Seit alter Zeit verehrt man in den spirituellen Traditionen die Bedeutung der Sterne, als Sinnbilder himmlisch-heiliger Licht- und Geisteskräfte. Verschiedene Astralkulte praktizierte man hierzu in der Antike, aus denen schließlich das hervorgehen sollte, woraus dann einst die Religionen entstanden.
Zuerst waren Sonnen- und Mondgottheiten von hoher Bedeutung, da sie direkt erfahrbare Wirkkräfte repräsentierten. Kein Wunder wenn sich bis heute Jahresfeste auch in den Riten der alltäglichen Ausdrucksformen des Religiösen erhalten haben, wo eben diese beiden Himmelskörper Richtung und Maß vorgeben.
Bis heute etwa leitet sich in der Westkirche das Osterdatum ab aus dem Erscheinen des ersten Vollmondes vor dem Frühlingsanfang (an dem Tag und Nacht ja genau gleich lang sind).
Im Islam spielen die Mondphasen eine ebenso zentrale Rolle für die Religionsausübung, wie etwa bei der Festlegung der heiligen Tage und Nächte im alten Keltentum oder in alt-germanischen Religionskulten. Kein Wunder darum, wenn man von einer Astrotheologie spricht, bilden die Gestirne doch, gleich einer kosmischen Uhr, wichtige Zeitpunkte im Erleben religiöser Himmelsereignisse.
Astrotheologie, die manche auch als Astralreligion oder Sternentheologie bezeichnen, steht dabei für die Verehrung der Sterne und Planeten als Gottheiten oder aber die Verbindung von Gottheiten mit diesen und anderen Himmelserscheinungen. Die esoterische Wissenschaft der Astrotheologie versucht dabei zu zeigen, dass die Ursprünge der Religionen, eigentlich auf einer Beobachtung des Himmels beruhen, sowie damit einhergehende Ereignisse auf Erden.
Grundsätzlich aber lässt sich sagen, dass Astrotheologie jedes religiöse System bezeichnet, das auf der Beobachtung des Himmels beruht – was insbesondere auf die späteren monotheistischen Religionen zutrifft.
Sternengottheit Sopdet (auch Sothis genannt), über deren Haupt der Stern Sirius abgebildet erscheint. Abbildung auf einer astronomischen Tafel des Sarkophags Seti I. (1294–1279 v. Chr.).
Sternenanbetung im Alten Ägypten
Sopdet war der alt-ägyptische Name für den Stern Sirius. Auch eine ägyptische Göttin trug als dessen Verkörperung diesen Namen. Sie nannten die Griechen »Sothis«, die man im Alten Ägypten mal mit der Göttermutter Isis, mal mit dem Totengott Anubis gleichsetzte. Sopdet war die Gemahlin des Gottes Sah, dem personifizierten Sternbild Orion. Am Nachthimmel befindet sich Orion rechts oberhalb des Sirius (in Nordeuropa im Winter gut am Himmel zu erkennen).
Man verehrte diese Sopdet im Alten Ägypten als Bringerin des Neuen Jahres und der Nilflut, die sich immer mit dem Aufleuchten des Sirius, kurz vor Sonnenaufgang ereignete.
In ptolemäischer Zeit verehrte man in Ägypten das Sternbild Orion als Osiris, den Gott der Fruchtbarkeit. Während der Göttin Isis in dieser Epoche Ägyptens der Stern Sirius zugeordnet wurde.
Astrale Gottheiten des Zweistromlands
Im Alten Sumer stellte man sich vor, dass die Götter jeweils auf hohen Bergen residierten. Später glaubte man die Gipfel bilden Versammlungsorte für die Gottheiten, deren Sitz sich jedoch im Himmel befand, samt ihres Gefolges heiliger geflügelter Vogelwesen (Engel).
Die Chaldäer, heute als wichtige Sternendeuter angesehen, wanderten um 940-860 v. Chr. nach Mesopotamien (Zweistromland) ein. Ihre Herrschaft fand zwischen 608 bis 557 v. Chr. ihren Höhepunkt im alten Babylon, einer Zeit in der die hebräische Bibel im Wesentlichen entstand (babylonische Gefangenschaft der Israeliten). Durch sie entwickelte sich die sogenannte Chaldäische Reihe, die sich aus den sieben klassischen Himmelskörpern zusammensetzt: Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn.
