von S. Levent Oezkan
Manche sagen, dass das Alevitentum eine dem Schiitentum nahestehende Konfession des Islam ist, während andere von einem eigenständigen, dem Sufismus nahestehenden Universalglauben sprechen. Der Name dieser religiösen Gruppe leitet sich aber ab von dem arabischen Wort »Alawi«, das soviel bedeutet wie »Anhänger Alis«, da sie, wie auch die Schiiten, Ali ibn Abi Talib als rechtmäßigen Nachfolger des Propheten Mohammed (as) verehren.
Die Aleviten leben heute überwiegend in der Türkei, wo sie etwa 15% der Bevölkerung ausmachen. Dass sie dem Schiismus nahestehen, liegt an historischen Bezügen zu Schah Ismail I., dem Begründer der persischen Herrscherdynastie der Safawiden. Im alten Herrschaftgebiet dieser Dynastie befindet sich heute der Iran, dessen Staatsreligion eben der Schiismus bildet.
Einen besonderen Bezug des Alevitentums besteht auch zum Derwischorden der Bektaschi, der traditionell auf den Mystiker und Sufi Hadschi Bektasch Veli (†1270) zurückgeht.
Zentral im Glauben der Aleviten ist eine Allah-Mohammed-Ali-Philosophie, die aber keineswegs mit einer, etwa aus dem Christentum bekannten Trinität gleichgesetzt werden sollte. Das aber Ali eine zentrale Rolle spielt im Glauben der Aleviten, dass zeigt auch ihr Glaubensbekenntnis, das zunächst mit dem der Sunni-Muslime identisch ist, jedoch den Zusatz »Ali waliyu Illah« enthält: »Ali ist Gottes Freund.« In ihrer Gebets- und Meditationspraxis spielt die heilige Formel »Ya Allah, Ya Mohammed, Ya Ali« darum eine wichtige Rolle.
Die Fundamente des Alevitentums basieren auf einer universalen Mystik. Gläubige streben da Vollkommenheit an, die sie durch Nächstenliebe, Geduld, Bescheidenheit und vieler anderer guter Werte erzielen wollen – für sich und auch im öffentlichen Leben. Aleviten leben ihren Glauben aber nicht öffentlich, sondern halten die Beziehung zu Gott für etwas ganz Persönliches. Dabei steht der Mensch als eigenverantwortliches Wesen im Zentrum dieses Glaubens. Ultimatives Ziel eines Aleviten ist das Erreichen des »Al-Insan Al-Kamil«: dem »Erleuchteten Menschen«. Wie gesagt aber beinhaltet die alevitische Tradition verschiedene Elemente aus dem Sufitum, doch auch aus den vorislamischen Religionen Mesopotamiens.
Von der Seele eines jeden Menschen glauben die Aleviten, dass sie unsterblich sei und durch eben die zuvor angedeutete Erleuchtung, die Vollkommenheit in Gott anstrebt.
Wie die Schiiten verehren auch die Aleviten zwölf Imame, von denen jedoch nur einer überlebte und im Verborgenen auf seiner Wiederkehr auf Erden wartet. Nur er kennt die innere Bedeutung des heiligen Buchs des Koran. Ali gilt als erster dieser sogenannten Zwölf Imame und man nennt ihn auch den »Löwen Allahs«.