Schamanismus ist ein religiöses System, dessen Ursprünge zurückreichen bis in die Altsteinzeit. Manche sagen der Schamanismus sei so alt wie die Menschheit selbst und kam mit den ersten Menschen auf die Erde. In der Kosmologie der Schamanen gibt es neben der Menschenwelt eine Welt der Geister und Ahnen. In unserer Welt ist der Mensch stets von diesen Geistern umgeben. Manche von ihnen waren einst Menschen und können auch in Zukunft wieder zu Menschen werden.
In ihnen leben dann die Geister der Ahnen. Doch der Schamanismus kennt auch Geister, die niemals menschliche Gestalt hatten. So sind in manchen Kulturen diese Ahnengeister Wesen, die lange vor uns auf der Erde lebten. Es muss sich bei den “Ahnen” im Schamanismus aber nicht um tatsächlich genetische Ahnen handeln. Manche Menschen sagen dass der Tod nicht das Ende ist, sondern eher der Übergang vom körperlichen Leben in einen Zustand, in dem das Individuum fortexistiert, jedoch ohne Körperlichkeit ist. Das trifft auch zu auf die Ahnengeister.
Was bedeutet das Wort Schamane?
Das Wort “Schamane” hat seinen Ursprung wahrscheinlich in der Sprache der Tungusen – den Völkern im Nordosten Sibiriens. Dort ist ein “saman” ein erhabener, begeisterter Mensch voller Dynamik. Als so jemand werden auch die dort lebenden Magier oder Heiler bezeichnet. Ein Schamane kann aber auch als Ratgeber fungieren, wenn ein Mensch die Verbindung zu seinen Wurzeln verloren hat. So glauben die Schamanen dass wenn es ein ungelöstes Problem in der Reihe der Ahnen gibt, es damit zu Blockaden im Leben eines Menschen kommen kann, was tatsächlich sein Schicksal zu beeinflussen vermag. Dann wendet man sich an einen Schamanen der einem hilft, indem er mit den Ahnengeistern Kontakt aufnimmt, mit ihnen spricht und so ein altes Problem aus dem Weg schafft. Nicht aber geht es dabei nur um die Lösung des Problems einer einzelnen Person, sondern auch darum, im gesamten Ahnenstammbaum Blockaden zu durchbrechen.
Ein Schamane besitzt meist hellseherische, übersinnliche Fähigkeiten, kennt sich aus mit sogenannten Kraft- oder Medizinalpflanzen, wie auch anderen Heilkräften. Bei den Menschen der Mongolei oder Sibiriens etwa, die dem Schamanismus noch sehr nahe stehen, übernimmt der Schamane oft die Rolle des Arztes oder Psychotherapeuten.
Merkmale des Schamanismus lassen sich überall auf der Welt finden. Nicht alle Schamanen sind als wandernde Nomaden unterwegs, wie etwa die Schamanen Zentralasiens. Daher ist es nicht immer einfach, den Begriff Schamanismus genau zu definieren. Jeder der heutzutage mit Naturgeistern arbeitet (zum Beispiel Keltentum), bezeichnet sich selbst manchmal als einen Schamanen.
Manche behaupten auch sie hätten mit einem Schamanen zu tun, wenn diese Person lediglich als Medium für spirituelle Wesenheiten agiert und diese quasi in die physische Welt zu einem Menschen führt. Das hat aber nicht unbedingt etwas mit Schamanismus zu tun, sondern da ist einer am Werk, der “übernatürliches Bewusstsein” besitzt und Kontakt aufzunehmen vermag, mit der Welt des Jenseits. So etwas nennt man auch “Channeling”.
Trance im Schamanismus
Ein Schamane ist ein heiliger Mann oder eine heilige Frau, die in zwei Welten steht: im Diesseits und im Jenseits – dem, was zum Beispiel Carlos Castaneda in seinen Büchern als Tonal und Nagual bezeichnet.
Ein Schamane besitzt die Fähigkeit, sein Bewusstsein vollständig zu ändern. Er arbeitet mit besonderen Geistformen, die seinen Körper im Zustand der Trance sozusagen bewohnen, was aber bei falscher Handhabung, leider zum Verlust von Teilen der Seele führen kann. Dann erfährt derjenige einen psychischen Schock oder sogar eine Psychose.
