Im Kraftstrom von Shambhala

Wenn man sich mit den Arbeiten des russischen Malers Nicholas Roerich (1874-1947) und den Schriften seiner Ehefrau Helena (1879-1955) beschäftigt, erscheint einem da so etwas wie ein spiritueller Plan, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts zu etwas verdichten sollte, woraus eine kulturelle Epoche entstand.

Die Roerichs unternahmen große Reisen nach Fernost, auf der Suche nach einem verborgenen Reich. Es scheint, als hätten Adepten von dort aus bereits nach ihnen Ausschau gehalten. Helena und Nicholas Roerich waren eben keine gewöhnlichen Leute, sondern eingeweiht in die inneren Weisheitslehren des Planeten.

Nicholas Roerich, in Sankt Petersburg geboren, interessierte sich schon als junger Mann für spirituelle oder esoterische Themen. Sie sollten später sogar den Hauptinhalt seines gesamten Schaffens bilden. Als er noch im Russischen Zarenreich lebte, war er Mitglied einer rosenkreuzerischen Geheimgesellschaft, dem Orden der Martinisten. Wie auch seine Frau Helena, stand Roerich der 1875 in New York City gegründeten Theosophischen Gesellschaft nahe, deren Ursprünge in der »Geheimlehre« der russlanddeutschen Okkultistin Helena P. Blavatskys (1831-1891) liegen.

Besonders angezogen fühlte sich Roerich von dem, was er über die inneren Lehren Tibets erfahren hatte, wie etwa dem Bön oder dem Vajrayana (Diamantweg-Buddhismus). Sein Interesse dabei galt den tibetischen Meistern und jenen alten Weisheitslehrern, die diesen Eingeweihten nahestanden. Es waren das Männer und Frauen, die in vollkommener Abgeschiedenheit, jedoch an geheiligten Orten lebten und die nur wenige andere Menschen jemals zu Gesicht bekamen. Sie aber übten einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Geschehnisse in der Welt aus und waren Mitglieder eines geheimen, geistigen Ordens, der im Herzen Zentralasiens aus dem Verborgenen heraus wirkte.

Ein Gemälde aus der Serie „Himalaya“ von Nicholas Roerich.

Es ist nicht ganz einfach zu bestimmen, ob Roerich einem Ruf aus Fernost folgte oder in geheimer Mission dorthin unterwegs war, als er 1923 mit seiner Frau und seinem damals 23-jährigen Sohn George nach Indien aufbrach. Es sollte für die Roerichs eine besondere Reise werden, auf ihrer Expedition durch Ostasien zwischen 1925 und 1929. Diese Reise führte sie, beginnend in Sikkim (Teil des Himalaya im Nordosten Indiens), durch den Punjab (Zentrum der indischen Religionsgemeinschaft der Sikhs), nach Kaschmir (indische Region im Himalaya) und Ladakh (Gebirgsland im äußersten Norden Indiens), durch den Karakorum (Hochgebirge, dass sich über den Norden Pakistans, Indiens und den Westen Chinas erstreckt), Khotan (bis 1933 eigenständiges Königreich, heute Volksrepublik China), nach Kaschgar (alte Oasenstadt and der Seidenstraße, heute Voksrepublik China), durchs Altai-Gebirge (zentralasiatisches Hochgebirge zwischen Kasachstan, Sibirien, der Mongolei und China), in die Mongolei, die Wüste Gobi (Zentralasien), nach Kansu (nahe dem tibetischen Hochland, Volksrepublik China), von wo aus sie schließlich nach Tibet kamen.

Ihre damals gesammelten Erfahrungen und was sie auf diesen Reisen lernten, sollte sie dereinst auf der ganzen Welt berühmt machen. Insbesondere Helena Roerichs schriftstellerische Tätigkeit in dieser Zeit, auf die wir später noch eingehen, trug einen ganz wesentlichen Teil dazu bei.

New York City und das Königreich von Shambhala

Nicholas Roerich war überzeugt von seinem Glauben an die Dämmerung eines neuen Zeitalters, dass durch das Erscheinen des Buddha Maitreya Anfang des 21. Jahrhunderts eingeleitet werden solle. Mit dem, oder sogar als der sagenhafte König von Shambhala, solle Maitreya die Kräfte der Finsternis auf Erden bezwingen. Das solle die Menschheit in ein friedliches Zusammenleben führen.

