworen hast?

Mein Geliebter ist weiß und rot, ist auserkoren unter vielen Tausenden.

Sein Haupt ist feinstes Gold. Seine Locken sind kraus, schwarz wie ein Rabe.

Seine Augen sind wie Augen der Tauben an den Wasserbächen, mit Milch gebadet und stehen in Fülle.

Seine Wangen sind wie Balsambeete, darin Gewürzkräuter wachsen. Seine Lippen sind wie Rosen, die von fließender Myrrhe triefen.

Seine Finger sind wie goldene Stäbe, mit Türkisen besetzt. Sein Leib ist wie reines Elfenbein, mit Saphiren geschmückt.

Seine Beine sind wie Marmorsäulen, gegründet auf goldenen Füßen. Seine Gestalt ist wie der Libanon, erlesen wie Zedern.

Sein Mund ist süß, und er ist ganz lieblich. Ein solcher ist mein Geliebter, ja, das ist mein Freund, ihr Töchter Jerusalems!

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Du bist so schön, meine Freundin! Siehe, schön bist du! Deine Augen hinter deinem Schleier sind wie Tauben. Dein Haar ist gleich einer jungen Herde Ziegen, die herabsteigen vom Gebirge Gileads.

Deine Zähne gleichen einer Herde frisch geschorener Schafe, die aus der Schwemme kommen. Alle haben sie Zwillinge und keiner unter ihnen fehlt.

Deine Lippen leuchten wie ein scharlachrotes Band und lieblich ist dein Mund. Deine Wangen hinter deinem Schleier schimmern rosig wie die Hälften eines Granatapfels.

Dein schlanker Hals ist so herrlich wie der Turm Davids anzusehen, Schicht um Schicht gebaut. Tausend Schilde daran hangen, alle Köcher der Starken.

Deine Brüste sind wie junge Zwillinge einer Gazelle, die zwischen Lilien weiden.

Abends, wenn es kühl wird und die Schatten fliehen, will ich zum Myrrhenberge gehen und zum Weihrauchhügel.

Du bist ganz wunderschön, meine Freundin, kein Makel ist an dir.

Komm mit mir, meine Braut, steig mit mir herab vom Libanon, vom Gipfel des Amanaberges kommend, von der Höhe des Senir und Hermon. Komm weg von den Klippen, wo die Löwen und Panther lauern!

Du hast mich verzaubert, meine Schwester, liebe Braut, mit einem einzigen Blick deiner Augen hast du mein Herz gestohlen, mit einer einzigen Kette von deinem Halsschmuck.

Wie glücklich macht mich deine Liebe, mein Mädchen, meine Braut! Köstlicher als Wein ist deine Liebe! Und der Duft deiner Salben übertrifft alle Parfümöle.

Von deinen Lippen, meine Braut, träufelt Honigseim. Honig und Milch sind unter deiner Zunge, und der Duft deiner Gewänder ist wie der Duft des Libanon.

Ein verschlossener Garten bist du, meine Schwester, liebe Braut, ein verschlossener Garten, ein versiegelter Born.

Ja, dein Körper ist ein Lustgarten. Darin stehen Granatapfelbäume mit köstlichen Früchten, Zyperblumen mit Narden in voller Pracht.

Narde und Safran, Kalmus und Zimt, selbst Weihrauchhölzer, Myrrhe, Aloe und die feinsten Balsamsträucher sind dort zu finden.

Du bist ein Gartenquell, ein Brunnen lebendigen Wassers, herabfließend vom Libanon her.

Nordwind wach auf, und Südwind komm! Durchweh meinen Garten, seine Balsamdüfte sollen verströmen!
Mein Freund komme in seinen Garten und esse von seinen edlen Früchten.

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Des Nachts auf meinem Bette suchte ich, den meine Seele liebt. Ich suchte ihn aber ich fand ihn nicht.

Ich will aufstehen und die Stadt durchstreifen auf den Gassen und Straßen und suchen, den meine Seele liebt. Ich suchte, aber ich fand ihn nicht.

Es fanden mich die Wächter, die in der Stadt umgehen: "Habt ihr nicht gesehen, den meine Seele liebt?"

Kaum dass ich an ihnen vorüber war, da fand ich, den meine Seele liebt. Ich halte ihn und will ihn nicht lassen, bis ich ihn bringe in meiner Mutter Haus, in die Kammer der, die mich gebar.

Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, bei den Rehen oder bei den Hirschkühen auf dem Felde, dass ihr meine Freundin nicht aufweckt noch regt, bis dass es ihr selbst gefällt.

 

Wer ist die, die heraufgeht aus der Wüste wie Säulen von Rauch, umduftet von Myrrhe und Weihrauch und allerlei Pulver eines Apothekers?

Siehe, um die Sänfte Salomos her stehen sechzig Starke aus den Starken in Israel.

Sie halten alle Schwerter und sind im Kampf erfahren. Ein jeglicher hat sein Schwert an seiner Hüfte um der Furcht willen in der Nacht.

Der König Salomo ließ sich eine Sänfte fertigen aus Holz vom Libanon.

Ihre Säulen gefertigt aus Silber, die Decke aus Gold, der Sitz purpurn, und ihr Inneres ist liebevoll ausgeziert um der Töchter Jerusalems willen.

Geht heraus und schaut, ihr Töchter Zions, den König Salomo in der Krone, mit der ihn seine Mutter gekrönt hat am Tage seiner Hoch und am Tage der Freude seines Herzens.

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Ich bin eine Blume zu Saron und eine Rose im Tal.

Wie eine Rose unter den Dornen, so ist meine Liebste unter den Töchtern.

Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Liebster unter den Söhnen. Ich sitze im Schatten, des ich begehre, und seine Frucht ist meiner Kehle süß.

Er führt mich in den Weinkeller, und die Liebe ist sein Banner über mir.

Er erquickt mich mit Blumen und labt mich mit Äpfeln, denn ich bin krank vor Liebe.

Seine Linke liegt unter meinem Haupt, und seine Rechte herzet mich.

Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, bei den Rehen oder bei den Hinden auf dem Felde, dass ihr meine Freundin nicht aufweckt noch regt, bis es ihr selbst gefällt.

Da ist die Stimme meines Freundes! Siehe, er kommt und hüpft auf den Bergen und springt auf den Hügeln.

Mein Liebster ist gleich einem Reh oder jungen Hirsch. Siehe, er steht hinter unsrer Wand, sieht durchs Fenster und schaut durchs Gitter.

Mein Liebster antwortet und spricht zu mir: Stehe auf, meine Liebste, meine Schöne, komm doch her!

Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist weg und dahin. Die Blumen zeigen sich im Lande, der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube lässt sich hören in unserm Lande. Der Feigenbaum hat Knoten gewonnen, die Weinstöcke haben Blüten gewonnen und geben ihren Geruch. Stehe auf, meine Liebste, und komm, meine Schöne, komm her!

Meine Taube in den Felsklüften, in den Steinritzen, zeige mir deine Gestalt, lass mich hören deine Stimme, denn die Stimme ist süß, und dein Anblick lieblich.

Fanget uns die Füchse, die kleinen Füchse, die die Weinberge verderben, denn unsere Weinberge stehen in Blüten.

Mein Liebster ist mein, und ich bin sein, der unter Rosen weidet.

Bis der Tag kühl wird und die Schatten weichen, kehre um. Werde wie ein Reh, mein Geliebter, oder wie ein junger Hirsch auf den Scheidebergen!

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Das hohe Lied Salomos.

Lass ihn mich küssen mit den Küssen seines Mundes. Denn deine Liebe ist lieblicher als Wein.

