Taoismus

Wer war Laotse?

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

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Autor und Mentor

Laotse - ewigeweisheit.de

Der Begriff des Dao bildet den Kern der Weisheitslehren des chinesischen Weisen Laotse. Sein Daodejing, eine umfangreiche Spruchsammlung, beschreibt einen universalen Humanismus und den Weg eines tugendhaften Lebens. Niemand aber weiß wirklich, wer Laotse eigentlich war.

Viele Theorien gibt es über ihn, der in Illustrationen oft als alter Weiser mit langem weißem Bart dargestellt wird. Über sein Leben aber sind sich Historiker uneinig, denn weder weiß man, wann genau er geboren wurde (manche geben als Geburtsjahr 604 v. Chr. an), noch wann er starb. Da könnte man auf die Idee kommen zu fragen: Existierte Laotse überhaupt als historische Gestalt?

Antworten zu finden, auf diese eigentlich wichtige Frage, wäre eine Möglichkeit, mehr über diesen Weisen zu erfahren, der uns mit seinem Daodejing (auch »Tao Te Ching« oder »Tao Te King«) ein sehr wertvolles Schriftwerk hinterließ. Doch wer sich wirklich intensiv mit Laotses Daodejing beschäftigt, dem dürfte die Frage nach geschichtlichen Belegen für seine Existenz eher sekundär erscheinen. Und das wird deutlich besonders wenn es um seine wichtigsten Verehrer geht: Die Daoisten. Sie nämlich sehen in Laotse sogar einen Gott.

Seit Jahren gibt es immer wieder neue Anhaltspunkte, die vermuten lassen, dass er wohl doch in der einen oder anderen Form existiert haben mag. Die Wirksamkeit der ihm zugeschriebenen Lehren jedoch beeinflusst das kaum.

Als Alter Mann geboren?

Wenn es nun um jene ersten Autoren geht, die über Laotse schrieben,  wäre da wohl der chinesische Historiker Sima Qian (145-86 v. Chr.) zu nennen. Er beschrieb Laotse als einen Zeitgenossen des Konfuzius (551-479 v. Chr.) der als kaiserlicher Beamter in den Staats-Archiven des Reiches von Zhou arbeitete.

Laotses Daodejing zählt zu den bemerkenswertesten Schriften der Menschheitsgeschichte, die für viele auch im Westen oft den Einstieg in die Welt des Geistigen, der Philosophie oder Spiritualität bildet. Der deutsche Sinologe Richard Wilhelm (1873-1930) bezeichnete das Werk Laotses als »Das Buch vom Weg des Lebens«. Doch ob man das Wort »Dao« allein als »Weg« (oder Methode) übersetzen kann, sei einmal dahingestellt. Der Begriff nämlich hat weitaus mehr Bedeutung, weshalb die moderne Sinologie rät, »Dao« als eigenständiges Wort unübersetzt zu gebrauchen. Es hat eben einen so universalen Charakter, zu dem sich Bezüge zu allen Bereichen des Lebens und des Seins finden lassen.

Darum auch wollte Laotse, meinen manche, mit dem Daodejing etwas wiederbeleben, das von ungeheuerem Wert ist für ein Verständnis für den Sinn des Seins. Doch erfand Laotse die im Dao wurzelnden Wahrheiten nicht neu. Sie entspringen einer uralten Weisheitstradition aus der Zeit des chinesischen Kaisers Huang Ti (2698 - 2597 v. Chr.). Er soll der Legende nach sogar Gründer des Daoismus gewesen sein. Und da Laotse diese alte Weltanschauung wieder ins Bewusstsein der Menschen brachte, sprechen manche über das Daodejing als »Lehre von Huang-Lao«.

Laotse auf jeden Fall war anscheinend gelungen, die Wirklichkeiten des Menschseins in sich so zu vereinen, dass er in den Versen des Daodejing alles Widersprüchliche in reine Weisheit umzuwandeln vermochte: Im übertragenen Sinne das Unzureichende in »Lauteres Gold«. Auch sein Name scheint auf solch Einheit zweier Gegensätze hinzudeuten. Sein Name nämlich setzt sich zusammen aus den Schriftzeichen »Lao« und »Tse«, wobei

  • Lao einen gealterten Menschen bezeichnet, während
  • Tse die Bezeichnung für ein Kind ist, einen Sohn.

Daher rührt wohl auch die Legende, dass er schon als er geboren wurde, bereits ein alter Mann war!

Als Mensch vermag jeder jung oder alt, sich mit dem Dao in der Stille und Selbstbesinnung zu verbinden. Darauf können wir Einfluss nehmen, woraus sich uns das wahre Leben zu offenbaren vermag – in all seinen vielen Erscheinungen, in seinem wahren, unverfälschten Wesen. Dao bildet dabei den rechten Weg, im Sinne einer besonderen Denkrichtung, aus deren Perspektive sich dem inneren Betrachter eine transzendente höchste Wirklichkeit und Wahrheit zu offenbaren vermag. Laotses Daodejing bildet hierzu eine Anleitung.

Qi: Die Essenz des Dao

Für Laotse war aller Ursprung des Lebens weiblich, wird doch eben alles aus der Mutter geboren (vergleiche etwa mit der gnostischen Weltanschauung der Mutter Sophia). Wem gelingt, sein Leben nach dem Dao auszurichten, kommt in Berührung mit der darin wirkenden, ursprünglichen Lebenskraft, die dadurch wirkt: Das Qi – auch bekannt als »Chi« oder »Ki« sowie im Titel des »Dao-De-Jing« als »De«.

Das menschliche Organ, das im Zentrum des Dao steht und mit den Wirkmechanismen des Qi arbeitet, ist das Herz (im Chinesischen »Xin«). Es ist das Zentrum vollkommenen Bewusstseins im Menschen, mit dem er versteht, wahrnimmt und empfindet. Durch dieses Bewusstsein tritt der Mensch sowohl im Außen in Verbindung mit anderen Menschen wie auch mit dem eigenen Selbst seines Inneren.

Als Vorbild für diese vorzügliche Fähigkeit begegnen wir im Daodejing an vielen Stellen dann der Gestalt eines Weisen. Er ist da jemand, der Meisterschaft über sich und das Leben erlangt hat und darum im Alten China auch als Vorbild galt, für ein vollkommenes, ehrenhaftes Königtum. Und das besteht gemäß dem Dao in der Zurückstellung der eigenen Wünsche, der Auflösung des Ego und letztendlich in der Entäußerung des Selbst – alles zum Wohle aller. Ein so vollendeter Weiser verweilt dann im Wirken, ohne Handeln, wo im Chinesischen die Rede ist vom »Wu Wei« – der vollendeten Fähigkeit gar ohne Worte andere zu belehren, was wohl eine recht schwer vorstellbare Art der Lehre ist, doch keineswegs nur symbolisch aufgefasst werden darf.

Tun: Ein Abweichen vom Gleichgewicht

So etwas wie das Nicht-Handeln des Wu Wei, mag dem westlichen Leser zunächst fremd erscheinen. Doch man vermag sich seiner Bedeutung mit dem Verständnis zu nähern, dass das Dao, welches Ursprung und Ziel aller Dinge ist, von selbst zum Ausgleich allen Wirkens drängt, ohne ein Wirken äußerlicher Einflüsse. Für Laotse war darum Tun ein Abweichen von dem durch Dao entstandenen Gleichgewicht. Im Daodejing lesen wir dazu:

Wenn der Herrscher unaufdringlich ist, wird sein Volk glücklich und zufrieden sein.
Wenn der Herrscher scharfsinnig und selbstbewusst ist, wird das Volk zu meckern beginnen und unzufrieden sein.

Auf dem Unglück ruht das Glück – auf dem Glück das Unglück.
Wer erkennt aber, dass es das Höchste ist, wenn kein Drang zu Ordnen besteht?

Denn sonst verkehrt die Ordnung sich in Wunderlichkeit, und das Gute verkehrt sich in Aberglaube.
Und die Tage der Verblendung des Volkes dauern wahrlich lange.