Diese Auffassungen aber sollten nicht allein im Kreise seiner Familie und Freunde bleiben, sondern erreichten sogar so einflussreiche Staatsleute wie den späteren, von 1941 bis 1945 amtierenden, amerikanischen Vizepräsidenten Henry Wallace (in der Regierung von Franklin D. Roosevelt).

„Madonna Oriflamma“, Gemälde von Nicholas Roerich (1932). Die Figur trägt das Banner des Friedens des Roerich-Pakts: Der Kreis steht als verbindendes Element der drei Aspekte in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Wallace fand zu Roerich, als er das 1929 in New York für den Künstler gegründete Roerich Museum besuchte. Er war von Roerichs Bildern so beeindruckt, dass er Roerich unbedingt kennenlernen wollte und darauf zu einem seiner wichtigsten Verehrer und Schüler wurde. Zwar traf er seinen »Guru«, wie Wallace ihn nannte, nur ein Mal persönlich, doch beschäftigte sich intensiv mit Roerichs Schriften und kommunizierte häufig mit den Verantwortlichen des Roerich-Museums.

In einer Reihe von Briefen zwischen 1933 und 1934, beschrieb Wallace seine spirituellen Sehnsüchte und kommentierte zeitgenössische Ereignisse. Er schrieb an Roerich:

Lange habe ich den gelegentlichen Duft aus der anderen Welt, die die wirkliche Welt ist, wahrgenommen. Aber jetzt muss ich in der äußeren Welt leben und gleichzeitig meinen Geist und meinen Körper umgestalten, um dem Herrn der Gerechtigkeit als taugliches Werkzeug zu dienen.

Er brachte auch seine Überzeugung zum Ausdruck, dass dies die »ersten groben Anfänge eines neuen Zeitalters« seien.

Für Roerich ergab sich aus diesem Kontakt eine große Verantwortung, die er für wichtige Objekte in den Vereinigten Staaten übernahm. Dazu etwa zählte das Gebäude der Vereinten Nationen, wofür er den Grundstein hergestellt hatte, in den er etwas ganz außergewöhnliches integrieren sollte.

Auch durch Nicholas Roerich kam es zum völkerrechtlichen Vertrag über den Schutz von künstlerischen und wissenschaftlichen Einrichtungen und historischen Denkmälern im Falle eines Krieges, dem Roerich-Pakt, der im Weißen Haus (Washington) am 15. April 1935 von der amerikanischen Regierung unterzeichnet wurde. Das war ein Ereignis höchster historischer Bedeutung, da das der erste eigenständige Vertrag in der Geschichte des humanitären Völkerrechts war, der ausschließlich für den Schutz von Kulturgut während eines Krieges geschlossen wurde.

Man nominierte Roerich mehrmals für den Friedensnobelpreis.

Eine Ära der glücklichen Errungenschaften

Roerich war ein unerschütterlicher Optimist, was die Zukunft der Menschheit angeht. Für ihn galten die Vereinigten Staaten in den 1930er Jahren als Beschützer all jener, die man als eine »Esoterische Gemeinschaft« bezeichnen könnte. Hierüber schrieb er in seinem Buch »Shambhala« (Auszüge):

Welche Freude doch, die Türme von New York wiederzusehen! Wie oft haben wir uns in den Wüsten Asiens und vor allem in Tibet an die Wolkenkratzer, die indischen Pueblos und die alten Städte Italiens und Spaniens erinnert! Die vielstöckigen tibetischen Gebäude rufen Bilder von den Wolkenkratzern in uns wach. Die labyrinthartigen Lehmwände der üblichen asiatischen Häuser erinnern an die Pueblos von New Mexico und Arizona. Die Klöster, die stolz auf den Gipfeln thronen, ähneln den alten Adlernestern in Italien. Als ich wieder einmal die Türme von New York sah, erinnerte ich mich an die freudigen Ausrufe, die die Fotos dieser Hochburgen menschlicher Leistung in Asien in mir hervorriefen.