Alt-Jüdische Sternenkulte
An vielen Stellen des Alten Testaments finden sich Hinweise auf alte Kulte einer Sternenverehrung. Im mosaischen Buch Deuteronomium aber wird gewarnt vor der Anbetung der Himmelslichter:
Wenn du die Augen zum Himmel erhebst und das ganze Himmelsheer siehst, die Sonne, den Mond und die Sterne, dann lass dich nicht verführen! Du sollst dich nicht vor ihnen niederwerfen und ihnen nicht dienen. Der Herr, dein Gott, hat sie allen anderen Völkern überall unter dem Himmel zugewiesen.
– Deuteronomium 4:19
[…] wenn er hingeht, anderen Göttern dient und sich vor ihnen niederwirft – und zwar vor der Sonne, dem Mond oder dem ganzen Himmelsheer, was ich (Gott) verboten habe […]
– Deuteronomium 17:3
Es heißt, der Rückfall in die Anbetung der himmlischen Heerscharen, also der Sterne und Wandelsterne (Planeten), soll die Ursache für den Untergang des Königreichs Juda gewesen sein.
Sie übertraten alle Gebote des Herrn, ihres Gottes, schufen sich Gussbilder, zwei Kälber, stellten einen Kultpfahl auf, beteten das ganze Heer des Himmels an und dienten dem Baal (alt-semitischer Lichtgott).
– 2. Könige 17:16
Aber auch wenn man damals die verschiedenen Formen solcher Sternenkulte abzuschaffen versuchte, betrieben die Menschen diese für sich dennoch weiter.
Christliche Bedeutung astraler Ereignisse
Die Kreuzigungsfinsternis ist eine Episode, die man im Christentum als Zeichen der Göttlichkeit Jesu versteht. Als die Römer den christlichen Heiland auf dem Golgata hinrichteten, verdunkelte sich der Himmel mitten am Tag. Dennoch: Sternenverehrung prangerte die Kirche an. Augustinus von Hippo (354-430), einer der wichtigsten Kirchenlehrer des Christentums, versuchte die Gläubigen vor solch Sternenkulten abzubringen und vor Himmelsanbetungen ganz gleich welcher Art zu warnen. Auch Papst Leo der Große (400-461) versuchte solch Ambitionen zu verhindern, wie etwa den römischen Kult des Sol Invictus, dem »unbesiegten Sonnengott«. Welchen Zweck das zu erfüllen versuchte, sollte auf der Hand liegen: Monotheismus erlaubt keine andere Verehrung, als eben nur die des einen Gottes – was sicherlich bis heute seinen höheren Zweck erfüllt.
Bedeutung heiliger Himmelskörper im Islam
Im Koran findet man einen interessanten Vers, der in Zusammenhang mit einer Sternenverehrung gedeutet werden könnte, sicherlich aber dem einen oder anderen Islamwissenschaftler schon Kopfzerbrechen bereitet haben dürfte: Im 49. Vers der 53. Sure mit dem Titel »An-Nadschm«, »Der Stern«, liest man explizit darüber:
Dass Er (Allah) der Herr des Sirius ist
Sicherlich aber ist damit keine Gleichsetzung gemeint, sondern ein an dieser Stelle nicht genanntes esoterisches Geheimnis.