- Daodejing 2:58

Einer, der weich und biegsam bleibt, wie ein junger Baum, so Laotse, überlebt die »Stürme der Zeit«, das heißt: so jemand erlebt Probleme im Leben nicht als solche, sondern nimmt alles, ganz gleich was, als Gegeben an – eben so, wie es gerade ist, ohne Wertung, ohne Entgegentreten, ohne Empören, ohne Widerstand. Denn nur so lebt er in Übereinstimmung mit den Ursprüngen des Lebens. Wer darum sein Leben auf dem Weg des Dao gut zu führen weiß, den wird auch nichts wirklich verletzen können. So jemand eben greift in seinem Leben nicht in sein Schicksal ein, sondern tut nicht – und überlässt sich somit dem segensreichen Dao.

Weiche Wasser des Dao

Manches was heute auch in den allgemeinen Sprachgebrauch des Deutschen übergegangen ist, stammt ursprünglich aus den Lehren des Daodejing. Die oft gebrauchte Redewendung, dass »das Leben im Fluss« sei, zählt zu eben solchen Aussagen, wie man sie in Laotses Lehre findet. Manch Eigenschaft des Dao lässt sich nämlich wiedererkennen im Wasser, dass eben weich ist, nachgiebig und doch, aber allem Leben wichtig. Und es ist eben genau das Wasser, dass wie kein anderes Element für diese Nachgiebigkeit des Wu-Wei steht.

Was hart ist und sich zu einem besonders starken Wesen entwickelt, auf das vermag Wasser tatsächlich einzudrängen, wie etwa die großen Wassermassen, die bei einem Unwetter einem Damm zusetzen. Im Dao aber begegnet man der Wahrheit, dass das Weiche das Harte überwindet:

Was auch immer geschwächt werden soll,
muss zuerst stark gemacht werden.
Was gestürzt werden soll,
muss zuerst aufgerichtet werden.

[…]

So überwindet das Weiche das Harte
Und der Schwache den Starken.
»Es ist am besten, den Fisch unten in seinem Teich zu lassen;
am besten, man lässt die schärfsten Waffen des Staates, dort wo man sie sehen kann.«

- Daodejing 1:36

Wenn sich auch aus diesen Versen ein deutliche Hinweis auf eine Hingabe ans lebendige Sein herauslesen lässt, man sich also nichts widersetzen soll, bedeutet das jedoch auch nicht, dass man nicht für seine Mitmenschen eintretend Güte und auch Nachsicht üben soll. Aber das soll eben nicht erfolgen, indem man sich dem Üblen widersetzt, dem was Menschen schadet.

Das Herz des Weisen ist nicht dauernd gleich.
Das Herz des Volkes erhebt er zu seinem eigenen.
Dem Guten begegne ich gut,
Aber auch dem Bösen billige ich seine Existenz,
Und so erhält es Güte.

Dem Aufrichtigen begegne ich aufrichtig,
Aber auch dem Lügner begegne ich aufrichtig.
Denn darum ist Tugend Güte.

- Daodejing 2:49

Doch so etwas vermag nur jener in seinem Leben zu verwirklichen, der allen Ehrgeiz überwinden konnte. Laotse soll dies gelungen sein, was ihn ebensowenig greifbar machte wie eben das Wasser, das als solches ja im Zentrum der Doa-Lehre steht.

Die Höchste Dreiheit

Die Drei Reinen (Daoismus) - ewigeweisheit.de

Die Herren der Drei Reinheiten mit ihren heiteren Gesichter: Yüanshih Tientsun, Lingbao Tientsun und Laotse.

In gänzlicher Bescheidenheit und Zurückhaltung gegenüber seinen Mitmenschen und gegenüber der Welt widmete sich Laotse dem Dao und der dadurch wirkenden Lebenskraft Qi. Der Legende nach erreichte er damit ein Lebensalter von über 160 Jahren (manche sprechen sogar von 200 Jahren). Angeblich befand er sich im Besitz des Elixiers der Unsterblichkeit, wie etwa beschrieben in dem daoistischen Buch vom »Weg des Goldenen Elixiers«.

In der daoistischen Alchemie, nun ist die Rede von einem Fließen generativer Kräfte, die jedem Menschen innewohnen. Wer sie aber zu stoppen vermag, während er sich von geschlechtlichen Begierden reinigt, kann diese transmutieren in positive Lebenskraft. Damit soll ein ursprünglicher Lebensgeist im Menschen, der bereits vor der Entstehung der Welt existierte, wiederhergestellt werden können, mit dem Zweck, dem Menschen eine Rückkehr zu seinem ursprünglichen, unsterblichen Zustand zu ermöglichen – der dem Altern aller Körperlichkeit erhaben ist.

Laotse, als inkarnierter Mensch, soll dieses Wissen in sich verwirklicht haben und das besagte Elixier eben auf diese Weise in seinen Besitz gekommen sein. Daoisten aber gilt Laotse weit mehr als nur ein Meister in Gestalt irdischer Inkarnation. Vielmehr gleicht er einem geistigen, göttlichen Wesen. Und in diesem Zusammenhang begegnet man den sogenannten »Drei Reinen«. Sie stellen drei Ebenen der daoistischen Unsterblichkeit und Erleuchtung dar:

  • Yu-Qing: Die Jadereinheit. Es ist der himmlische Bereich des Uranfangs (ursprüngliches Qi), repräsentiert durch den ehrwürdigen Herrn Yüanshih Tientsun.
  • Tai-Qing: Die Höchste Reinheit. Hier wirkt der himmlische Herr des Heiligen Geistes, Lingbao Tientsun.
  • Shang Ching: Die Große Reinheit. Das ist der himmlische Bereich des Herrn der Tugend, repräsentiert durch den vergöttlichten Laotse.

Daoisten nun halten die irdische Erscheinung Laotses, als Inkarnation letzterer kosmischen Gottheit, deren geistige Form auf ewig fortlebt. Darum auch repräsentierte das Auftreten Laotses, mit seiner Lehre des Daodejing, einen Weg der Erlösung, wo sich der Sucher, der Unsterblichkeit seiner Seele bewusst geworden, zu entfesseln vermag, von allen Lasten und aus aller Negativität.

Damit ist Laotse nicht nur eine vermeintlich historische Gestalt, sondern er vermag, als Repräsentation einer der Drei Reinen, in der Seele eines jeden Daoisten fortzuleben, was ihn gleichzeitig befähigt, selbst zu einem Laotse zu werden.

Laotse im Reich von Zhou

Lange Zeit lebte Laotse im Königreich von Zhou. Konfuzius soll ihn dort getroffen und in rituellen Angelegenheiten konsultiert haben. Seine Unterredung mit Laotse beeindruckte Konfuzius so sehr, dass er ihn nach seiner Begegnung überschwänglich lobte. Das mag wohl eine der wichtigsten Bemerkungen im Shiji sein, dem Buch des Sima Qian, was bestätigt, dass Laotse ein hochrangiger Zeitgenosse des Konfuzius gewesen sein dürfte. Von einer oder mehreren Begegnungen zwischen Konfuzius und Laotse, die als »Lao Dan« bezeichnet werden, wurde auch durch den chinesischen Weisheitslehrer Zhuangzi (365-290 v. Chr.) überliefert.

Laotse auf jeden Fall sollte auch den Niedergang des Reiches von Zhou erleben, worauf er das Land verließ. Doch niemand weiß, wo er sein Leben beschloss. Wie wir jedoch über den zuvor bereits erwähnten Historiker Sima Qian erfahren, ereignete sich bei seinem Abgang noch eine ganz wichtige Episode.

Die Legende vom Grenzwächter Xi

Nachdem Laotse seinen Abschied vom König des Hofes von Zhou erbeten hatte, suchte er sich als Reittier einen Wasserbüffel. Auf ihm ritt er gemächlich nach Westen, wobei sein Ziel vielleicht Tibet gewesen sein könnte.