Niemals hat man beim Anblick von Postkarten und Fotos von New York mehr enthusiastische Bewunderung vernommen, als in den Städten und Nomadenlagern Zentralasiens. Die Bewohner von Lehmhütten und Jurten rissen sich diese Souvenirs gegenseitig aus den Händen und riefen aus: »Dies ist das Land Shambhala!«

Was kann ein Sohn Asiens mehr sagen als dies, seine heiligste Vorstellung, in der sich alle seine Hoffnungen und Bestrebungen vereinen? In Gebeten erwartet Asien Shambhala – diese neue Ära der Menschheit; und deshalb ist jeder Vergleich mit Shambhala in der Tat das höchste Lob.

Die Bewohner Asiens fügten hinzu: »Amerika ist der Chichab über allen Ländern!« Und Chichab bedeutet Beschützer.

Wie viele Nachbildungen der Türme von New York sind in der Wüste geblieben! Und sie werden in den heiligen Ecken aufbewahrt, wo die am meisten verehrten Gegenstände gesammelt werden.

In den abgelegenen Jurten der Wüsten Asiens ist Präsident Hoover der große Retter der hungernden Völker. Ford gilt als Symbol der Antriebskraft. Die Mongolen betrachten die amerikanischen Indianer als ihre verlorenen Verwandten. Alle unsere neuesten Entdeckungen werden vom Osten als Zeichen der Ära von Shambhala angesehen. Millikens (amerikanischer Physiker) kosmischer Strahl, Einsteins Relativitätstheorie, Theremins Musik aus dem Äther, gelten in Asien als Zeichen der Evolution des menschlichen Bewusstseins, bestätigt durch die vedischen und buddhistischen Traditionen und die Lehren von Shambhala. Nach diesen alten Lehren gelten die vierziger Jahre unseres Jahrhunderts als die Ära der kosmischen Energien und des erweiterten Bewusstseins.

Diese bewegenden Erinnerungen stiegen in mir auf, als ich die Türme von New York wiedersah. Und unter den alten Freunden bemerkte ich so viele neue Hochburgen, die in den letzten fünf Jahren entstanden sind. […]

In der Geschichte der menschlichen Errungenschaften ist Amerika ein einzigartiges Beispiel für einen erstaunlichen Fortschritt. Nicht gebunden an Konventionen und alte Formen, ohne Vorurteile, baute Amerika sein Leben mit den kräftigen Händen der Arbeit auf. […]

Amerika folgt in seiner Entwicklung dem Weg des wahren Fortschritts. In den letzten Jahren ist Amerika das einzige Land, das neue Museen, Schulen, Gesellschaften, Agenturen, Vorträge und Theater geschaffen hat. Man staunt über die kolossalen Ressourcen des Landes, das diesen reichen Strom schöpferischer Kraft aufnimmt. Es gibt nun auch Gelegenheiten dazu, sowohl eine nationale Kunst zu entwickeln, wie auch die Schätze der ganzen Welt zu sammeln. […]

Wenn man aus den Bergen und Wüsten kommt, wo die beste Kultur im Schatten der Jahrhunderte verborgen liegt, erstaunt einen das außerordentliche Wachstum der künstlerischen und wissenschaftlichen Arbeit in Amerika zutiefst und bereitet einem große Freude. Die Eroberung der Kultur bleibt nicht unbemerkt. Sie schafft jene Feinheit des Denkens, die schöpferische Phantasie und die Fähigkeit, diese neue Welle des Fortschritts zu erkennen.

Die Ära der glücklichen Errungenschaften ist für Amerika prädestiniert. Wie die schnelle Bewegung eines großen Schiffes alles Bewegliche anzieht, so wird auch die unwiderstehliche Entwicklung Amerikas von den Höchsten und Besten begleitet.

– Aus Nicholas Roerichs Buch »Shambhala« (1930)

Nicholas Roerich mit dem Kästchen, worin sich der Chintamani-Stein befindet. Dieses Bild ist eine Kollage aus einem Gemälde von Nicholas Roerich (Hintergrund) und seinem Portrait, dass sein Sohn Svetoslav Roerich von ihm anfertigte.

Der sagenhafte Chintamani-Stein

Roerich und seine Familie lebten zwischen 1920 und Frühling 1923 in New York City. In Manhattans Upper West Side gründete er 1921 dann das Master Institute of United Arts (deutsch: Meister-Institut der Vereinigten Künste), in dem Gebäude worin sich heute das Nicholas Roerich Museum mit vielen wichtigen seiner Gemälde befindet.

