Das iransiche Avesta, das heilige Buch des Zoroastrismus, erwähnt einen besonderen Lebenstrank: den Haoma. Ihn trank der Heilige Dschamschid aus seinem magischen, aus sieben Ringen verfertigten Kristallbecher: dem Dschame Dscham.
Der indische Rig-Veda nennt dieses besondere Elixier „Soma“ – ein leuchtender Himmelssaft, durch den, so die Überlieferung, periodisch das Licht des Mondes erneuert wird. Am Soma berauschen sich die Götter, bis sie es zu Neumond ausgekostet haben. Dann überwiegen die Finsterniskräfte, doch schließlich werden diese besiegt vom Sonnengott Surya. Durch ihn fließt dem Mond dann die heilige Lichtspeise zu, bis an Vollmond, wo dann das himmlische Gefäß wieder gefüllt ist.
Die alten Iraner und Inder, dachten sich also den Mond als himmlische Schale die vom Haoma bzw. Soma erfüllt, ausgetrunken und erneut erfüllt wurde. Ihren Inhalt trinken die Götter, wie auch die in Abgeschiedenheit lebenden Heiligen (Eremiten).
Einst kämpften die Engel gegen die Dämonen. Sie stritten um dieses wunderbare Gefäß. Die Menschen freuten sich, wenn ein göttlicher Held einen Dämonen besiegte. Das rührt vom Glauben, auch der Mensch dürfe, mit Gottes Erlaubnis, dereinst schlürfen vom lebensspendenden Trank.
Den Menschen fließt nur ein Teil des Soma zu, im strömenden Sonnenlicht und Regen.
Sich dem Himmelsbecher (Mond) aks Mensch zu nähern ist unmöglich, befindet er sich doch im fernen Land der Seeligen. Dort aber spendet sein Strahlen höchsten Segen.
Wir haben jetzt Soma getrunken, Unsterbliche sind wir geworden; wir sind zum Lichte gelangt, wir haben die Götter gefunden. Was kann uns jetzt die Missgunst antun, was die Hinterlist eines Sterblichen, o Unsterblicher?
Rig-Veda 8:48:3
Gläubige hoffen nach ihrem Tod dorthin zu gelangen, was nur geschieht, wenn sich ihnen der Mondgott gnädig zeigt. Er ist die Personifikation des himmlischen Rauschtrankes Soma und bringt die Menschenseelen ins ferne Lichtland der Seeligen, wo sie sich an den Segnungen des Soma laben. Wer dem Mondgott opfert, dem wird er sich gütig ergeben – so die Hoffnung.
Eine andere Sage erzählt, von hohen, halbgöttlichen Wesen die aus der Schar der Elfen stammen. Sie wohnten bei den himmlischen Feuern und hüteten und bewachten dort den himmlischen Trank. Von dort aus machten sich einige von ihnen zu den Menschen auf, denn sie sahen die Schönheit der Menschentöchter und ließen sich dazu herab, sie als Frauen zu ehelichen.
Der indische Mondgott Chandra auf seinem Himmelswagen.
Die Wächter
Die Kinder, die die Menschentöchter den Göttersöhnen gebaren nennt man die himmlischen Wächter. Davon erzählt auch die Hebräische Bibel:
Als sich die Menschen über die Erde hin zu vermehren begannen und ihnen Töchter geboren wurden, sahen die Gottessöhne, wie schön die Menschentöchter waren, und sie nahmen sich von ihnen Frauen, wie es ihnen gefiel. Da sprach der Herr: Mein Geist soll nicht für immer im Menschen bleiben, weil er auch Fleisch ist; daher soll seine Lebenszeit hundertzwanzig Jahre betragen.
In jenen Tagen gab es auf der Erde die Nephilim (Riesen), und auch später noch, nachdem sich die Gottessöhne mit den Menschentöchtern eingelassen und diese ihnen Kinder geboren hatten. Das sind die Helden der Vorzeit, die berühmten Männer.
– Genesis 6:4
Dieser Mythos wiederholt sich erneut in der alt-irischen Mythologie. Dort sind es die Tuatha de Danaan, die als Halbgötter bzw. Göttersöhne zur Erde kommen. Auch hier leben riesenhafte Wesen, die Fomoren, die auf Erde ihr Unwesen treiben.
All diese Geschichten deuten auf ein großes Geheimnis hin: das Gralsmysterium. Denn es stritten die Fomoren mit den Tuatha de Danaan um dieses heilige Gefäß, dass die Kelten nannten „den Kessel des Dagda“ – ein geheimnisvolles Gefäß, dass unendlich Nahrung spendet.
Lässt sich also aus dem Lauf des Mondes, auf die wahre Bedeutung des Heiligen Grals schließen?
Mit der Antwort auf diese Frage beschäftigt sich in Zukunft ein neues Buch von Johan von Kirschner.
1 Kommentar
„Wir haben das Soma getrunken
„Wir haben das Soma getrunken; wir sind unsterblich geworden, wir haben das Licht gesehen; wir haben die Götter gefunden.“ Ein sehr interessantes Thema. Entheogene spielten als sakramentaler Agens mystischer Selbst- und Gotteserfahrung wohl schon immer eine zentrale Rolle in der Religionsgeschichte. „Soma“ entspricht Amrita, der himmlische Nektar. Das Sanskritwort für Unsterblichkeit ist āmṛtaṃ. „Soma“ kann eine entheogene Pflanze meinen, aber auch einen erhabenen spirituellen Zustand, den „Nektar der Unsterblichkeit“, den wir durch spirituelle Praxis (Yoga) im eigenen Inneren erzeugen können. Salvador Dalí sagte: „Ich nehme keine Drogen. Ich bin die Droge“ – durch „Gnosis“ wird der Mensch selbst zum lebendigen, atmenden Soma.
Ich sehe da auch eine Verbindung zu dem, was die Sufis „sirr Allâh“ nennen, die universale göttliche Licht- und Lebenskraft. Für die Sufis ist sirr die kostbarste Substanz des Universums. Llewellyn Vaughan-Lee sagt darüber:
„The fire of devotion within the heart, ignited by the glance of the Beloved, contains the secret of divine consciousness, sirr allah. Sirr Allah is a spiritual substance within the innermost chamber of the heart, the heart of hearts. His divine consciousness, which reveals itself within the heart of His devoted servant…“(Sufism: The Transformation of the Heart, p. 116)