Nach einiger Zeit erreichte er Hangu – den Grenzpass des Reiches (dieser trennt die Täler des Gelben Flusses vom nordchinesischen Tiefland). Dort traf er auf Xi den Grenzwächter, der von der Durchreise des Weisen bereits wusste. Xi war jedoch weit mehr als nur ein von der Staatsgewalt eingesetzter Hüter der Reichsgrenzen (und ein Astrologe und Weiser, den Daoisten als den »Minister der Reinen Jade« verehren). Er überredete Laotse, ihm über seine Weisheit etwas Schriftliches zu hinterlassen. So entstand gemäß der Legende das Daodejing.

Laut Aufzeichnungen späterer Daoisten sollte der Grenzwächter Xi, durch das geistige Wirken eines göttlichen Laotse, in die innersten Geheimnisse des Dao eingeweiht worden sein, worauf hin er selbst zu einem der »Xian« wurde: Einem Unsterblichen.

 

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Qi-Gong: Eine Methode zur Kultivierung von Körper und Geist

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

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Autor und Mentor

Qi-Gong - ewigeweisheit.de

Durch sanfte Körperbewegungen, die im Fluss des Atems erfolgen, kann man durch Qi-Gong sein Bewusstsein klären und zugleich die Körperenergie ausgleichen. Qi-Gong ist ein wahrer Jungbrunnen ewigen Lebens.

Mit den Techniken des Qi-Gong, erhält ein Übender Zugang zu einer grenzenlosen Quelle von Frieden, Gesundheit und Lebenskraft. Auf dem Weg des Qi-Gong hält sich der Übende gesund und stärkt sich für die Herausforderungen des Alltags. Seien es Stress oder seelische Belastung: Qi-Gong hilft zu heilen, zu stärken und vorzubeugen.

Eine kurze Geschichte des Qi-Gong

Die Tradition des Qi-Gong ist uralt: vor 4000 Jahren im alten China entstanden, entwickelte sich eine Vielzahl verschiedener Schulrichtungen. Insbesondere die Traditionelle Chinesische Medizin profitiert von den vorbeugenden und heilenden Übungen des Qi-Gong. Auch im Konfuzianismus genießt die Praxis des Qi-Gong hohes Ansehen, gilt es doch als Form zur Verbesserung des moralischen Charakters. Insbesondere aber der Daoismus und Buddhismus integrierten Teile des Qi-Gong in ihre Meditationspraktiken.

Qi-Gong war aber schon immer mehr als nur eine praktische Körperübung. Seine gesamte Philosophie bildet die Fundamente einer meditativen, »Inneren Alchemie«.

Ziel der gesamten Qi-Gong-Philosophie ist das menschliche Leben ganzheitlich zu transformieren und niedere Aspekte des Seins auf körperlicher, emotionaler und geistiger Ebene zu veredeln. Insbesondere die Aspekte der daoistischen Meditationspraxis helfen einem Menschen Qi-Energie in seinem Körper zirkulieren zu lassen.

Traditionell wurden die Lehren des Qi-Gong vom erfahrenen Meister zum Schüler weitergegeben. Dies erfolgt normalerweise mit geheimen, esoterischen Unterweisungen von Mund zu Ohr und der direkten Einweihung in die gymnastischen Körper- und Atemübungen des Qi-Gong.

Lebensenergie im Fluss

Qi-Gong ist ein spirituelles System, das man sein ganzes Leben üben kann. Darum praktizieren in China viele Menschen die Kunst des Qi-Gong noch bis ins hohe Alter.

Qi ist die universale Urenergie – Gong die Arbeit, die Übung zur Unterstützung des Lebensflusses. Als Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin, hilft Qi-Gong dem Übenden die Lebensenergie in seinem Körper zu harmonisieren, die Urprinzipien von Yin und Yang auszubalancieren. Durch die physischen und spirituellen Übungen des Qi-Gong wird Qi-Energie durch die feinstofflichen Meridiane des Körpers befördert, ausgeglichen und verstärkt. Es ist eine Übung der Gesundung von Körper, Seele und Geist, werden durch sie doch die Quantität und Qualität menschlicher Lebensenergie erhöht.

Wer als Kranker Qi-Gong übt, kann Blockaden des Qi im Körper beheben und den natürlichen Fluss der Lebensenergie harmonisieren. Damit kann er seine Gesundheit wiederherstellen, aber auch Krankheiten vorbeugen. Aus diesem Grund wird in China Qi-Gong auch angewendet, um Menschen zum Beispiel bei ihrer Krebstherapie zu unterstützen.

Ein Arzt der Traditionellen Chinesischen Medizin kann seinem Klienten direkt mit Methoden des Qi-Gong behandeln. Denn jeder Mensch, jeden Alters und jeder körperlichen Verfassung, kann Qi-Gong üben. Dafür zeigt ihm der Arzt eine Reihe sogenannter »Innerer Übungen«, um mit ihnen die drei lebensfördernden Schätze des Menschen zu aktivieren:

  • Qi – die Lebensenergie,
  • Jing – die Essenzen des Körpers und
  • Shen – den menschlichen Geist.

Qi-Gong-Übungen helfen den harmonischen Qi-Energiefluss im Körper zu stärken, damit das Jing zu bewahren, um letztendlich das Shen zur Erleuchtung zu führen.

Jene Übungen zur Aktivierung von Qi, Jing und Shen, basieren aber auf konzentrierten Geist-, Atem- und Körperbewegungen. Diese dynamischen Übungen und Meditationen besitzen sowohl Yin- als auch Yang-Aspekte. Man sagt:

Das Yin ist es; das Yang macht es.

Yin-Qi-Gong-Übungen erfolgen durch entspanntes Dehnen, Visualisieren und meditatives Atmen. Yang-Qi-Gong-Übungen werden dynamisch ausgeführt. Sie sind außerdem besonders wirksam zur Unterstützung des Immunsystems.

Übungen für Körper, Atem und Geist

Wer regelmäßig Qi-Gong praktiziert, erzielt positive Wirkungen für sein Leben, stärkt seine Widerstandsfähigkeit und unterstützt sich in Heilungs- und Genesungsprozessen.

Die Übungen des Qi-Gong regulieren körperliche Aspekte, die Atmung und das Denken. Sowohl Bewegungsübungen, wie auch Stille Meditationen, Massage, Gesang, Klangmeditation und berührungslose Behandlungen, kommen im Qi-Gong zur Anwendung.

Grundsätzlich lassen sich die Qi-Gong-Übungen in zwei fundamentale Kategorien einteilen:

  1. Dong-Gong: das dynamische, aktive Qi-Gong, dass in langsamen, fließenden Bewegungen ausgeführt wird.
  2. Jing-Gong: das meditative, passive Qi-Gong, das man durch besondere Ruhepositionen und Atemverfahren übt.

Aus therapeutischer Sicht, lässt sich Qi-Gong zudem unterteilen in:

  1. internes Qi-Gong, das auf die Kultivierung des Selbst abzielt und
  2. externes Qi-Gong, wo ein Therapeut ins Spiel kommt, der seinem Klienten hilft Qi auf seinen Körper zu übertragen und darin zu lenken.

Während die Details der Umsetzung verschiedener Übungen variieren, werden die Qi-Gong-Formen auch aus vier Arten von Übungen kombiniert: dynamisch, statisch, meditativ und mit Hilfe externer Mittel.

Körperübungen

Die erste innere Übung erfolgt durch das Einnehmen besonderer Körperhaltungen. Sie helfen falsche Haltungen zu korrigieren. Heutzutage sitzen viele Menschen die längste Zeit des Tages. Das natürlich schwächt den Rücken. Energiefluss und Qi-Verteilung im Körper werden dabei blockiert. Man braucht mehr Energie für Bewegungen, die eigentlich an anderer Stelle des Körpers wichtig wären. Hierdurch kann die Anfälligkeit für Verletzungen oder Krankheiten erhöht werden.