Die Roerichs begaben sich dann im Mai 1923 auf eine Reise nach Indien, die sie aber zunächst nach Europa führte. Auf dieser Reise verbrachten sie auch etwas Zeit in Paris, im Hôtel Lord Byron. Dort aber sollte ihnen am 6. Oktober 1923 ein Unbekannter einen magnetischen Stein übergeben haben. Sehr wahrscheinlich agierte der Pariser Orden der Martinisten dabei als Mittler. Die Übergabe dieses Steins an die Roerichs, ereignete sich zufällig zur selben Zeit, als sie ihre Pläne für ihre »Shambhala-Mission« formuliert hatten. Man kann heute nicht genau sagen, ob Nicholas Roerich schon zuvor davon wusste, dass er den Stein zu diesem Zweck erhalte oder ob es auch für ihn eine Überraschung blieb.

Dieser sagenhafte Stein auf jeden Fall, den Roerich als »Schatz der Welt« bezeichnete, war das Bruchstück aus einem großen Eisenmeteoriten, den man den »Armanty« nennt und der in Grauer Vorzeit an einer Stelle in der Nähe des Bulgan-Flusses in den Ausläufern des Altai-Gebirges niederging (Westen der Mongolei, nahe der Grenze zu China). Dieses, an die Roerichs übergebene Bruchstück aus dem Armanty, ist auch bekannt als der »Chintamani«, das Wunsch-Juwel, dass seinem Eigentümer jeden nur erdenklichen Wunsch erfüllt. Entsprechend erhielten die Roerichs diesen Stein als Talisman, dessen Hauptzweck darin bestand, den Erfolg ihrer Reise nach Shambhala zu sichern. Denn was sie dort erleben sollten, setzte anscheinend eine globale Veränderung in Gang, ganz gemäß einer buddhistischen Prophezeiung über ein kommendes, messianisches Zeitalter. Roerichs Sohn Svetoslav, malte dazu ein Portrait seines Vaters, ein besonderes Lästchens haltend, worin sich das etwa handflächengroße, magnetische Meteoriten-Bruchstück befinden soll.

Die Roerichs glaubten an die besonderen Eigenschaften, die dem Magnetismus von Meteoritensteinen zugeschrieben wurden und wussten um ihre Fähigkeit Dinge aus der Ferne beeinflussen zu können. Für Helena Roerich bestand kein Zweifel darüber, dass dieser Stein besonders war. Es lag für sie darin die Inspiration in ihrem Herzen ihre hellseherischen Fähigkeiten zu verbessern, was ihr später dabei helfen sollte in Kontakt zu treten mit dem aufgestiegenen Meister Morya.
Im 2. Band ihres Buches „Bruderschaft“ lesen wir im 134. Paragraphen dazu

Als ein bedeutsamer Teraphim der Bruderschaft erweist sich ein Stein aus den fernen Welten. Es ist schon viel über diesen Stein geschrieben worden. Ein Teil von ihm macht seinen Weg als Bote durch die ganze Welt und taucht in den Händen Auserwählter auf. Die Menschen haben den Stein „Gral“ genannt und ihm noch viele andere Namen gegeben. Überlieferungen aus allen Jahrhunderten bewahren Teilchen des Wissens von der Bedeutung des Steines, doch die hauptsächliche Bedeutung ist nicht erwähnt. Der Stein beinhaltet einen gewissen Stoff, der die Bewahrung von Schwingungen aus den fernen Welten ermöglicht. So dient auch ein Teilchen des Steines der Vereinigung mit der Bruderschaft (der aufgestiegenen Meister).

Der Stein begleitete sie während der zentralasiatischen Expedition von 1923 bis 1928 und danach, als sich die Familie in Kulu in Nordindien niederließ. Da wohl war er in ihrer Gegenwart, als sie sich mit ihrer übersinnlichen Arbeit beschäftigte.

Mittelteil aus dem Tryptichon „Fiat Rex“ (Lang lebe der König), Gemälde von Nicholas Roerich aus dem Jahr 1931.