Dem Thema Sternenverehrung begegnet man im Koran auch in den Versen 75 bis 80 der 6. Sure mit dem Titel »Al-Annaam«, »Das Vieh«. Darin wird die Beobachtung der Himmelskörper durch den Propheten Abraham (Ibrahim) geschildert:
Und so zeigten Wir (Gott) Abraham das Reich der Himmel und der Erde, damit er zu denen gehöre, die sicher sind. Als nun die Nacht ihn bedeckte, sah er einen Stern und sagte: »Ist das mein Herr? Ist das mein Herr?«
Und als er unterging, sagte er: Ich liebe die untergehenden Sterne nicht. Als er dann den Mond aufgehen sah, sagte er: »Ist das mein Herr?«
Und als er unterging, sagte er: »Wenn mein Herr mich nicht geleitet hätte, wäre ich gewiss einer vom irrenden Volk.«
Als er dann die Sonne aufgehen sah, sagte er: »Ist das mein Herr? Ist er der Größte?«
Und als sie unterging, sagte er: »O mein Volk, ich bin gewiss von dem abgewichen, was ihr (bei Allah) errichtet habt. Wahrlich, ich habe mich, aufrichtig, ganz dem zugewandt, der die Himmel und die Erde erschaffen hat, und ich gehöre nicht zu jenen, die Vielgötterei betreiben.«
Und sein Volk stritt sich mit ihm. Er sagte: »Wollt ihr mit mir über Allah streiten? Er hat mich rechtgeleitet, und ich fürchte mich nicht vor denen, die ihr Ihm zur Seite stellt, es sei denn, mein Herr will es.«
Insbesondere aber die Tatsache, dass im Islam der neue Kalendertag nach Sonnenuntergang beginnt, also mit dem Anbrechen der Nacht, legt doch eine Beobachtung der Sterne nahe. Insbesondere in den Wüstenregionen der Welt – wie eben auch auf der arabischen Halbinsel, wo die Religion des Islam ja entstand – lässt sich die Tiefe eines fast schon ehrfurchtgebietenden Sternenhimmels besonders gut mit bloßem Auge betrachten. Weniger müssen da Sternpositionen berechnet werden, als dass man vielmehr intuitiv den Verlauf der Wandelsterne (Planeten) und des Mondes wahrzunehmen vermag und welche Ereignisse sich synchron dazu ergeben. Jeder der schon einmal mehrere Nächte in der Wüste verbrachte, dürfte ahnen was damit gemeint ist.
Sternenreligion der Sabier
Besonders für das sagenhafte Volk der Sabier von Harran (antiker Ort unweit der Fundstätte von Göbekli Tepe, im Südosten der heutigen Türkei), die Hermes Trismegistos als ihren Propheten verehrten, bildete Astrotheologie den Kern ritueller Religionsausübung. Im Koran ist dreimal die Rede von den Sabiern, als »Volk des Buches« (arabisch »Ahl Al-Kitab«), die bis ins 13. Jahrhundert im Südosten der heutigen Türkei lebten. Im Zentrum ihrer Verehrung aber stand der babylonische Mondgott Sin. Die Embleme von Sin sind der Halbmond und die Mondscheibe.
Das Glaubenssystem der Sabier hatte Wurzeln auch in der alten babylonischen Religion, in der man ja seit der Antike die mesopotamischen Götter in Form von Planeten und Sternen verehrte. Sin aber wurde angebetet als König der Götter, als »Größter aller Götter und Göttinnen«. Darum auch erbaute man ihm in Harran einen Tempel, worin man ihn in Form eines heiligen Felsen verehrte. Man nannte das Heiligtum auch den »Tempel der Freude« (sumerisch »Ehulhul«).
Von dem persischen Astrologen Al-Biruni (973-1048) wissen wir, dass die alte Stadt Harran nach einem mondförmigen Plan entworfen war. Heute ist von der alten Stadt aber nicht viel mehr als ein Trümmelfeld geblieben. Nur noch Überreste der Gemäuer der alten Universität von Harran, findet man dort heute. Sie allerdings war einst die älteste Hochschule der islamischen Welt, die lange das wichtigste Zentrum für Astronomie und Alchemie gewesen war.
Nabonid, König von Babylon: Auf einer Steinplatte abgebildet links Nabonid mit Zepter, und rechts oben Sin (Mond), Schamasch (Sonne) und Ischtar (Venus). Steinplatte im British Museum London, Foto: Jona lendering; Quelle: Wikimedia; Lizenz GNU Free Documentation License, version 1.2.
Nabonid: Erhabenster Anbeter der Sterne
Dass der alt-babylonische Sternenkult für die Sabier von so hoher Bedeutung war, lag wohl auch an der Tatsache, dass Nabonid (609-539 v. Chr.), der letzte König von Babylon, sich unter den Gelehrten Harrans aufhielt. In einem Traum soll er den Auftrag erhalten haben, in Harran den Tempe des Mondgottes Sin wieder aufzubauen, der 610 v. Chr. von den Medern zerstört worden war. Er stammte aus einer sehr religiösen Familie, war seine Mutter doch einst die Hohepriesterin des Mondgottes gewesen (eine Frau die damals im beachtlichen Alter von 104 Jahren starb).