Durch die Haltungen des Qi-Gong jedoch, lässt sich der Rücken stärken und die Wirbelsäule aufrichten. Natürlich führt das zu einem verbesserten Fluss der Qi-Energie in der Wirbelsäule. Das Resultat: wir fühlen uns stark, ermüden nicht so schnell, klären unseren Geist und schärfen seine Wahrnehmung. Qi-Blockaden werden verringert, womit sich auch chronische Krankheiten behandeln lassen (z. B. Bluthochdruck, Verdauungsstörungen, Stress oder sexuelle Funktionsstörungen).

Im regelmäßigen Üben der Bewegungsabläufe des Qi-Gong (Formen), kann eine optimale Gewichtsverteilung im Körper erzielt werden, wodurch sich eine natürliche Balance und Körperhaltung herstellen lassen. Gleichzeitig werden die inneren Organe gestärkt, Muskeln, Knochen und Gelenke werden trainiert.

Das besondere an den Qi-Gong-Körperübungen ist, dass sowohl durch die Bewegungen, wie durch die Ruhepositionen, sowohl der Körper gestärkt wird, doch ebenso Entspannung und Stresskontrolle erzielt werden können. Damit wird Krankheiten vorgebeugt und das gesamte Bewusstsein auf allen Ebenen erweitert.

Die dynamischen Qi-Gong-Übungen (Dong-Gong) werden in bestimmten Formen geübt. In fließenden Bewegungen, lassen sich Körper, Atem und Bewusstsein kräftigen. Gewiss erinnern die Formen des Qi-Gong auch an jene Bewegungsabläufen im Tai-Chi. Die statischen Körperhaltungen im Qi-Gong ähneln den Positionen des indisches Yoga.

Im Qi-Gong werden insbesondere auch die anmutigen Bewegungen von fünf Tieren (Wu Qin Xi Qi-Gong) nachgeahmt: Tiger, Hirsch, Bär, Affe und Vogel (z. B. Kranich). Hierdurch wird der Durchfluss von Blut, Körperessenzen (z. B. Lymphe) und Qi im Körper erhöht.

Menschen die Beschwerden haben oder krank sind, spüren ihren Körper alleine durch ihren Schmerz. Dem entgegenwirkend ist natürlich die dynamische Qi-Gong-Übung, durch die der Praktiker ein natürliches Gefühl für seinen Körper und seine Bewegungen durch den Raum entwickelt.

Atemübungen

Durch Hektik im Alltag, durch falsche Sitzhaltung, durch Dauerkonsum angstverursachender Meldungen in TV oder sozialen Medien, wird der natürliche Atemfluss irritiert. Die Folge: der Atem wird allmählich immer flacher. Beim Einatmen füllt sich zwar unsere Brust mit Luft, doch nur wenig Luft gelangt in den Bauch. Außerdem erzeugen Stressmomente, oder schockierende Nachrichten, wenn auch unbewusst, immer eine Störung des unwillkürlichen Atemprozesses. Wer nun über lange Jahre hinweg falsch atmet, bringt sich aus dem Gleichgewicht, sowohl körperlich, emotional, wie ebenso geistig. Man kann durchaus sagen, dass der Durchschnittsmensch bis ins Erwachsenenalter, richtiges Atmen regelrecht verlernt. Als wir auf die Welt kamen, atmeten wir auf angeborene, natürliche Weise. Ziel der Atemübungen im Qi-Gong ist die Korrektur falschen Atmens.

Die im Qi-Gong verwendete Atemform nun, ist die Bauchatmung. Durch diese Atemübung kommen die Lebensessenzen im Körper in Fluss und die Verteilung des Qi wird harmonisiert.

Hierbei atmet man so, dass sich zuerst der Bauch ausdehnt und hernach sich die Brust mit Luft füllt. Beim Ausatmen gibt man Acht, dass sich umgekehrt am Ende der Atembewegung der Bauch beim Ausatmen zusammenzieht – nicht angestrengt, doch ganz natürlich uns sanft. Es reicht vollkommen aus, diese Bewegung ganz allmählich und sanft, in unser natürliches Atmen zu integrieren.

Nicht aber alleine die Technik ist wichtig, sondern vielmehr das regelmäßige Üben. Wieso? Man lernt eben wieder bewusst zu Atmen. Atmen ist Leben!

Regulierung geistiger Vorgänge

Den Geist im Hier und Jetzt zu stabilisieren ist eines der Ziele des Qi-Gong. In verschiedenen buddhistischen Traditionen versucht man Geistesaktivität zu beruhigen, indem man sich auf ein äußeres Objekt konzentriert (etwa auf den durchsichtigen, bläulichen Teil der unteren Flamme einer Kerze) oder in innerer Konzentration auf den Atem, in dessen Rhythmus etwa ein besonderes Mantra gedacht wird (das kann z. B. auch die Rezitation eines Gebets sein). Der Geist lässt sich dabei durch Vergegenwärtigen des aktuellen Moments stabilisieren.

Zwar ist es unmöglich nicht zu denken, zumindest aber können wir uns für bestimmte Zeitspannen in einen inneren Raum geistiger Ruhe und Leere begeben. Ziel ist einen Grundzustand reinen Bewusstseins zu erreichen, worin man sich von Gedanken und Emotionen löst. Das hilft Stress abzubauen und das Bewusstsein für den Augenblick zu verbessern.

Durch regelmäßiges Üben eines gegenwärtigen Bewusstseins, wird die Wahrnehmung achtsamer: allmählich zeigen sich die Dinge in ihrer wahren Form.

Im Qi-Gong werden die Körper- und Atemübungen kombiniert. Wer diese Qi-Gong-Praxis vollbewusst und aufmerksam praktiziert, sich gleichzeitig auf Bewegungs- und Atmungsform konzentriert, dem bleibt gar nichts anderes übrig, als den Gedankenstrom zum Erliegen zu bringen. So lassen sich ärgerliche Erinnerungen aus der Vergangenheit langsam auflösen und auch projizierte Zukunftsängste werden in ein Gewahrsein des Jetzt verwandelt und dabei ihre negative Wirkung entspannt.

Nur die Gegenwart ist wahr – Vergangenheit und Zukunft sind reine Projektionen unseres Geistes. Wer das verstanden hat ist auf dem besten Weg seinen Stress zu mindern und sich aus seinen Sorgen zu entwirren.

Gesundheit bewahren

Ruhe und Entspanntheit für Körper und Geist: das sind die Voraussetzungen für ein gesundes Leben. Wer Qi-Gong übt, kann diesen Zustand bewahren und ein stressfreies Leben gestalten.

Häufig leiden wir unter dem, was einst vorgefallen ist, teilweise etwas das weit in der Vergangenheit liegt. Es sind die Erinnerungen, die unseren Geist eintrüben und sich manchmal zu Verhärtungen in unserem Körper aufschichten. Doch um so etwas aufzulösen, müssen wir uns auf eine Sache konzentrieren: das Loslassen.

Doch nicht allein was in uns oder aus unserer Vergangenheit an uns dranhängt: auch äußere Lasten müssen wir nach und nach abbauen. Es führt manchmal sogar kein Weg daran vorbei, mit etwas auch einfach Schluss zu machen, von jetzt auf gleich. Natürlich können auch solche Loslösungen Belastungen mit sich bringen. Doch dies sind temporäre, negative Emotionen, durch die uns auch Qi-Gong-Übungen hinweghelfen können.

Es gilt nicht alleine den Körper stark zu halten, sondern auch den Geist. Ein starker Geist aber ist vor allem eins: er ist klar und ruhig. Ist das der Fall, kann Qi-Energie fließen, die auch unseren Körper befähigt mehr Kraft und Gesundheit zu akkumulieren.

Umgang mit Krankheit

Es ist schwieriger eine Krankheit zu heilen, als sie zu verhindern. Wer regelmäßig Qi-Gong übt, kann einer Krankheit vorbeugen. Doch auch wenn jemand bereits krank ist, können Qi-Gong-Übungen eine entscheidende Rolle spielen bei der Wiederherstellung eines gesundheitlichen Gleichgewichts.

