Geheimes Feuer der Alchemisten - ewigeweisheit.de

Das Geheime Feuer der Alchemisten

Vieles worüber sie schrieben, schienen die alten Alchemisten sorgfältig gehütet zu haben, am meisten ihr wissen vom »Geheimen Feuer«. Es bildete für sie sogar den wichtigsten Aspekt in der Ausübung ihrer »Hohen Kunst«. Sein wirkliches Wesen zu erkennen und es zu handhaben, war darum aber auch mit Schwierigkeiten verbunden.

Was hat es damit auf sich?

Um das zu beantworten, muss sich jemand zunächst einmal vertraut machen, mit den zentralen Prinzipien der Alchemie. Dem nähert er sich, im Verstehen der »Lehre vom Ganzen« und der »Lehre von den Teilen«. Diese beiden hermetischen Lehren befassen sich mit den Grundstrukturen der Wirklichkeit. Die gesamte Schöpfung ist dafür ein Beispiel, zumal wir in der Beschäftigung damit Themen berühren, die sich mit Dingen befassen die

  • die real existieren,
  • die nur scheinbar sind oder
  • die Grundlage aller Materie bilden.

Vor allem letztere, die sich aus allen nicht-scheinbaren Dingen zusammensetzen, formen das, was der Alchemist in seiner Arbeit als ideale Vollkommenheit zu bereiten versucht.

Während also das Ideal, das Gegenstand unserer folgenden Betrachtungen ist, für uns in einer zunächst unbestimmten Form existiert, existiert das, was wie eben als das Reale bezeichneten, in vielfältigen Formen.

Die Prima Materia: Ursubstanz im Alchemistischen Werk

Gut möglich, dass das soeben Gesagte dem Lesenden noch nicht wirklich klar erscheint. Doch dies geschieht ganz im Sinne der alten Alchemisten, die insbesondere den Lesenden ihrer Texte abverlangten zwischen den Zeilen Hinweise zu sammeln, die sie absichtlich über die verschiedenen Teile ihrer schriftlichen Aussagen verteilten.

Man kann ihnen daraus aber keinen Vorwurf machen, denn zum einen wurden sie wegen ihrer Praxis von der Inquisition verfolgt. Andererseits aber wussten sie, dass wenn der Unerfahrene aus ihren Anleitungen und Rezepten nur das Wortwörtliche herauszulesen im Stande ist, er kaum ein Ergebnis erzielen kann doch sehr wohl Schaden anrichten – für sich selbst und seine Umwelt.

Alchemisten versuchten eben nicht den Schatten mit der Substanz zu verwechseln und nicht zu glauben, dass einer nur im genauen Befolgen ihrer Anweisungen die »Prima Materia« finde, die ungeformte Ursubstanz. Ihr nämlich würde der wahre Alchemist ja seinen »Samen« einprägen, so dass daraus etwas »Edleres« hervorwachse.

Es bedarf Intuition, um die relevanten Wörter aus einem alchemistischen Text im Geiste herausgreifen zu können, um so zur Prima Materia zu finden mit dem Zweck zuerst eine Reinigung zu vollziehen, bevor ihn irgendwelche Umwandlungen zur Vollendung des sogenannten »Großen Werks« führen.

Aber auch wenn einer Ahnung hat, kommt er nur dann weiter, wenn er gewisse Aspekte, ja gar Vorbehalte des Beschriebenen kennt. Ohne die Kenntnis dessen, kann nichts erreicht werden. Da diese Aspekte in den verschiedenen alchemistischen Werken der Vergangenheit jedoch variieren, kann jemand durch ihr Studium sorgfältig vergleichen und dabei das Wesentliche entdecken, um das es bei der sogenannten »Bereitung des Steins der Weisen« geht. Es sei darum einmal auf vier wichtige Schriften der Alchemie hingewiesen, wie

Besonders zwei wichtigen Aspekten begegnen wir bei ihrem Studium:

  • Dem Geheimniss des Feuers und
  • der Lösung des »Sophischen Sals«.

Dabei steht das Sophische Sal für Festigkeit und Materialisierung. In ihm hat sich das verfestigt, was sich als die beiden Gegensätze des

  • Lichts des »Sophischen Mercurius« und der
  • Energie des »Sophischen Sulphur«

zu Form und Substanz in einem »mythischen Tanz« bildete zu dem, was schließlich mit dem Element Erde, als das Salz verbunden ist. Da jedoch ohne die Kenntnis des Feuers nichts erreicht werden kann, selbst wenn dem Alchemisten die Materie bekannt ist, könnte es von Interesse sein zu schauen, welche Informationen darüber aus dem Studium einiger der verfügbaren, oben genannten Quellen gewonnen werden können.