Wegen des Duftes deiner köstlichen Salben, dein Name ist ein ausgegossenes Salböl; darum lieben dich die Jungfrauen.

Zieh mich weg von hier! Wir wollen dir nachlaufen. Der König führte mich in seine Gemächer. Wir wollen froh sein und uns an dir erfreuen. Wir werden deiner Liebe mehr gedenken als dem Wein. Die Frommen lieben dich.

Ich bin schwarz, aber schön, ihr Töchter Jerusalems, wie die Zelte von Kedar, wie die Vorhänge Salomos.

Seht mich nicht an, denn ich bin dunkel; die Sonne hat mich so gebräunt. Die Kinder meiner Mutter waren zornig auf mich; sie machten mich zum Hüter der Weinberge, aber meinen eigenen Weinberg habe ich nicht behütet.

Sag mir, o du, den ich liebe, wo du deine Herde weidest, wo du sie am Mittag ruhen lässt? Denn warum soll ich mich verschleiern bei den Herden deiner Gefährten?

Weißt du es nicht, du Schönste unter den Frauen: Folge den Spuren der Herde nach, und weide deine kleinen Ziegen neben den Zelten der Hirten.

Ich vergleiche dich, meine Freundin, einem Gespann an den Wagen Pharaos.

Deine Wangen stehen lieblich in Kettchen und dein Hals in den Schnüren.

Wir wollen dich mit goldenen Kettchen schmücken mit silbernen Beschlägen.

Während der König auf seinem Ruhepolster weilte, gab meine Narde ihren Duft.

Mein Geliebter ist mir ein Büschel Myrrhen, das zwischen meinem Busen ruht.

Mein Geliebter ist für mich ein Büschel Zyprusblumen, in den Weinbergen von Engedi.

Siehe, du bist schön, meine Liebe! Siehe, du bist schön! Deine Augen sind wie Taubenaugen.

Siehe, du bist schön, mein Geliebter! Ja, lieblich! Ja immer grün ist unser Bett.

Die Balken unserer Häuser sind aus Zedern, und unsere Dachsparren Zypressen.

Eine Chimäre in der Geschichte der Mystik: Bernhard von Clairvaux

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Bernhard von Clairvaux - ewigeweisheit.de

Um sich ein Bild zu machen, von dem französischen Mystiker und Heiligen Bernhard von Clairvaux, muss man ihn im geschichtlichen Kontext des 12. Jahrhunderts sehen. Europa befand sich damals in einer Phase gewaltiger Umbrüche. Wer in jenen Tagen an der Spitze der theologischen Geistesschulen stand, dessen Denken reflektierte unweigerlich die Verstimmtheit seiner Zeit.

Bernhard von Clairvaux setzte als Mönch und Prediger wichtige Zeichen, die auf die Geschicke der abendländischen Kultur direkten Einfluss ausübten. Viele schicksalhafte Fügungen, über die wir aus den Chroniken dieser Zeit erfahren, schienen auf sonderbare Weise mit Bernhard und den ihm nahestehenden Personen verquickt gewesen zu sein.

Es war die Zeit, als Nachrichten nach Europa kamen, über die Blüte einer fremden Hochkultur im Morgenland. Mathematik, Philosophie, Physik, Metaphysik, Medizin, Architektur und die schönen Künste, erlebten dort gerade ihr Goldenes Zeitalter und waren dem abendländischen Geistesleben in vielen Dingen überlegen. In Europa aber schien man davon nur zu ahnen – vielleicht aber auch nichts wissen zu wollen, denn die christlichen Heiligtümer von einst, bewachten jetzt die Fürsten jener unbekannten Religion, wo man angeblich einen Götzen Namens Mahomet anbetete. Das gemeine Volk wusste nicht, dass das kein falscher Gott, sondern der Prophet einer noch jungen Religion war, des Islam – in dem Juden und Christen das »Volk des Buches« genannt werden und die, wie auch Muslime, die spirituellen Nachkommen des Propheten Abraham sind. Sehr wahrscheinlich jedoch wusste Bernhard von Clairvaux sehr wohl wie es um diese Religion stand.

Zwischen Geistlichem und Weltlichem

Bernhard war ein frommer Mönch mit außergewöhnlichen spirituellen Fähigkeiten. Immer aber beschäftigten ihn auch weltliche Belange. Unzählige Widersprüche zankten offenbar im Verborgenen seiner Persönlichkeit. Als eigentlicher Verkünder des Friedens, führte er nicht nur die Christen seiner Zeit näher an ihren Glauben, sondern außerdem tausende Ritter, die wenn nötig, auch im Namen ihres Herrn sterben würden.

Bernhard wurde 1090 als Sohn burgundischer Adeliger geboren. Als er mit 22 Jahren seiner Familie erklärte Mönch zu werden, erstarrte sie in Fassungslosigkeit. Doch es kam noch besser, denn mit ihm zogen vier seiner Brüder ins nahegelegene Zisterzienserkloster Cîteaux ein. Auch viele seiner Freunde folgten ihm 1112 dorthin nach und wurden ebenfalls Mönche. Bernhard verstand es seine Mitmenschen ihrem wahren Wesen nach zu erkennen, sie so zu sehen wie sie wirklich sind, mit all ihren Anfälligkeiten und Versuchungen. Das schienen seine Zeitgenossen an ihm zu lieben und sich darum auch für seine spirituellen Ideen zu begeistern.

1115 entsandte der Abt des Klosters Cîteaux, Stephen Harding (1060-1134), Bernhard im Gefolge 12 anderer Mönche, nach Vallée d'Absinthe. Dort sollte er ein neues Kloster gründen, dem Bernhard den Namen Claire Vallée gab, woraus schließlich »Clairvaux« wurde.

Als Abt dieses neu gegründeten Klosters, verfasste Bernhard dort seine inspirierenden Schriften. Man könnte sagen, dass die Geschichte der Christlichen Mystik mit diesem Abt von Clairvaux begann. Seine persönliche Anziehungskraft, wegen der ihm schon seine Geschwister und Freunde gefolgt waren, sollte noch über größere Kreise hinweg wirken. Denn um den begnadeten Prediger von Clairvaux zu hören, besuchten Menschen aus ganz Europa sein Kloster. Wegen seiner bemerkenswerten Kenntnis der Heiligen Schrift, die er so wundervoll zu predigen vermochte, nennt man ihn auch den Doctor Mellifluus – den »honigfließenden Lehrer«.

Bernhard war im Stande auch die innere Bedeutung der Heiligen Schrift zu enthüllen, ihr Flügel zu verleihen und zum Leben zu erwecken. Er konnte auch in Anderen, die seine Predigten hörten oder lasen, ein wirkliches Empfinden der Bibeltexte entfachen. Doch dies gelang ihm nur, da das der echte Ausdruck seiner persönlichen Empfindung war – etwas, dass er an mystischer Erfahrung selbst erlebt hatte.

Im Mittelpunkt abendländischer Geisteskultur

Die Klöster Clairvaux und Cîteaux gediehen im 12. Jahrhundert zu einem spirituellen Zentrum, in dem die geistigen Kräfte des abendländischen Zeitalters zusammenliefen. Von hier aus prägte Bernhard von Clairvaux in seinem Wirken, ein halbes Jahrhundert europäischer Geschichte.

Sein gewaltiger Einfluss reichte in die Ränge des Vatikan und die Politik seiner Zeit. Er war Mentor von Päpsten und diente den Fürsten seines Landes als Berater. Aus dem Kreise seiner Familie stammte auch der Adlige Hugo von Payens (1070-1136) – der dann der erste Großmeister des Ordens der Templer sein sollte – für den Bernhard noch eine sehr wichtige Rolle spielte.