Alle Qi-Gong-Übungen basieren auf den polaren Urprinzipien von Yin und Yang – Dunklem und Hellem, Weichem und Hartem, Langsamem und Schnellem, Innerem und Äußerem. Im Qi-Gong wird versucht diese polaren Größen miteinander zu harmonisieren, mit dem Ziel den Fluss von Qi im Organsystemen, in den Meridianen und in den Körperessenzen anzuregen.

Qi-Gong für ein langes Leben

Qi-Gong war im Alten China keineswegs eine Alltagspraxis. Nur die Eingeweihten in den Klöstern der buddhistischen und der daoistischen Traditionen, hatten Zugang zu diesem esoterischen Wissen. Man lehrte dort, wie man die Urkraft Qi, über die geheimnisvollen acht Nebenmeridiande, in das Knochenmark leitet, um es dabei zu reinigen und zu energetisieren. Diese Übung war in etwa so, als würde man überschüssige Qi-Energie im Innern der Knochen speichern. Das ist natürlich sehr interessant vor dem Hintergrund, das ja der wichtigste Lebenssaft unseres Körpers, nämlich das Blut, im Knochenmark gebildet wird.

Der Legende nach, war jenen die mit dieser Technik vertraut waren ein sehr langes Leben gewiss: manche sprechen von einer Lebensspanne von gar 150 Jahren oder länger. Ein daoistisches Sprichwort saht dazu:

Einhundertzwanzig Jahre bedeutet, jung zu sterben.

Obwohl sich nur wenige von uns der strengen Praxis dieser Mönche widmen können, bleibt unbestritten, das das Üben von Qi-Gong einen hohen gesundheitlichen Nutzen hat und die allgemeine Lebensqualität fördert.

Auf dem Weg zum Licht

In ihrem Streben nach höherer Bewusstheit, verwenden buddhistischen Weise und die Adepten des Dao, die esoterischen Techniken des Qi-Gong. Dabei versuchen sie ihr Shen, ihre hochgeistigen Fähigkeiten, zu beeinflussen. Dies erfolgt über die oben erwähnte Steuerung des Qi-Flusses, über die acht Nebenmeridiane, in Richtung der Stirnmitte. So erhöhen sie ihre Bewusstheit, gelangen darüber auf einen höheren Zustand eines Superbewusstseins.

Doch auch jeder Andere, kann sich solch einer hohen Wahrnehmung annähern, indem er regelmäßig Qi-Gong übt. Denn jedem steht es offen, so wie auch jene Adepten, einen Weg zur Erleuchtung zu finden.

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Im Einklang mit dem Dao: Leben im kosmischen Fluss

Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

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Autor und Mentor

Der Daoismus ist Chinas authentische, religiöse Weisheitstradition. Selbst wenn im Daoismus verschiedene Elemente anderer chinesischen Traditionen verschmelzen, steht diese Weltanschauung doch für sich. Daoismus muss darum aber nicht als Religion oder Philosophie systematisiert werden.

Er eint in sich spirituelle wie praktische Weisheitslehren. Der Weg des Dao kann für jeden Menschen eine Quelle wahrer Erleuchtung sein.

Das theoretische Lehrgebäude des Daoismus, basiert auf der Formulierung besonderer Weisheitssprüche. Sie verband man in alter Zeit mit spirituellen Praktiken, um den Menschen damit zur Selbstverwirklichung zu führen - zum Wohle allen Seins.

Das Dao

Als Gründungsschrift des Daoismus, gilt das Daodejing: das Buch des Weges und seiner Tugend. In diesem Werk des mythischen Philosophen Laotse, finden sich viele Aphorismen, die den Leser zu Tugend und Weisheit führen können. Auch das Zhuangzi soll hier erwähnt sein: das Buch des Meisters Zhuang. Der im 4. Jhd. v. Chr. lebende Gelehrte, vertrat eine autoritätsfeindliche Philosophie, die außerdem eine Rückwendung zur Natur forderte. Vor allem durch Meister Zhuang wurden im Laufe der Geschichte des Daoismus, viele Lehren vebreitet, die dem Schüler des Dao halfen, mit den darin behandelten, essentiellen Lehren und Weisheiten umzugehen - im Einklang mit Leben und Natur.

Was aber bedeutet "Dao"?

Dao wird eigentlich nur als Begriff benutzt, um sich auf etwas beziehen zu können, wenn man über das spricht, wofür der Begriff steht. Das Wort Dao an sich aber, lässt sich nur schwer fassen. Ungeeignet erschiene mir, es einfach mit einem deutschen Begriff zu übersetzen. Es widerspräche dem Sinn, der hinter diesem recht sonderbaren Wort steht.

Man belegte das Wort in der Vergangenheit dennoch mit zwei Hauptbedeutungen: "der Weg" und "die Methode" - gewissermaßen eine philosophische Anleitung, wie man sich, durch Denken und Handeln, auf dem Weg der Selbstkultivierung verhalten muss.

Einfacher vielleicht ist es, dass Dao in der Art seiner Ausübung zu umschreiben. Denn Ziel des Dao ist, das niedere Selbst mit dem höheren Selbst zu bezwingen und auf diese Weise die niederen Seelenaspekte irgendwann aufzulösen. Mit dem Dao-Begriff wird auch hingewiesen auf ein absolutes Prinzip, aus dem alle Formen und Erscheinungen in der Welt hervorgehen. Das Dao an sich aber bleibt unerkennbar. Weder hat das, was das Dao beschreibt, eine besondere Form, noch kann man die dahinter stehenden Prinzipien über die Sinne wahrnehmen oder durch Bilder und Worte beschreiben. Die wahre Bedeutung des Dao zu erklären, ist also ebenso unmöglich, wie das, was als Wahrheit hinter dem Namen "Gott" steht.

Was das Dao enthält, sind die Essenzen der hinter ihm wirkenden philosophischen Prinzipien. Als Ganzes bilden sie den Keim aller weltlichen Existenzen und nehmen im Dao ihren Anfang; sie werden aus ihm geboren, als Mutter aller Erscheinungen.

Der Weise Laotze - ewigeweisheit.de

Der Weise Laotse auf einem Wasserbüffel reitend. Der Wasserbüffel als Symbol des Körpers, der vom erhabenen Geist (Laotse) beherrscht wird.

Die Spirituelle Kosmologie des Daoismus

Das Konzept von Yin und Yang, bildet in den acht, aus ihnen zusammengesetzten Trigrammen, den daraus kombinierten 64 Hexagrammen des I-Ging und den fünf daoistischen Elementen, die Grundlage daoistischer Kosmologie. Gemeinsam entstehen daraus die unendlich mannigfaltigen Erscheinungen des Kosmos.

Sie stehen für die vervielfältigen Prinzipien jener Ureinheit, deren Wurzeln im Konzept des Dao wurzeln. Andererseits aber helfen die hier angedeuteten 64 Wandlungsstufen des I-Ging, dem Sucher dabei Wege zu finden, die ihn zu dieser Ureinheit (zurück)führen und damit sein Leben, ihm zugute neu zu ordnen. So existiert etwa die Divination mit den 64 Hexagrammen, die einem Frager wichtige Anhaltspunkte liefern können. Gleichzeitig aber ist das I-Ging auch ein Sammlung von Weisheitssprüchen.

Auch Alchemie galt den weisen Daoisten als Weg. Wie ihrerseits die Alchemisten im Westen, suchten auch die Daoisten nach dem geheimnisvollen Stein der Weisen - dem Elixier des Lebens. Mit Hilfe dieser geheimnisvollen Substanz, konnten sie in die kosmische Konfiguration des absoluten Dao eingreifen, Metalle in Gold umwandeln, Kranke heilen und selbst das Leben eines Menschen beliebig verlängern.

Mensch und Kosmos

Immer ging es den Daoisten um die Erfahrung der kosmischen Einheit und Harmonie aller Dinge, in die das Leben des Menschen gebettet ist. Und so wie der Mensch als lebendiges Wesen, Teil der universalen Ordnung ist, so kann er sich auch als Individuum, als Teil der Gesellschaft erkennen. Daher der Wunsch der Daoisten, das Selbst zu kultivieren.