Es muss aber für diese Betrachtung klar sein, dass es sich weniger um eine materielle, sondern um eine rein geistige Alchemie handelt. Sie nämlich ist die Voraussetzung aller physischen Praxis, die ja für den wahren Alchemisten eine Handlung im Mikrokosmos ist, in dem sich weit größere Vorgänge ereignen, die einem theurgischen, makrokosmischen Gebiet entstammen, dass in der Tat voller Gefahren sein kann. Dabei meint das Adjektiv »theurgisch« die Fähigkeit mit göttlichen Wesenheiten in Verbindung zu treten, in der Hoffnung von ihnen Hilfe zu bekommen.

Das jedoch bedeutet nicht, dass das alchemistische Werk nicht auch unter dem Gesichtspunkt einer physischen Verwandlung behandelt werden soll. Es geht eher darum zu verstehen, dass solch Anspielungen auf Geist und Spiritualität eigentlich immer mit materiellen Abhandlungen einhergehen, doch eben nicht erkannt werden können, ohne im Geiste vertraut zu sein, mit den damit einhergehenden Verfahrensweisen.

Vom Edelsten

Man sagt den Alchemisten nach, tatsächlich alles Unedle in Edles verwandeln zu können, ganz gleich ob auf materieller, emotionaler oder geistiger Ebene. Dafür steht nicht nur symbolisch die alchemistische Umwandlung von Blei in Gold. Was aber noch viel kostbarer ist, als diese äußeren Erscheinungen der alchemistischen Kunst, ist das Wissen, dass einer dafür erfahren hat. Alles dreht sich in den Lehren der Alchemisten um ein göttliches und übernatürliches Element, das einen Schlüssel zu allen guten Dingen liefert. Darum gilt sie ihnen als höchste Kunst aller Künste, als höchste Wissenschaft aller Wissenschaften. Für die Alchemisten gibt es keinen anderen Zweig menschlicher Weisheit (weder spekulativ noch praktisch) der der Alchemie gleichkommt.

Aristoteles wusste, dass die Alchemie als edelste Kunst und Wissenschaft, all jenen, die von ihr wissen, dabei behilflich sein kann nicht nur ihren Körper sondern auch ihre Seele von Fesseln der Unfreiheit zu erlösen. Sie ist damit auch eine Heilmittel für jede Art von Leiden.

Tria Principia

Wie nun oben bereits angedeutet, spielen für den Adepten der Alchemie drei »philosophische Prinzipien« die Grundlage seiner Kunst:

Dabei aber sind weder das Salz, noch der Schwefel und auch nicht das Quecksilber mit den gewöhnlich bekannten Substanzen zu verwechseln. Allen dreien aber liegt eben das zu Grunde, was wir ganz zu Anfangs als das Feuer der Alchemisten einführten. Und es ist dieses Feuer, dass die folgenden Aspekte seiner Erscheinung bestimmen:

  • Göttlichkeit,
  • Schöpfung,
  • Spiritualität,
  • Sonnenhaftigkeit,
  • Reinigung,
  • Opfertum und
  • Elementares.

In der Alchemie wird es symbolisch dargestellt manchmal in Form eines Löwen oder einer Schlange. Vor allem der sogenannte »Grüne Löwe« ist in diesem Zusammenhang zu nennen, der nach seiner tieferen Bedeutung der oben angedeuteten »Prima Materia« entspricht, der Ausgangssubstanz aus der der Alchemist seinen »Stein der Weisen« bereitet.

Wie etwa im Rosarium Philosophorum (13. Jhd.) gezeigt (siehe Abb.), sieht man da diesen grünen Löwen eine Sonne verschlingen, den philosophischen Sulphur. Das Blut dass da von seinem Maul herabtropft entspricht dem philosophischen Mercurius. Symbolisch bilden Löwe, Sonne und Blut die Sinnbilder des begonnen Läuterungsvorgangs der Prima Materia, mit dem das »Große Werk des Alchemisten« beginnt.