Die große Wirkung seiner spirituellen Betätigung, hinterlies ihre Spuren in den Gemütern ganz Europas. Dereinst sollte sogar der Papst ihn bitten, die Bildung eines der einflussreichsten Ritterorden der Geschichte voran zu treiben: Der Orden der Tempelritter. Seine Lobreden auf diesen christlichen Ritterorden und das Regelwerk das er für seine Mitglieder erschuf, sollte bald zum Ideal der abendländischen Aristokratie werden. Unter Bernhards Einfluss, gewannen die Templer immer mehr Mitglieder. Durch seine Predigt-Reisen rekrutierte er überall in Europa junge Adlige, die sich diesem neuartigen ritterlichen Mönchsorden anschlossen. Doch dazu später mehr.

Mystik des Heiligen Bernhard

Wenn man sich heute an Bernhard von Clairvaux erinnert, denkt man nicht zuerst an seine Kreuzzugspredigten, als eher an seine Spiritualität.

Bernhards Begabung als Mystiker war bemerkenswert. In 120 Predigten, die auch schriftlich niedergelegt wurden, schuf er einen Schriftkorpus, mit dem er die Angehörigen seines Ordens in das christliche Mysterium einweihte. Den wichtigster Teil seines Werkes bildet wohl das De Diligendo Deo – Über die Gottesliebe – und die Sermones super Cantica Canticorum – die Predigten über das Hohelied Salomos.

Seine Spiritualität stellte allerdings auch einen Gegenpol zur wissenschaftlichen Rationalität dar, die in der scholastischen Theologie, zu seiner Zeit viel Zustimmung fand.

Der Glaube der Frommen vertraut, er diskutiert nicht.

- Bernhard von Clairvaux

Statt das Wesen Gottes in einer Dialektik zu entzweien, versuchte Bernhard seinen Schülern das zu vermitteln, was man die Unio Mystica nennt, die mystische Liebesvereinigung der menschlichen Seele mit Gott. Dies gelang ihm in der sogenannten Brautmystik, die er aus den Versen des Hohelied Salomos entwickelte.

Für Bernhard bildete die menschliche Seele ein Ebenbild zu Gott. Dadurch war sie – und somit auch jeder Mensch – zur Unio Mystica mit Gott befähigt. Dank dieses angeborenen Seelenadels, bestand für jeden Menschen Zuversicht, durch seine Gottesliebe, den Wunsch nach Erlösung aus weltlichem Schmerz, letztendlich sich auch selbst erfüllen zu können.

Doch nicht jedem war diese hohe Form der Spiritualität zugänglich. Die in seinen Predigten verwendeten Gleichnisse, konnten darum den meisten seiner Zuhörer, nur eine erste Ahnung vom esoterischen Gehalt seiner Lehre vermitteln.

Hochzeit von Christus und der Kirche – ewigeweisheit.de

Die Mystische Hochzeit zwischen dem Christus und den Menschen der Gemeinde. Aus einem Buch des Herzogs von Berry (15. Jahrhundert).

Menschliche Seele - Göttliche Braut

In der wundervollen, liebeslyrischen Sprache des Hohelieds Salomos, erlebt der Leser einen erotischen Wechselgesang, wo es um die leidenschaftliche Hingabe eines Liebespaares geht: der jungen Königin von Saba und dem König Salomo. Der heilige Bernhard fand im Hohelied eine höhere Erzählebene, auf der er die ultimative Liebe zwischen Gott und seinem auserwählten Volk erfährt, was er letztendlich übertrug auf die Liebe zwischen Christus und seiner bräutlichen Kirchengemeinde.

Diese sogenannte Brautmystik, ist jedoch keineswegs nur allegorisch zu verstehen, sondern meint das betont körperbezogene Erleben des Lesers, während seiner Meditation über die Zeilen des Hohelieds. Es befähigt den Betenden, die darin verdichtete Weisheit in seinem Verstand so aufzunehmen, dass sie sich mit seinem emotionalen Empfinden auch tatsächlich begreifen lässt. Denn Bernhard galt Theologie nicht etwa nur als abstrakter Versuch die Wahrheit zu finden. Eher versuchte er durch seine Predigten tatsächlich seine Zuhörer auf einen spirituellen Pfad zu führen, wobei er durch seine mystische Sprache, in den Seelen aller Anwesenden, eine Liebe zu entfachen vermochte die ihnen gar das Empfinden einer heiligen Kommunion mit Gott vermittelte.

Inmitten seines Gebets träumt er (der Betende) von Gott. Was er da sieht ist (zwar nur) eine schummrige Spiegelung, kein Traumbild Auge in Auge. Doch selbst wenn es nur eine vage Ahnung ist, und kein echtes Sehen, vernimmt er den flüchtigen Anblick einer funkelnden Pracht vollkommenster Vorzüglichkeit, wobei er in Liebe entflammt und spricht: 'Von Herzen begehre ich dein des Nachts; dazu mit meinem Geist in mir wache ich früh zu dir (Jesaja 26:9).'

Eine Liebe wie diese ist voller Leidenschaft. Es ist eine Liebe, die die Freundin des Bräutigams wird, Liebe, die die treu ergebene und kluge Dienerin inspiriert, die der Herr für seine Familie (die Gemeinde der Kirche) bestimmt. […]

Letztendlich ist Gott selbst Liebe, und nichts Erschaffene kann befriedigen, den in Gottes Ebenbild geschaffenen Menschen, außer dem, nur ein Gott der Liebe ist, der alleinig über allem Geschaffenen steht.

- Sermones super Cantica Canticorum (Predigten über das Hohelied) 18:6

Wie die erotische Kraft eines sehnsüchtig Liebenden, schirrte er in Anderen eine Fähigkeit an, die sie zur spirituellen Reflexion führte. Immer schon war die erotische Allegorie ein Mittel der Initiation durch das Wort, was etwa auch im Buch Genesis erfolgte, wo spirituelles Erkennen und der Akt körperlicher Liebe, als synonyme Ausdrücke verwendet werden (Genesis 4:1).

Lectio Divina: Gebet in Meditation

Einer der rituellen Bestandteile des täglichen Klosterlebens ist die meditative Gebetspraxis. Mönche lesen dabei aufmerksam bestimmte Abschnitte aus der Bibel, worüber sie dann meditieren. Hierzu wählt ein Mönch einen bestimmten Vers aus der Heiligen Schrift, zum Beispiel einen Psalm, den er beständig wiederholt und leise vor sich hinmurmelt. Während dieses Lesens vernimmt der Betende das Wort Gottes, über das er dabei meditierend nachsinnt und aus dem gelesenen Bibelvers eine Antwort auf diese Anrede Gottes erhält.

Die Aufgabe der Mönche besteht nun darin, während ihrer geflüsterten Bibellektüre, dem Klang ihrer Stimme nachzuspüren. Damit machen sie aus der Heiligen Schrift etwas Lebendiges. In der Kontemplation über das biblische Wort, bewegt sich die Seele des Meditierenden dabei in geistigen Dialog mit Gott.

In dieser intensiven Beschäftigung mit den Versen der Heiligen Schrift, werden sich die Mönche der tieferen Bedeutung des Wortes gewahr. Allmählich beginnt der Betende, der im Bibelwort enthaltenen Weisheit voll bewusst zu werden, fängt an, eine Art Süße aus dem Text herauszulesen. Er beginnt sozusagen zu schmecken, was er in der Heiligen Schrift liest, löst er in seiner Lektüre der Zeilen doch ein Mysterium.