Weniger aber wird im Daoismus menschliche Perfektion angestrebt, noch versuchten die alten Weisen Anleitungen zu liefern, wie ein Mensch sich selbst zu einem "vollkommenen Wesen" entwickeln soll. Vielmehr geht es darum, den Sucher auf seinem Weg darüber aufzuklären, welche Hindernisse sich ergeben können und was er aus dem Weg räumen muss, damit eben jene Verwirklichung des Selbst erfolgen kann.

Insbesondere das Ablassen vom Wollen, das Bedürfnis aufzulösen, etwas durch bestimme Handlungen erreichen zu wünschen, gilt den Anhängern des Dao als höchst erstrebenswert. Man enthält sich einem gegen die Natur gerichteten Handeln, was man im Dao das Wu Wei nennt: das Nicht-Tun. Dieser Begriff gründet auf der Anschauung, dass alles aus dem Dao fließt und damit bereits die Ordnung und Wandlung aller Dinge bewirkt ist. Es wäre also nicht weise, in das Walten jenes kosmischen Urprinzips einzugreifen. Eigentlich aber ist es das, woran die meisten Menschen leider interessiert sind: die Welt nach ihren egoistischen Ambitionen zu gestalten. Für das Dao aber, ist solches Handeln ganz und gar unsinnig. Tun und Lassen sollen gemäß dem Wu Wei, nur spontan und damit natürlich erfolgen.

Nicht-Tun bedeutet, das Notwendige mühelos zu tun, ohne Übereifer, ohne irgend eine Form des Aktionismus. Vielleicht ließe sich Wu Wei auch deuten, als ein Zustand innerer Stille, aus dem man zur richtigen Zeit, richtige Handlungen vollzieht, ganz ohne die Anstrengung des Willens.

Was man unter Wu Wei versteht, lässt sich mit der Wirkung des Wassers vergleichen: bei seinem Lauf über Steine, fließt es um die Felsen herum und wirkt nicht in mechanischer, geradliniger Form. Wasser fließt, durch ein in ihm vorhandenes, inneres Gespür für den natürlichen Rhythmus in der Welt.

Ohne aus dem Haus zu gehen
kannst du die Welt erkennen
Ohne aus dem Fenster zu sehen
kannst du den rechten Weg erkennen
Je weiter deine Reise dich fortführt
desto geringer deine Erkenntnis
Darum der Weise:
erkennt ohne zu reisen
versteht ohne zu sehen
vollendet ohne zu handeln

- Daodejing, Kapitel 47

Wu Wei wird erreicht, indem man mit dem wahren Wesen der Natur harmonisch zusammenarbeitet und sich an die natürliche Ordnung der Dinge hält. Man geht damit nach dem Prinzip des geringsten Widerstandes vor. Auf höchster Stufe praktiziert Wu Wei, wer sein Handeln als Reflexion auf Ereignisse ausübt - doch auf unerklärliche und unsichtbare Weise, auf sie Einfluss nimmt.

Wer täglich nach neuem Wissen strebt, vermehrt.
Wer Dao praktiziert, vermindert.
Stets einfacher und einfacher - bis das Nicht-Tun erreicht ist.
Man tut nicht, doch es gibt nichts Ungetanes.
Im Nicht-Tun hat man die Welt gewonnen.
Im Tun jedoch, wird man die Welt verlieren.

- Daodejing, Kapitel 48

Das Wort "Tun" erscheint hiermit nun also als recht zweideutiger Begriff. Vor dem Hintergrund des eben Gesagten, geht es um eine Praxis, die in einem Weltbereich ausgeübt wird, den der Daoist transzendiert. Damit verhilft er dem Kern seines wahren Seins zur Geburt und bringt in sich den "kosmischen Embryo" zur Welt. Das damit angedeutete Sinnbild, für den daoistischen Eingeweihten allerdings eine ganz und gar reale Erscheinung, steht für sich: jenseits aller Körperlichkeit, jenseits aller Emotionen und Gedanken. Es bildet den Ursprung, aus dem sich jene fließenden Handlungen im kosmischen Weltenlauf ergeben, an der der Mensch in seiner irdischen Existenz aktiv teilnimmt.

Vom Wesen der geheimnisvollen Zinnoberfelder

So wie dem himmlischen Blick, Sonne, Mond und Gestirne in ihrer kreisläufigen Bewegung um den Nordpolarstern erscheinen, so zirkuliert im menschlichen Körper der Blutkreislauf um das Herz. Darum heißt es im Dao über das Herz, es sei das Zentrum im Menschen. Die kosmische Dreiheit von Sonne, Mond und Sternen, findet sich auch im Menschen, als Geist, Atem und körperliche Wesensessenz. Diese Dreiheit konzentriert sich in den drei energetischen Kraftzentren von Kopf, Herz und Bauch. Im Dao nennt man sie die "Zinnoberfelder". Zugegebenermaßen eine recht ungewöhnliche Betitelung, die aber auf dem Geheimwissen chinesischer Alchemie gründet.

In der Chemie ist Zinnober bekannt als rotes Quecksilbersulfid-Mineral, das man insbesondere in vulkanischen Gegenden findet. Dieses Mineral galt den alten Alchemisten als jener sagenhafte Stoff, der auch bekannt ist unter dem berüchtigten Namen des "Steins der Weisen". Mit anderen Worten: aus dem kristallinen Zinnober versuchten Alchemisten die Transmutation auf Gold.

In der inneren Alchemie des Daoismus, galt Zinnober als Ausgangssubstanz, bei der Bereitung des Lebenselixiers. Zinnober nennt man darum in der Traditionellen Chinesischen Medizin auch den König der Umwandlungen. Er wurde (und wird wohl auch) noch bis in jüngste Zeit, in homöopathsicher Dosis, pflanzlichen Präparaten zugesetzt.

Das man in China das Symbol der Zinnoberfelder entwickelte, hat einen Grund: die Form, wie das Mineral in Felsen gediegen vorkommt, ähnelt der Vorstellung energetischer Zentren im menschlichen Körper. Außerdem verwendet man im Chinesischen das Wort "Dan", das sowohl Zinnober als auch (Lebens)Elixier bedeutet. Seit jeher ist das Zinnoberrot eine Farbe, die auch im Kontext von Weisheit und Unsterblichkeit verwendet wird. So wird etwa der Buddha Amitabha in Illustrationen stets in roter Farbe dargestellt.

Besonders die Farbe geronnenen Blutes erinnert an das Aussehen jenes Zinnobers, der einerseits Mineral andererseits jener Stein der Weisen ist, aus dem man das Elixier des Lebens darstellt.

Drei Kraftzentren im Menschen

Jenes "Dan", von dem eben die Rede war - "das Elixier" - gilt als feinstoffliche Substanz, durch die im Körper Energie gespeichert werden kann. In drei sogenannten Feldern, den "Tian", sammelt sich dieses energetische Elixier im Körper. Darum spricht man im Daoismus auch von den "Elixierfelder" beziehungsweise eben von den "Zinnoberfeldern": den Dantian. Laut daoistischer Alchemie, können darin Umwandlungen von Energie und Stoff, sowie die Verwandlung unedler in edle Substanzen erfolgen.

Es gibt drei Dantian, die die kosmische Lebenskraft Qi speichern. Diesen Speichervorgang, versuchen Daoisten durch besondere Meditationsübungen, auch für ihren Körper zu praktizieren. Wir gehen darauf später noch einmal genauer ein.

Die Dantian ähneln dem spirituellen Konzept der Chakras im Vedanta. Auch in den Chakras bündeln sich besondere Kräfte. Doch es gibt einen Hauptunterschied: die Chakras werden eher als energetische, farbige Lichtwirbel gedacht, während man sich die daoistischen Dantian als Energispeicher vorstellt. Man könnte aber sagen, dass die Chakras, als Kanäle des Energieaustauschs, mit den drei Dantian als Energiespeicher, im Ätherleib des Menschen zusammenwirken.