Zu den Methoden schamanistischer Erfahrungen, zählt insbesondere die Steigerung eines Zauberers in Trance. Durch Tanz, Gesang, besondere Körperbewegungen und das Schlagen der Schamanentrommel, erhebt sich sein Bewusstsein auf eine Ebene, wo er sich den Ahnengeistern nähert. Er erhebt sein Bewusstsein in einen Bereich, wo es sich auszudehnen vermag, in einem nicht-physischen Gebiet. Dort halten sich die Ahnengeister auf. Er ist in diesen Gefilden losgelöst von den Banden der Materie, ist selbst als Geist unterwegs. So kann er dort mit geistigen Wesen in Verbindung treten. Dabei muss er aber nicht immer als Mittler zwischen Mensch und Ahnengeist agieren. Er kann auch ganz einfach nach der Erfahrung suchen, die man macht, wenn man den Ahnengeistern begegnet.
In dieser Trance kann man von einer Art Selbsthypnose sprechen, bei der der Schamane jedoch voll bewusst ist. Sobald der Trance-Zustand erreicht wurde, bewegt sich der Geist des Schamanen frei durch die Welten: die Menschenwelt, die Unterwelt und die Welt der Himmlischen. Dabei hat er Kontakt zu guten wie bösen Geistern, von denen er Geheimnisse erfährt oder die er auch durch sein Erscheinen beeinflussen kann – zu seinem oder dem Nutzen eines anderen Menschen. So können Schamanen durch jahrelanges Üben, anderen Menschen helfen, mit ihren Ahnen in Kontakt zu treten, um sie entlang ihres geistigen Stammbaums zu führen. Damit erzielen Schamanen Heilung und Harmonie im Leben eines Hilfesuchenden.
Ahayuasca, Peyote
Was den Schamanen von anderen unterscheidet, ist die Fähigkeit sich in andere Welten zu transzendieren. Viele glauben, dass sie diese Erfahrungen selbst erzwingen können, durch die Einnahme besonderer Substanzen, wie etwa dem Peyote-Kaktus oder dem Ahayuasca-Trank. Doch dies ist eher die unsaubere Methode, da man dem Körper Gifte zufügt, die erst wieder ausgeschieden werden müssen.
Sicher aber erfüllen diese und andere Kraftpflanzen ihren Zweck. Sie dienen aber nur dem Anfänger, der den Zugang zu seinem höheren Selbst verloren hat – als quasi eine erzwungene Methode der Rückführung, zum waren Kern des Selbst. Ein Schamane der diese Phase seines Weges bereits hinter sich gelassen hat, will seine Erfahrungen jedoch aus sich selbst heraus machen, ohne dass er dazu durch Stoffe beeinflusst wird, die er nicht kontrollieren kann. Er will nicht abhängig sein von Substanzen, sondern seien Erfahrungen beim “vollem Bewusstsein” erleben.
Wer eine schamanische Heilreise unternehmen möchte, sollte sich daher besser an einen wirklichen Schamanen richten, der mit Trance arbeitet. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass diese Trance-Zustände und das, was die moderne Psychologie als “Psychose” bezeichnet, sehr nahe bei einander liegen. Drum ist es unabdingbar, dass einer, der sich auf den Weg des Schamanen begeben möchte, damit vorsichtig beginnt – ja besser noch, einen Schamanen-Führer hat, der ihn in die höheren und niederen Welten einführt.
Tanzender Schamane nimmt Kontakt zu den Ahnengeistern auf.