Zu lesen, bedeutet auch einer Spur zu folgen. Einer Spur folgt auch der Winzer beim Lesen der Trauben vom Rebstock. Auch die Bienen in den Weinbergen folgen ihren Spuren, wenn sie die Blüten beehren. Ihre Lust ist es deren Nektar auszulösen, während sie sie bestäubt, damit in Zukunft auch die Nachkommen ihres Volkes wieder blüten aufsuchen werden.

Ein »Honigsammler« war auch der Heilige Bernhard, der den Spuren der Wörter der Heiligen Schrift folgte. Immer wieder sucht er ihre Buchstaben auf, um die darin enthaltene Süße auszulesen.

So wie Speise dem Gaumen süß ist, so schmeckt der Gesang der Psalmen dem Herzen. Doch die Seele, die inniglich weise ist, darf nicht unterlassen, ihn (den Psalm) sozusagen mit den Zähnen der Einsicht zu zerkleinern, denn wenn sie ihn in einem Brocken herunterschlingt, würde der Gaumen um den köstlichen Wohlgeschmack betrogen werden, der süßer ist als Honig der aus der Wabe fließt. Drum lasst uns beim himmlischen Gastmahle mit den Aposteln Honigwaben darbringen, auf die Festtafel des Herrn. Denn so wie Honig aus der Wabe fließt, soll aus der Schrift Ehrerbietung fließen (Hohelied 4:10f). Sonst nämlich, wenn du die Schrift ohne die Würze des Geistes hinunterschlingst, bleiben da nur Buchstaben toter Schrift zurück.

- Sermones super Cantica Canticorum (Predigten über das Hohelied) 7:5

Vom Schweigen über die Geheimnisse

Dem Heiligen Bernhard war bewusst, dass er in seinen Interpretationen gewiss Zurückhaltung wahren musste. Denn nicht jeder war mit dem angemessenen Bewusstsein ausgestattet, so großen spirituellen Themen wie der Heiligen Hochzeit, überhaupt gewachsen zu sein. Er wusste, dass das im Hohelied Salomos beschriebene Mysterium, durchaus vor Missverständnissen und Missdeutungen geschützt bleiben musste.

Bernhards in lateinischer Sprache verfassten Predigten über das Hohelied, waren nur jenen vorbehalten, die das nötige Bewusstsein besaßen, um seine Worte auch wirklich zu begreifen. Dazu gehörten wohl zuerst die Mönche des Klosters Clairvaux. Wen dann die Praxis der Lectio Divina, zu einem wahren spirituellen Leben befähigte, der brachte wohl auch die notwendige Verantwortung mit, die Bernhards Schriften ihren Lesern abverlangen.

Die Anweisungen, mit denen ich mich an euch wende, meine lieben Brüder, sollten sich von denen unterscheiden, die ich den Menschen in der Welt überliefere, zumindest die Art und Weise ist eine andere. Wer als Priester der Methode des Heiligen Paulus folgen will, gibt ihnen eher Milch zu trinken, als dass er ihnen feste Nahrung serviert (die sie nämlich nicht verdauen können) und serviert nahrhaftere Kost jenen, die spirituelle Erleuchtung erlangten: 'Und davon reden wir', so sprach er (der Heilige Paulus), 'auch nicht mit Worten, welche menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen (1. Korinther 2:13).' Und wieder: 'Von Weisheit reden wir aber unter den Vollkommenen (1. Korinther 2:6)', in deren Gemeinschaft, davon bin ich überzeugt, man euch findet, es sei den, dass euere Studien der göttlichen Lehren nicht anhielten, euere Sinne verendet sind, und ihr Tag und Nacht im Sinnen über das Gesetz Gottes verbrachtet. Daher seid bereit dazu euch eher vom Brot zu nähren, als von der Milch. Salomon hat vortreffliches Brot für euch, dass gar köstlich ist. Es ist das Brot eines Buches, dass man das 'Hohelied' nennt. Lasst es uns brechen, wenn ich bitten darf, und so verkünden.

- Sermones super Cantica Canticorum (Predigten über das Hohelied) 1:1

Rosen vor die Säue – ewigeweisheit.de

Ausschnitt aus einem Gemälde Pieter Brueghel des Älteren: Die niederländischen Sprichwörter (1559). Hier wirft einer Rosen vor die Säue - verschwendet etwas Kostbares an Unwürdige.

Worauf sich Bernhard hier bezieht ist die Arkandisziplin: der Grundsatz, nur im Kreise Eingeweihter über Geheimnisse zu sprechen. Denn Esoterik darf nichts Profanes werden, nicht zu Allerweltlichem verkommen und

die Perlen nicht vor die Säue geworfen werden.

- Matthäus 7:6

Und doch kann der, der Geheimnisse durch Allegorien und Metaphern verkündet, sich einer möglichen Auskunft nicht ganz versagen. Doch was er weiß, sind die ihm gesetzten Grenzen, die ein Uneingeweihter nicht kennt. Der spricht was ihm sein Wunsch nach Wichtigkeit gebietet.

Auf der anderen Seite, ist die Wissbegierde der meisten Menschen doch eher oberflächlich. Ein Wissender sollte also zuerst versuchen, neugierige Fragen in ihrer Bedeutungslosigkeit zu entlarven. Denn je wissensdurstiger jemand auf esoterisches Wissen ist, desto mehr zeigt das seine spirituelle Unreife.

Jesus ließ die meisten Menschen über die Bedeutung seiner Gleichnisse im Unklaren. Nur im Kreise der Zwölf, machte er den Grund dafür bekannt:

Euch ist's gegeben, zu wissen die Geheimnisse des Himmelreichs, diesen aber ist's nicht gegeben. Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat. Darum rede ich zu ihnen in Gleichnissen. Denn mit sehenden Augen sehen sie nicht und mit hörenden Ohren hören sie nicht; und sie verstehen es nicht. Und an ihnen wird die Weissagung Jesajas erfüllt, die da sagt (Jesaja 6,9-10): 'Mit den Ohren werdet ihr hören und werdet nicht verstehen; und mit sehenden Augen werdet ihr sehen und werdet nicht erkennen. Denn das Herz dieses Volkes ist verfettet, und mit ihren Ohren hören sie schwer, und ihre Augen haben sie geschlossen, auf dass sie nicht mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, dass ich sie heile.' Aber selig sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören.

- Matthäus 13:11-1

Es bedarf einer gewissen Seelenhygiene, die ein Mensch erst im Laufe seines Lebens entwickeln muss – vorausgesetzt, er befasste sich über lange Zeit damit, was seinem Seelenleben gut tut. Erst dann ist einer dazu befähigt, aus seinem esoterischen Wissen anderen mitzuteilen. Es kann einer eben nur so weit andere führen, wie er schon selbst fortgeschritten ist. Was darüber hinausgeht, ist gefährlich – besonders dann, wenn einer zur Masse spricht. Wer ohne die entsprechende Erfahrung über die Bedeutung der Geheimnisse spricht, setzt damit nicht unbedingt seine eigene, gewiss aber die Sicherheit anderer aufs Spiel.

Du könntest alle Geheimnisse kennen, du könntest die Größe der Erde kennen, die Höhen des Himmels und die Tiefen des Meeres: Doch wenn du dich selbst nicht kennst, würdest du jemandem gleichen, der ohne Fundamente eine Ruine, statt eines Gebäudes errichtete. Alles was du außerhalb deiner selbst aufrichtest, wird wie ein Staubhaufen sein, der dem Wind preisgegeben ist. Keiner ist also weise, der nicht über sich selbst Bescheid weiß. Ein Weiser wird in Weisheit über sich selbst informiert sein, und er trinkt auch als Erster aus der Quelle seiner eigenen Wasserfülle.