Die Wirkweise der drei Dantian, gestaltet sich folgendermaßen:

  • Das obere Dantian sitzt im Zentrum der Stirn. Es bildet den Energiespeicher des Gehirns, sowie der Sinnesorgane. Vom Zustand des oberen Dantian, hängen außerdem psychische Vorgänge ab, wie Denkprozesse und Konzentration.
  • Das mittlere Dantian sitzt zwischen den beiden Brusthälften, auf Höhe des physischen Herzens. Hier werden die Kräfte gespeichert, die benötigt werden für die Zirkulation von Blut und der Lebenskraft Qi.
  • Das untere Dantian befindet sich im Unterleib, zwischen Nabel und Schambein. Hieraus kommt die Energie, die in Verdauungsprozesse involviert wird und auch in die Vorgänge bei der Fortpflanzung. Es ist gewissermaßen der Erdungspunkt, der uns Sicherheit und Harmonie vermittelt.

In Laotses Lehre, ist insbesondere das untere Dantian von Bedeutung. Es gilt als wichtigstes Speicherzentrum von Qi im Körper und ist damit der energetische Schwerpunkt des Körpers. Von diesem Körperzentrum, spricht man in der spirituellen Praxis des Tai Chi und Qigong, als Basis für Körperbewusstsein, den festen Stand und die tiefe Bauchatmung. Letzteres Konzept ist identisch mit der japanischen Vorstellung des "Hara" - dem Bauch, als physisch-körperliches Zentrum der irdischen Schwerkraft im Menschen.

Auf den Menschen übertragen, manifestiert sich die Kraft des unteren Dantian im Sperma des Mannes, wie im Menstrualblut der Frau: den Reproduktionssubstanzen des Menschen.

Die unsterbliche Seele des daoistischen Adepten - ewigeweisheit.de

Die unsterbliche Seele des daoistischen Adepten: hier symbolisiert durch einen Zinnober, die der Eingeweihte vor seinem unteren Dantian hält.

Innere Alchemie im Daoismus

Ältere Schriften des Daoismus, sprechen über die drei Dantian-Kraftzentren, als Orte im Menschen, worin Götter residieren. Die Adepten visualisieren sich diese erhabenen Entitäten in ihren Meditationen, als spirituelle Erscheinungen im oberen, mittleren und unteren Dantian. Diese spirituelle Praxis nennt man im Daoismus Neidan: innere Alchemie. Im Gegensatz zur äußeren Alchemie - dem Waidan - geht es hier nicht um die Herstellung eines besonderen Stoffes im Labor. Vielmehr dreht sich die innere Alchemie um besondere Techniken, die den Meditierenden zur Erleuchtung führen sollen. Statt also das alchemistische Sonnenmetall Gold in der Retorte zu züchten, wird die mystische innere Sonne, in der Seele zum Strahlen gebracht.

Ziel innerer Alchemie, ist die Geburt des oben erwähnten, sogenannten "kosmischen Embryos" - dem Shengtai. Er wird als reiner Körper, innerhalb des physischen Körpers visualisiert. Der Körper des Eingeweihten entspricht der Retorte oder dem Kessel des äußeren Alchemisten. Darin verdichten sich diese drei Lebenssubstanzen zum kosmischen Urwesen des Shengtai:

  • Jing, die Essenz,
  • Qi, die Lebensenergie, und
  • Shen, der Geist.

In einem mystischen Prozess, werden sie im Körper geborgen, umgewälzt und zurückgeführt, bis sich der Geist Shen im Körper zum Heiligen Embryo "verdichtet" hat. Dieser spirituelle Embryo muss sodann genährt werden, bis er sich ausdehnt und sich in eine Einheit mit dem Körper des Übenden erwächst.

Zweck dieser Praxis ist in die Transzendenz einzugehen und "Unsterblichkeit" zu erlangen. Was hier Unsterblichkeit meint, ist jedoch ein Zustand, der nur von überlegenen Wesen erreicht wurde - mit Sicherheit jedoch von Laotse. Es ist aber vor Allem der Wunsch, das eigene Sein zu transformieren und damit im wörtlichen Sinne, sich über die Form des eigenen Körpers hinauszubewegen.

Daoistische Praxis der Dantian-Meditation

Wer meditiert, so die Daoisten, hält im Körper den Fluss des Lebensatems Qi aufrecht. Das soll außerdem gewährleisten, dass sich jene Gottwesenheiten, von denen oben die Rede war, weiterhin in den Dantian aufhalten.

Qi ist die Nahrung der Götter, die gewiss identisch ist mit dem Amrita der Inder, dem Haoma der Perser oder der Ambrosia der Griechen. So kann sich der Meditierende auf ein langes und gesundes Leben vorbereiten. Nur aber solange die Qi-Kraft im Fluss ist, halten sich die Götter in den Dantian auf. Wird der Kraftstrom unterbrochen, fliehen sie aus dem Körper und an ihrer Stelle machen sich in den Dantian die "Geister" von Krankheit breit, was sogar zu frühem Tod führen kann.

Die Dantian lassen sich jedoch über den Atem energetisieren. Darum wollen wir unseren Ausführungen über das Dao, eine praktische Übung anschließen: eine Meditation über die drei Dantian. Hierbei wird durch Konzentration auf Atem und das Dantian, der natürliche Kreislauf von Qi und Blut im Körper angeregt und dabei diese drei spirituellen Zentren aktiviert.

(Zur Vorbereitung: um ihre Atemzüge zu zählen, eignet sich eine Gebetskette mit Perlen.)

Schließen Sie ihre Augen und senken sie Ihre Wahrnehmung allmählich in den Bereich des unteren Dantian (Unterleib). Atmen sie in diese Gegend fünf tiefe Atemzüge.

Nun atmen sie in das untere Dantian, während sie sich vorstellen, wie sie dabei neue Qi-Enerie von Außen in sich aufnehmen. Mit dem Ausatmen strahlen sie diese Kraft aus, so dass sie sich um sie herum verteilt, den Raum erfüllt, in dem sie sitzen und selbst die äußersten Grenzen unserer Erde durchdringt. Wiederholen Sie diese Praxi zwölf mal (oder öfter).

Nun atmen sie in das mittlere Dantian und wiederholen diese Übung erneut zwölf mal.

Nun atmen sie in das untere Dantian und wiederholen diese Übung erneut zwölf mal.

Nachdem sie diese meditative Atemphase abgeschlossen haben, visualisieren Sie beim Atmen, wie sich mit jedem Ausatmen Qi im unteren Dantian ansammelt. Wiederholen diese Übung erneut zwölf mal.

Nun öffnen Sie langsam ihre Augen. Reiben Sie Ihre Handflächen, bis sie warm werden - spüren nach.

Den spirituellen Wesenskern formen

Meditation ist eine praktische Methode, die Wahrheiten des Dao zu erfahren. Wie auch in anderen Geheimtraditionen, geht es auch hier um die, aus besonderen Erlebnissen gewonnene Erkenntnis, die eigentlich nicht, nur durch Text und Wort vermittelt werden kann. Das unterstreicht, wieso es eigentlich unmöglich ist, den Begriff Dao durch Worte zu beschreiben. Das Dao ist etwas das man erfahren muss. Und genau nach dieser Erfahrung streben die Anhänger des Daoismus - durch Meditation und die Praxis innerer und äußerer Alchemie.

Besonders die 64 Symbole des I-Ging, deuten als Hinweise auf Erfahrungen, die ein jeder Mensch in seinem Leben macht, zumindest aber machen kann. Allerdings ist es eben die Fähigkeit eines Menschen, sich dem kosmischen Fluss - im Kleinen, wie auch im Großen - hingeben zu können.

Statt auf die Ereignisse im Leben zu reagieren, wird durch die Haltung des Wu Wei, des Nicht-Tuns, ihre wahre Ursache erkannt. Dem entsprechend versucht der Daoist sein Handeln auf die Ereignisse im Leben abzustimmen. Jene Energie des kosmischen Flusses aber, das Qi der Daoisten, wird dabei die drei Dantian mit Kraft erfüllen.

