Im 9. Jahrhundert lebte ein junger Mönch namens Kyoscho, der sich in die Lehre begab, bei dem Zen-Meister Genscha. Als die beiden eines Tages durch den nahegelegenen Wald, am Hang eines Berges spazierten, war Kyoscho etwas ungehalten, zumal er bereits mehr als einen Monat bei seinem neuen Meister war.
Schließlich war er bei ihm in die Lehre gegangen, um den Zustand des Zen zu erfahren. Sein Wissensdurst darum ließ ihn den Meister fragen:
Ich kam zu Euch auf der Suche nach Wahrheit. Wo soll ich beginnen, um in das Zen einzugehen?
Sein Meister antwortete ihm hierauf:
Lieber Kyoscho, hörst Du das leise Plätschern des Gebirgsbaches?
Dem Mönch war es erst gar nicht aufgefallen, doch nun nahm er es war. Da antwortete er seinem Meister:
Ja, ich höre den Bach leise in der Ferne.
Da erhob sein Meister den Finger, blickte ihn an und sprach:
Von dort aus gehe ein ins Zen.
Kyoscho war verblüfft, ja geradezu überwältigt von der dabei gemachten Erfahrung, so dass er kurz in den Erleuchtungszustand eines Satori einging. Auf einmal wusste er was Zen ist, ohne aber zu verstehen was er da gerade erlebt hatte.
Etwas Zeit verging und Kyoscho kam eine Frage zu seinem Erlebnis:
Was aber, Meister Genscha, wäre geschehen, hätte ich den Gebirgsbach nicht hören können?
Da blieb sein Meister stehen, blickte ihm in die Augen, hob seinen Finger und sprach:
Von dort gehe ein ins Zen. Das ist das Geheimnis des Zen. Von wo immer Du bist, von dort aus gehe ein ins Zen.
Ganz gleich ob sich einer ermutigt oder desillusioniert fühlt, ob er in seiner Meditation fortgeschritten oder noch ganz am Anfang steht: Gehe von dort aus ein ins Zen. Das ist die Wahrheit. Das genügt.
Bist Du müde, gehe von dort aus ein ins Zen.
Bist Du verwirrt, gehe von dort aus ein ins Zen.
Bist Du böse, gehe von dort aus ein ins Zen.
Schweift Dein Geist umher, gehe von dort aus ein ins Zen.
Der Erleuchtungszustand ist jetzt erreichbar, gehe von dort aus ein ins Zen.
Zwar gehört auch die Sitzmeditation zur Praxis des Zen, doch, wie die Geschichte von Kyoscho und Meister Genscha erzählte, lässt sich das Eingehen ins Zen auch in einer Konzentration auf den Alltag erreichen.
Worauf Meister Genscha immer wieder hinwies, war, sich die Aktivität, die man gerade in diesem Augenblick ausübt, vollkommen wahrzunehmen, ohne dabei irgendwelchen Gedanken oder Beurteilungen nachzugehen. So gelingt einem die Flut seines Denkens einzudämmen.
Der dritte Patriach des Zen in China, Sengcan († 606) sagte dazu einmal:
Wenn unser Denken die Ruhe findet, verschwindet es von selbst.