Als sie schließlich 1926 die Mongolei erreichten, um dort sechs Monate zu verbringen, schienen die Roerichs ihren Plan zu verwirklichen, den Stein an dem Ort wieder aufleben zu lassen, der für sie Shambhala repräsentierte. Bei dieser Gelegenheit, so die Legende, soll Roerich eine Art symbolische Wiedervereinigung mit dem großen Meteoriten vollzogen haben, denn er wollte damit auf magische Weise dazu beitragen, ein neues messianisches Zeitalter auszulösen (etwas, dass er womöglich im Auftrag anderer dort vollzogen haben könnte).

Das dieser Stein auf Roerich einen bemerkenswerten Einfluss ausübte, merkt man schnell, wenn man sich eine Weile mit seinem malerischen Werk befasst. Da taucht der Stein nämlich immer wieder auf, als geheimnisvolles, Licht aussendendes oder brennendes Objekt, dass jemand in der besagten, kleinen Truhe vor sich hält oder aber es ein Pferd (das Windpferd) auf seinem Rücken trägt.

Der Chintamani lässt sich seiner Bedeutung nach vielleicht umfassen, als ein okkulter Gegenstand, den Roerich eine global hohe Bedeutung zumaß, als Stein der der Menschheit des 20. Jahrhunderts zur Erlösung der Welt verhelfen solle, in einem neuen messianischen Zeitalter.

Vom geheimen Weltparlament

Ebenso bemerkenswert wie ihr Mann, war auch Helena Roerich. Sie wuchs auf in einer aristokratischen Umgebung, wo zu ihrer Verwandtschaft etwa der berühmte russische Komponist Modest Petrovich Mussorgsky zählte. Auch sie war eine begnadete Pianistin. Bereits mit sieben Jahren las und schrieb sie in drei verschiedenen Sprachen.

Sie übersetzte später Helena P. Blavatskys Hauptwerk »Die Geheimlehre« (engl. »The Secret Doctrine«) ins Russische – ein wahrlich gigantisches Projekt, umfasst das Werk doch mehr als 2.500 Seiten.

Zwischen 1920 und 1940 schuf sie die Lehre des Agni Yoga (deutsch: »Yogaweg des Göttlichen Feuers«), die später in 14 Bänden veröffentlicht wurde. Um dieses umfangreiche Werk zu erschaffen, hatte sie eine besondere spirituelle Technik entwickelt, durch die sie über ihre Psyche mit der Bruderschaft der Mahatmas von Shambhala in Verbindung treten konnte, den Meistern der Weisheit. Es war Meister Morya, der von zentraler Bedeutung ist auch in den Schriften der Modernen Theosophie, den sie auf spiritueller Ebene hierfür kontaktiert hatte.

Interessant dabei ist eines der Bücher des Agni Yoga, mit dem Titel »Blätter aus dem Garten Moryas« aus dem Jahr 1924, dem Jahr, als sie und ihr Mann auch den sagenhaften Chintamani-Stein erhielten. In diesem Buch findet man eine allegorische Erzählung Moryas, die später Nicholas Roerich malte und die im Folgenden zitiert werden soll:

Der Stern von Allahabad wies Uns den Weg, und so besuchten Wir Sarnath und Gaja. Überall fanden Wir die Lästerung der Religionen. Auf dem Rückweg, bei Vollmond, erfolgte ein denkwürdiger Ausspruch Christi.

Während des nächtlichen Übergangs verlor der Führer den Weg. Nach einigem Suchen fand Ich Christus auf einem Sandhügel sitzend, wie Er in den vom Mond beschienenen Sand blickte. Ich sagte zu Ihm: »Wir haben den Weg verloren, Wir müssen die Stellung der Sterne abwarten.«

»Rossul Morya, was bedeutet Uns ein Weg, wenn Uns die ganze Erde erwartet?«

Er nahm einen Bambusstab, zeichnete ein Quadrat um den Abdruck Seines Fußes und sprach: »Wahrlich, Ich sage: mit menschlichem Fuß.«

Dann drückte Er Seine Handfläche in den Sand, zeichnete ebenfalls ein Quadrat um sie und sprach: »Wahrlich, Ich sage: mit menschlicher Hand«.