Auf der 1956 entdeckten »Stele von Harran« ist Nabonid abgebildet (siehe Abb.), worauf er Symbole
- des Mondes (ein ganzer Kreis mit einer Sichel darunter),
- der Sonne (eine Scheibe mit einem inneren Muster aus vier Punkten mit sich ausbreitenden Strahlen) und
- der Venus (Ischtar, als siebenzackiger Stern in einem Kreis dargestellt) anbetet.
Jener Traum von dem oben die Rede war, ist beschrieben auf dieser Stele, wie folgt:
(Dies ist) das große Wunder Sins, das keiner der (anderen) Götter und Göttinnen zu vollbringen wusste, das sich im Lande von alters her nicht ereignet hat, das die Menschen im Lande weder beobachtet noch auf Tontafeln niedergeschrieben haben, um es für die Ewigkeit zu bewahren, dass (du), Sin, der Herr aller Götter und Göttinnen, die im Himmel wohnen, vom Himmel zu (mir) Nabonidus, dem König von Babylon, herabgekommen bist! Für mich, Nabonidus, den Einsamen, der niemanden hat, in dessen Herzen kein Gedanke an das Königtum war, haben die Götter und Göttinnen gebetet (zu Sin) und mich zum Königtum gerufen. Um Mitternacht ließ er (Sin) mich einen Traum haben und sagte (im Traum) folgendes zu mir: »Baue schnell Ehulhul wieder auf, den Tempel des Sin in Harran, und ich werde dir alle Länder übergeben.
– Text auf der Stele von Harran, Übersetzung von Cyril John Gadd (1893-1969)
Neben dem Hauptgott Sin aber verehrten die Harraner in weiteren Tempeln Repräsentationen der anderen klassischen Planeten. Auch ferne unsichtbare Planeten spielten für sie eine Rolle.
Die meisten ihrer Tempel waren rund. Ihre Anordnung und Reihenfolge, sowie die darin verehrten Götterskulpturen richteten sich nach der Entfernung des jeweiligen Planeten von der Erde. Doch es gab einige weitere wichtige Details, die insbesondere auch für die Hermetik eine wichtige Rolle spielen sollten:
- Der Tempel des Saturn war sechseckig und schwarz, seine Statue war aus Blei, sein Tag war der Samstag.
- Der Tempel des Jupiter war dreieckig und grün, seine Statue aus Zinn, sein Tag der Donnerstag.
- Mars war ein rechteckiger Tempel geweiht, seine Farbe rot, seine Statue aus Eisen, sein Tag Dienstag.
- Der Tempel der Sonne war viereckig, seine Statue war aus Gold, sein Tag Sonntag.
- Den Venus-Tempel bildete wahrscheinlich ein Dreieck in einem Rechteck und war blau. Die darin befindliche Venus-Statue war aus Kupfer, und ihr Tag war der Freitag.
- Der Tempel des Merkur war wahrscheinlich ein Dreieck in einem Rechteck. Man ließ ihn farblos, die Statue des Merkur war aus Ton und sein Tag der Mittwoch.
- Der Mond-Tempel war wahrscheinlich achteckig, seine Statue, als weiblich angesehen, war aus Silber verfertigt, und ihr Tag der Montag.
Astronomische Ursprünge unserer Religionen
Wie wir sehen konnten, spielten in allen Religionen der westlichen Welt astronomische Phänomene eine Rolle für die Gründung religiöser Riten und Feste. Der alte Kult der Astrolatrie (Sternenverehrung) bereitete anscheinend das vor, was dann einmal wichtige Zeitpunkte im Jahreslauf unserer religiösen Kalender markieren sollte. Und es war eben genau auch diese Verehrung der Sterne (insbesondere von Sonne, Mond und den klassischen Planeten Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur), die diesen ihre Namen gab.
Man verehrte die Erscheinungen der Himmelskörper als spirituelle Wesen, schrieb ihnen sowohl einen Willen als auch Intelligenz zu, womit sie ihre Einflüsse auf das irdische Leben ausübten – was für Sonne und der Mond ja auch tatsächlich erfahr- und messbar zutrifft (Jahreszeiten oder den Gezeiten des Meeres).
Aus dieser Beobachtung der Sterne, in religiösen Kulten, entstand schließlich auch die esoterische Wissenschaft der Astrologie. Wichtiger Ausgangspunkt dafür bilden sicherlich die Riten und okkulten Gebräuche der alten Chaldäer oder der Sabier von Harran.