Nur wer nichts erwartet, der wird auch bekommen und fähig sein, in sich die Qi-Kraft zu konzentrieren, damit es zur Gerinnung des zinnoberroten Elixiers kommt: dem Kern wahren Lebens.

 

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Autor und Mentor Selim Levent Oezkan - ewigeweisheit.de

Autor und Mentor

Sieh in allen Dingen nur eines, denn das Zweite führt dich in die Irre.

- Kabir

Unsere Seele ist im Wesentlichen etwas, das mit der Wirklichkeit des Göttlichen identisch ist. Eine Bestimmung des menschlichen Lebens dabei mag sein, dies auch zu erkennen und zu würdigen. Alles was in dieser Welt und in der unsichtbaren, jenseitigen Welt existiert, besitzt ein Zentrum und ist doch zugleich grenzenlos. Gott transzendiert alles Menschsein und ist ihm doch immanent.

Je mehr Er in den Dingen ist, desto mehr ist Er außerhalb von ihnen; je mehr Er im Inneren ist, desto mehr ist Er draußen.

- Meister Eckhart

Immer wieder ließe sich über solch anscheinenden Widerspruch nachdenken. Wie nämlich kann etwas das Sein überflügeln und zugleich in ihm lebendig sein? Nach dem Verständnis der Sophia Perennis liegt der Grund für diese Paradoxie allein am Urteil und dem Wunsch des Menschen zu unterscheiden.

Das Studium der Sophia Perennis kann ganz gleich aus welcher Richtung begonnen werden. Manche finden zur Sophia Perennis über die praktischen Wege, über Moralvorstellungen wie sie uns etwa Bibel, Koran oder auch die Veden liefern. Das ist der Zugang der sich dem Suchenden von oben her öffnet - der vordergründige und oberflächliche Weg. Der Zugang "von unten" ist der Weg der Philosophen. Das sind jene, die dazu berufen sind über Gott, den Menschen und die Welt nachzusinnen. Den mittleren Weg gehen nur die Mystiker. Es ist der Weg, der den Suchenden zur wahren Erkenntnis der Ewigen Weisheit führt.

Sufis, Kabbalisten, Rosenkreuzer, die Yogis des Vedanta, die Sant (indische Heilige), die Zen-Buddhisten und viele andere Geistesschulen, üben sich in kontemplativer Praxis, um ihre Aufmerksamkeit auf den Kernpunkt ihres wahren Selbst zu richten. Es geht ihnen nicht nur um das wissenschaftliche, psychologische Verstehen des Ich, sondern um die Erkenntnis des ewigen Selbst, das ein Teil des göttlichen Urgrunds, ja mit ihm sogar identisch ist.

Diese Suche nach Selbsterkenntis in der Sophia Perennis, kommt am treffendsten mit dem Satz "Das bist Du" zum Ausdruck - auf Sanskrit "tat twam asi".
Das ewige, immanente Selbst des Menschen, das im Sanskrit als Atman bezeichnet wird, ist eins mit dem Brahman, dem göttlichen Selbst. Diese geheime Tatsache zu entdecken, ist wohl eine Bestimmung aller Mystiker.

Die Erkenntis wer der Mensch und was das Selbst eigentlich ist, erübrigt alle Dogmen, moralische Regelwerke und Gebote. Denn derjenige der weiß, dass sein Wesenskern ebenso ein Teil der universalen Einheit des Göttlichen ist, für den wäre es absurd zu glauben, dass er getrennt von seinem Nächsten sei.
Er erkennt in allen Dingen jenes übernatürliche Wesen, das mit seiner großen, unbeschreiblichen transzendenten Mächtigkeit alles durchdringt.

Über das Empfangen der Geheimlehren

Moses empfing die Tora am Sinai und übergab sie Joshua, Joshua den Ältesten, die Ältesten den Propheten, und die Propheten übergaben sie den Männern der großen Versammlung

- Aus der Mischna, Sprüche der Väter

In den Geheimlehren des Westens, steht das Wort Kabbala (קבל) für dieses »Empfangen«. Es ist die älteste philosophische Schulrichtung der Buchreligionen des Westens.

Vedanta (वेदान्त) ist ein Wort im Sanskrit und bezeichnet die bekannteste Schulrichtung der indischen Philosophie. Wörtlich übersetzt bedeutet es »Erweiterung zum Wissen« und bildet ein Appendix zu den heiligen Veden (von sanskr. »Veda«, Wissen). Es handelt sich dabei um geheimwissenschaftliche Abhandlungen, deren Texte die Belehrungen eines religiösen Meisters, eines Gurus schildern.

In beiden philosophisch-religiösen Schulen, der Kabbala im Westen und dem Vedanta im Osten, wurzeln die Weisheiten des Judentums, Christentums, des Islams, des Hinduismus und auch des Buddhismus. Kabbala und Vedanta verweisen auf einen weiten Bedeutungshorizont, aus dem, für einen Eingeweihten, geheime und mystische Überlieferungen aufsteigen. In eigentlich allen geheimwissenschaftlichen Schulrichtungen finden wir viele Berührungspunkte zwischen diesen beiden Urtraditionen, aus denen sich durchaus ableiten ließe, dass eigentlich allen Religionen, Philosophien und spirituellen Traditionen, ganz wesentliche Gemeinsamkeiten zu Grunde liegen.

Menschen in der Tradition der Sophia Perennis wissen, dass es unzählige Analogien religiös-esoterischer Überlieferungen der Kulturen in West und Ost gibt. Sie versuchen die in allen Traditionen unseres Globus existierende ewige, innere Weisheit zu betonen, die sich als kulturelle Urtradition bis in unsere heutige Zeit hinein erhalten hat und auch in Zukunft fortbesteht. Die Sophia Perennis fasst in sich die unveränderlichen Wahrheiten, Formen und Prinzipien zusammen, die wir in Philosophie, Religion, Mystik und Metaphysik als universale Weisheitsdoktrin finden.

Von solch absoluter Wahrhaftigkeit erfüllt ist es Agia Sophias Glück, sich an allen spirituell-esoterischen Weisheiten zu erfreuen, seien sie aus dem Christentum, Islam oder Judentum, Hinduismus, Sikhismus, Taoismus, Konfuzianismus, Buddhismus, Paganismus, Druidentum oder Schamanismus. Die Ewige Weisheit gleicht, sinnbildlich gesprochen, der Süße jener Äpfel, die auf den mythischen Bäumen aller spirituellen Weisheiten reiften, und uns bis heute in den Kulturen der Menschheit erhalten geblieben sind. Agia Sophia führt uns in diesen heiligen Apfelhain und will dort ihre Früchte mit uns teilen.

Wie Anfangs angedeutet geht wahre Spiritualität aus von einem gleichzeitig immanenten und transzendenten Geist. Indem sich der Mensch auf eine innere Suche begibt, gelangt er durch diesen Geist auf den Pfad zur Freiheit, der aus der Dualität der Gegensätze in die Einheit (zurück)führt. Auf diese Weise kann das Individuum diesen ewigen Geist (Gott, Brahman, Tao, Allah, Elohim, Manitu, usw.) in seinem Innern empfinden und sich allmählich aus den Verstrickungen des Leids befreien. So wird einer zu einem mitfühlenden Menschen, der zum Wohle aller Lebewesen auf unserem Planeten Erde denkt, spricht und handelt.

Wu Xing: Die fünf Elemente des Dao...

 

Wie im Westen, gibt es in der fernöstlichen Weisheitstradition die Lehre von der Beschaffenheit der Welt.

Anders als im Westen, haben die Daoisten fünf Elemente, die sie als die fünf Wandlungsphasen der Natur bezeichnen: 五行 "Wu Xing" - "fünf". Darin werden die Gesetzmäßigkeiten und dynamische Prozesse im Bereich des Lebendigen untersucht. Die Fünf-Elemente-Lehre findet sich in der chinesischen Philosophie, im Feng-Shui, Qi-Gong, sowie in der Traditionellen Chinesischen Medizin.

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