Blutsbruderschaft
Schamanen glauben, dass das sogenannte “Kut”, die “Essenz des Heiligen”, durch Körpersäfte übertragen wird. Das kann erfolgen durch Tränen ebenso, wie durch Speichel, Sperma oder Urin. Im Blut aber, dem kraftvollsten aller Körpersäfte, ist das Wesen eines Menschen gegenwärtig. Wer vom Blut eines anderen kostet, auf den geht die Kraft dieses Menschen über. Daher stammt die alt-türkische Tradition der Blutsbruderschaft: Einer schließt mit einem anderen Blutsbruderschaft, indem er sein Blut und das Blut seines zukünftigen “Bruders” in Kumys (vergorener Stutenmilch) löst. Dieses rituelle Getränk wird in eine Schale gegeben, woraus beide Blutsbrüder trinken. Somit schließen sie einen Bund, der ebenso stark ist, wie der zweier leiblicher Brüder. Danach wird das Blut des Blutsbruders zum absoluten Tabu, darf niemals vergossen werden.
Das finstere Schicksal des Jamukha Gurkhan
Eine mongolische Geschichte erzählt von zwei Fürstenkindern, die einst Blutsbruderschaft schlossen. Das war Jamukha Gurkhan und der junge Temüdschin. Temüdschin wählte man einst zum Khan aller Mongolenstämme und gab ihm den Namen Dschingis Khan. Dies aber neidete ihm sein Blutsbruder. Außerdem verlor Jamukha sehr früh seine Kinder, während Temüdschin mit seiner Frau eine große Familie hatte. So wurde Jamukha Gurkhan zum größten Widersacher Dschingis Khans und begang Hochverrat. Beide zogen mit ihren Heeren gegeneinander in die Schlacht. Doch schließlich wurde Jamukha von Dschingis Khan gestellt und hingerichtet – doch nicht etwa durch Pfeil oder Schwert, denn das hätte sein Blut vergossen. Da die beiden Blutsbrüder waren, durften sie das Blut des anderen nicht vergießen. So brach man dem Jamukha das Genick.
Wie man ein Schamane wird
Nicht jeder Mensch ist zum Schamanentum berufen. Man wird eben auch nicht mal eben ein Schamane. In Sibirien etwa, durchlebt ein Schamane teilweise ganz entsetzliche Erfahrungen, wo er in seinem Körper bis an die Grenzen des Todes kommt. Nur im Westen scheinen sich Menschen dazu zu “entscheiden” Schamane oder Schamanin “zu werden”. Doch die Schamanen Zentralasiens entscheiden nicht selbst welche zu werden. Sie lesen keine Bücher, die ihnen erklären wie man ein richtiger Schamane wird oder besuchen “Wochenendkurse in Schamanismus”.
Um Schamane zu sein, muss man laut Tradition, in der Ahnenreihe eines älteren Schamanen stehen. Das heißt aber nicht, wie oben bereits angedeutet, das man von ihm tatsächlich genetisch abstammen muss. Es ist also keine Blutlinie. Vielmehr muss der Ahnengeist seines Vorgängers, den Schamanen sozusagen beauftragen, in seiner Linie die Tradition fortzuführen. Dann gehen Teile der Seele der Ahnen, in die Seele des Schamanen über, womit das Wesen und die Kraft seines Vorgängers, auf ihn übertragen wird.
Daher rührt die große Bedeutung des Ahnenkults im Schamanismus. Die Seelen der Ahnen sind für die Schamanen immer noch in der Welt unterwegs. Als unsichtbare Wesen können sie einen Schamanen auch verfolgen, wenn er aus seiner Rolle fällt.
Im Westen erscheinen uns solche Dinge vielleicht eher befremdlich. Man glaubt nicht, dass das Leben eines Mensch von irgendwelchen Ahnengeistern beeinträchtigt ist. Eher denkt sich der westliche Durchschnittsmensch, dass ihn nur die Dinge betreffen oder sein Leben eingrenzen, die materieller, physischer Natur sind. Daher gelten den Menschen im Westen materielle Güter so viel, da sie glauben, durch mehr Besitz, über mehr “Sicherheiten” zu verfügen. Ein Schamane agiert jenseits dessen – oder, anders ausgedrückt: er arbeitet nicht nur in der Menschenwelt, sondern wie gesagt, auch in der Unterwelt und im Himmel. Dabei verrichtet er seinen Dienst am Menschen, an der Natur und an der Erde. Er hat die Fähigkeit einem Menschen zu helfen, mit seinen Ahnen in Verbindung zu treten und ihm so aus alten, hinderlichen Konstellationen zu entwinden.