Der Grüne Löwe - ewigeweisheit.de
Der Grüne Löwe der die Sonne frisst – Illustration im Rosarium Philosophorum (13. Jahrhundert).

»Augen wie eine Feuerflamme«

Kommen wir wieder zu sprechen auf jenes »geheime Feuer«, von dem ganz am Anfang dieses Textes die Rede war.

An vielen Stellen der Bibel erscheint Gott dem Sterblichen als Feuer oder in einer Flamme. Man denke etwa an den im Buch Exodus beschriebenen »Brennenden Dornbusch«, in dem JHVH dem Moses auf dem Sinai erschien (Exodus 3:1-4:17). Auch im 13. Kapitel des selben Buches lesen wir:

Und JHVH zog vor ihnen her […] bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten […]

– Exodus 13:21

In den Psalmen lesen wir:

der du machst Winde zu deinen Boten und Feuerflammen zu deinen Dienern

– Psalm 104:4

Auch das Neue Testament spricht von solch göttlichem Erscheinen:

[…] wenn der Herr Jesus offenbart wird vom Himmel her mit den Engeln seiner Macht in Feuerflammen […]

– 2. Brief an die Thessalonicher 1:7f

[…] seine Augen wie eine Feuerflamme und seine Füße gleich Golderz, wie im Ofen durch Feuer gehärtet […]

– Offenbarung 1:14f

Solche Aussprüche der Bibel dürften den Klugen unter den Alchemisten den Anlass gegeben haben, zu der Vorstellung von dem im Feuer wohnenden Gott (siehe etwa auch Hesekiel 1:4, Jeremia 23:29, Daniel 7:9f, Richter 13:19f). Damit wäre dann auch die himmlische Welt, als Raum der den göttlichen Thron umgibt, vor allem ein Feuerreich.

Insbesondere den Zoroastriern gilt das in ihren Tempeln von der Priesterschaft wohlgehütete Feuer, als sichtbare Manifestation der göttlichen Gegenwart. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die alte Feuer-Thematik bei den Zoroastriern noch viel später verwendet wurde, um in der Offenbarung des Johannes mit dem Heiligen Geist Gottes gleichgesetzt zu werden oder etwa den sogenannten »Zungen wie von Feuer«, die auf die Jünger Christi herabkamen (Apostelgeschichte 2:3).

Das Feuer seine eigene Heiligkeit hat, sehen wir ja an der Wichtigkeit die Kerzenlicht und Weihrauch spielen, in der anglikanischen, römischen und griechisch-orthodoxen Kirche. Das geht auf diese alte Zeit zurück.

Die Innere Flamme

Sei es nun bei Paracelsus (16. Jhd.), später bei den Rosenkreuzern (ab 17. Jhd.) oder bei den anderen »Feuerphilosophen«, wie man sie nannte, ging es bei allen darum, in ihrer Praxis Erkenntnisse zu gewinnen. Das kann durch einen innerem Prozess realisiert werden, ausgelöst durch das Vernehmen des Lichts eines göttlichen Feuers des Alchemisten. Und dieses Licht entspringt dem Feuer eines Geistes, über den Hermes Trismegistos in seinem Corpus Hermeticum Folgendes sagt:

Ich sprach: Wer bist du? Und erhielt zur Antwort: »Ich bin Poimander, das Gemüt, das aus sich selbst seiende Wesen. […] Ich weiß, was du begehrst, und ich bin überall mit dir. Und alles, was du lernen willst, werde ich dich lehren.

– 1. Poimander 4, 6

[…] und sogleich öffnete sich in einem Augenblick alles für mich; ich sah eine ungeheure Vision; alles wurde zu einem süßen und herzerfreuenden Licht, und ich freute mich über die Maßen über seinen Anblick.

– 1. Poimander 8

Dann erhob sich aus der feuchten Natur ein Ruf, ein wortloser Schrei, den ich mit der Stimme des Feuers verglich, während sich aus dem Licht ein heiliges Wort über die Natur breitete und ein reines Feuer aus der feuchten Natur emporflammte, hell, blendend und mächtig.

– 1. Poimander 10

Was wir hierin lesen, das galt den genannten Feuerphilosophen als arkanes, geheimes, jedoch heiliges Feuer, dessen Natur jeden menschlichen Intellekt übersteigt, doch die physische Manifestation dessen bildet, dass unsere Augen im flackernden Licht einer Flamme sehen.