- De Consideratione (Über das Nachdenken) II:3:6

Das schrieb Bernhard circa 50 Jahre nach dem ersten Kreuzzug. Papst Urban II. jedoch schien solchen Nachdenkens zu entbehren, als er 1095 zum Ersten Kreuzzug aufrief. Denn was sich damit von Frankreich in Richtung Palästina aufmachte, war ein unorganisierter Mob, gemeinen, ungebildeten Volkes.
Bereits in Ostfrankreich kam es zu Massenmorden an der jüdischen Bevölkerung. Solcher Art Pogrome zogen sich entlang der Kreuzfahrerroute bis in Heilige Land. Im syrischen Maarat an-Numan, sollte der Erste Kreuzzug seinen Höhepunkt an Grausamkeit annehmen, wo die barbarischen Kreuzfahrer in ihrer Hungersnot, sogenannte Ungläubige aufspießten und geröstet fraßen. Das berichtete der normannische Radulf von Caen (1080-1120) in seiner Kreuzfahrer-Chronik.

Ob der Heilige Bernhard von diesen Schreckenstaten wusste? Ignorierte er die Grausamkeiten und die unzähligen Menschen die auf dem Kreuzzug umkamen, auch die vielen Christen die aus Unwissenheit der Kreuzfahrer einen so erbärmlichen Tod fanden?

Abaelard und Heloise – ewigeweisheit.de

Abaelard und Heloise in einer Handschrift aus dem 14. Jahrhundert.

Wozu Bernhard außerdem fähig war

Die Äbtissin Heloise (1095-1164) vom französischen Frauenkloster Le Paraclet, könnte sehr wohl in Bernhards Werken und Wirken eine nicht unbedeutende Rolle eingenommen haben. Zu der nur fünf Jahre jüngeren Nonne, hatte Bernhard über lange Zeit Kontakt gepflegt und die beiden standen wohl auch in spirituellem Austausch.

Zwischen 1116-1118 traf Heloise den Mönch Pierre Abaelard (1079-1142). Er war zuerst ihr Lehrer, doch die beiden verliebten sich. Heloise wurde schwanger. Als Nonne aber war sie nun gezwungen ihr Kind im Geheimen zur Welt zu bringen. Abaelard wurde heftig bestraft. Viele Texte der Literatur des Hochmittelalters schrieben über diese verbotene, tragische Romanze.

In Briefen an Abaelard sprach Heloise interessanterweise auch das Hohelied Salomos an. Und da sie immer auch in Verbindung stand zu Bernhard von Clairvaux, liegt die Vermutung nahe, dass die Inspiration zu seinem Kommentar zum Hohelied, vielleicht auch mit ihr zu tun hatte. Dafür gibt es bisher keine genauen historischen Belege. Es bleibt also eine Vermutung. Bestätigt aber ist, dass Bernhard von der Liebesaffäre zwischen Heloise und Abaelard wusste. Doch nie sprach er darüber öffentlich.

Es scheint Bernhard aber gequält zu haben, von dieser Liebschaft zu wissen. Denn es war fast absurd, wie vehement er sich gegen die Lehren Peter Abaelards wandte. Der nämlich vertrat eine Philosophie der Vernunft, wo nicht-religiöse philosophische Techniken, zur Erklärung des Glaubensbegriffes zur Anwendung kamen. Das galt Bernhard als vollkommenes Absurdum. Denn jene mystische Liebe, die ein Gläubiger gegenüber Gott in der Unio Mystica erfährt, sei auch durch wissenschaftliches Hinterfragen nicht zu erklären. Abaelards Rationalismus und seine Mittel zur methodischen Wahrheitsfindung erschienen Bernhard darum einfach zwecklos. Für ihn war christlicher Glaube nur im Herzen zu erfahren. Bernhard glaubte, dass wer durch Verstandesdenken einen Beweis für die Existenz Gottes logisch herzuleiten gesuchte, nichts als nur den Teufel fand.

Bernhard erschien Abaelars Philosophie aber sogar als Angriff auf seinen christlichen Glauben. Und durch sein Drängen, verwarf die Katholische Kirche Abaelards Lehren sogar als Häresie, für die dieser vor dem Konzil von Sens (1141) der Ketzerei angeklagt wurde. Ein Gerücht behauptet, Bernhard hätte die Anwesenden trunken gemacht, um sie leichter zu ihrem Urteil gegen Abaelard zu bewegen. Schließlich verurteilte man Abaelard später zu einer Klosterhaft und ewigem Schweigen. Seine philosophischen Schriften wurden sogar öffentlich in Rom verbrannt!

Nach Abaelards Tod in 1142, führte Heloise als Äbtissin, noch für 20 Jahre das Kloster Paraclet. Trotz der Tragödie um Abaelard, hielt sie in dieser Zeit weiter Kontakt zu Bernhard von Clairvaux. Auf Heloisas Bitten hin wurde Abaelards Leichnam in ihr Kloster überführt, wo sie dann auf eigenen Wunsch, nach ihrem Tod neben Abaelard bestattet wurde.

Aufruf zum Zweiten Kreuzzug

Während all dieser Jahre schien das Heilige Land in sicherer Hand des dort residierenden christlichen Adels. Doch im Jahr 1144 wurde die Kreuzfahrerstadt Edessa erobert und fiel an die Türken. Der Emir Imad ad-Din Zengi (1087-1146) stürmte die Festungsstadt im Gefolge von 30.000 Soldaten. Er war der Legende nach ein Sohn der Markgräfin Ida von Österreich. Zengis Truppen mordeten alle Bewohner der Stadt in einem grausamen Gemetzel.

Die Nachricht von der Einnahme Edessas durch die Ungläubigen, zwang die Könige und Fürsten der anderen vier Kreuzfahrerstaaten (Königreich Jerusalem, Fürstentum Antiochia und die Grafschaft Tripolis) zum Handeln. Darum entsandte Prinz Raimund von Antiochien seinen Bischof Hugo von Jabala nach Rom, wo er 1145 Papst Eugen III. vom Fall Edessas berichtete. Einer der Anwesenden dabei war auch der deutsche Chronist Otto von Freising. Ihm erzählte Bischof Hugo in Gegenwart des Papstes, von einem nestorianischen Christen, der im fernen Osten als mächtiger Herrscher regiere: Priesterkönig Johannes von Indien. Er sollte ein Nachfahre eines der Heiligen drei Könige sein, der sich anscheinend mit einem riesigen Heer nach Jerusalem aufmachte, »vor nicht all zu langer Zeit« wie es hieß, um das Heilige Land vor der Hand der Ungläubigen zu erretten.

In diesem Jahr noch, rief Papst Eugen III. zum Zweiten Kreuzzug auf. Doch diesem Aufruf schienen nur wenige der europäischen Fürsten überhaupt Aufmerksamkeit zu schenken. Darum wandte er sich an Bernhard von Clairvaux, seinen einstigen Lehrer: Er sollte den Kreuzzug predigen. Das weltliche Gepränge am päpstlichen Hof und all die politischen Machenschaften des Vatikan waren Bernhard allerdings zutiefst zu wider. Es muss ihn dennoch gedrängt haben, seine geistlichen Nachkommen, vor einem aus der Ferne bedrohenden Unbekannten zu schützen – vor einem fremden Gottesglauben, von dem keiner ahnte, wofür er eigentlich stand. Und so wurde Bernhard von Clairvaux auf einmal zum Organ des Vatikan und zum Prediger eines weiteren Kreuzzugs berufen. Er sollte den Eifer einer neuen Ritterschaft anschirren, durch seine Predigten und die von ihm verordneten Ordensregeln.

