Schillers Ode an die Freude

 

Nach all dem politischen Wirrwarr und den Schrecknissen der Zeit, die auch Beethoven selbst erlebt hat, ist dieses Werk am Ende ein Appell, eine Sehnsucht nach Verbrüderung, nach Freude und Jubel, nach der Utopie eines Weltfriedens, nach einer Welt ohne Kriege und Zerstörung.

– Aribert Reimann, Berliner Komponist

Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken
Himmlische, dein Heiligtum.

Deine Zauber binden wieder,
Was der Mode Schwert geteilt;
Bettler werden Fürstenbrüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.

Seid umschlungen, Millionen!
Diesen Kuss der ganzen Welt!
Brüder – überm Sternenzelt
Muss ein lieber Vater wohnen.

Wem der große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu sein;
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!

Ja – wer auch nur eine Seele
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer’s nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund!

Was den großen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie!
Zu den Sternen leitet sie,
Wo der Unbekannte thronet.

Freude trinken alle Wesen
An den Brüsten der Natur,
Alle Guten, alle Bösen
Folgen ihrer Rosenspur.

Küsse gab sie uns und Reben,
Einen Freund, geprüft im Tod.
Wollust ward dem Wurm gegeben,
Und der Cherub steht vor Gott.

Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahndest du den Schöpfer, Welt?
Such’ ihn überm Sternenzelt,
Über Sternen muss er wohnen.

Freude heißt die starke Feder
In der ewigen Natur.
Freude, Freude treibt die Räder
In der großen Weltenuhr.

Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen,
Die des Sehers Rohr nicht kennt!

Froh, wie seine Sonnen fliegen,
Durch des Himmels prächtgen Plan,
Laufet Brüder eure Bahn,
Freudig wie ein Held zum siegen.

Aus der Wahrheit Feuerspiegel
Lächelt sie den Forscher an.
Zu der Tugend steilem Hügel
Leitet sie des Dulders Bahn.

Auf des Glaubens Sonnenberge
Sieht man ihre Fahnen weh’n,
Durch den Riss gesprengter Särge
Sie im Chor der Engel steh’n.

Duldet mutig, Millionen!
Duldet für die bess’re Welt!
Droben über’m Sternenzelt
Wird ein großer Gott belohnen.

Göttern kann man nicht vergelten,
Schön ist’s ihnen gleich zu sein.
Gram und Armut soll sich melden
Mit den Frohen sich erfreu’n.

Groll und Rache sei vergessen,
Unserm Todfeind sei verzieh’n.
Keine Träne soll ihn pressen,
Keine Reue nage ihn.

Unser Schuldbuch sei vernichtet!
Ausgesöhnt die ganze Welt!
Brüder – über’m Sternenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet.

Freude sprudelt in Pokalen,
In der Traube gold’nem Blut
Trinken Sanftmut Kannibalen,
Die Verzweiflung Heldenmut –

Brüder fliegt von euren Sitzen,
Wenn der volle Römer kreist,
Lasst den Schaum zum Himmel spritzen:
Dieses Glas dem guten Geist.

Den der Sterne Wirbel loben,
Den des Seraphs Hymne preist,
Dieses Glas dem guten Geist,
Über’m Sternenzelt dort oben!

Festen Mut in schwerem Leiden,
Hülfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwor’nen Eiden,
Wahrheit gegen Freund und Feind,

Männerstolz vor Königsthronen, –
Brüder, gält’ es Gut und Blut –
Dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut!

Schließt den heil’gen Zirkel dichter,
Schwört bei diesem gold’nen Wein:
Dem Gelübde treu zu sein,
Schwört es bei dem Sternenrichter!

Rettung von Tyrannenketten,
Großmut auch dem Bösewicht,
Hoffnung auf den Sterbebetten,
Gnade auf dem Hochgericht!

Auch die Toten sollen leben!
Brüder trinkt und stimmet ein,
Allen Sündern soll vergeben,
Und die Hölle nicht mehr sein.

Eine heit’re Abschiedsstunde!
Süßen Schlaf im Leichentuch!
Brüder – einen sanften Spruch
Aus des Totenrichters Munde!

Ein Loblied himmlischer Euphorie

Der damals 26-jährige Friedrich Schiller dichtete im Jahr 1785 die Ode „An die Freude“. Dies geschah auf Bitten seines Freundes Christian Gottfried Körner, für die Freimaurerloge „Zu den drei Schwertern“ in Dresden. Zur etwa gleichen Zeit wollte ihn der Verlagsgründer Johann Christoph Bode dazu veranlassen der Freimaurerei beizutreten. Sein Freund Körner riet ihm jedoch sich von Bode abzuwenden, da er Schiller nur für den Illuminatenorden gewinnen wollte.

Im Sommer und Herbst 1785 auf jeden Fall, entstand auf Körners Bitte jene Ode, aus der durch Beethoven später die Hymne „Freude schöner Götterfunken“ entstand. In einem Brief an Körner schrieb Schiller:

Deine Neigung zu diesem Gedicht mag sich auf die Epoche seiner Entstehung gründen: aber dies gibt ihm auch den einzigen Wert, den es hat, und auch nur für uns und nicht für die Welt, noch für die Dichtkunst.

Schillers bis daher sehr wechselhaftes Leben, das vor allem durch Geldsorgen belastet war, änderte sich durch seine Freundschaft mit Körner sehr. Auf dessen Weinberg in Dresden-Loschwitz, wohnte Schiller in den folgenden zwei Jahren bis Sommer 1787.
Trotz das seine Ode an die Freude bereits in ihrer Entstehungszeit äußerst populär war, hielt sie später Schiller keineswegs als eines seiner Meisterwerke.

Freude schöner Götterfunken

Musikalische Grundlage der Ode „An die Freude“ bildet der letzte Satz der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven. Sie entstand im Jahr 1815. Beethoven hatte die Ode bereits in seiner Jugend kennengelernt. Die Vertonung von Schillers Hymne aber, sollte ihn fast sein ganzes Leben begleiten. Er war sich bis zuletzt nicht sicher, ob den Abschluss der Komposition ein Chor oder ein rein instrumentales Finale bilden sollte. Wahrscheinlich fiel die Entscheidung für den Chor erst gegen Ende des Jahres 1823. Hierzu verkürzte Beethoven den Text der Hymne auf 36 Verse, die er teilweise auch umgestellt hatte.

Eine europäische Hymne

Bevor man 1952 die dritte Strophe des Deutschlandliedes zur deutschen Nationalhymne bestimmte, verwendete man nach dem zweiten Weltkrieg, die Ode sogar als inoffizielle Deutschland-Hymne. Richard Nikolaus Graf von Coudenhove-Kalergi, Freimaurer und Begründer der Paneuropa-Bewegung, schlug 1955 vor, Beethovens Vertonung der Ode an die Freude, zur neuen europäischen Hymne zu erheben. Schließlich wurde sie in der Vertonung Beethovens, 1972 dann auch die offizielle Hymne des Europarats.

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