Den Feuerphilosophen ging es aber vor Allem darum, dass dieses Feuer mit anderen Augen zu betrachten sei, als mit denen unseres Körpers. Dann nämlich sollte sich jemand den Prinzipien einer geheimen leuchtenden Flamme in ihm selbst bewusst werden, die seinen Körper, der doch nur begrenzt lebendig ist, belebt.

Seit uralter Zeit waren sich die Weisen unter den Menschen der dabei wirkenden, geheimnisvollen Prinzipien bewusst. Sie sahen in der göttlichen Flamme ein geistiges Abbild für das, was sich als seelische Form in unseren körperlichen Leib kleidet.

Ein feuchtes Feuer

So also ist wichtigstes Ziel des Alchemisten, dies göttliche Feuer in sich zu erkennen. Es leuchtet daraus das Licht eines geheimnisvoll strahlenden Gewandes, in dem sich die Schattierungen der Einflüsse einer übernatürlichen Welt dem so Betrachtenden enthüllen. Was damit gemeint ist, darüber lesen wir in dem gnostischen Text vom »Lied von der Perle«.

Dieser Text beschreibt den Abstieg der Seele in das Land der Materie, ihr dortiges Erfahren und ihr endgültiger Wiederaufstieg ins Himmlische. Vom östlichen Himmel her angekommen, kleidet sie sich in eine Robe und eine purpurne Toga, die die beiden Gewänder des wahren Selbst darstellen. Hierin spiegelt sich alles Wissen der Welt und teilt sich der darin gewandeten Seele mit, die daraufhin an Größe zunimmt.

Bald erfährt man von einer kostbaren Perle, die ihrem Besitzer zu höchster Erkenntnis verhilft. Sie verbirgt sich vor der Seele eines Menschen, so lange er seine leidenschaftliche Natur (symbolisiert durch die Schlange) noch nicht überwand.

Im Zusammenhang mit dem geheimen Feuer und dem aus ihm erstrahlenden Licht, spielt nun das besagte Purpur in der Alchemie eine wichtige Rolle. In dem sogenannten »Goldenen Traktat vom Stein der Weisen« des böhmischen Alchemisten Johann von Laatz (15. Jahrhundert), lesen wir über das eben Besagte Folgendes:

Der König kommt aus dem Feuer und freut sich über die Vermählung; die verborgenen Schätze werden geöffnet und die Milch der Jungfrau gebleicht. Der Sohn, bereits belebt, wird zum Krieger im Feuer und über die Tinktur überragend. Denn dieser Sohn ist selbst die Schatzkammer und trägt selbst die philosophische Materie. Tretet heran, ihr Söhne der Weisheit, und freut euch; lasst uns nun gemeinsam jubeln; denn die Herrschaft des Todes ist beendet, und der Sohn regiert, und nun ist er mit dem roten Gewand bekleidet, und der Purpur ist angezogen.

– 3. Sektion des Goldenen Traktats vom Stein der Weisen

Es tauchen darin also zwei Farben auf, Purpur und Rot. Aber auch Schwarz muss in diesem Zusammenhang mit aufgezählt werden. Gemeinsam nämlich bilden sie farbliche Entsprechungen für die materielle, die formende und die schöpferische Welt. Das Geheimnis dabei liegt in einem purpurnen »feuchten Feuer«, als eine Mischung aus Rot und Blau – symbolische Farben für Feuer und Wasser. Ursprünglich aber verstanden die Alchemisten unter Purpur eine besondere »Schwärze«, womit sie anspielten auf den dunklen Schoß der sogenannten »großen, überirdischen Mutter«. Aus diesem dunklen Schoß ging laut den besagten Schriften die gesamte manifestierte Schöpfung hervor, als eine warme Feuchtigkeit, als eben das besagte verborgene »Geheime Feuer«.

Das, womit wir diesen Abschnitt einleiteten, also die gnostische Legende von der Inkarnation der Seele, die sich in zwei Gewänder kleidet, verbirgt in sich den Geist in seinem höchsten spirituellen Aspekt, mit der ein Mensch mit der göttlichen Welt und den himmlischen Sphären verbunden ist. Sich dieser Wahrheit als Erfahrung zu nähern, versucht der Alchemist durch sein im Außen vollzogenes Experiment, etwas in seinem Innern zu erkennen, das als sein wahres Selbst, aus jenem dunklen, warmen Schoß des Unbewussten zur Welt gebracht wird.

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