Bernhard wandte sich mit seinen Predigten aber gezielt an den Adel, um eine Wiederholung eines neuen Volkskreuzzuges zu vermeiden. Auf den Ritter-Haudegen von einst, sollten nun Tugenden und christliche Pflichten angewendet werden, um aus diesen alten Kämpen des Ersten Kreuzzugs, nun wahre Edelleute zu machen. Vor allem aber, und das hatte es bisher nicht gegeben, sollte dieser neue Orden in sich Rittertum und Mönchtum vereinigen.

Aus den Kreisen der Aristokratie, rekrutierte Bernhard die Mitglieder dieses neuen geistlichen Ordens, der vermutlich von Mitgliedern seiner Familie 1118 in Jerusalem ins Leben gerufen wurde. Denn einer der neun Gründungsmitglieder war Andreas von Montbard (1103-1156), ein Onkel Bernhards.

Tempelritter – ewigeweisheit.de

Der Orden der Templer: Mönchsritterschaft der Katholischen Kirche.

Bernhard von Clairvaux: Mentor des Templerordens

Unter den Heimkehrern vom Ersten Kreuzzug befand sich der französische Adlige Hugo von Payens, den man in Frankreich als Helden feierte. Er sollte erster Großmeister einer Gruppe von Edelleuten sein, die sich als Wächter des Jerusalemer Tempelbergs, zu einem außergewöhnlichen Orden organisierten. Sie nannten sich die »Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem«.

Für diesen neu gegründeten Orden sollte Bernhard von Clairvaux schon bald eine ganz bedeutende Rolle spielen. Denn auf Bitten von Hugo von Payens, verfasste Bernhard seine berühmte Mahnrede an die Templer.

Es ist gut möglich, dass sich Bernhard und Hugo von Payens schon begegnet waren, als Bernhard noch ein Kind war. Denn sowohl die Gründungsmitglieder der Templer als auch Bernhard von Clairvaux, stammten aus den selben Kreisen des mittelalterlichen Adels in Frankreich.


Alles was Bernhard in seinem Leben tat, geschah immer aus vollem Herzen. Wenn er nun also den Zweiten Kreuzzug predigte, schwelgte er dabei in der selben christlichen Überzeugung, wie in seinen Predigten vor seinen Klostergenossen. Er meinte sogar, dass im Namen Christi zu töten, keine Sünde sei.

Vielleicht wäre ihm zuerst lieber gewesen, dass sich durch seine Predigten mehr Menschen einem christlichen Klosterleben verschrieben hätten, doch naheliegender schien ihm in dieser Zeit, jene Vereinigung von Mönch- und Rittertum, was er in seiner Mahnrede an den Orden der Templer addressierte:

Aber wenn beide Menschen (Mönch und Ritter) in einer Person, ein jeder sich kraftvoll mit dem Schwert umgürten […], wer würde einen solchen nicht aller Bewunderung für höchst würdig erachten, zumal es sich ja um Außergewöhnliches handelt? Ein solcher ist jedenfalls ein unerschrockener Ritter, allenthalben gefeit; er umgibt seinen Leib mit der Rüstung aus Eisen, seine Seele aber mit der des Glaubens. Da er nun durch beiderlei Waffen geschützt ist, fürchtet er weder Teufel noch Menschen. Nicht einmal vor dem Tode fürchtet sich der, der sich zu sterben sehnt. Denn was könnte der im Leben oder im Tode fürchten, dem Christus Leben und Sterben Gewinn ist? […] Schreitet also sicher voran, ihr Ritter, und vertreibt unerschrocken die Feinde des Kreuzes Christi in der Gewissheit, dass weder Tod noch Leben euch von der Liebe Gottes trennen kann, die sich in Christus Jesus offenbart. In jeder Gefahr wiederholt für euch das Wort: 'Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn (Römer 14:8)'

- Aus dem Buch an die Tempelritter von Bernhard an Clairvaux

Unter der Führung Bernhards von Clairvaux fand am 13. Januar 1129 die Synode von Troyes statt, bei der auch Hugo von Payens und Andreas von Montbard anwesend waren. Hierbei erhielt der Templerorden seine offizielle Anerkennung durch die Katholische Kirche und bekam feste Ordensregeln. Zu diesen Regeln lieferte Bernhard einen ganz wesentlichen Beitrag. In der damit verfassten Urkunde wurde auch explizit auf die Anwesenheit von Payens und Montbard hingewiesen.

Nach dem Aufruf zum Zweiten Kreuzzug durch Papst Eugen III. begann dann nach 1145 Bernhards kirchenpolitische Vermittlertätigkeit. Dank seiner Unterstützung bei der Rekrutierung neuer Mitglieder, wurde aus dem erst winzigen Templerorden von gerade mal neun Mitgliedern, in nur kurzer Zeit eine ganze Armee! Es dürfte darum kaum verwundern, dass das großes Gefallen fand – sowohl im Vatikan als auch im europäischen Adel.

Ein versiegeltes Geheimnis

Mit dem bisher Gesagten, scheint Bernhard weit mehr als nur Mönch gewesen zu sein. Fast könnte man ihn als Vorboten eines neuen Zeitalters bezeichnen. Dann aber war er sicher eine Doppelgestalt – ein Prophet sowohl des Lichts wie auch der Finsternis.

Diese chimärenhafte Erscheinung Bernhards und sein Einfluss auf den Templerorden, führte in zeitgenössischer Literatur auf eine Unmenge an Verschwörungstheorien. Doch zu solchen Vermutungen kommt ohnehin sehr schnell, wer von den vielen Querverbindungen zu Kirche, Adel und Mysteriengeschichte erfährt, die einem gemeinsam mit dem Namen »Templer« begegnen.

Das liegt wohl daran, dass der Einfluss der Templer über zwei Jahrhunderte eine ganz wesentliche Rolle spielte, in der spirituellen und politischen Entwicklung der damals bekannten Welt. Auch die vielen Widersprüche, für die der Templerorden steht, gab manchem Anlass viel über die Geheimnisse dieser Bruderschaft zu spekulieren.

Eines der wichtigsten Themen die einem bei der Recherche immer wieder begegnet, ist die Frage, ob die Kreuzzüge, neben ihrem offiziellen Grund, auch eine okkulte Bedeutung hatten. Weit verbreitet ist eine Annahme, dass diese »Arme Ritterschaft Christi« Ausgrabungen im Tempelberg durchführte, um nach etwas zu suchen, dass sich einst unter dem Salomonische Tempel befunden haben soll. Worum es sich dabei handelte ist nicht endgültig klar.

Wie uns aus den Büchern der hebräischen Bibel überliefert wurde, stand im Heiligtum des Salomonischen Tempels eine heilige Lade, worin sich besondere Gegenstände befanden. Sie soll die Israeliten einst mit großer Macht ausgestattet haben. Damit nämlich teilten sie das im Buch Exodus beschriebene Schilfmeer und ließen mit der Kraft die aus dieser Lade strömte, die Mauern von Jerichon einstürzen.

Von Jerusalem aus, so wollen es manche Schriftsteller, sollte die Lade dann von Hugo von Payens nach Chartres in Frankreich gebracht worden sein, wo sie im Fundament der dortigen, neu gebauten gotischen Kathedrale integriert wurde. Dazu sandte sie angeblich Bernhard von Clairvaux aus, um das heilige Reliquium aus dem Heiligen Land nach Frankreich zu bringen. Sicher aber sollten die Templer im Heiligen Land von den Muslimen überhaupt die Bildung erhalten, solch umfangreichen Unternehmens überhaupt fähig zu sein.