Zwischen den beiden Quadraten zeichnete Er die Form einer Säule und überwölbte alles mit einem Halbkreis. Er sagte: »O, wie wird Aum in das menschliche Bewusstsein eindringen! Hier fertigte Ich einen Blütenstempel und darüber einen Bogen und legte somit in vier Richtungen hin das Fundament fest. Wenn durch menschliche Füße und menschliche Hände der Tempel errichtet wird, in dem der von Mir zugrunde gelegte Blütenstempel erblüht, dann lasst die Erbauer Meinen Weg beschreiten. Warum warten Wir auf einen Weg, wenn dieser vor Uns liegt?« Er stand auf und löschte die Zeichnung mit dem Stab.

»Wenn der Name des Tempels ausgesprochen wird, wird dieser Entwurf in Erscheinung treten. Meines Sternbildes gedenkend, sollen ein Quadrat und neun Sterne über dem Tempel leuchten. Die Zeichen der Füße und der Hände werden über den Ecksteinen gezeichnet werden.« – So sprach Er selbst am Vortag des Neumondes. Die Hitze in der Wüste war groß. […]

Das Zeichen der großen Epoche ist der Morgenstern, der als erster Strahl aus der Lehre Christi aufleuchtet, denn Wen soll die Mutter der Welt erhöhen, wenn nicht Christus, der von der Welt erniedrigt worden ist?

»Gebt Uns einen Gewölbebogen, durch den Wir eintreten können!« […]

Die Mutter der Welt offenbart sich als Symbol des weiblichen Prinzips in der neuen Epoche, und das männliche Prinzip gibt den Schatz der Welt freiwillig an das weibliche Prinzip ab.

Wenn die Amazonen als Symbol der Kraft des weiblichen Prinzips in Erscheinung traten, so ist es jetzt unvermeidlich, auf die geistige Vervollkommnung der weiblichen Seite hinzuweisen.

Im Namen Christi sind große Verbrechen begangen worden, deshalb kleidet sich Christus heutzutage in andere Gewänder. Man muss alle Ausschmückungen läutern. Ich spreche nicht von leicht verschönten Schriften, doch selbst in die Bände des Origenes (christlicher Gelehrter des 3. Jahrhunderts) sind Berichtigungen hineingeschlüpft. Deshalb ist es an der Zeit, den Zustand der Welt zu ändern.

Die Triebfedern können nicht vor der Frist wirken, Beschleunigung hieße, an den Saiten zu sägen. […]

– Aus dem 2. Band »Blätter aus dem Garten Moryas«, Abs. 153 und 150

Es heißt: Um die Sprache der Texte des Agni Yoga zu verstehen, müsse man sie dreimal lesen, zu jeweils drei verschiedenen Anlässen. Wem dies gelingt, so die Agni-Yoga-Gesellschaft, der gelange zu tiefsten Einsichten.

Das tibetische Wirdpferd „Lungta“, das auf seinem Rücken den leuchtenden Chintamani trägt. Gemälde von Nicholas Roerich (entstanden zwischen 1935 und 1936).

Nachwirken

Das Ziel der Roerichs war, die Welt auf einen menschlicheren Weg zu führen, um damit auch die Geheimlehre Helena P. Blavatskys zu vervollständigen. Hiermit versuchten sie eine spirituelle Revolution auszulösen, wozu sie ihre Inspirationen empfingen aus dem heiligen Zentrum von Shambhala, durch das Wirken des Chintamani-Steins.

Wichtig in diesem Zusammenhang aber soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass solche energetischen Wirkungen aus dem Verborgenen, in Form der besagten Meister-Energien, immer nur für einen bestimmten Zeitraum aktuell sind. Denn sie wirken, damit etwas eingeleitet wird, um so den bisherigen Zustand der Welt zu vereinfachen, um das Geschehen in eine neue Richtung zu leiten.

Wenn im Rahmen der geschilderten Ereignisse der Meister Morya Helena Roerich erschien, erfolgte das aus den genannten Gründen, was sich auch im Werk ihres Mannes zeigte, auf den ja der besagte Roerich-Pakt zurückgeht.

Besonders aber die Tatsache, dass Roerichs Wirken sich über den damaligen amerikanischen Vize-Präsidenten Wallace auch in die Roosevelt-Administration übertrug, dürfte gut möglich sein. Denn aus der von Rossevelt gebildeten Atlantik-Charta, aus der die Vereinten Nationen hervorgehen sollten, erfüllte sicher ihren Zweck nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs.

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