Das die Templer tatsächlich sehr mächtig waren, bleibt unbezweifelt. Schließlich gründet sich auf ihrem bargeldlosen Zahlungsverkehr das moderne Bankenwesen. Das machte sie zur reichsten Organisation der gesamten damals bekannten Welt. Ihr Einfluss und ihr Vermögen war so groß, dass manch Monarch ihren Besitz neidisch beäugte. Da sie außerdem im Geheimen Rituale praktizierten, die nicht dem Regelwerk der katholischen Kirche entsprach, sollte das jenen Neidern dienen, sie dereinst wegen ketzerischer Machenschaften zu überführen. In Wirklichkeit aber waren diese nur auf den Besitz der Templer aus.

Seltsam nun, dass dieser Order ja überhaupt nur entstand, da die Katholische Kirche ihren Gläubigen einen Pilgerweg ins heilige Land schaffen wollte, worauf sie von den Mitgliedern der Templer beschützt wurden.

Einer der Hauptgründe für spätere Ahndungen gegen den Orden, war ihre Verehrung für einen Kopf mir zwei Gesichtern: das Janushaupt. In diesem Symbol blicken zwei Gesichter sinnbildlich in die Vergangenheit und in die Zukunft. Daher auch der Name des Monats Januar, der ja mit dem neuen Jahr beginnt, wo um den Jahreswechsel, Menschen quasi gleichzeitig auf das vergangene und auf das neue Jahr schauen.

Das Janushaupt nannten die Templer anscheinend auch Baphomet – ein Name, mit dem heute eine ganz und gar zwielichtige, teuflische Gestalt assoziiert wird. Baphomet entspricht »dem Tier« aus der Offenbarung Johanni, einer Chimäre aus gehörntem Engel, Mensch, Ziege oder Steinbock. Anscheinend galt den Templern dieses Wesen, wie auch das Janushaupt, als esoterisches Symbol für den Dualismus aller Dinge in der Welt, die immer als gemeinsames Ganzes betrachtet werden sollten. Wohl nicht zufällig, ist der Ziegenfisch, den die moderne Astrologie den »Steinbock« nennt, jenes Tierkreiszeichen, durch das sich die Sonne eben genau durch den Jahreswechsel zwischen Ende Dezember und Anfang Januar bewegt.

Nun ist auch bekannt, dass sich mit weißer und schwarzer Magie auch König Salomon befasste – jener König und Prophet, dessen Hohelied ja auch den Bernhard von Clairvaux in seinen Predigten verzückte. Wie die »Arme Ritterschaft vom salomonischen Tempel«, war auch Salomon laut Bibelurkunde, der reichste Mann seiner Zeit. Darüber lesen wir in der Bibel, im Ersten Buch der Könige. Darin ist die Rede von Salomos Goldbesitz der durch eine eigenartige Zahl beziffert wird (1. Könige 10:14), auf die auch das Buch der Offenbarung des Johannes (Offenbarung 13:18) hinweist, wo sie sowohl die »Zahl eines Menschen«, wie auch die »Zahl eines Tieres« ist. Und dieses Tier eben scheint eigenartiger Weise, jenem, oben erwähnten Ziegenfisch verblüffend zu ähneln (Offenbarung 13:1).

Das solche Geheimnisse zu damaliger Zeit aber gegen die Templer verwendet wurden, wissen alle, die sich mit dem Ende dieser einstigen Mönchsritter befassen. Denn wie konnte es sein, dass ein Katholischer Ritterorden Christi, sich mit solchen Dingen beschäftigt? Nach außen hin waren sie die frommen Ritter Christi, doch im inneren Kreise vollzogen sie anscheinend genau das Gegenteil. Liegt hinter solchem Handeln ein höherer, okkulter Sinn?

Es scheint als wussten die Mitglieder des Templerordens ein Geheimnis in der Welt, dass den Gläubigen der weltlichen Christenheit nicht bekannt war. Sicher war es kein Zufall, wieso sich, schon in ihrer Erscheinung in der Geschichte, etwas abzeichnete, dass offensichtlich widersprüchlich war. Mindestens so widersprüchlich wie die Erscheinung Bernhards von Clairvaux – der als Abt die Liebe zu Gott predigte, dem Ritterorden der Templer aber überhaupt erst ermöglichte, so viele neue Mitglieder zu gewinnen, die auf einem neuen Kreuzzug im Namen Jesu Christi, vermeintlich Ungläubige im Heiligen Land töten sollten.

Anscheinend zeichnete sich der Templerorden aber eben genau durch solche Widersprüchlichkeiten aus. Denn um in den Orden aufgenommen zu werden, musste ein Ritter zuerst ein Armutsgelübde ablegen, doch schloss sich damit einem Orden an, der wegen seines immensen Reichtums berühmt war. Die Templer waren nach außen hin mit weltlichen Belangen beschäftigt, pflegten im Geheimen aber okkulte, diabolische Rituale. Sie waren zum einen asketische Mönche, zum anderen gehörten sie zu den gefürchtetsten Rittern ihrer Zeit.

Bernhard und auch die Tempelritter wussten anscheinend um Dinge, die dem Normalsterblichen nur schwer verdaulich sind. Nichteingeweihten bleiben sie bis heute ein Rätsel. Es wäre darum sehr unvorsichtig, vorschnell die Person des Bernhard von Clairvaux oder die Templer zu verurteilen – solange noch der eigene Wissenseifer, das Siegel Salomos verschlossen hält.

 

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Salomons Liebeslied

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

von

Autor und Mentor

Sinnlichste aller biblischen Schriften und Buch höchster Vortrefflichkeit: Das Hohelied Salomons. Wer es auch immer liest, wird sich seines erbaulich-heiligen Schrifttums sofort bewusst. Wohl kaum einem anderen Dichter gelang es sich poetisch der Schönheit der Verse des salomonischen Hohelieds zu nähern. Doch wer sollte es lesen?

Fraglos, dass dieses außergewöhnliche Gedicht vom Leser eine gebührende Reife verlangt. Frommen Juden gilt es darum als verpönt, diese Schrift zu studieren, bevor man das 30. Lebensjahr erreicht hat. Nur wer über ein adäquates Maß an Lebenserfahrung verfügt, soll in den Gefilden jener heiligen Mysterien des Hohelieds zurechtfinden.

Und dennoch: Ganz gleich wieviel Lebenserfahrung man auch sammelte, dürfte vieles in den Versen des Hohelieds unerklärlich bleiben. Und trotzdem findet der Leser darin tiefste Erkenntnis, über das wahre Wesen der Liebe. Es gleicht einer Einweihung, einer Erfahrung die eben der Leser und Kenner dieser Schrift über die Jahre hinweg wohl immer und immer wieder machen kann.

Dreifältige Liebe

Für manche ist das Hohelied darum Teil eines dreistufigen Einweihungsweges. Für diese drei Stufen stehen allegorisch die drei Bereiche des alten Salomonischen Tempels zu Jerusalem. Das Hohelied aber ist ein Stufe davon.

Durch seine Weisheitsbücher öffnet Salomon drei Pforten, die den Initianden in die Mysterien der Liebe einweihen.

  • Zuerst führt er den Leser durch das Buch der Sprichwörter, in das sittliche Wertesystem ein. Allegorisch betritt er damit den Vorhof des alten Tempels zu Jerusalem.
  • Im Buch Kohelet, worin Salomon als Prediger auftritt, erklärt er dem Leser wie er den Zugang zur Natur des Sinnlichen findet, versinnbildlicht durch das Tempelheiligtum.
  • Die höchsten Mysterien schließlich findet er im Hohelied Salomons. Es ist die Einweihung in die mystische Verbindung zweier Liebender - doch auch zwischen Gott und der Tempelgemeinde. Hier nämlich waltet der Hohepriester allen Liebseins seines Amtes - im Allerheiligsten des salomonischen Tempels, der nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist.

Der Tod als Schlüssel

Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz und wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer ist fest wie die Hölle. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn (Jah)

- Hohelied 8:6

In allen Mysterienschulen spielt der Tod eine zentrale Bedeutung. Denn beim Überschreiten der Schwelle zwischen Leben und Sterben, erfährt der Initiand Einheit - erlebt Ein-Weihung.

Schulamith - ewigeweisheit.de

Schulamith - die Tochter des Pharao. Illustration von Ephraim Moses Lilie in "Die Bücher der Bibel".

Schöne Tochter Schulamith

Im Mittelpunkt des Hohelieds steht eine Frau: Schulamith, die schöne Tochter des Pharao. Ihr Gesang eröffnet und beschließt die Sammlung. Von ihr strömt das Liebende aus, als weiblicher Widerpart Salomons, dem Prinz des Friedens. Schulamith ist die Weingärtnerin, Schäferin, Gemahlin des Prinzen. Er aber ist ein bittstellender Fürst, neugierig, wirbt er durchnässt von nächtlichem Tau, um die Gunst der bezaubernden Schulamith.

Zieh mich dir nach, so wollen wir laufen.
Der König führte mich in seine Kammern.
Wir wollen uns freuen und fröhlich sein über dich;
wir preisen deine Liebe mehr als den Wein.
mit Recht lieben sie dich!

- Hohelied 1:4

Wer aber ist hier gemeint? Wohl nicht nur eine Person. Erfreut sich Salomon etwa gemeinsam an der Liebe eines verborgenen Dritten?

Ein ständiger Wechsel der Protagonisten, der plötzliche Übergang von der Rede der einen in die Rede einer anderen Person: das lässt einen als Leser tatsächlich wechseln, zwischen Vorstellungen erotischer, zwischenmenschlicher und göttlicher Liebe - aus religiöser Sicht scheinbar unvereinbar. 

Doch auch wenn der Gottesname nur an einer Stelle im Hohelied Erwähnung findet, in seiner abgekürzten Form Jah, ließe sich die im Hohelied beschriebene Liebe zwischen Mann und Frau, durchaus als Allegorie auf die Beziehung zwischen Gott und Israel deuten. Christen deuteten das Hohelied daher später auch um, auf das Verhältnis von Christus zu seiner Gemeinde.

Dem Leser ist also nicht immer klar, ob die schöne Schulamith mit einem oder mit zwei männlichen Charakteren, ob sie mit Salomon oder zu Gott selbst spricht.

Schwarz bin ich, doch gar lieblich, ihr Töchter Jerusalems!
Wie die Zelte Kedars, wie Salomons Zeltdecken.
Seht mich nicht an, daß ich so schwärzlich bin, dass die Sonne mich verbrannt hat.
Die Söhne meiner Mutter zürnten auf mich; sie bestellten mich zur Weingärtnerin - meinen eigenen Weinberg habe ich nicht gehütet!

- Hohelied 1:5-6

Es sind lustvolle Andeutungen, die im Leser sofort ein Gefühl der Sinnlichkeit wachrufen. Doch es sind auch Allegorien, die seit alter Zeit assoziiert wurden mit dem Verhältnis in dem das Volk Israel zu Gott steht. Insbesondere im Christentum ist das Bild vom Liebenden und dem Geliebten eine wichtige Metapher für die Rolle Christi als himmlischem Liebesgesandten.

Blume zu Saron - ewigeweisheit.de

Illustration aus "Geheime Figuren der Rosenkreuzer" (1785)

Die Essenz des Hohelieds

Ich bin eine Blume zu Saron und eine Rose im Tal.
Wie eine Rose unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Töchtern.
Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Söhnen.
Ich sitze unter dem Schatten, des ich begehre, und seine Frucht ist meiner Kehle süß.
Er führt mich in den Weinkeller, und die Liebe ist sein Banner über mir.
Er erquickt mich mit Blumen und labt mich mit Äpfeln; denn ich bin krank vor Liebe.
Seine Linke liegt unter meinem Haupt, und seine Rechte herzt mich. [...]
Meine Taube in den Felsklüften, in den Steinritzen, zeige mir deine Gestalt, lass mich hören deine Stimme; denn die Stimme ist süß, und deine Gestalt ist lieblich.
Fanget uns die Füchse, die kleinen Füchse, die die Weinberge verderben; denn unsere Weinberge haben Blüten gewonnen.
Mein Freund ist mein, und ich bin sein, der unter Rosen weidet.

- Hohelied 1-6,14-16

Die wörtliche Interpretation des Buches ließe sich als Abhandlung über die Verlobung und Hochzeit der Königstochter Schulamith und Königs Salomon verstehen. Andererseits ist auch möglich, jene Zeilen als die Entscheidung der Prinzessin zu deuten, dem sie sich tatsächlich zuwendet: König Salomon. Er ist der geliebte Schäfer. Doch eben jenen trifft sie auch in ihrem Schlafgemach.

Schulamith denkt an anderer Stelle an ihren Geliebten, der da aber nicht König Salomon ist, sondern wieder Gärtner und Hirte:

Mein Freund ist hinabgegangen in seinen Garten, zu den Würzgärtlein, dass er weide in den Gärten und Rosen breche.
Mein Freund ist mein, und ich bin sein, der unter den Rosen weidet.

- Hohelied 6:2-3

König Solomo. Russische Ikone - ewigeweisheit.de

König Solomo. Russische Ikone aus dem ersten Viertel des 18. Jhd.

Liebeserkenntnis

Lass deine Brüste sein wie Trauben am Weinstock und deiner Nase Duft wie Äpfel

- Hohelied 7:8

Auch in die Kunst der Liebe kann man eingeweiht werden. Nicht zufällig war es jene »Kunst« von der ja auch Adam und Eva erfuhren, nachdem sie den verbotenen Apfel vom Baum der Erkenntnis aßen.

Und Adam erkannte sein Weib Eva, und sie ward schwanger

- Genesis 4:1

Es geht besonders um die rechte Wahl, die man als Liebende oder als Liebender trifft: mit wem will man sich vereinen, mit wem vielleicht Kinder zeugen?

Doch es lässt sich diese Wahl nicht von alleine treffen. Man muss auf die kommende Liebe auch warten können.

Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems [...] weckt nicht auf, erweckt nicht die Liebe, bis es ihr selbst gefällt!

- Hohelied 3:5

Was das Allerwichtigste ist in der Liebe zwischen zwei Verliebten, darüber spricht das Hohelied. Man findet darin zu wahrem Verständnis über die Liebe des Anderen und jene Erinnerung daran, dass man einst ja bestimmt auch selbst verliebt war oder aber wie es sich anfühlte geliebt worden zu sein.

Einführung in die Kunst zu Lieben

So wie das Hohelied Salomons geschrieben wurde kann es wirklich als Lehrbuch der Liebe gelesen werden. Es geht um die »Wahre Liebe« und das Finden der oder des »Wahren Geliebten« – jemandem, der erst als solcher enthüllt werden muss oder sich einem als solcher offenbart.

Meine Schwester, liebe Braut, du bist ein verschlossener Garten, eine verschlossene Quelle, ein versiegelter Brunnen.

- Hohelied 4:12

Wenn man jenen Menschen aber gefunden hat, so zeigt sich einem die wahre Liebe, man hört und spürt sie rauschen wie die Wasser einer lebensspendenden Quelle:

Eine Gartenquelle bist du, ein Brunnen lebendigen Wassers und vom Libanon rinnende Bäche.

- Hohelied 4:15

Der Verfasser des Hohelieds schrieb über das Warten auf die Liebe. Darin liegt die ganze Magie, ist doch die Liebe schon nicht mehr die selbe, wenn man sie bereits gewonnen hat.

 

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